106 Ia 179
34. Urteil des Kassationshofes vom 5. Dezember 1980 i.S. F. gegen Generalprokurator und Obergericht des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 41 Ziff. 3 lit. c bern.
- StrV; Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- Notwendige Verteidigung im Hinblick auf die Anordnung einer Verwahrung nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 43 - 1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37
1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 2 Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen. 3 Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen.38 Die Bestimmungen über die Gewährung der bedingten Entlassung (Art. 86) sind auf den unbedingt zu vollziehenden Teil nicht anwendbar.
Regeste (fr):
- Art. 41 ch. 3 litt. e CCP bernois; art. 4 Cst.
- Défense d'office nécessaire dans un cas d'internement au sens de l'art. 43 ch. 1 al. 2 CP.
Regesto (it):
- Art. 41 n. 3 lett. c CPP bernese; art. 4 Cost.
- Difesa d'ufficio necessaria in caso d'internamento ai sensi dell'art. 43 n. 1 cpv. 2 CP.
Sachverhalt ab Seite 180
BGE 106 Ia 179 S. 180
A.- Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte Frau F. am 19. Juni 1980 wegen wiederholten Diebstahls, Raubes, Urkundenfälschung, Widerhandlung gegen Betäubungsmittelgesetz und Führens eines Motorfahrrades in angetrunkenem Zustand zu 15 Monaten Gefängnis; in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, das Frau F. gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 43 - 1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
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1 | Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
2 | Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen. |
3 | Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen.38 Die Bestimmungen über die Gewährung der bedingten Entlassung (Art. 86) sind auf den unbedingt zu vollziehenden Teil nicht anwendbar. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 43 - 1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
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1 | Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
2 | Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen. |
3 | Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen.38 Die Bestimmungen über die Gewährung der bedingten Entlassung (Art. 86) sind auf den unbedingt zu vollziehenden Teil nicht anwendbar. |
Frau F. war für das Strafverfahren bereits vom Untersuchungsrichter gemäss Art. 41 Ziff. 1 und Ziff. 3b bern. StrV ein amtlicher Verteidiger beigegeben worden (notwendige Verteidigung), der ihr auch vor Obergericht beistand und die Änderung des erstinstanzlichen Entscheides erwirkte.
B.- Nachdem Frau F. in der geschlossenen Suchtstation der psychiatrischen Universitätsklinik Bern beträchtliche Fortschritte gemacht hatte, weshalb Anfang Juli 1980 ihre Versetzung in eine offene Rehabilitationsabteilung, eventuell die Unterbringung in einer therapeutischen Wohngemeinschaft in Aussicht genommen wurde, wurde sie wegen Drogenkonsums in schwerwiegender Weise rückfällig. Sie hatte deshalb das strukturierte Programm der Drogenabteilung wieder aufzunehmen. Sie verweigerte dies und hielt sich nach ihrer Verlegung in eine halboffene Abteilung auch nicht an die dortige Ordnung noch an die mit ihr getroffenen Abmachungen nach dem neuen Therapiekonzept. Überdies legte sie eine stark "negativistische Einstellung" an den Tag und beeinflusste in diesem Sinne einen anderen Drogenpatienten. Die Universitätsklinik betrachtete deshalb die Massnahme als gescheitert und ersuchte die Polizeidirektion des Kantons Bern mit Bericht vom 19. August 1980 um Rückversetzung der Verurteilten in den Strafvollzug. Am 22. August 1980 ersuchte die Vollzugsbehörde das Obergericht um eine rechtliche Vorkehr im Sinne des Art. 43 Ziff. 3
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 43 - 1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
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1 | Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
2 | Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen. |
3 | Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen.38 Die Bestimmungen über die Gewährung der bedingten Entlassung (Art. 86) sind auf den unbedingt zu vollziehenden Teil nicht anwendbar. |
In Anwendung von Art. 27 bern. EGzStGB wurde der Verurteilten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit dieser verlangte sie die Versetzung in eine offene Station der Heil- und
BGE 106 Ia 179 S. 181
Pflegeanstalt Münsingen in der Überlegung, nach einer ersten Stufe intern zu leistender Arbeit einer externen Beschäftigung nachgehen zu können. Am 12. September 1980 beschloss das Obergericht, es werde die am 19. Juni 1980 ausgefällte Gefängnisstrafe nicht vollzogen und die Verurteilte im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 43 - 1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
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1 | Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
2 | Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen. |
3 | Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen.38 Die Bestimmungen über die Gewährung der bedingten Entlassung (Art. 86) sind auf den unbedingt zu vollziehenden Teil nicht anwendbar. |
C.- Frau F. führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Obergericht habe seinen letzten Entscheid getroffen, ohne ihr einen amtlichen Verteidiger beigegeben zu haben. Wenn es der Meinung sei, für das Verfahren gemäss Art. 43 Ziff. 3
