106 Ia 383
63. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. Dezember 1980 i.S. Gemeinde Zuoz gegen Aemisegger und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Überprüfung von Zonenplänen im Baubewilligungsverfahren.
- Zonenvorschriften sind Bestandteile des Zonenplanes; als solche unterstehen sie den gleichen Anfechtungsregeln wie der Plan (E. 3b).
- Die Rechtmässigkeit eines Zonenplanes kann grundsätzlich bloss im Anschluss an den Erlass bestritten werden. Eine nachträgliche Anfechtung auf einen Anwendungsakt hin ist nur dann zulässig, wenn der betroffene Eigentümer sich bei Planerlass über die ihm auferlegte Eigentumsbeschränkung nicht im klaren sein konnte oder ihm keine Verteidigungsmittel zur Verfügung standen oder wenn sich die Verhältnisse seit Planerlass derart geändert haben, dass das öffentliche Interesse an den bestehenden Beschränkungen dahingefallen sein könnte. Der Richter ist daher - von den erwähnten Ausnahmen abgesehen - nicht befugt, den Zonenplan vorfrageweise im Baubewilligungsverfahren auf seine Verfassungsmässigkeit zu prüfen (E. 3a-c).
Regeste (fr):
- Examen de plans de zones dans une procédure d'autorisation de bâtir.
- Les prescriptions relatives aux zones font partie intégrante du plan de zones; à ce titre, elles sont soumises aux mêmes règles de recours que le plan lui-même (consid. 3b).
- La légalité d'un plan de zones ne peut en principe être contestée que dans un recours formé dans la procédure d'adoption du plan. Un tel plan ne peut être attaqué ultérieurement, à l'occasion d'un cas d'application, que si le propriétaire en cause ne pouvait pas percevoir clairement, lors de l'adoption du plan, les restrictions de propriété qui lui étaient imposées, ou s'il ne disposait d'aucun moyen de défense, ou si, depuis l'adoption du plan, les circonstances se sont modifiées à un point tel que l'intérêt public au maintien de ces restrictions pourrait avoir disparu. A part ces cas exceptionnels, le juge ne peut pas examiner à titre préjudiciel, dans une procédure d'autorisation de bâtir, la constitutionnalité du plan de zones (consid. 3a-c).
Regesto (it):
- Esame di piani delle zone in una procedura di rilascio di licenza edilizia.
- Le prescrizioni relative alle zone costituiscono parte integrante del piano delle zone; la loro impugnazione soggiace alle stesse regole che valgono per l'impugnazione del piano (consid. 3b).
- La legittimità di un piano delle zone può essere contestata, in linea di principio, soltanto in occasione della procedura di adozione. In seguito, in occasione di un'applicazione in un caso concreto, il piano può essere impugnato soltanto se il proprietario fondiario non era stato in grado di rendersi conto chiaramente, durante la procedura d'adozione, delle restrizioni della proprietà che il piano gli imponeva, o se non fruiva allora d'alcun mezzo di difesa, o se, dopo l'adozione del piano, le circostanze si sono modificate in modo tale che l'interesse pubblico potrebbe essere venuto meno. Prescindendo da questi casi eccezionali, il giudice non può esaminare, a titolo pregiudiziale, in una procedura di rilascio di licenza edilizia, se il piano sia conforme alla Costituzione (consid. 3a-c).
Sachverhalt ab Seite 384
BGE 106 Ia 383 S. 384
Der geltende Zonenplan der Gemeinde Zuoz, der am 11. November 1975 durch die Gemeindeversammlung angenommen und am 21. Juni 1976 durch die Bündner Regierung genehmigt worden ist, weist das Gebiet "Sur Mulins" der Wohnzone 2A zu. Für diese Zone werden in Art. 51 des kommunalen Baugesetzes (BauG), das gleichzeitig mit dem Zonenplan in Kraft gesetzt worden ist, Vorschriften über die Art der Bebauung, den Ausnützungskoeffizienten, die Gebäudeabmessungen sowie die Grenz- und Gebäudeabstände aufgestellt; ausserdem erklärt Art. 51 Ziff. 6 den Quartierplan für obligatorisch.
