104 Ia 187
32. Auszug aus dem Urteil vom 8. November 1978 i.S. X. gegen Regierung des Kantons Graubünden
Regeste (de):
- Art. 4 BV; Zulassung zur kantonalen Grundbuchverwalterprüfung.
- Es ist verfassungswidrig, einem Bewerber die Zulassung zur Grundbuchverwalterprüfung allein deshalb zu verwehren, weil er wegen Dienstverweigerung aus einer religiös-ethischen Überzeugung und in schwerer Gewissensnot bestraft und aus der Armee ausgeschlossen worden ist.
Regeste (fr):
- Art. 4 Cst.; admission à l'examen de conservateur du registre foncier.
- Un candidat qui, du fait de ses convictions religieuses ou morales et à la suite d'un grave conflit de conscience a refusé de servir et a été condamné de ce chef et exclu de l'armée ne peut se voir refuser pour cette seule raison l'accès à l'examen de conservateur du registre foncier: un tel refus est inconstitutionnel.
Regesto (it):
- Art. 4 Cost.; ammissione all'esame cantonale di ufficiale del registro fondiario.
- È contrario alla Costituzione negare l'ammissione all'esame di ufficiale del registro fondiario a un candidato per il solo fatto che è stato condannato ed escluso dall'esercito per rifiuto del servizio dovuto a grave conflitto di coscienza.
Sachverhalt ab Seite 188
BGE 104 Ia 187 S. 188
Der im Jahre 1955 geborene X. leistete einem Aufgebot für den am 10. Januar 1977 beginnenden Wiederholungskurs seiner Einheit keine Folge. Er wurde deshalb am 3. Mai 1977 vom Divisionsgericht 12 der Dienstverweigerung im Sinne von Art. 81 Ziff. 2
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SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG) MStG Art. 81 - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu 18 Monaten oder Geldstrafe wird bestraft, wer in der Absicht, den Militärdienst zu verweigern: |
|
1 | Mit Freiheitsstrafe bis zu 18 Monaten oder Geldstrafe wird bestraft, wer in der Absicht, den Militärdienst zu verweigern: |
a | nicht am Orientierungstag oder an der Rekrutierung teilnimmt; |
abis | den Termin für die persönliche Befragung bei Personensicherheitsprüfungen oder für die medizinische Untersuchung zur Neubeurteilung der Tauglichkeit nicht wahrnimmt; |
b | eine Militärdienstleistung, zu der er aufgeboten ist, nicht antritt; |
c | seine Truppe oder Dienststelle ohne Erlaubnis verlässt; |
d | nach einer rechtmässigen Abwesenheit nicht zurückkehrt; oder |
e | nach Antritt der Militärdienstleistung einem an ihn gerichteten Befehl in Dienstsachen nicht gehorcht.146 |
1bis | Für eine strafbare Handlung nach Absatz 1 ist eine Geldstrafe oder der Vollzug in Form gemeinnütziger Arbeit bei gleichzeitigem Ausschluss aus der Armee nach Artikel 49 ausgeschlossen.147 |
2 | Im Aktivdienst ist die Strafe Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. |
3 | Wer als Angehöriger einer religiösen Gemeinschaft aus religiösen Gründen den Militärdienst verweigert und kein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst stellt, wird schuldig erklärt und zu einer Arbeitsleistung im öffentlichen Interesse verpflichtet, deren Dauer sich in der Regel nach Artikel 8 des Zivildienstgesetzes vom 6. Oktober 1995148 richtet. Die Arbeitsleistung wird im Rahmen und nach den Vorschriften des Zivildienstes vollzogen. Das Gericht kann den Täter aus der Armee ausschliessen. |
4 | Wer glaubhaft darlegt, dass er den Ausbildungsdienst für einen höheren Grad mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, aber bereit ist, im bisherigen Grad Militärdienst zu leisten, wird zu einer Arbeitsleistung im öffentlichen Interesse verpflichtet. Sie dauert in der Regel 1,1-mal so lange wie der verweigerte Ausbildungsdienst zur Erreichung des höheren Grades und wird im Rahmen und nach den Vorschriften des Zivildienstes vollzogen. |
5 | Der Bundesrat erlässt die für den Vollzug der Arbeitsleistung nach den Absätzen 3 und 4 erforderlichen ergänzenden Bestimmungen. |
6 | Artikel 84 bleibt vorbehalten.149 |
