107 IV 35
12. Urteil des Kassationshofes vom 30. März 1981 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Obwalden gegen Dr. G. (Nichtigkeitsbeschwerde).
Regeste (de):
- Art. 181
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
- Fall eines Arbeitgebers, der einen Arbeitnehmer zur Einreichung der Kündigung und zum Verzicht auf die Angabe von Gründen für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu veranlassen sucht mit der Androhung, andernfalls werde kein Abschlusszeugnis ausgestellt. Die Verweigerung des Arbeitszeugnisses ist ein rechtswidriges Mittel und kann einen ernstlichen Nachteil darstellen.
Regeste (fr):
- Art. 181 CP. Tentative de contrainte.
- Cas d'un employeur qui tente d'amener son employé à résilier son contrat et à renoncer à l'indication des motifs de la rupture des liens contractuels, en le menaçant de ne pas lui donner de certificat de travail. Le refus de donner ce certificat est un moyen de pression illicite et peut représenter un dommage sérieux.
Regesto (it):
- Art. 181 CP. Tentativo di coazione.
- Caso di un datore di lavoro che tenta d'indurre un lavoratore a disdire il suo contratto e a rinunciare ad ottenere l'indicazione dei motivi dello scioglimento del rapporto di lavoro, minacciandolo di non rilasciargli l'attestato di lavoro. Il rifiuto di tale rilascio è un mezzo di pressione illecito e può costituire un grave danno.
Sachverhalt ab Seite 36
BGE 107 IV 35 S. 36
A.- Die deutschen Staatsangehörigen Horst und Ella E. waren seit Sommer 1978 (1. Juni bzw. 1. September 1978) beim Spital X. als Anästhesiepfleger angestellt. Der damals interimistisch als Chirurg am Spital tätige Dr. G. richtete am 2. Februar 1979 an das Ehepaar E. folgendes Schreiben: "Die Zusammenarbeit zwischen Ihnen, dem Unterzeichneten und Dr. H. ist aus verschiedenen Gründen unbefriedigend. Ich bin im Besitze von 3 Bewerbungen von Schweizerbürgern mit abgeschlossener Ausbildung. Ich bitte Sie deshalb, ungehend die Kündigung einzureichen. Dies ermöglicht mir, Ihnen ein Abschlusszeugnis auszustellen..." Am 6. Februar 1979 schrieb er dem Ehepaar E. einen zweiten Brief: "Besten Dank für Ihr Schreiben vom 5.2.1979. Ich bin gerne bereit, Ihnen die verschiedenen Gründen zu nennen, die die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und dem Unterzeichneten, sowie mit Herrn Dr. H. erschwert haben. Ich mache Sie jedoch darauf aufmerksam, dass ich Ihnen danach kein Abschlusszeugnis aushändigen kann. Ich bitte Sie, sich die Situation zu überlegen. Ich mache Sie ebenso darauf aufmerksam, dass in den nächsten Tagen die beiden ersten ernsthaften Bewerberinnen für eine Anästhesiestelle orientierungshalber einen Tag in diesem Spital verbringen werden. In Anbetracht dieser Situation sollte es klar sein, dass ich diesen beiden Bewerberinnen, sofern sie die fachlichen Qualitäten aufweisen, als Schweizerbürgerinnen den Vorrang geben würde. Ich bitte Sie deshalb, mir Ihre Entscheidung bis zum 15.2.1979 zukommen zu lassen. Sofern bis zu diesem Zeitpunkt Ihrerseits keine Entscheidung getroffen worden ist, werde ich mich veranlasst sehen, unter Angabe der Gründe durch Herrn Dr. Z. das Arbeitsverhältnis mit Ihnen
BGE 107 IV 35 S. 37
kündigen zu lassen..."
B.- Das Kantonsgericht Obwalden verurteilte Dr. G. am 7. Mai 1980 wegen vollendeten Nötigungsversuches zu einer Busse von Fr. 500.-. Das Obergericht hat die hiegegen eingereichte Appellation am 18. November 1980 gutgeheissen und Dr. G. von Schuld und Strafe freigesprochen.
C.- Die Staatsanwaltschaft Obwalden führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes des Kantons Obwalden vom 18. November 1980 sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.- Dr. G. stellt in seiner Vernehmlassung den Antrag, auf die Nichtigkeitsbeschwerde sei nicht einzutreten, sofern auf sie eingetreten werde, sei sie vollumfänglich abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. In der Vernehmlassung des Beschwerdegegners wird geltend gemacht, die Frage, ob die angedrohte Verweigerung eines Zeugnisses einen "ernstlichen Nachteil" im Sinne von Art. 181
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
Der Einwand, die in der Nichtigkeitsbeschwerde erhobene Rüge sei unzulässig, erweist sich somit nicht als stichhaltig. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist einzutreten.
2. Nach den für den Kassationshof verbindlichen Feststellungen des Obergerichts ist davon auszugehen, dass Dr. G. die Eheleute E. mit der Drohung, er werde ihnen sonst kein Arbeitszeugnis ausstellen, zu veranlassen suchte, selber zu kündigen und auf das Erfragen der Gründe für die von ihm verlangte Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu verzichten.
