103 Ib 27
7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. März 1977 i.S. Deubelbeiss gegen Regierungsrat des Kantons Zürich
Regeste (de):
- Art. 38
StGB, bedingte Entlassung aus der Strafverbüssung. Beurteilung der Bewährungsaussichten, Zusammenfassung der Rechtsprechung.
Regeste (fr):
- Art. 38 CP, libération conditionnelle.
- Etablissement du pronostic sur les perspectives d'amendement, bilan de la jurisprudence.
Regesto (it):
- Art. 38 CP, liberazione condizionale.
- Valutazione delle prospettive di buona condotta in libertà, sintesi della giurisprudenza.
BGE 103 Ib 27 S. 27
Aus den Erwägungen:
1. Von den Voraussetzungen, unter denen nach Art. 38
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BGE 103 Ib 27 S. 28
aber ihre kriminelle Tätigkeit wieder aufzunehmen (BGE 98 Ib 107, BGE 101 Ib 153). Welche Art von Delikt zur Strafhaft geführt hat, ist an sich für die Prognose nicht entscheidend. Die Entlassung darf nicht für gewisse Tatkategorien erschwert werden. Dagegen sind die Umstände der Straftat insoweit beachtlich, als sie Rückschlüsse auf die Täterpersönlichkeit und damit auf das künftige Verhalten erlauben. Ob die mit einer bedingten Entlassung in gewissem Masse stets verbundene Gefahr neuer Delikte (BGE 98 Ib 107) zu verantworten ist, hängt im übrigen nicht nur davon ab, wie wahrscheinlich ein neuer Fehltritt ist, sondern auch von der Bedeutung des eventuell bedrohten Rechtsgutes. Hat z.B. ein Strafgefangener früher nur unbedeutende Eigentumsdelikte begangen, so darf ein höheres Risiko übernommen werden als bei einem Gewaltverbrecher, der sich in schwerer Weise gegen hochwertige Rechtsgüter (Leib, Leben usw.) vergangen hat. Die mit der bedingten Entlassung verfolgte Wiedereingliederung des Rechtsbrechers ist nicht schlechthin Selbstzweck, sondern auch ein Mittel, um die Allgemeinheit vor neuen Straftaten zu schützen. Deswegen rechtfertigt es sich auch, im Rahmen der Prognose der Art des möglicherweise weiterhin gefährdeten Rechtsgutes Rechnung zu tragen.
Bei Würdigung der Bewährungsaussichten ist freilich allgemein ein vernünftiges Mittelmass zu halten in dem Sinne, dass nicht jede noch so entfernte Gefahr neuer Straftaten eine Verweigerung der bedingten Entlassung zu begründen vermag, ansonst dieses Institut seines Sinnes beraubt würde. Anderseits darf aber auch nicht aufgrund einzelner günstiger Faktoren die bedingte Entlassung bewilligt werden, obwohl gewichtigere Anhaltspunkte für die Gefahr neuer Rechtsbrüche sprechen.