104 II 86
15. Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Mai 1978 i.S. Edelmann und Mitbeteiligte gegen E. Berner AG
Regeste (de):
- Art. 667 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 667 - 1 Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht.
1 Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. 2 Es umfasst unter Vorbehalt der gesetzlichen Schranken alle Bauten und Pflanzen sowie die Quellen. - Der Eigentümer eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks, das sich in der Nähe eines privaten Flugplatzes befindet, kann verbieten, dass sein Grundstück von landenden und startenden Flugzeugen in geringer Höhe überflogen werde. Mindestflughöhe unter den gegebenen Umständen auf 50 m festgesetzt.
Regeste (fr):
- Art. 667 al. 1 CC.
- Le propriétaire d'un immeuble utilisé comme exploitation agricole dans le voisinage d'un aérodrome privé peut s'opposer à ce que l'immeuble soit survolé à faible altitude par des aéronefs atterrissant ou décollant. Altitude minimale de vol arrêtée en l'espèce, vu les circonstances, à 50 m.
Regesto (it):
- Art. 667 cpv. 1 CC.
- Il proprietario di un fondo adibito ad usi agricoli, sito in vicinanza di un aerodromo privato, può opporsi al sorvolo dello stesso a bassa quota da parte dei velivoli in fase di decollo e di atterraggio. Altitudine minima di sorvolo fissata a 50 m nel caso in esame, tenuto conto delle concrete circostanze.
Sachverhalt ab Seite 86
BGE 104 II 86 S. 86
A.- Die E. Berner AG, Immobilien, ist Eigentümerin des Grundstückes "Than/Mooswiesen", Parzelle Nr. 867 ff. bei Sitterdorf TG, auf dem sie mit Bewilligung des Eidgenössischen Luftamtes seit 1962 ein privates Flugfeld betreibt. Als sie im Jahre 1976 die Asphaltierung der bisherigen Rasenpiste projektierte, erhoben benachbarte Grundeigentümer und weitere Personen aus der Umgebung, insgesamt 58 Kläger, beim Bezirksgericht Bischofszell Klage auf Verbot dieses Bauvorhabens und auf Untersagung eines Flugbetriebes, der übermässige und ungerechtfertigte Einwirkungen, insbesondere Lärm, auf die Kläger und ihre Grundstücke mit sich bringe. Drei dieser Kläger, nämlich
BGE 104 II 86 S. 87
a) Paul Edelmann, zugunsten dessen Parzelle Nr. 264 entlang der Westgrenze des Flugfeldes u.a. auf den Parzellen Nrn. 220, 222 und 802 eine Grunddienstbarkeit ("Wiesenfahrrecht") lastet, b) die Erben des Hans Edelmann-Ackermann als Gesamteigentümer der westlich an das Flugfeld angrenzenden Parzellen Nrn. 222 und 802, und c) Hans Meier als Eigentümer der östlich an das Flugfeld angrenzenden Parzelle Nr. 291, beantragten ausserdem, die Beklagte sei zu verpflichten, dafür zu sorgen, dass ab und zu ihrem Flugfeld keine Luftfahrzeuge niedriger als 150 m über die Parzellen Nrn. 222, 802 und 291 sowie über den dem Kläger Paul Edelmann auf den beiden erstgenannten Parzellen und auf Parzelle Nr. 220 zustehenden Weg hinwegfliegen. Diese zuletzt aufgeführten Begehren der drei genannten Kläger wurden bereits im erstinstanzlichen Verfahren vom übrigen Prozess abgetrennt und bilden allein noch Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
B.- Das die Klagen abweisende Urteil des Bezirksgerichtes Bischofszell vom 28. Februar 1977 zogen die Kläger mit Berufung ans Obergericht des Kantons Thurgau weiter. Sie beantragten Gutheissung ihrer ursprünglichen Rechtsbegehren, eventuell Festlegung eines weniger hoch reichenden Flugverbotes. Das Obergericht fand die Berufungen mit Urteil vom 4. Oktober 1977 zur Hauptsache für begründet und verpflichtete die Beklagte, dafür zu sorgen, dass ab und zu ihrem Flugfeld keine Luftfahrzeuge niedriger als in einer Höhe von 50 m die klägerischen Grundstücke sowie den Paul Edelmann zustehenden Weg überfliegen.
C.- Gegen das obergerichtliche Urteil haben beide Parteien Berufung und die Beklagte überdies staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Die letztere wurde mit Entscheid vom 16. März 1978 im Verfahren nach Art. 92
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 667 - 1 Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. |
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1 | Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. |
2 | Es umfasst unter Vorbehalt der gesetzlichen Schranken alle Bauten und Pflanzen sowie die Quellen. |
BGE 104 II 86 S. 88
Weg in so niedriger Höhe überfliegen, dass die Sicherheit von Menschen und Sachen konkret gefährdet wird; subeventuell sei der Fall zur Durchführung eines Beweisverfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Jede der beiden Parteien beantragt Abweisung der gegnerischen Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Rahmen, innerhalb dessen der vorliegende Fall zu beurteilen ist, wird weitgehend durch die beiden Urteile des Bundesgerichts vom 6. Juni 1969 i.S. Flugfeld Beromünster (BGE 95 II 397 ff.) und vom 13. Mai 1977 i.S. Flugfeld Lommis (BGE 103 II 96 ff.) abgesteckt. Nach den in diesen beiden Urteilen aufgestellten Kriterien kann sich der Eigentümer eines Grundstückes, das in der Nachbarschaft eines privaten Flugfeldes liegt, gegen das Überfliegen seines Grundstückes dann zur Wehr setzen, wenn dieses Überfliegen ihn in der Ausübung seiner Eigentümerbefugnisse hindert oder stört. Im Falle Beromünster ging es lediglich um die Befugnisse eines Miteigentümers an einer Wegparzelle, der den Luftraum über dieser nur insofern geschützt haben wollte, als durch den Luftverkehr auf der Wegparzelle befindliche Menschen oder Sachen konkret gefährdet würden (BGE 95 II 405 E. 4a). Das Bundesgericht begnügte sich damit, das Überflugverbot in dieser allgemeinen Weise zu formulieren, ohne eine bestimmte Flughöhe vorzuschreiben. Im Falle Lommis wurde eine Klage der Flugfeldinhaber abgewiesen, mit welcher diese einer benachbarten Grundeigentümerin verbieten lassen wollten, auf ihrem Grundstück eine 12,45 m hohe Scheune zu erstellen. Es wurde festgehalten, dass das Interesse des Grundeigentümers im Sinne von Art. 667 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 667 - 1 Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. |
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1 | Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. |
2 | Es umfasst unter Vorbehalt der gesetzlichen Schranken alle Bauten und Pflanzen sowie die Quellen. |
BGE 104 II 86 S. 89
aufzustellen. Wenn aber im konkreten Fall ein Grundeigentümer verlangt, sein Grundstück dürfe unterhalb einer bestimmten Limite nicht überflogen werden, weil, wie er geltend macht, sein Interesse bis zu dieser Höhe reiche, muss der Zivilrichter über ein solches Begehren befinden; denn dabei handelt es sich eben gerade darum, den Herrschaftsbereich des Grundeigentümers über den Luftraum über seinem Grundstück abzugrenzen.
2. Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, das Interesse des Eigentümers eines unüberbauten, bloss landwirtschaftlich genutzten Grundstückes erstrecke sich lediglich bis zu einer Höhe von 3-5 m ab Boden. Dem kann nicht zugestimmt werden. Flugzeuge, die sich in solcher Höhe über ein Grundstück bewegen, gefährden auf dem Grundstück befindliche Menschen, Tiere und Sachen ganz erheblich. Tiere und Menschen werden durch so niedrig fliegende Flugzeuge erschreckt, und es können daraus Unfälle und andere Schädigungen oder Beeinträchtigungen entstehen. Der Grundeigentümer hat zudem auch bei einem bloss extensiv landwirtschaftlich genutzten Grundstück nicht bloss Anspruch darauf, vor konkreten Personen- und Sachschäden bewahrt zu werden, sondern sein schutzwürdiges Interesse am Luftraum über seinem Grundstück berechtigt ihn darüber hinaus auch zur Abwehr von Vorkehren Dritter in diesem Raum, die ihn in der Nutzung seines Grundstückes beeinträchtigen (BGE 93 II 175) oder für ihn auch bloss lästig sind (LIVER, in: Schweizerisches Privatrecht, Band V/1,/l, S. 167). Dass häufige Flüge in geringer Höhe auch über einem bloss extensiv landwirtschaftlich genutzten Grundstück lästig sind, ist nicht zu bezweifeln. Personen, die auf dem Grundstück arbeiten, werden durch den Lärm und den Anblick der an- und abfliegenden Flugzeuge gestört. Vieh, das auf dem Grundstück weidet, wird verängstigt, und es können daraus gar materielle Schäden (z.B. Ausfall an Milchertrag, verminderte Nahrungsaufnahme, Störung des Verlaufes einer Trächtigkeit) entstehen. Ausserdem aber steht dem Eigentümer das Recht zu, sein Grundstück auch anderweitig zu benützen, z.B. darauf irgendwelche Freizeitbeschäftigungen auszuüben. Auch darin braucht er sich von niedrig fliegenden Flugzeugen nicht stören zu lassen. Wie hoch die Mindestflughöhe angesetzt wird, Ist weitgehend eine Ermessensfrage, die zudem von den örtlichen Gegebenheiten
BGE 104 II 86 S. 90
abhängt. Das Obergericht beruft sich in seinem Urteil auf Ortskenntnis und auf sein Wissen um die Art der Bewirtschaftung der fraglichen Grundstücke. Wenn es zum Schluss gelangte, eine Mindestflughöhe von 50 m werde diesen Umständen gerecht, so hätte das Bundesgericht nur dann Anlass zum Einschreiten, wenn die Vorinstanz ihr Ermessen überschritten hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Eine Mindestflughöhe von 50 m enthebt die Kläger zwar nicht jeglicher Belästigung, macht die Bewirtschaftung ihrer Grundstücke, so wie sie offenbar gehandhabt wird, aber doch erträglich. Das vorinstanzliche Urteil liegt damit auch etwa auf der Linie von BGE 71 II 83 ff., wo eine Schwebebahn, deren Tragseil 10-40 m über dem Erdboden verlief, als innerhalb des von Art. 667 Abs. 1
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1 | Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. |
2 | Es umfasst unter Vorbehalt der gesetzlichen Schranken alle Bauten und Pflanzen sowie die Quellen. |
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1 | Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. |
2 | Es umfasst unter Vorbehalt der gesetzlichen Schranken alle Bauten und Pflanzen sowie die Quellen. |
BGE 104 II 86 S. 91
Zudem handelt es sich im vorliegenden Fall nicht bloss um einen mehr oder weniger selten benutzten Feldweg, sondern um die Bewirtschaftung von vier Grundstücken, und es wäre kann angängig, die Kläger als Grundeigentümer und Dienstbarkeitsberechtigte in der Ausübung ihrer Rechte zeitlich einzuschränken. Es muss ihnen freistehen, jederzeit nach Belieben ihre Grundstücke zu betreten bzw. ihr Wegrecht auszuüben.
3. Es bleibt noch zu einigen Ausführungen in der Berufungsschrift der Beklagten Stellung zu nehmen: a) Das obergerichtliche Urteil und die vorstehenden Ausführungen gehen davon aus, dass die Liegenschaften der Kläger Meier und Erben Edelmann extensiv landwirtschaftlich genutzt werden und unüberbaut sind. Die Ausführungen der Beklagten über die bestehenden Zonenvorschriften und ein allfällig weitergehendes Ausübungsinteresse der Kläger gehen daher an der Sache vorbei. b) Wie bereits vorstehend und schon in BGE 103 II 99 f. gesagt, kommt den im öffentlichen Luftrecht festgelegten Mindestflughöhen und den Ausnahmen davon keine privatrechtlich-eigentumsbeschränkende Wirkung zu. Auch die diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten in ihrer Berufungsschrift sind daher ohne Bedeutung für den Ausgang des Streites. Ob der Betrieb eines Flugplatzes und die damit verbundene Überfliegung von benachbarten Grundstücken in niedriger Höhe einen Eingriff in die Rechte des Grundeigentümers darstellt, beurteilt sich bei öffentlichen Flughäfen nach den Vorschriften von Art. 42 bis
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1 | Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. |
2 | Es umfasst unter Vorbehalt der gesetzlichen Schranken alle Bauten und Pflanzen sowie die Quellen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 667 - 1 Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. |
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1 | Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. |
2 | Es umfasst unter Vorbehalt der gesetzlichen Schranken alle Bauten und Pflanzen sowie die Quellen. |
BGE 104 II 86 S. 92
würden oder diesen gar stillegen müssten. Das Obergericht hat somit Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
h) Die in der Berufung aufgestellte Behauptung, die Kläger müssten ein Überfliegen ihrer Grundstücke durch Grossraumflugzeuge in 150 m Höhe entschädigungslos dulden, trifft nicht zu. Soweit ein solches Überfliegen einen Grundeigentümer in
BGE 104 II 86 S. 93
seinen Rechten beeinträchtigt, kann er sich dagegen zur Wehr setzen und, falls es sich um öffentlichen Flugverkehr handelt, allenfalls eine Entschädigung aus materieller Enteignung beanspruchen.
4. Beide Berufungen erweisen sich somit als unbegründet.