102 Ia 211
34. Urteil vom 23. Juni 1976 i.S. Adams gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und Strafgerichtspräsident des Kantons Basel-Stadt.
Regeste (de):
- Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- Ist die geschlossene Durchführung der Hauptverhandlung zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen geboten, so verletzt der Ausschluss der Öffentlichkeit Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
Regeste (fr):
- Art. 4 Cst.; publicité des débats en procédure pénale.
- Si le huis-clos s'impose lors des débats pour assurer la protection de secrets d'affaires, l'exclusion de la publicité des débats ne viole pas l'art. 4 Cst., même pas lorsqu'un tel cas d'exclusion n'est pas prévu par le droit cantonal de procédure. Le déroulement public d'une procédure pénale dans laquelle l'accusé s'entend reprocher d'avoir trahi des secrets d'affaires peut être à juste titre qualifié de contradictoire et d'incompatible avec le droit fédéral.
Regesto (it):
- Art. 4 Cost.; pubblicità del dibattimento nella procedura penale.
- Ove s'imponga per garantire la protezione di segreti d'affari, l'esclusione della pubblicità del dibattimento non viola l'art. 4 Cost., e ciò neppure se essa non sia prevista dal diritto cantonale di procedura. Lo svolgimento pubblico di una procedura penale in cui l'imputato sia accusato d'aver rivelato segreti d'affari può essere ritenuto con serie ragioni contraddittorio ed incompatibile con il diritto federale.
Sachverhalt ab Seite 212
BGE 102 Ia 211 S. 212
Gegen Stanley George Adams wurde von der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt Anklage erhoben wegen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes (Art. 273
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 273 - Wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis auskundschaftet, um es einer fremden amtlichen Stelle oder einer ausländischen Organisation oder privaten Unternehmung oder ihren Agenten zugänglich zu machen, |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 162 - Wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis, das er infolge einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht bewahren sollte, verrät, |
3. Die Verhandlung wird geschlossen durchgeführt werden.
4. ..."
Die Verfügung enthält keine Begründung.
In der staatsrechtlichen Beschwerde von Stanley George Adams wird gerügt, Ziff. 3 der Verfügung des Strafgerichtspräsidenten verletze Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert. |
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1 | Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert. |
2 | Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen. |
3 | Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18 |
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IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
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a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
BGE 102 Ia 211 S. 213
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 89 Abs. 1
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IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
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a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 58 Armee - 1 Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert. |
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1 | Die Schweiz hat eine Armee. Diese ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert. |
2 | Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen. |
3 | Der Einsatz der Armee ist Sache des Bundes.18 |
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IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
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a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
2. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 102 Ia 211 S. 214
auch die hier zu beurteilende zählt - ist kein eigentliches Rechtsmittel vorgesehen. § 159 Abs. 1 StPO bestimmt jedoch, dass die Parteien beim Präsidenten Anträge auf Ergänzung der Beweisliste stellen und dass sie Anträge, die vom Präsidenten abgelehnt worden sind, in der Hauptverhandlung wiederholen können (§ 159 Abs. 2 StPO). Dazu müssen sie auch dann befugt sein, wenn der Präsident gestützt auf § 153 Abs. 1 StPO die geschlossene Durchführung der Hauptverhandlung verfügt hat, bestimmt doch § 167 Abs. 2 StPO, dass das Gericht die Öffentlichkeit beschränkt, sofern einer der in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausschlussgründe gegeben ist. Weil § 167 Abs. 2 StPO den Entscheid über einen allfälligen Ausschluss der Öffentlichkeit in die Hand des Gerichts selber legt (vgl. auch § 46 Abs. 3 GOG: "... kann die Kammer..."), muss sogar gefolgert werden, dass das Gericht von Amtes wegen und nicht nur auf Antrag einer Partei hin nochmals über den vom Präsidenten aufgrund von § 153 Abs. 1 StPO verfügten Ausschluss der Öffentlichkeit zu entscheiden hat. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Verfügung des Präsidenten nicht lediglich den Ausschluss der Öffentlichkeit für die Verhandlung über eben diese Frage betrifft. Soweit demgegenüber eine auf § 153 Abs. 1 StPO gestützte Verfügung des Präsidenten die Öffentlichkeit einzig für die Verhandlung über die genannte Vorfrage ausschliesst, kann sie als letztinstanzlich bezeichnet werden. Die angefochtene Verfügung bezieht sich auf die gesamte Hauptverhandlung. Soweit sie mehr als nur die Verhandlung über die Vorfrage betrifft, muss sie zwingend von einem Entscheid der Kammer bestätigt werden. Insoweit liegt daher kein letztinstanzlicher Entscheid vor (vgl. BGE 94 I 371 E. 4; BGE 100 Ia 426 f.). b) Die angefochtene Verfügung ist kein End- sondern ein blosser Zwischenentscheid. Soweit sie den Ausschluss der Öffentlichkeit für die Verhandlung über die Vorfrage betrifft, hat sie für den Beschwerdeführer einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge.
