105 II 329
54. Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Dezember 1979 i.S. Käser und Käser gegen Locher (Berufung)
Regeste (de):
- Ausserordentliche Ersitzung einer Grunddienstbarkeit (Art. 731 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 731 - 1 Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch.
1 Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch. 2 Für Erwerb und Eintragung gelten, soweit es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum. 3 Die Ersitzung ist nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann. - Zu Lasten eines in einem kantonalen Publizitätsregister eingetragenen Grundstücks kann eine Grunddienstbarkeit solange durch ausserordentliche Ersitzung begründet werden, als nicht eine umfassende Bereinigung der Dienstbarkeiten stattgefunden hat (Änderung der Rechtsprechung).
Regeste (fr):
- Acquisition d'une servitude par prescription extraordinaire (art. 731 al. 3 CC).
- L'acquisition d'une servitude à charge d'un immeuble immatriculé dans un registre cantonal de publicité foncière peut se faire par prescription extraordinaire aussi longtemps que le fonds n'a pas été l'objet d'une procédure complète d'épuration des servitudes (revirement de jurisprudence).
Regesto (it):
- Acquisto di una servitù mediante prescrizione straordinaria (art. 731 cpv. 3 CC).
- L'acquisto di una servitù gravante un fondo iscritto in un registro cantonale di pubblicità fondiaria può aver luogo mediante prescrizione straordinaria fino a che il fondo non sia stato oggetto di una procedura completa d'appuramento delle servitù (cambiamento della giurisprudenza).
Sachverhalt ab Seite 329
BGE 105 II 329 S. 329
A.- Peter Locher, Pius Käser und Albert Käser sind Eigentümer dreier aneinandergrenzender Grundstücke in der Gemeinde Bösingen (Kanton Freiburg). Auf der Parzelle 916 des Albert Käser entspringt eine Quelle, die in einer Brunnenstube gefasst und deren Wasser durch eine Leitung in nordwestlicher Richtung über die Parzelle 907 des Pius Käser bis unmittelbar vor die Grenze zur Parzelle 889 aaa des Peter Locher geführt wird. Dort befindet sich ein Teilstock, von dem aus je eine Leitung zum Hause des Pius Käser und zu jenem des Peter Locher führt.
BGE 105 II 329 S. 330
Im altrechtlichen kantonalen Publizitätsregister ist die Parzelle 907 des Pius Käser mit einer "Brunnenleitung" zugunsten der Parzelle 889 aaa des Peter Locher belastet. Andererseits besteht zu ihren Gunsten ein Quellen- und Durchleitungsrecht zu Lasten der Parzelle 916 des Albert Käser. Zugunsten der Parzelle 889 aaa des Peter Locher und zu Lasten der Parzelle 16 des Paul Poffet, die in ansteigendem Gelände südöstlich an die Parzelle 916 des Albert Käser grenzt, ist schliesslich ein "Nachgrabungsrecht für die Brunnenleitung" eingetragen.
B.- Mit Eingabe vom 28. Mai 1976 reichte Peter Locher beim Bezirksgericht der Sense gegen Albert und Pius Käser Klage ein. Er verlangte, dass zugunsten seiner Parzelle (889 aaa) das Bestehen eines Quellen-, Brunnenstuben- und Wasserleitungsrechtes zu Lasten der Parzelle 916 des Albert Käser sowie eines Wasserleitungs- und Teilstockrechtes zu Lasten der Parzelle 907 des Pius Käser festgestellt und dass die Eintragung dieser Rechte im Grundbuch angeordnet werde. Der Beklagte Pius Käser anerkannte, dass seine Parzelle mit einer "Brunnenleitung" zugunsten des klägerischen Grundstückes belastet sei. Im übrigen wurde jedoch von beiden Beklagten Abweisung der Klage beantragt.
