104 II 6
2. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. März 1978 i.S. Dr. R. gegen Gesellschaft der Ärzte des Kantons Zürich
Regeste (de):
- Anfechtung eines Vereinsbeschlusses; Persönlichkeitsrecht des Vereinsmitglieds.
- Der Beschluss der Gesellschaft der Ärzte des Kantons Zürich, in einer Vereinbarung mit dem Apothekerverein des Kantons Zürich auf die Selbstdispensation in den Städten Zürich und Winterthur zu verzichten, verletzt die Persönlichkeitsrechte der Mitglieder der Gesellschaft im Sinne von Art. 27
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten.
1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. 2 Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken.
Regeste (fr):
- Contestation de la décision d'une association; droit de la personnalité du membre de l'association.
- La décision de la société des médecins du canton de Zurich de renoncer, par accord avec la société des pharmaciens du canton de Zurich, à la dispensation dans les villes de Zurich et de Winterthour ne porte pas atteinte aux droits de la personnalité des membres de la société, au sens de l'art. 27 CC.
Regesto (it):
- Impugnazione di una decisione adottata da un'associazione; diritti della personalità di un membro di un'associazione.
- La decisione della Società dei medici del Cantone di Zurigo di rinunciare, mediante accordo con l'Associazione dei farmacisti del Cantone di Zurigo, a dispensare direttamente prodotti medicinali nelle città di Zurigo e di Winterthur non lede, ai sensi dell'art. 27 CC, i diritti della personalità dei membri della società.
Sachverhalt ab Seite 6
BGE 104 II 6 S. 6
A.- § 17 des zürcherischen Gesetzes über das Gesundheitswesen vom 4. November 1962 verbietet den Ärzten in den Städten Zürich und Winterthur die Abgabe von Arzneimitteln, die sogenannte Selbstdispensation. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich erklärte mit Entscheid vom 13. Juli 1973 dieses Verbot der Selbstdispensation als Verstoss gegen die Handels- und Gewerbefreiheit, mithin als verfassungswidrig und nichtig. Darauf erteilte die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich verschiedenen Ärzten die Bewilligung zur Selbstdispensation, am 25. Februar 1975 auch Dr. R. In der Folge kam es zwischen der Gesellschaft der Ärzte des Kantons Zürich und dem Apothekerverein des Kantons Zürich zu einer Vereinbarung, in der einerseits die in den Städten Zürich und Winterthur praktizierenden Ärzte sich bereit erklärten, keine Privatapotheke zu führen, während anderseits die Vereinigungen der Apotheker der genannten Städte sich verpflichteten, für einen ausreichenden Notfall-und
BGE 104 II 6 S. 7
Nachtdienst in den beiden Städten zu sorgen und ohne ärztlichen Auftrag weder Blutdruckmessungen noch andere medizinische Untersuchungen am Patienten vorzunehmen sowie weder Blut noch andere Körperflüssigkeiten zu entnehmen und zu untersuchen (ausgenommen einfache Urinanalysen). Gemäss Ziffer 1 lit. a der Vereinbarung sind vom Verbot der Selbstdispensation ausgenommen die Ärzte, die am 1. Januar 1974 bereits eine Bewilligung zur Führung einer Privatapotheke besassen. Durch Urabstimmungsbeschluss stimmte die Gesellschaft der Ärzte des Kantons Zürich dieser Vereinbarung zu.
B.- Dr. R. klagte beim Bezirksgericht Zürich gegen die Gesellschaft der Ärzte des Kantons Zürich auf Aufhebung des Vereinsbeschlusses. Das Bezirksgericht Zürich und das Obergericht des Kantons Zürich wiesen die Klage ab, letzteres mit Urteil vom 6. Juni 1977 und im wesentlichen mit der Begründung, eine unbefugte Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Klägers liege nicht vor; der Beschluss der Beklagten stelle auch keine Statutenverletzung im Sinne von Art. 75
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 75 - Beschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, kann jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim Gericht anfechten. |
C.- Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Berufung ans Bundesgericht. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Der Kläger geht vom Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. Juli 1973 aus, durch den das in § 17 des kantonalen Gesundheitsgesetzes verankerte Verbot der Selbstdispensation in den Städten Zürich und Winterthur als Verstoss gegen die Handels- und Gewerbefreiheit und somit als verfassungswidrig und nichtig bezeichnet worden war. Er anerkennt grundsätzlich, dass ein Privater auf ein ihm verfassungsmässig garantiertes Recht verzichten
BGE 104 II 6 S. 8
könne, hält aber dafür, dass der Verzicht einem Vereinsmitglied nicht durch Vereinsbeschluss aufgezwungen werden dürfe. Ein solcher Beschluss verletze das Persönlichkeitsrecht des Mitglieds im Sinne von Art. 27
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
2. a) Nach Art. 27
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. |
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1 | Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. |
2 | Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
BGE 104 II 6 S. 9
er dadurch seine wirtschaftliche Existenz gefährde. Und in BGE 51 II 168 steht zu lesen, im heutigen Geschäftsleben kämen weitgehende persönliche und wirtschaftliche Bindungen der Bewegungsfreiheit, insbesondere auch in Verkoppelung der gegenseitigen Interessen der Kontrahenten, vor, die nicht als anstössig erschienen; es komme darauf an, ob die Bindung das zulässige Mass überschreite und ob der Verpflichtete im Freiheitsgebrauch in einem das sittliche Gefühl verletzenden Grad im Sinne von Art. 27 Abs. 2
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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3. a) Das Verbot der Selbstdispensation hindert den Kläger an seiner eigentlichen Berufsausübung nicht, sondern untersagt ihm lediglich eine Tätigkeit, die seiner Praxis neben-oder untergeordnet ist. Ob die Medikamentenabgabe eine spezifisch ärztliche Tätigkeit sei oder nicht, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls bildet sie weder die Haupttätigkeit noch die Haupteinnahmequelle des Arztes. Zahlreiche Ärzte geben denn auch keine Medikamente direkt an Patienten ab, was beweist, dass die ärztliche Berufsausübung ohne Selbstdispensation möglich ist und häufig vorkommt. Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass das Verbot der Selbstdispensation den Kläger in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährden
BGE 104 II 6 S. 10
würde. Das Verbot stellt schon aus diesem Grunde keine Verletzung von Art. 27 Abs. 2
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
BGE 104 II 6 S. 11
"ohne weiteres erhältlich" sei. Der Vertreter des Klägers hat denn auch in seinem der ersten Instanz als Beweismittel eingereichten Exposé zur Selbstdispensation selber ausgeführt, es müsse gesagt werden, "dass die Gesundheitsdirektion den betroffenen Ärzten gestatten würde, den Titel "Spezialarzt für..." zu führen". Der Kläger kann also nach einem Austritt aus der Beklagten die Bewilligung erlangen, sich " Spezialarzt für innere Medizin" zu nennen; er muss nur auf den Zusatz "FMH" verzichten. Die von ihm behaupteten Nachteile des Austritts wiegen demnach nicht so schwer, dass der angefochtene Beschluss deswegen gegen Art. 27 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |