107 Ib 315
57. Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. Dezember 1981 i.S. Eidgenössische Steuerverwaltung gegen X. und Kantonale Rekurskommission Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):
- Besteuerung von Zinserträgen der Einmalprämie bei einer rückkaufsfähigen Kapitallebensversicherung (Art. 21bis Abs. 3
WStB).
- Die auf der Einmalprämie anfallenden versicherungstechnischen Zinsen stellen nicht steuerbares Einkommen dar (E. 1-3). Hingegen stellt sich in Fällen von mit Einmalprämie abgeschlossenen rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen regelmässig die Frage nach einer Steuerumgehung, wenn der Versicherungsnehmer die Einmalprämie durch Darlehensaufnahme finanziert hat. Die Veranlagungsbehörden sind in solchen Fällen verpflichtet, entsprechende Abklärungen zu treffen (E. 4).
Regeste (fr):
- Imposition des intérêts d'une prime unique versée pour une assurance sur la vie susceptible de rachat (art. 21bis al. 3 AIN).
- Les intérêts techniques relatifs à une prime unique ne constituent pas un revenu imposable (consid. 1-3). En revanche, dans les cas d'assurances sur la vie susceptibles de rachat qui ont été conclues avec une prime unique, il faut normalement se demander s'il n'y a pas eu fraude fiscale lorsque l'assuré a recouru à un prêt pour payer la prime unique. Dans cette hypothèse, les autorités de taxation sont tenues de procéder aux éclaircissements nécessaires (consid. 4).
Regesto (it):
- Tassazione degli interessi di un premio unico pagato per un'assicurazione sulla vita suscettibile di riscatto (art. 21bis cpv. 3 DIN).
- Gli interessi tecnici relativi ad un premio unico non costituiscono un reddito imponibile (consid. 1-3). Ove assicurazioni sulla vita suscettibili di riscatto siano state concluse contro un premio unico e l'assicurato abbia pagato quest'ultimo ricorrendo a un mutuo, ci si deve peraltro normalmente chiedere se non sia dato un caso d'elusione d'imposta. In tali fattispecie le autorità di tassazione sono tenute a procedere ai necessari accertamenti (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 316
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X., selbständigerwerbender Baukaufmann, schloss mit der Y. Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft einen Lebensversicherungsvertrag ab 1. April 1978 mit einer im Erlebensfalle am 1. April 1996 oder vorher bei seinem Ableben zahlbaren Versicherungssumme von 1 Million Franken, wofür er bei Beginn des Vertrages eine Einmalprämie von Fr. 697'700.-- bezahlte. Die Einmalprämie leistete er grösstenteils aus einem Darlehen bei der Bank Z. von Fr. 630'000.--, das er seit 26. April 1978 zu 4 1/2% zu verzinsen hatte, bis Jahresende mit Fr. 19'215.--. Später löste er dieses Bankdarlehen durch Hypothekardarlehen auf seinen Liegenschaften ab. X. wurde für die Wehrsteuer 1979/80 (20. Periode) von einem steuerpflichtigen Einkommen im Durchschnitt der Bemessungsjahre 1977/78 von Fr. 86'500.-- veranlagt. Die Veranlagungsbehörde wich von seiner Steuererklärung, in welcher er auch die Darlehenszinsen von Fr. 19'215.-- zum Abzug gebracht hatte, unter anderem ab, indem sie ihm als Einkommen einen Zins von 3 1/4% auf der bezahlten Einmalprämie von Fr. 697'700.-- für die letzten 8 Monate 1978 mit Fr. 15'100.-- aufrechnete. Anderseits erhöhte sie den in seiner Steuerklärung beanspruchten Abzug für bezahlte Versicherungsprämien auf den zulässigen Höchstbetrag von Fr. 2'000.-- pro Jahr. Die Veranlagungsbehörde stützte sich dabei auf eine Empfehlung, welche die Eidg. Steuerverwaltung den kantonalen Steuerverwaltungen gestützt auf die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe der Konferenz staatlicher Steuerbeamter am 13. Juli 1979 gegeben hatte und in der ausgeführt wurde: Ausgangspunkt ihrer Überlegungen bildete für die Arbeitsgruppe der Umstand, dass Kapitalversicherungen mit Einmalprämie sich zivilrechtlich in ein Darlehensgeschäft (Kapitalanlage) und ein Versicherungsgeschäft
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zerlegen lassen. Diese beiden Vertragsverhältnisse sind dergestalt miteinander verkoppelt, dass der Versicherer den jährlich anfallenden Zins auf dem ihm zur Anlage hingegebenen Kapital für die Finanzierung des Versicherungsschutzes zurückbehält. Daraus ergeben sich folgende steuerlichen Konsequenzen:
- Als Ertrag aus dem dahingegebenen Kapital ist, gestützt auf Art. 21 Abs. 1 Buchstabe c





Erwägungen
Erwägungen:
1. Die natürlichen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz entrichten die Wehrsteuer von ihrem Einkommen (Art. 18 Abs. 1
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WStB), wie es als Steuerobjekt in Art. 21 ff







2. Die Frage, ob die auf der Summe der Einmalprämie anfallenden Zinsen und Zinseszinsen realisiertes und damit für die Einkommenssteuer allenfalls relevantes Einkommen darstellten, wird von der Beschwerdeführerin gemäss Empfehlung der Eidg. Steuerverwaltung mit den folgenden Überlegungen bejaht: Bei der gemischten Lebensversicherung mit periodischer Prämienzahlung setze sich das Deckungskapital aus den jährlichen Prämienzahlungen und den daraus erwachsenden Zinsen zusammen. Der Risikoanteil sei dementsprechend gross. Sterbe der Versicherungsnehmer im ersten Jahr der Laufzeit, habe er an die Bildung der zur Auszahlung gelangenden Versicherungssumme nur gerade mit einer ersten Prämienzahlung und einem unbedeutenden Zinsanteil beigetragen. Bei den Lebensversicherungen mit Einmalprämie sei demgegenüber der Anteil der vom
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Versicherungsnehmer erbrachten Leistung an dem im Versicherungsfall zahlbaren Betrag von Anfang an erheblich, so dass die Risikodeckung entsprechend gering ausfalle. Im Grunde genommen stelle die Leistung der Einmalprämie eine Kapitalanlage dar. Die darauf entfallenden Zinsen, die eigentlich Kapitalertrag seien, deckten dann erst das Versicherungsrisiko. Die angerechneten technischen Zinsen seien sehr real. Sie würden für die Deckung eines Risikos verwendet, wofür Versicherte mit periodischen Prämien auf Einkommensbestandteile zurückgreifen müssten, für die sie Einkommenssteuern bezahlt hätten. Im Bericht der Arbeitsgruppe des Ausschusses der Konferenz staatlicher Steuerbeamter vom 19. April 1979 werde der Einmalprämienversicherungsvertrag als zusammengesetzter Vertrag bezeichnet, dessen eine Komponente in einem Darlehensvertrag, die andere in einer gemischten Lebensversicherung mit jährlichen Prämien bestehe. Die beiden Vertragsverhältnisse seien dergestalt untereinander verkoppelt, dass der Versicherer den jährlich anfallenden Kapitalzins vereinbarungsgemäss zurückbehalte und damit fortlaufend die Lebensversicherung finanziere. Dem Beschwerdegegner wäre demnach eine steuerbare Leistung im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. c

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Zinsforderung ist daher nur unter der Bedingung möglich, dass der Versicherungsvertrag aufgelöst wird (KOENIG, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 3. Aufl. S. 98 u. 99, 410, 412; MAURER, Einführung in das Schweizerische Privatversicherungsrecht, S. 141/42). Es handelt sich bei diesen Zinsen um blosse Anwartschaften (so REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, Bd. II, N. 34 zu § 19, S. 203), die nicht als realisiertes Einkommen gelten können und darum auch nicht der Einkommenssteuer unterliegen. Die Steuergesetze regeln denn auch allgemein eine Besteuerung von Einkünften aus Versicherungen nur für den Zeitpunkt, da tatsächlich eine Versicherungsleistung erbracht wird. Dies gilt auch für die Wehrsteuer.