3. Ob sich aus § 153 Abs. 1 StPO die Befugnis des Strafgerichtspräsidenten ergibt, im Sinne einer vorbereitenden Anordnung und unter Vorbehalt des späteren Entscheides der Kammer die geschlossene Durchführung der ganzen Hauptverhandlung anzuordnen, braucht nicht beurteilt zu werden,
BGE 102 Ia 211 S. 215
da auf die Beschwerde insoweit nicht einzutreten ist. Auf jeden Fall aber lässt sich aus § 153 Abs. 1 StPO ohne Willkür die Kompetenz des Strafgerichtspräsidenten entnehmen, den Ausschluss der Öffentlichkeit für die Verhandlung über diese Vorfrage zu verfügen. Zur Frage des Ausschlusses der Öffentlichkeit kann plädiert werden. Es müssen bereits in diesem Verfahrensstadium die Tatsachen zur Sprache kommen, die möglicherweise Grund für die nicht öffentliche Durchführung der Hauptverhandlung sind. Die Akten des Ermittlungs- und des Überweisungsverfahrens werden den Richtern vor der Hauptverhandlung nicht zur Kenntnis gebracht (§ 168 Abs. 2 StPO). Die Kammer kann aus diesem Grunde nicht beurteilen, ob ein Ausschluss der Öffentlichkeit schon für die Verhandlung über die Vorfrage erforderlich und gerechtfertigt ist. Die hier in Frage stehende Befugnis des Strafgerichtspräsidenten müsste daher auch bei einer freien Prüfung bejaht werden. Seine Verfügung ist jedoch sinngemäss an die gleichen Voraussetzungen gebunden, die für den Ausschluss der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung insgesamt gelten.
4. Ein Verstoss gegen Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
5. § 46 des Gesetzes vom 27. Juni 1895 betreffend Wahl und Organisation der Gerichte (GOG) bestimmt in den Abs. 1 und 3: "Die Verhandlungen der Parteien vor Gericht geschehen öffentlich, mündlich und in deutscher Sprache. ...
Mit Ausschluss der Öffentlichkeit werden verhandelt die Scheidungs-, Ehenichtigkeits-, Verlöbnisbruch- und Vaterschaftsprozesse, ferner die Geschäfte der Überweisungsbehörde; in andern Prozessen kann die Kammer den Ausschluss der Öffentlichkeit im Interesse der Sittlichkeit oder aus andern wichtigen Gründen beschliessen."