BGE 107 IV 35 S. 38
Soweit der Beschwerdegegner in seiner Vernehmlassung behauptet, seine Äusserungen seien dahin zu verstehen gewesen, dass er lediglich "kein gutes Zeugnis" ausstellen könne, setzt er sich in klaren Widerspruch zu den unmissverständlichen Feststellungen der Vorinstanz und deren Schlussfolgerung, dass Dr. G. in seinen Briefen die Möglichkeit, ein gutes Zeugnis auszustellen, in der gegebenen Situation von vornherein ausgeschlossen hat. Seine briefliche Drohung konnte - entsprechend ihrem Wortlaut - nur den Sinn haben, dass überhaupt kein Zeugnis ausgestellt werde. Die mit dieser Drohung verfolgten Ziele waren an sich nicht unerlaubt. Der Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer ersuchen, seinerseits die Kündigung einzureichen, indem er ihm z.B. in Aussicht stellt, sonst werde ihm (unter Wahrung der gesetzlichen bzw. vertraglichen Fristen) gekündigt. Es steht dem Arbeitgeber an sich auch frei, eine einlässliche Erörterung der Gründe, die ihn zur Auflösung des Vertrages veranlassen, zu vermeiden. Rechtswidrig war im vorliegenden Fall das Mittel, mit dem Dr. G. sein Ziel zu erreichen suchte. Gemäss Art. 330a
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 330a - 1 Der Arbeitnehmer kann jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. |
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1 | Der Arbeitnehmer kann jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. |
2 | Auf besonderes Verlangen des Arbeitnehmers hat sich das Zeugnis auf Angaben über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses zu beschränken. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 362 - 1 Durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag darf von den folgenden Vorschriften nicht zuungunsten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers abgewichen werden:233 |
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1 | Durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag darf von den folgenden Vorschriften nicht zuungunsten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers abgewichen werden:233 |
2 | Abreden sowie Bestimmungen von Normalarbeitsverträgen und Gesamtarbeitsverträgen, die von den vorstehend angeführten Vorschriften zuungunsten des Arbeitnehmers abweichen, sind nichtig. |
3. Das Obergericht nahm aber an, die Verweigerung des Arbeitszeugnisses sei kein ernstlicher Nachteil: Schon der Hinweis auf Art. 330a
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 330a - 1 Der Arbeitnehmer kann jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. |
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1 | Der Arbeitnehmer kann jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. |
2 | Auf besonderes Verlangen des Arbeitnehmers hat sich das Zeugnis auf Angaben über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses zu beschränken. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 343 |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 107 IV 35 S. 39
Damit der Tatbestand der Nötigung - mindestens in der Form eines (tauglichen) Versuchs - erfüllt ist, muss die verwendete Drohung objektiv als Beeinflussungsmittel geeignet erscheinen und subjektiv vom Täter bewusst eingesetzt werden, um den Betroffenen - entgegen seinem eigentlichen Willen - zu dem vom Täter gewünschten Verhalten zu veranlassen. a) Auch wenn das Arbeitszeugnis heute vielleicht eine kleinere Rolle spielt als früher, so ist doch - vor allem für eine Fachkraft mit besonderer Verantwortung im Spitalwesen - die Drohung, es werde kein Arbeitszeugnis ausgestellt, nicht eine harmlose, den Betroffenen kaum beeinflussende Äusserung, sondern es geht dabei um einen ins Gewicht fallenden Nachteil für das weitere Fortkommen. Dass der angedrohten Weigerung mit dem Hinweis auf die gesetzliche Pflicht gemäss Art. 330a
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 330a - 1 Der Arbeitnehmer kann jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. |
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1 | Der Arbeitnehmer kann jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. |
2 | Auf besonderes Verlangen des Arbeitnehmers hat sich das Zeugnis auf Angaben über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses zu beschränken. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 107 IV 35 S. 40
auf Erklärungen über die Gründe der Auflösung der Vertrages zu bewegen, ergibt sich aus dem Text des zweiten Briefes eindeutig. Er hat diese Drohung in der gegebenen Situation als taugliches Mittel erachtet, um die Eheleute E. zu dem von ihm gewünschten Verhalten, zu welchem sie freiwillig nicht bereit waren, zu bewegen. Diese Auffassung von Dr. G. ist übrigens im Rahmen des konkreten Sachverhaltes ein weiteres Indiz dafür, dass objektiv ein ernstlicher, d.h. für den massgebenden Entschluss der Betroffenen wesentlicher Nachteil angedroht wurde.
4. Die Frage, ob der Beschwerdegegner gute, sachliche Gründe hatte, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses des Ehepaares E. zu verlangen, ist vom Kassationshof nicht zu untersuchen. Da Dr. G. ein unzulässiges Druckmittel verwendete, ist die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gutzuheissen. Art. 181
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
In Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur Bestrafung des Beschwerdegegners wegen versuchter Nötigung an die Vorinstanz zurückgewiesen.