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 43 - 1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
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1 | Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
2 | Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen. |
3 | Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen.38 Die Bestimmungen über die Gewährung der bedingten Entlassung (Art. 86) sind auf den unbedingt zu vollziehenden Teil nicht anwendbar. |
BGE 106 Ia 179 S. 182
2. Nach Art. 41 Ziff. 3 lit. c und Ziff. 4 bern. StrV ist die Verteidigung auch in der Hauptverhandlung des Rechtsmittelverfahrens notwendig, "wenn ein Verbrechen oder Vergehen Gegenstand des Verfahrens bildet und wenn besondere Umstände ... es rechtfertigen, insbesondere wenn freiheitsentziehende Massnahmen in Aussicht stehen", und gemäss Art. 42 Abs. 1 bern. StrV hat der Richter oder der Präsident des Gerichtes, bei dem die Sache hängig ist, von sich aus oder auf Gesuch des Angeschuldigten diesem einen amtlichen Verteidiger zu bestellen, wenn der Angeschuldigte in einem der in Art. 41 angeführten Fälle keinen Verteidiger bestellt oder der Bestellte ablehnt. a) Die erstgenannte Bestimmung betrifft ihrem Wortlaut nach primär das Sachverfahren, in welchem Schuldpunkt und Strafpunkt zur Entscheidung stehen. Darauf weist die erste der beiden kumulativen Voraussetzungen hin, wonach eine Verteidigung eine notwendige ist, wenn ein Verbrechen oder Vergehen Gegenstand des Verfahrens bildet. Indessen kommt diesem Element nur insoweit Bedeutung zu, als damit die Notwendigkeit einer Verteidigung in Übertretungssachen ausgeschlossen werden soll, bei denen ja auch die Sanktion keine derart schwerwiegende sein kann, dass der Angeschuldigte notwendig eines Rechtsbeistandes bedürfte. Damit aber ist bereits darauf hingewiesen, dass das Schwergewicht der angeführten Bestimmung in der zu gewärtigenden Sanktion liegt (s. BGE 102 Ia 90 unten). Entsprechend bestimmt denn auch Art. 41 Ziff. 4 bern. StrV, dass die Verteidigung in den Fällen der Ziffern 2 und 3 auch im Rechtsmittelverfahren notwendig ist, obschon in diesem Verfahren nicht selten nur noch die Sanktion zur Entscheidung steht. Es würde dem Sinn dieser Bestimmung klarerweise widersprechen, wollte man in einem Rechtsmittelverfahren, in welchem es um eine an ein in erster Instanz rechtskräftig beurteiltes Verbrechen oder Vergehen anschliessende freiheitsentziehende Massnahme geht, die Anwendbarkeit des Art. 41 bern. StrV verneinen. Das Rechtsmittelverfahren ist die Fortsetzung des unterinstanzlichen Sachverfahrens und hängt mit diesem unmittelbar zusammen. Nicht wesentlich anders verhält es sich im Falle des Art. 43 Ziff. 3
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 43 - 1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
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1 | Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
2 | Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen. |
3 | Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen.38 Die Bestimmungen über die Gewährung der bedingten Entlassung (Art. 86) sind auf den unbedingt zu vollziehenden Teil nicht anwendbar. |
BGE 106 Ia 179 S. 183
Massnahme zu befinden hat. Auch dieses Verfahren ist eine Fortsetzung, bzw. Ergänzung des Hauptverfahrens, und der vom Richter zu fällende Entscheid über die Sanktion hängt unmittelbar mit dem Verbrechen oder Vergehen zusammen, das Gegenstand des Hauptverfahrens gebildet hat. Wo in diesen Fällen eine freiheitsentziehende Massnahme in Aussicht steht, muss offensichtlich Art. 41 Ziff. 3 lit. c bern. StrV gleich Platz greifen wie im Hauptverfahren, in welchem eine solche Massnahme in Frage kommt. Ein anderer Sinn ist Art. 41 bern. StrV vernünftigerweise nicht zu entnehmen (entsprechend das Urteil der staatsrechtlichen Kammer vom 11. Juli 1978 i. S. G. c. Zürich). b) Im vorliegenden Fall stand Verwahrung nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 43 - 1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
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1 | Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
2 | Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen. |
3 | Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen.38 Die Bestimmungen über die Gewährung der bedingten Entlassung (Art. 86) sind auf den unbedingt zu vollziehenden Teil nicht anwendbar. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
3. Ist der angefochtene Entscheid schon aus diesem Grunde aufzuheben, kann dahingestellt bleiben, ob dem Obergericht auch bezüglich der Anwendung von Art. 41 Ziff. 3 lit. a und b bern. StrV Willkür zur Last fällt. Auch brauchen die Rügen der Verweigerung des rechtlichen Gehörs und der willkürlichen Beweiswürdigung nicht geprüft zu werden, da das Verfahren nach Art. 43 Ziff. 3
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 43 - 1 Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
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1 | Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.37 |
2 | Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen. |
3 | Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen.38 Die Bestimmungen über die Gewährung der bedingten Entlassung (Art. 86) sind auf den unbedingt zu vollziehenden Teil nicht anwendbar. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern vom 12. September 1980 aufgehoben.