BGE 102 Ia 211 S. 216
§ 167 der Strafprozessordnung vom 15. Oktober 1931 lautet demgegenüber: "Die Hauptverhandlung ist öffentlich. Das Gericht schliesst jedoch von sich aus oder auf Antrag der Parteien die Öffentlichkeit für die ganze Verhandlung oder für einzelne Teile aus oder beschränkt sie, wenn zu befürchten ist, dass bei öffentlicher Verhandlung die Sicherheit des Staates oder die Sittlichkeit gefährdet oder die Kenntnis verbrecherischer Praktiken verbreitet werden könnte." Durch die neue Strafprozessordnung vom 15. Oktober 1931 wurde in § 46 Abs. 3 GOG (damals § 41 Abs. 3) der Zusatz "ferner die Geschäfte der Überweisungsbehörde" eingefügt. Im übrigen blieb die Bestimmung unverändert. Insbesondere wurde sie durch die neue Strafprozessordnung nicht formell aufgehoben. § 46 Abs. 3 GOG wurde durch die Revision der Strafprozessordnung aber auch nicht materiell ausser Kraft gesetzt. Dies hat seinen Grund darin, dass die Bestimmung nicht nur für den Strafprozess, sondern auch für die Verhandlungen vor den Zivilgerichten von Bedeutung ist. Für jenes Verfahren ist § 46 Abs. 3 GOG die allein massgebende Norm, weil die baslerische Zivilprozessordnung vom 8. Februar 1875 noch vor dem GOG erlassen wurde und über die Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen keine eigene Bestimmung enthält. Es fragt sich jedoch, ob § 46 Abs. 3 Satz 2 GOG auf die Hauptverhandlung im Strafverfahren Anwendung finden kann, oder ob sich allein aufgrund von § 167 StPO beurteilt, wann in diesem Fall die Öffentlichkeit auszuschliessen ist. Für die zweite Annahme spricht, dass § 167 StPO die spätere und speziellere Bestimmung ist. Wollte man für die Hauptverhandlung im Strafprozess auch auf § 46 Abs. 3 GOG abstellen, so würde § 167 StPO wegen der in jener Norm enthaltenen Generalklausel praktisch leerlaufen. Dies scheint kaum der Sinn der neueren Bestimmung zu sein, die im Vergleich zur entsprechenden Vorschrift der alten Strafprozessordnung wesentlich geändert und präzisiert wurde. § 77 Abs. 1 der Strafprozessordnung vom 5. Mai 1862 sah vor: "Die Hauptverhandlung vor Gericht ist mündlich und öffentlich; das Gericht soll jedoch die Öffentlichkeit ausschliessen oder beschränken, wenn die Verhandlungen Ärgernis erregender Art sind oder wenn Ruhestörungen zu besorgen sind." Ob die Annahme, § 46 Abs. 3 Satz 2 GOG finde auf die Hauptverhandlung im Strafprozess subsidiär Anwendung, mit sachlichen Gründen
BGE 102 Ia 211 S. 217
schlechterdings nicht vertretbar und deshalb mit Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
6. a) § 167 Abs. 2 StPO sieht den Ausschluss der Öffentlichkeit unter drei alternativen Voraussetzungen vor; wenn zu befürchten ist, dass bei öffentlicher Verhandlung die Sicherheit des Staates oder die Sittlichkeit gefährdet oder die Kenntnis verbrecherischer Praktiken verbreitet würde. Von diesen Ausschlussgründen fallen die beiden zuletzt genannten, wie das auch der Strafgerichtspräsident angenommen hat, zum vorneherein ausser Betracht. Die angefochtene Verfügung kann nach dem Wortlaut der Vorschrift aber auch nicht auf den ersten Grund, die Gefährdung der Sicherheit des Staates gestützt werden. Diese gebietet den Ausschluss der Öffentlichkeit vorab dann, wenn militärische oder diplomatische Geheimnisse den Verhandlungsgegenstand bilden. Eine Gefährdung der Sicherheit des Staates kann auch in Verfahren wegen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes vorliegen. Dass unter diesem eng gefassten Ausschlussgrund jedoch allgemein die Gefährdung staatlicher Interessen und unter diesen insbesondere der Schutz der Staatsangehörigen als Individuen verstanden werden solle, lässt sich mit dem Wortlaut nicht in Einklang bringen. Der Ausschluss der Öffentlichkeit im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer bezweckt den Schutz von Geschäftsgeheimnissen der Firma Roche und damit zugleich der Interessen der schweizerischen Volkswirtschaft (BGE 98 IV 210 E. 1b). Von einer Gefährdung der staatlichen Sicherheit durch eine Veröffentlichung der hier in Frage stehenden Geheimnisse kann jedoch nicht gesprochen werden. Der Ausschluss der Öffentlichkeit wegen der Beeinträchtigung geschäftlicher Geheimnisse vermag sich daher nicht auf den Wortlaut von § 167 Abs. 2 StPO zu stützen. b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann die rechtsanwendende Behörde ohne Verletzung von Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 102 Ia 211 S. 218