3. Die Besteuerung der Zinsen auf der Einmalprämiensumme nach der Empfehlung der Eidg. Steuerkommission erscheint jedoch auch unter einem anderen Gesichtspunkt als problematisch: a) Art. 21bis



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R. STAUBER, Besteuerung von Leistungen aus Personenversicherungen, Diss. Zürich 1977, S. 168, 199; H.R. MEYER, Bemerkungen zur Besteuerung der Lebensversicherung und Personalfürsorge im Kanton Waadt, Steuerrevue 25 (1970), S. 182 ff., insbes. 184). Die Steuerbehörden können jedoch die weitergehende Privilegierung der rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen nicht dadurch unterlaufen, dass sie die Zinserträge (in Form der Aufrechnung des versicherungstechnischen Zinses) während der Laufzeit der Versicherung jährlich als Einkommen besteuern. Dies behauptet die Beschwerdeführerin denn auch nicht, soweit eine rückkaufsfähige Kapitalversicherung vorliegt, die mit periodischen Prämienzahlungen finanziert wird. Der Gesetzgeber hat es mit der Gestaltung von Art. 21bis


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erleichtern. Der Abschluss einer rückkaufsfähigen Kapitalversicherung mit Einmalprämie kann durchaus (unabhängig von einer Steuerersparnis) sinnvoll sein und dem Vorsorgezweck dienen. Das Bundesgericht hat dies schon in einem Entscheid vom 28. Februar 1975 (ASA 44 S. 360 ff.) gestützt auf ein von ihm eingeholtes versicherungswirtschaftliches Gutachten festgestellt. In jenem Gutachten wurden im wesentlichen folgende Gründe für den Abschluss einer Einmalprämienversicherung genannt: - Der Versicherungsnehmer könne ein zur Verfügung stehendes Kapital (bei dessen Zustandekommen der Versicherungsnehmer im übrigen normalerweise schon besteuert worden ist, so dass er wie derjenige, der Einmalprämien bezahlt, Mittel aus schon versteuerten Einkünften aufwendet) zum Kauf einer Versicherung einsetzen, damit er in späteren Jahren nicht mit Prämien belastet sei. - Relativ häufig dürfte auch der Fall sein, dass eine bestehende Versicherung fällig werde und die Versicherungssumme oder Teile davon benützt würden, um eine neue, später fällig werdende Versicherung abzuschliessen. - Der steigende Rückkaufswert sei garantiert, im Gegensatz zu den Kursschwankungen an der Börse. - Durch Begünstigung könne ohne testamentarische Verfügung bestimmten Personen die Versicherungssumme zugewendet werden. Der Begünstigte könne zudem die Erbschaft ausschlagen und trotzdem den Versicherungsanspruch geltend machen. Auch vermöge das Betreibungs- und Konkursprivileg eine wichtige Rolle zugunsten der Familie zu spielen. Die steuerliche Gleichbehandlung der mit Einmalprämie finanzierten rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen mit solchen, die der Versicherungsnehmer durch Bezahlung periodischer Prämien finanziert, kann darum nicht generell als vom Gesetzgeber nicht gewollt betrachtet werden. Die von der Eidg. Steuerverwaltung an die kantonalen Wehrsteuerverwaltungen abgegebene Empfehlung geht in dieser Form somit zu weit.
4. Dagegen stellt sich bei Einmalprämienversicherungen mit Darlehensaufnahme ernstlich die Frage einer Steuerumgehung. Eine solche liegt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vor, wenn (a) eine vom Steuerpflichtigen gewählte Rechtsgestaltung als ungewöhnlich, sachwidrig oder absonderlich erscheint, (b) anzunehmen ist, dass er diese Wahl missbräuchlich getroffen hat in der Absicht, Steuern einzusparen, die bei sachgemässer Ordnung
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der Verhältnisse geschuldet wären, und (c) das gewählte Vorgehen tatsächlich zu einer erheblichen Steuerersparnis führen würde, wenn es von der Steuerbehörde hingenommen würde. Sind diese drei Voraussetzungen erfüllt, so kann der Besteuerung die Ordnung zugrunde gelegt werden, die sachgemäss gewesen wäre, dem vom Steuerpflichtigen erstrebten wirtschaftlichen Zweck entsprochen hätte (BGE 102 Ib 155 E. 3b; BGE 99 Ib 375 E. 3 mit weitern Hinweisen). a) Der Abschluss einer gemischten Kapitallebensversicherung gegen eine Einmalprämie kann sinnvoll sein in verschiedenen Fällen (vorne E. 3b), in denen der Versicherungsnehmer die Einmalprämie in der Regel aus vorhandenen Mitteln seines Vermögens leistet. Nimmt er jedoch zur Finanzierung der Einmalprämie ein Darlehen auf, so kann die Versicherung eine Vorsorgefunktion nur in sehr beschränktem Masse haben, nämlich nur soweit im Versicherungsfalle die Versicherungssumme und bei vorzeitigem Rückkauf der Rückkaufswert das Darlehen übersteigt, das zunächst zurückzubezahlen ist. Das bereits erwähnte, vom Bundesgericht 1974 eingeholte versicherungswirtschaftliche Gutachten ergab, dass diese Kombination von Versicherung und Darlehensaufnahme nur unter ganz besonderen Umständen sinnvoll sein kann, etwa wenn momentan ungünstige Börsenkurse von Wertpapieren des Versicherungsnehmers, deren Verkauf die zur Leistung der Einmalprämie bestimmten Mittel frei machen soll, eine Überbrückung durch Darlehen vorteilhaft scheinen lassen. Im übrigen zeigte das Gutachten, dass die Kombination für den Versicherungsnehmer keineswegs vorteilhaft, sondern in vielen Fällen sogar nachteilig ist, besonders wenn er das Darlehen nicht zu besonders günstigen Bedingungen von der Versicherungsgesellschaft selber erhält (vgl. auch die Feststellungen der Vorinstanz in jenem früheren Falle in ASA 44 S. 365/66 E. 2c). Die gemischte Kapitallebensversicherung gegen Einmalprämie, die durch Darlehensaufnahme finanziert wird, ist in der Regel als absonderlich zu betrachten. b) Nur im Hinblick auf die Steuerersparnis, die sich der Versicherungsnehmer ausrechnen mag und die ihm von den Vertretern von Lebensversicherungsgesellschaften vorgerechnet wird, dürfte er sich in der Regel zum Abschluss einer gemischten Kapitallebensversicherung gegen eine durch Darlehensaufnahme finanzierte Einmalprämie entschliessen. Die Steuerersparnis ergibt sich aus der Kombination der Steuerfreiheit der Kapitalleistung (und der darin enthaltenen Erträge der Einmalprämie, vgl. E. 2, 3) einerseits
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und des Abzugs der Darlehenszinsen vom steuerbaren Einkommen (Art. 22 Abs. 1 lit. d






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in beträchtlichem Masse Steuern einsparen, würde sich doch sein steuerbares Einkommen allein vom 26. April bis 31. Dezember 1978 um Schuldzinsen von Fr. 19'215.-- und in einem vollen Jahr um rund 33'000.-- vermindern. Das könnte bei dem für ihn in Betracht fallenden wehrsteuerpflichtigen Einkommen eine Ersparnis allein bei der Wehrsteuer von rund der Hälfte des sonst geschuldeten Steuerbetrags bewirken. d) Die Beschwerdeführerin beantragt zwar nicht, das Vorgehen des Beschwerdegegners sei als Steuerumgehung zu werten, und demzufolge sei der geltend gemachte Abzug für Darlehenszinsen an die Bank nicht zu gewähren. In Abgabestreitigkeiten kann das Bundesgericht jedoch nach Art. 114 Abs. 1