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. a) Gemäss Art. 1 der Verordnung über den Fähigkeitsausweis der Grundbuchverwalter vom 18. Juli 1957 werden zur Grundbuchverwalterprüfung nur Personen zugelassen, die - neben anderen persönlichen und fachlichen Voraussetzungen - einen guten Leumund besitzen. In der Notariatsverordnung vom 25. November 1958 lautet die entsprechende Bestimmung von Art. 9 Abs. 1 Ziff. 7, der Anwärter müsse "einen unbescholtenen Lebenswandel führen", was als gleichbedeutend gelten kann. Die Regierung des Kantons Graubünden hält dafür, dieses Erfordernis sei beim Beschwerdeführer nicht vorhanden. Sie stützt sich dabei ausschliesslich auf das militärgerichtliche Urteil vom 3. Mai 1977. Im übrigen ist der Ruf des Beschwerdeführers,
BGE 104 Ia 187 S. 189
wie sich aus einem Bericht des Grundbuchinspektorates Graubünden vom 3. April 1978 ergibt, ungetrübt, und seine fachliche Qualifikation sogar ausgezeichnet. b) Es gibt keinen bundesrechtlichen Begriff des "guten Leumundes". Im allgemeinen wird darunter das Fehlen nicht gelöschter Vorstrafen verstanden; es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Leumund einer Person auch bei Fehlen solcher Eintragungen im Strafregister getrübt sein kann (BGE 100 Ia 197 f. E. 5a). Geht es indessen nicht um die Ausstellung eines Leumundzeugnisses, sondern um die Frage, ob ein Gesuchsteller mit Rücksicht auf seinen Leumund zu einer Prüfung oder zu einem der Bewilligungspflicht unterstehenden Beruf zuzulassen sei, so darf sich die beurteilende Behörde nicht mit einer rein formellen Betrachtungsweise begnügen. In solchen Fällen ist vielmehr auf Grund des aus Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG) MStG Art. 81 - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu 18 Monaten oder Geldstrafe wird bestraft, wer in der Absicht, den Militärdienst zu verweigern: |
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1 | Mit Freiheitsstrafe bis zu 18 Monaten oder Geldstrafe wird bestraft, wer in der Absicht, den Militärdienst zu verweigern: |
a | nicht am Orientierungstag oder an der Rekrutierung teilnimmt; |
abis | den Termin für die persönliche Befragung bei Personensicherheitsprüfungen oder für die medizinische Untersuchung zur Neubeurteilung der Tauglichkeit nicht wahrnimmt; |
b | eine Militärdienstleistung, zu der er aufgeboten ist, nicht antritt; |
c | seine Truppe oder Dienststelle ohne Erlaubnis verlässt; |
d | nach einer rechtmässigen Abwesenheit nicht zurückkehrt; oder |
e | nach Antritt der Militärdienstleistung einem an ihn gerichteten Befehl in Dienstsachen nicht gehorcht.146 |
1bis | Für eine strafbare Handlung nach Absatz 1 ist eine Geldstrafe oder der Vollzug in Form gemeinnütziger Arbeit bei gleichzeitigem Ausschluss aus der Armee nach Artikel 49 ausgeschlossen.147 |
2 | Im Aktivdienst ist die Strafe Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. |
3 | Wer als Angehöriger einer religiösen Gemeinschaft aus religiösen Gründen den Militärdienst verweigert und kein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst stellt, wird schuldig erklärt und zu einer Arbeitsleistung im öffentlichen Interesse verpflichtet, deren Dauer sich in der Regel nach Artikel 8 des Zivildienstgesetzes vom 6. Oktober 1995148 richtet. Die Arbeitsleistung wird im Rahmen und nach den Vorschriften des Zivildienstes vollzogen. Das Gericht kann den Täter aus der Armee ausschliessen. |
4 | Wer glaubhaft darlegt, dass er den Ausbildungsdienst für einen höheren Grad mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, aber bereit ist, im bisherigen Grad Militärdienst zu leisten, wird zu einer Arbeitsleistung im öffentlichen Interesse verpflichtet. Sie dauert in der Regel 1,1-mal so lange wie der verweigerte Ausbildungsdienst zur Erreichung des höheren Grades und wird im Rahmen und nach den Vorschriften des Zivildienstes vollzogen. |
5 | Der Bundesrat erlässt die für den Vollzug der Arbeitsleistung nach den Absätzen 3 und 4 erforderlichen ergänzenden Bestimmungen. |
6 | Artikel 84 bleibt vorbehalten.149 |
BGE 104 Ia 187 S. 190
ausgeschlossen werden, um ihn nicht nochmals in einen gleichartigen Gewissenskonflikt zu bringen. Von der Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit konnte schon abgesehen werden, bevor diese Nebenstrafe durch die Revision vom 4. Oktober 1974 überhaupt aus dem MStG gestrichen wurde. Dies alles zeigt, dass der Gesetzgeber den Dienstverweigerer aus Gewissensgründen zwar bestraft, jedoch nicht gleich wie irgend einen anderen Rechtsbrecher beurteilt sehen wollte. Es geht daher nicht an, auf Grund einer Verurteilung gemäss Art. 81 Ziff. 2
