104 IV 53
17. Urteil des Kassationshofes vom 24. Mai 1978 i.S. H. gegen Staatsanwaltschaft Graubünden
Regeste (de):
- Art. 33, 133 StGB; Raufhandel, Notwehr.
- In Notwehrlage befindet sich:
- - wer, zwar angetrunken und sich ungebührlich benehmend, gegen ein unberechtigtes gewaltsames Abführen sich tätlich wehrt (Erw. 2a);
- - nicht, wer den abziehenden Angreifern Kies nachwirft und von diesen erneut geschlagen wird (Erw. 2b).
Regeste (fr):
- Art. 33, 133 CP; rixe, légitime défense.
- Se trouve en état de légitime défense:
- - celui qui, bien que pris de boisson et se conduisant de manière inconvenante, se défend par des voies de fait contre une expulsion illégitime (consid. 2 litt. a);
- - mais non pas celui qui jette du gravier sur les agresseurs qui se retirent et qui est à nouveau frappé par ceux-ci (consid. 2 litt. b).
Regesto (it):
- Art. 33, 133 CP; rissa, legittima difesa.
- Versa in stato di legittima difesa:
- - chi, pur essendo ebbro e comportandosi in modo sconveniente, si difende con vie di fatto contro un allontanamento forzoso illegittimo (consid. 2a);
- - non invece chi scaglia ghiaia contro gli aggressori che si ritirano ed è nuovamente percosso da costoro (consid. 2b).
Sachverhalt ab Seite 53
BGE 104 IV 53 S. 53
A.- Am Abend des 14. August 1976 ass H. mit seiner Ehefrau im Hotel Post in Samnaun. Durch reichlichen Alkoholgenuss in euphorischer Stimmung, versuchte er die Aufmerksamkeit der übrigen Gäste auf sich zu lenken. Als ihn der Dorfpolizist um Mitternacht zur Mässigung aufforderte, sprang H. über einen Tisch und umarmte den Polizisten, bezahlte jedoch eine Busse von Fr. 5.- wegen ungebührlichen Benehmens anstandslos und offerierte dem Polizisten sogar einen Kaffee. Dann verliess er das Hotel offensichtlich angetrunken, legte sich aber entgegen dem Rat des Polizisten nicht schlafen, sondern turnte auf den Terrassenmöbeln des Hotels Montana herum und begab sich schliesslich lärmend in die Silvrettabar. Als er auch hier über Tische und Bänke sprang, begleiteten ihn die Brüder Bruno und Hubert Z. zur Bar hinaus und wollten ihn auf Ersuchen des Gemeindepolizisten zu seinem Zimmer in der Pension Bergsonne begleiten. H. riss sich jedoch los und sprang zurück in die Silvrettabar, wo er nach kurzer Zeit wild zu schreien und mit den flachen Händen auf Barstühlen zu trommeln begann.
BGE 104 IV 53 S. 54
Die Brüder Z. beförderten ihn deshalb erneut ins Freie und führten ihn in Begleitung des Polizisten gewaltsam in Richtung der Pension Bergsonne ab. Beim Hotel Post begann H. in einem Wutanfall wild um sich zu schlagen, um sich loszureissen, worauf die Brüder Z. zurückschlugen, bis er zu Boden fiel. Am Boden liegend, wurde er von einem der Brüder Z. mit Schuhen getreten. Darauf packten sie ihn bei den Schultern, schleiften ihn weiter und brachten ihn schliesslich über die Aussentreppe bis zum Eingang des Hauses Bergsonne. Nachdem der Polizist und die Brüder Z. sich etwas entfernt hatten, eilte H. die Treppe hinunter, raffte auf dem Vorplatz Kies zusammen und warf ihn den dreien nach. Die Brüder Z. kehrten daraufhin um und schlugen erneut auf H. ein, bis er zu Boden stürzte und dort liegen blieb. Noch in der gleichen Nacht musste H. ins Spital eingeliefert werden. Er hatte eine Unterschenkelfraktur, eine Innenknöchelfraktur des rechten Unterschenkels, eine Verrenkung des Kleinfinger-Endglieds rechts, Quetschungen im Gesicht, an der rechten Hüfte und am Unterschenkel erlitten.
B.- Der Kreisgerichtsausschuss Ramosch verurteilte H. wegen fortgesetzten Raufhandels zu einem Monat Gefängnis und Fr. 500.- Busse, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs. Eine hiegegen von H. eingereichte Berufung wurde vom Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden am 1. November 1977 abgewiesen.
C.- H. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses sei, soweit es ihn betrifft, aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es sei ihm zudem gemäss Art. 278 Abs. 3 BStP eine angemessene Entschädigung zuzusprechen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Vorinstanz stellt fest, H. habe vor ihr nicht bestritten, an einem Raufhandel im Sinne von Art. 133
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 133 - 1 Wer sich an einem Raufhandel beteiligt, der den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen zur Folge hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer sich an einem Raufhandel beteiligt, der den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen zur Folge hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Nicht strafbar ist, wer ausschliesslich abwehrt oder die Streitenden scheidet. |
BGE 104 IV 53 S. 55
zurückkommen kann (Art. 268 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 133 - 1 Wer sich an einem Raufhandel beteiligt, der den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen zur Folge hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer sich an einem Raufhandel beteiligt, der den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen zur Folge hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Nicht strafbar ist, wer ausschliesslich abwehrt oder die Streitenden scheidet. |
2. Wie vor dem Kantonsgerichtsausschuss, beruft sich H. auch vor Bundesgericht auf Notwehr im Sinne von Art. 33
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
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1 | Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
2 | Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen. |
3 | Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten. |
4 | Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
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1 | Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
2 | Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen. |
3 | Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten. |
4 | Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht. |
BGE 104 IV 53 S. 56
Dann aber befand sich H. in dieser ersten Phase in einer Notwehrlage und war zu angemessener Abwehr des unrechtmässigen Angriffs auf seine Bewegungsfreiheit berechtigt. Dass er durch sein ungebührliches Verhalten in der Bar, durch das jedoch niemand irgendwie angegriffen oder bedroht worden war, zu dem gewaltsamen Eingreifen der Brüder Z. Anlass gegeben hatte, schliesst Notwehr auf seiner Seite nicht aus (BGE 102 IV 230), es wäre denn, er hätte den Angriff vorsätzlich provoziert, um sich selbst Gelegenheit zu verschaffen, die Angreifer zu verletzen (GERMANN, Verbrechen, S. 218; SCHULTZ, a.a.O.). Dass H. das durch sein Verhalten in der Bar beabsichtigt habe, nimmt die Vorinstanz selber nicht an. Sein Losreissen und das damit verbundene Um-sich-schlagen waren somit Abwehrhandlungen im Sinne des Art. 33
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
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1 | Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
2 | Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen. |
3 | Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten. |
4 | Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
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1 | Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
2 | Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen. |
3 | Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten. |
4 | Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 133 - 1 Wer sich an einem Raufhandel beteiligt, der den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen zur Folge hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer sich an einem Raufhandel beteiligt, der den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen zur Folge hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Nicht strafbar ist, wer ausschliesslich abwehrt oder die Streitenden scheidet. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
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1 | Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
2 | Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen. |
3 | Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten. |
4 | Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
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1 | Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
2 | Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen. |
3 | Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten. |
4 | Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 66 - 1 Besteht die Gefahr, dass jemand ein Verbrechen oder Vergehen ausführen wird, mit dem er gedroht hat, oder legt jemand, der wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens verurteilt wird, die bestimmte Absicht an den Tag, die Tat zu wiederholen, so kann ihm das Gericht auf Antrag des Bedrohten das Versprechen abnehmen, die Tat nicht auszuführen, und ihn anhalten, angemessene Sicherheit dafür zu leisten. |
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1 | Besteht die Gefahr, dass jemand ein Verbrechen oder Vergehen ausführen wird, mit dem er gedroht hat, oder legt jemand, der wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens verurteilt wird, die bestimmte Absicht an den Tag, die Tat zu wiederholen, so kann ihm das Gericht auf Antrag des Bedrohten das Versprechen abnehmen, die Tat nicht auszuführen, und ihn anhalten, angemessene Sicherheit dafür zu leisten. |
2 | Verweigert er das Versprechen oder leistet er böswillig die Sicherheit nicht innerhalb der bestimmten Frist, so kann ihn das Gericht durch Sicherheitshaft zum Versprechen oder zur Leistung von Sicherheit anhalten. Die Sicherheitshaft darf nicht länger als zwei Monate dauern. Sie wird wie eine kurze Freiheitsstrafe vollzogen (Art. 7971). |
3 | Begeht er das Verbrechen oder das Vergehen innerhalb von zwei Jahren, nachdem er die Sicherheit geleistet hat, so verfällt die Sicherheit dem Staate. Andernfalls wird sie zurückgegeben. |
BGE 104 IV 53 S. 57
entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff gehandelt. b) Bezüglich der zweiten Phase, der Schlägerei vor der Pension Bergsonne, ist davon auszugehen, dass nach dem angefochtenen Urteil die Brüder Z. den Beschwerdeführer vor der Haustüre abgesetzt und sich von ihm bereits etwas entfernt hatten, er aber die Treppe wieder herabstürzte und ihnen aus Empörung Kies nachwarf. Die Vorinstanz erblickt in diesem Verhalten einen tätlichen Angriff des H., der zu einem erneuten Handgemenge führte und der Annahme von Notwehr auf seiner Seite entgegenstehe. Dem ist im Ergebnis beizupflichten. Raufhandel ist eine tätliche, wechselseitige Auseinandersetzung zwischen mindestens drei Personen. Dabei müssen die Tätlichkeiten nicht notwendig in Schlägen bestehen. Sie können auch durch Bewerfen mit harten Gegenständen verübt werden. Das will aber nicht heissen, dass jedes im Verlaufe einer wechselseitigen Auseinandersetzung benutzte Wurfgeschoss den Gegner treffen müsse. Soweit es im Rahmen des Ganzen als Kampfhandlung erscheint, die in ihrer Wirkung geeignet ist, den Gegner zumindest der Gefahr einer Tätlichkeit auszusetzen, ist das Bewerfen mit solchen Gegenständen als Teil des Raufhandels zu erachten. Hat aber der Beschwerdeführer in dieser Phase mit dem Werfen von Kies in Richtung der Brüder Z. als erster eine neue Kampfhandlung begangen, so kann er sich nicht auf Notwehr berufen, da er in diesem Zeitpunkt keinem Angriff seiner Gegner ausgesetzt war noch unmittelbar ein solcher drohte. Insoweit muss es deshalb bei seiner Verurteilung wegen Raufhandels bleiben.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses von Graubünden vom 1. November 1977 aufgehoben, soweit es den Beschwerdeführer betrifft, und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.