C.- Mit Urteil vom 11. Juli 1978 stellte das Bezirksgericht der Sense fest, dass der Beklagte Pius Käser anerkenne, dass seine Parzelle mit einer "Brunnenleitung" zugunsten der Parzelle des Klägers belastet sei. Im übrigen wies es die Klage ab mit der Begründung, der Kläger habe eine Ersitzung der beanspruchten Grunddienstbarkeiten nach altem kantonalem Recht, d.h. vor dem 1. Januar 1912 (dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches), nicht zu beweisen vermocht und gemäss den Art. 662
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 662 - 1 Besitzt jemand ein Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen ist, ununterbrochen und unangefochten während 30 Jahren als sein Eigentum, so kann er verlangen, dass er als Eigentümer eingetragen werde. |
|
1 | Besitzt jemand ein Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen ist, ununterbrochen und unangefochten während 30 Jahren als sein Eigentum, so kann er verlangen, dass er als Eigentümer eingetragen werde. |
2 | Unter den gleichen Voraussetzungen steht dieses Recht dem Besitzer eines Grundstückes zu, dessen Eigentümer aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist oder bei Beginn der Ersitzungsfrist von 30 Jahren tot oder für verschollen erklärt war. |
3 | Die Eintragung darf jedoch nur auf Verfügung des Gerichts erfolgen, nachdem binnen einer durch amtliche Auskündung angesetzten Frist kein Einspruch erhoben oder der erfolgte Einspruch abgewiesen worden ist. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 731 - 1 Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch. |
|
1 | Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch. |
2 | Für Erwerb und Eintragung gelten, soweit es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum. |
3 | Die Ersitzung ist nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann. |
D.- In Gutheissung einer gegen das bezirksgerichtliche Urteil erhobenen Berufung des Klägers erliess das Kantonsgericht des Staates Freiburg (Appellationshof) am 2. Mai 1979 folgendes Urteil: "...
3. Es wird festgestellt, dass zu Gunsten von Art. 889 aaa der Gemeinde Bösingen und zu Lasten des Art. 916 ein Wasser-, Brunnstuben- und Leitungsrecht sowie zu Lasten des Art. 907 derselben Gemeinde ein Brunnenleitungs- und Teilstockrecht bestehen. Diese Rechte werden im
BGE 105 II 329 S. 331
bisherigen Rahmen und nach Massgabe der vorhandenen Einrichtungen ausgeübt. 4. Das Grundbuchamt des Sensebezirks wird angewiesen, diese Rechte ins Grundbuch einzutragen."
Auch das Kantonsgericht verneint eine Ersitzung für die Zeit vor dem 1. Januar 1912. Hingegen hält es dafür, der Kläger habe die Grunddienstbarkeiten nach diesem Zeitpunkt ersessen, weil der altrechtlichen Publizitätseinrichtung des Kantons Freiburg nicht die volle negative Rechtskraft zukomme.
E.- Mit Berufung an das Bundesgericht beantragen die beiden Beklagten, das kantonsgerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Klage abzuweisen; allenfalls sei die Sache zur Ergänzung der Akten und zu neuer Entscheidung an die kantonale Appellationsinstanz zurückzuweisen. Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Gemäss Art. 731 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 731 - 1 Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch. |
|
1 | Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch. |
2 | Für Erwerb und Eintragung gelten, soweit es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum. |
3 | Die Ersitzung ist nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 661 - Ist jemand ungerechtfertigt im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, so kann sein Eigentum, nachdem er das Grundstück in gutem Glauben zehn Jahre lang ununterbrochen und unangefochten besessen hat, nicht mehr angefochten werden. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 731 - 1 Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch. |
|
1 | Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch. |
2 | Für Erwerb und Eintragung gelten, soweit es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum. |
3 | Die Ersitzung ist nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 731 - 1 Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch. |
|
1 | Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch. |
2 | Für Erwerb und Eintragung gelten, soweit es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum. |
3 | Die Ersitzung ist nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 731 - 1 Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch. |
|
1 | Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch. |
2 | Für Erwerb und Eintragung gelten, soweit es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum. |
3 | Die Ersitzung ist nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 661 - Ist jemand ungerechtfertigt im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, so kann sein Eigentum, nachdem er das Grundstück in gutem Glauben zehn Jahre lang ununterbrochen und unangefochten besessen hat, nicht mehr angefochten werden. |
BGE 105 II 329 S. 332
von Dienstbarkeiten vermittelt. Davon kann in der Regel dort nicht die Rede sein, wo das eidgenössische Grundbuch eingeführt und das Grundstück, dessen Belastung mit einer Dienstbarkeit in Frage steht, darin aufgenommen ist. Indessen ist nach den Ausführungen der Vorinstanz für die Gemeinde Bösingen das eidgenössische Grundbuch noch nicht eingeführt. Bezüglich der kantonalen Publizitätseinrichtung bestimmt Art. 370 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 661 - Ist jemand ungerechtfertigt im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, so kann sein Eigentum, nachdem er das Grundstück in gutem Glauben zehn Jahre lang ununterbrochen und unangefochten besessen hat, nicht mehr angefochten werden. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 661 - Ist jemand ungerechtfertigt im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, so kann sein Eigentum, nachdem er das Grundstück in gutem Glauben zehn Jahre lang ununterbrochen und unangefochten besessen hat, nicht mehr angefochten werden. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 731 - 1 Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch. |
|
1 | Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch. |
2 | Für Erwerb und Eintragung gelten, soweit es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum. |
3 | Die Ersitzung ist nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann. |
BGE 105 II 329 S. 333
TOBLER, Die dinglichen Rechte des Zivilgesetzbuches dargestellt am Beispiel der Leitungen, Berner Diss. 1953, S. 80). Auch die Rechtsprechung ist nicht einheitlich. Gegen die Zulässigkeit der ausserordentlichen Ersitzung haben sich namentlich das Obergericht des Kantons Zürich (vgl. ZBGR 42/1961, S. 206), das Obergericht des Kantons Luzern (vgl. SJZ 58/1962, S. 232) und das Kantonsgericht St. Gallen (St. Gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 1976, Nr. 22) ausgesprochen, während das Kantonsgericht von Graubünden (vgl. PKG 1944 Nr. 28, 1951 Nr. 27 und 1967 Nr. 29) und das Kantonsgericht Wallis (vgl. SJZ 71/1975, S. 12 Nr. 6) anderer Auffassung sind. In einem den Kanton Thurgau betreffenden Fall hat das Bundesgericht kürzlich entschieden, dass ein im dortigen provisorischen Grundbuch eingetragenes Grundstück als im Sinne von Art. 662
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 662 - 1 Besitzt jemand ein Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen ist, ununterbrochen und unangefochten während 30 Jahren als sein Eigentum, so kann er verlangen, dass er als Eigentümer eingetragen werde. |
|
1 | Besitzt jemand ein Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen ist, ununterbrochen und unangefochten während 30 Jahren als sein Eigentum, so kann er verlangen, dass er als Eigentümer eingetragen werde. |
2 | Unter den gleichen Voraussetzungen steht dieses Recht dem Besitzer eines Grundstückes zu, dessen Eigentümer aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist oder bei Beginn der Ersitzungsfrist von 30 Jahren tot oder für verschollen erklärt war. |
3 | Die Eintragung darf jedoch nur auf Verfügung des Gerichts erfolgen, nachdem binnen einer durch amtliche Auskündung angesetzten Frist kein Einspruch erhoben oder der erfolgte Einspruch abgewiesen worden ist. |
BGE 105 II 329 S. 334
Dienstbarkeiten stattgefunden hat, kann einer kantonalen Grundbucheinrichtung insofern keine volle Grundbuchwirkung im Sinne des Zivilgesetzbuches zukommen, als sich ein Dritter nicht darauf verlassen kann, dass neben den eingetragenen nicht noch andere Dienstbarkeiten bestehen. Solange dies nicht der Fall ist, können solche weiterhin gestützt auf Art. 731 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 731 - 1 Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch. |
|
1 | Zur Errichtung einer Grunddienstbarkeit bedarf es der Eintragung in das Grundbuch. |
2 | Für Erwerb und Eintragung gelten, soweit es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über das Grundeigentum. |
3 | Die Ersitzung ist nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 662 - 1 Besitzt jemand ein Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen ist, ununterbrochen und unangefochten während 30 Jahren als sein Eigentum, so kann er verlangen, dass er als Eigentümer eingetragen werde. |
|
1 | Besitzt jemand ein Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen ist, ununterbrochen und unangefochten während 30 Jahren als sein Eigentum, so kann er verlangen, dass er als Eigentümer eingetragen werde. |
2 | Unter den gleichen Voraussetzungen steht dieses Recht dem Besitzer eines Grundstückes zu, dessen Eigentümer aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist oder bei Beginn der Ersitzungsfrist von 30 Jahren tot oder für verschollen erklärt war. |
3 | Die Eintragung darf jedoch nur auf Verfügung des Gerichts erfolgen, nachdem binnen einer durch amtliche Auskündung angesetzten Frist kein Einspruch erhoben oder der erfolgte Einspruch abgewiesen worden ist. |