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SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG) MStG Art. 81 - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu 18 Monaten oder Geldstrafe wird bestraft, wer in der Absicht, den Militärdienst zu verweigern: |
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1 | Mit Freiheitsstrafe bis zu 18 Monaten oder Geldstrafe wird bestraft, wer in der Absicht, den Militärdienst zu verweigern: |
a | nicht am Orientierungstag oder an der Rekrutierung teilnimmt; |
abis | den Termin für die persönliche Befragung bei Personensicherheitsprüfungen oder für die medizinische Untersuchung zur Neubeurteilung der Tauglichkeit nicht wahrnimmt; |
b | eine Militärdienstleistung, zu der er aufgeboten ist, nicht antritt; |
c | seine Truppe oder Dienststelle ohne Erlaubnis verlässt; |
d | nach einer rechtmässigen Abwesenheit nicht zurückkehrt; oder |
e | nach Antritt der Militärdienstleistung einem an ihn gerichteten Befehl in Dienstsachen nicht gehorcht.146 |
1bis | Für eine strafbare Handlung nach Absatz 1 ist eine Geldstrafe oder der Vollzug in Form gemeinnütziger Arbeit bei gleichzeitigem Ausschluss aus der Armee nach Artikel 49 ausgeschlossen.147 |
2 | Im Aktivdienst ist die Strafe Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. |
3 | Wer als Angehöriger einer religiösen Gemeinschaft aus religiösen Gründen den Militärdienst verweigert und kein Gesuch um Zulassung zum Zivildienst stellt, wird schuldig erklärt und zu einer Arbeitsleistung im öffentlichen Interesse verpflichtet, deren Dauer sich in der Regel nach Artikel 8 des Zivildienstgesetzes vom 6. Oktober 1995148 richtet. Die Arbeitsleistung wird im Rahmen und nach den Vorschriften des Zivildienstes vollzogen. Das Gericht kann den Täter aus der Armee ausschliessen. |
4 | Wer glaubhaft darlegt, dass er den Ausbildungsdienst für einen höheren Grad mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, aber bereit ist, im bisherigen Grad Militärdienst zu leisten, wird zu einer Arbeitsleistung im öffentlichen Interesse verpflichtet. Sie dauert in der Regel 1,1-mal so lange wie der verweigerte Ausbildungsdienst zur Erreichung des höheren Grades und wird im Rahmen und nach den Vorschriften des Zivildienstes vollzogen. |
5 | Der Bundesrat erlässt die für den Vollzug der Arbeitsleistung nach den Absätzen 3 und 4 erforderlichen ergänzenden Bestimmungen. |
6 | Artikel 84 bleibt vorbehalten.149 |
d) Die Regierung führt aus, der Beschwerdeführer zeige "eine negative Einstellung zur Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflichten". Dieser Satz lässt sich unter Berücksichtigung des bereits Gesagten in derart allgemeiner Form nicht aufrechterhalten. Der Beschwerdeführer hat nicht "staatsbürgerliche Pflichten" nicht erfüllt, sondern nur eine bestimmte Pflicht, nämlich diejenige zur Leistung von Militärdienst, und das unter vom Militärgericht ausdrücklich anerkannten mildernden Umständen. Das Gericht hat im Zusammenhang mit der Frage der Gewährung des bedingten Strafvollzuges ausdrücklich erklärt, dem Beschwerdeführer könne "eine ausgezeichnete Prognose hinsichtlich der Einhaltung anderer Gebote der Rechtsordnung gestellt werden". Die erwähnte Feststellung der Regierung hinsichtlich der Haltung des Beschwerdeführers zu seinen staatsbürgerlichen Pflichten findet somit in den Akten keine ausreichende Stütze und erscheint demgemäss als willkürlich.
3. Damit bleibt noch zu prüfen, ob sich der Entscheid der Regierung mit der weiteren Begründung halten lasse, wer eine staatsbürgerliche Pflicht nicht erfülle, habe keinen Anspruch darauf, an verantwortlicher Stelle staatliche Funktionen auszuüben.
BGE 104 Ia 187 S. 191
Auch diese Formulierung erscheint im Hinblick auf den Verhältnismässigkeitsgrundsatz als hart. Ob sie geradezu unhaltbar sei und damit gegen Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Der angefochtene Beschluss der Regierung des Kantons Graubünden widerspricht somit Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |