Urteilskopf

105 IV 37

9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. April 1979 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 37

BGE 105 IV 37 S. 37

Aus den Erwägungen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, eine gynäkologische Untersuchung sei nicht objektiv unzüchtig, und zwar auch dann nicht, wenn sie zu einer langdauernden medizinisch nicht indizierten Reizung der Klitoris führe. In Fällen, wo eine Handlung nicht schon objektiv eindeutig sei, gebe der Wunsch nach Erregung oder Befriedigung eigener oder fremder Geschlechtslust den Ausschlag (BGE 70 IV 209). Diese Absicht sei von der Vorinstanz weder überprüft noch positiv festgestellt worden. Das Obergericht habe nicht einmal abgeklärt, ob sich der Beschwerdeführer bewusst gewesen sei, dass seine Handlungen zu einer subjektiv empfundenen Reizung der Klitoris geführt hätten. Ohne Beantwortung dieser Frage dürften Art. 189 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
3    Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.
und 191 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB nicht zur Anwendung gelangen. Die langdauernde Reizung der Patientinnen an der Klitoris war entgegen der Meinung des Beschwerdeführers objektiv schon deswegen eindeutig unzüchtig, weil sie weder medizinisch indiziert noch die Folge einer bei der Untersuchung unterlaufenen zufälligen Ungeschicklichkeit gewesen ist, denn damit fiel sie ohne weiteres ausserhalb des Bereichs einer gynäkologischen Untersuchungshandlung und verletzte sie nicht bloss in leichtzunehmender, sondern in grober Weise das Sittlichkeitsgefühl. Die Vorinstanz brauchte deshalb nicht im Sinne der vom Beschwerdeführer angezogenen Rechtsprechung nach der von X. mit seiner Handlung verfolgten Absicht zu forschen, um die objektive Unzüchtigkeit seines Verhaltens zu bejahen, noch musste sie prüfen, ob sich der Beschwerdeführer bewusst gewesen sei, dass seine Handlungen zu einer subjektiv empfundenen Reizung der Klitoris geführt hatten. Die Handlung war selbst dann objektiv unzüchtig, wenn der Täter nicht wusste, wie sie von der Frau empfunden wurde.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 105 IV 37
Datum : 05. April 1979
Publiziert : 31. Dezember 1980
Quelle : Bundesgericht
Status : 105 IV 37
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 189 Abs. 2, 191 Ziff. 2 Abs. 1 StGB. Die langdauernde Reizung einer Patientin an der Klitoris durch den Arzt anlässlich


Gesetzesregister
StGB: 189 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
3    Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.
191
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
BGE Register
105-IV-37 • 70-IV-209
Stichwortregister
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