Bruno Aemisegger ist Eigentümer der in "Sur Mulins" gelegenen Parzelle Nr. 2592. Am 18. August 1977 reichte er ein Gesuch um Erteilung der Baubewilligung für ein Ferienhaus ein und bat den Gemeinderat Zuoz, ihm eine Ausnahmebewilligung zu erteilen und das Quartierplanverfahren zu erlassen. Der Gemeinderat wies das Baugesuch ab, da von der zwingenden Vorschrift der Quartierplanung nicht abgewichen werden könne. Gegen diesen Entscheid rekurrierte Aemisegger an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, welches seinen Rekurs guthiess und den Baubescheid der Gemeinde aufhob. Als Begründung wurde im wesentlichen angeführt, dass der Einbezug der Parzelle Nr. 2592 in ein Quartierplanverfahren und die Anwendung von Art. 51 Ziff. 6 BauG auf das vorliegende Baugesuch gegen das Prinzip der Verhältnismässigkeit verstosse. Die Gemeinde Zuoz hat gegen den Entscheid des Bündner Verwaltungsgerichtes staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, da das Verwaltungsgericht nicht befugt war, im Rahmen des Baubewilligungsverfahren vorfrageweise die Verfassungsmässigkeit der Zonenordnung zu überprüfen, und durch die Vornahme dieser Kontrolle ungerechtfertigterweise in den Autonomiebereich der Gemeinde eingegriffen hat.
BGE 106 Ia 383 S. 385
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3. Das Bundesgericht hat sich mit dem Problem der Anfechtung kommunaler Zonenpläne im Kanton Graubünden schon verschiedentlich auseinandergesetzt. Im Entscheid Hitz gegen Gemeinde Parpan vom 20. September 1978 (BGE 104 Ia 181 ff.) ist die bündnerische Praxis, wonach sowohl die Regierung als auch - anschliessend an den Regierungsentscheid - das Verwaltungsgericht zur Überprüfung der Zonenpläne berufen seien, als verfassungswidrig erklärt und festgestellt worden, dass es gemäss kantonalem Recht sowie aufgrund von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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a) Nach herrschender Auffassung in Lehre und Rechtsprechung sind die kantonalen Gerichte verpflichtet, auf Verlangen des Rechtsuchenden vorfrageweise das anzuwendende kantonale
BGE 106 Ia 383 S. 386
Recht auf seine Übereinstimmung mit der Bundesverfassung und der Bundesgesetzgebung zu prüfen. Ob auch die Verwaltungsbehörden hiezu befugt seien, ist umstritten und braucht hier nicht entschieden zu werden (BGE 104 Ia 82 f. E. 2a mit Hinweisen auf die Literatur, BGE 92 I 481 f., BGE 91 I 314, BGE 82 I 219 mit weiteren Verweisungen; IMBODEN/RHINOW, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Bd. II S. 1059 f. Nr. 143 B I). Dieser nachträglichen Überprüfung unterstehen Rechtssätze, das heisst Anordnungen genereller und abstrakter Natur, die für eine unbestimmte Vielheit von Menschen gelten und eine unbestimmte Vielheit von Tatbeständen regeln ohne Rücksicht auf einen bestimmten Einzelfall oder auf eine Person (BGE 101 Ia 74 E. 3a und dort zitierte Literatur). Dagegen kann die Rechtmässigkeit von Verfügungen im Rahmen der Anfechtung eines späteren Vollzugs- oder Bestätigungsaktes nicht mehr in Frage gestellt werden, es sei denn, der Beschwerdeführer rüge die Verletzung unverzichtbarer und unverjährbarer Rechte oder mache geltend, die Verfügung sei geradezu nichtig (BGE 104 Ia 173 ff. mit zahlreichen Hinweisen). Die Verfassungsmässigkeit einer Rechtsnorm kann demnach nicht nur im Anschluss an deren Erlass, sondern auch auf einen konkreten Anwendungsakt hin bestritten werden, während eine nachträgliche Anfechtung von Verfügungen grundsätzlich ausgeschlossen ist. Diese Regel hat das Bundesgericht in seiner bis ins letzte Jahrhundert zurückreichenden Rechtsprechung, dem Grundgedanken von Art. 89
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b) Das Verwaltungsgericht glaubt, Art. 51 Ziff. 6 BauG, der die umstrittene Quartierplanpflicht begründet, sei eine Norm genereller und abstrakter Natur im oben dargestellten Sinne und könne daher auf ihre Vereinbarkeit mit dem Bundesverfassungsrecht untersucht werden. Dieser Meinung ist jedoch nicht zu folgen. Zwar sind die in Art. 51 enthaltenen Vorschriften in das kommunale Baugesetz, einen rechtsetzenden Erlass der
BGE 106 Ia 383 S. 387
Gemeinde, eingefügt worden, doch weisen sie nicht den generellabstrakten Charakter anderer baupolizeilicher Bestimmungen auf, sondern beziehen sich ausschliesslich auf die im Zonenplan eingezeichnete Zone 2A und umschreiben die in diesem Gebiet geltende rechtliche Ordnung. Diese Vorschriften stehen an Stelle einer Planlegende, sie sind die für das Verständnis des Planes notwendigen Erläuterungen, mit anderen Worten Bestandteile des Zonenplanes selbst. Bilden aber Zonenplan und die in Art. 51 BauG enthaltenen Zonenvorschriften ein untrennbares Ganzes, so ist die Überprüfbarkeit von Art. 51 BauG nicht einfach anhand der Regeln zu beurteilen, die für die Anfechtung von Rechtssätzen gelten, sondern haben jene Prinzipien Beachtung zu finden, die bei der Anfechtung von Plänen, insbesondere von Zonenplänen, massgebend sind. c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes stellen die Zonenpläne zwischen Rechtssatz und Verfügung stehende Anordnungen besonderer Natur dar, auf welche teils die für generell-abstrakte Normen geltenden, teils die für Verfügungen massgebenden Grundsätze anzuwenden sind (vgl. IMBODEN/RHINOW, a.a.O., Bd. I S. 64 ff. Nr. 11 B I; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, S. 102 f.). Ob ein Zonenplan nur anschliessend an den Erlass oder auch bei späterer Anwendung noch angefochten werden könne, bestimmt sich in erster Linie danach, ob der Betroffene schon bei Planerlass über die ihm auferlegten Beschränkungen im klaren sein konnte und welche Möglichkeiten er in diesem Zeitpunkt hatte, seine Interessen zu verteidigen. Da der Zonenplan indessen auf Verhältnissen beruht, die stetem Wandel unterworfen sind, hat er nur so lange Bestand, als auch die seinem Erlass zugrundeliegenden Voraussetzungen und Annahmen über den zukünftigen Verlauf der Entwicklung weiterbestehen. Sind die bei Planerlass gegebenen Voraussetzungen inzwischen dahingefallen, so darf dem Eigentümer, der den Plan anficht, nicht entgegengehalten werden, Einsprache- und Genehmigungsverfahren seien längst beendet. Die Gültigkeit eines Zonenplanes muss stets dann noch in Zweifel gezogen werden können, wenn die gesetzlichen Vorschriften über die Ortsplanung geändert worden sind oder sich die tatsächliche Situation seit Erlass des Zonenplanes in einer Weise gewandelt hat, dass das öffentliche Interesse an den auferlegten Eigentumsbeschränkungen untergegangen sein könnte (BGE 90 I 354 ff.;
BGE 106 Ia 383 S. 388
Entscheid vom 7. Juli 1964, publ. in ZBl 66/1965 S. 432; 106 Ia 317 E. 3; vgl. GRISEL, Droit administratif suisse, S. 395 f., 411 f.; KUTTLER, Der Beitrag des Bundesgerichtes an die Entwicklung des Raumplanungsrechts, in: Erhaltung und Entfaltung des Rechts in der Rechtsprechung des Schweiz. Bundesgerichtes, Festgabe 1975, S. 186). Diese Grundsätze sind bei der Beurteilung gegen Zonenpläne gerichteter staatsrechtlicher Beschwerden entwickelt worden, gelten aber allgemein, zeigen also auch die Grenzen auf, die dem kantonalen Richter bei der vorfrageweise durchgeführten Kontrolle der Verfassungsmässigkeit von Plänen gesteckt sind. Sie garantieren auf der einen Seite die Ausübung der dem Eigentümer gegen planerische Eingriffe zustehenden Abwehrrechte, gewährleisten auf der anderen Seite aber auch die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der Planung und verhindern, dass ein unhaltbarer, mit den Zwecken der Raumplanung (Art. 22quater
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