Im vorliegenden Fall sind aus der Entstehungsgeschichte von § 167 StPO keine hinreichende Gründe für ein Abweichen vom Gesetzeswortlaut ersichtlich. Doch ergeben sich solche aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift sowie aus dem Zusammenhang mit den Bestimmungen des materiellen Rechts, die den privat- und strafrechtlichen Schutz der Geschäftsgeheimnisse zum Gegenstand haben. Es ist mit dem Bundesrecht und mit der Funktion des Prozessrechts nicht vereinbar, wenn die Durchsetzung des materiellen Rechts zu einer Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter führt, die möglicherweise noch schwerer wiegt als die Verletzung durch die verfolgte strafbare Handlung selbst (vgl. auch GULDENER, Bundesprivatrecht und kantonales Zivilprozessrecht, ZSR 80/1961, Il S. 51; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, II. Supplement, S. 41). Hieran vermag auch der Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens nichts zu ändern. Dieses Prinzip bedeutet eine Absage an jede Form geheimer Kabinettsjustiz. Es soll durch die Kontrolle der Öffentlichkeit dem Angeschuldigten und allen übrigen am Prozess Beteiligten eine korrekte und gesetzmässige Behandlung gewährleisten. Der Öffentlichkeit soll darüberhinaus ermöglicht werden, Kenntnis davon zu erhalten, wie das Recht verwaltet und wie die Rechtspflege ausgeführt wird (vgl. SCHULTZ, Der Grundsatz der Öffentlichkeit im Strafprozess, SJZ 69/1973, S. 129 ff.). Die rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung dieses Grundsatzes verbietet einen Ausschluss der Öffentlichkeit dort, wo dies nicht durch überwiegende Gründe der staatlichen Sicherheit, öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit oder durch schutzwürdige Interessen Privater vordringlich gefordert wird. Wenn jedoch wie im vorliegenden Fall ein Strafverfahren die Frage zum Gegenstand hat, ob Geschäftsgeheimnisse verraten und ob sie einer fremden amtlichen Stelle oder einer ausländischen Organisation zugänglich gemacht wurden, so verstösst der Ausschluss der Öffentlichkeit nicht gegen Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 102 Ia 211 S. 219
7. Es liegen auch keine hinreichenden Gründe vor, die den Vorwurf rechtfertigen, der Strafgerichtspräsident habe willkürlich angenommen, die Durchführung der Hauptverhandlung hinter geschlossenen Türen und demzufolge auch die geschlossene Verhandlung über den entsprechenden Vorentscheid sei zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen geboten. Der Strafgerichtspräsident hat darauf abgestellt, dass die Firma Roche den "Management Informations", die in der Hauptverhandlung verlesen und darauf hin beurteilt werden müssen, ob sie Geschäftsgeheimnisse im Sinne der Art. 162
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 162 - Wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis, das er infolge einer gesetzlichen oder vertraglichen Pflicht bewahren sollte, verrät, |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 273 - Wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis auskundschaftet, um es einer fremden amtlichen Stelle oder einer ausländischen Organisation oder privaten Unternehmung oder ihren Agenten zugänglich zu machen, |
BGE 102 Ia 211 S. 220
Öffentlichkeit vorhanden, vom Gang des Strafprozesses im einzelnen Kenntnis zu nehmen. Es kann auf eine Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.