101 II 41
11. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. Juni 1975 i.S. L. gegen B.
Regeste (de):
- Erbteilung (Art. 604 ZGB); Verhältnis des kantonalen Prozessrechtes zum Bundeszivilrecht.
- Die (gestützt auf kantonales Prozessrecht) an die Substantiierung der Rechtsbegehren einer Erbteilungsklage gestellten Anforderungen dürfen der Durchsetzung des bundesrechtlich gewährleisteten Teilungsanspruches nicht entgegenstehen. Jedenfalls darf vom Erbteilungskläger auch dann nicht die Aufstellung eines genauen Teilungsplanes verlangt werden, wenn seine Klage auf ein vollstreckbares Teilungsurteil abzielt.
Regeste (fr):
- Partage d'une succession (art. 604 CC); rapport entre le droit de procédure cantonal et le droit civil fédéral.
- Les exigences formulées (sur la base du droit de procédure cantonal) quant à la manière dont les conclusions doivent être énoncées dans une action en partage ne sauraient faire obstacle au droit de partage garanti par la législation fédérale. En tout cas, on ne peut astreindre le demandeur à l'action en partage à présenter un projet de partage précis, même lorsque l'action tend à un jugement de partage exécutoire.
Regesto (it):
- Divisione di un'eredità (art. 604 CC); rapporto tra il diritto processuale cantonale e il diritto civile federale.
- Le esigenze del diritto processuale cantonale quanto al modo in cui debbono essere formulate le conclusioni in un'azione di divisione non possono ostacolare il diritto alla divisione garantito dalla legislazione federale. Dall'attore in un'azione di divisione non può comunque essere pretesa la presentazione di un progetto di divisione, neppure quando l'azione tende ad un giudizio esecutivo di divisione.
Sachverhalt ab Seite 41
BGE 101 II 41 S. 41
A.- Der am 30. September 1970 verstorbene B. hinterliess als gesetzliche Erben sechs Kinder aus erster Ehe (die heutigen Kläger) sowie seine dritte Ehefrau (die Beklagte). Mit eigenhändiger letztwilliger Verfügung vom 1. Juni 1959
BGE 101 II 41 S. 42
hatte der Erblasser u.a. die Kinder aus erster Ehe auf den Pflichtteil gesetzt und die verfügbare Quote seiner dritten Ehefrau zugewiesen. Dieses Testament hat er am 25. Juni 1968 ergänzt.
B.- Am 16. Dezember 1970 sandte der vom Erblasser ernannte Willensvollstrecker allen Erben eine Kopie des von der kantonalen Steuerverwaltung erstellten Vermögensstatus, wobei er um Stellungnahme bis Ende Jahr ersuchte. Nachdem er keine Antworten erhalten hatte, stellte er am 6. März 1972 einen "Erbteilungsakt" auf, worin er festhielt, dass das gesamte Nachlassvermögen Frauengut sei und der Ehefrau überlassen werde; eine Teilung falle somit dahin. Den Erben wurde eine vierzehntägige Frist angesetzt, um den "Erbteilungsakt" durch Klage allenfalls anzufechten.
C.- Innert Frist leiteten die Kinder aus erster Ehe gegen die überlebende dritte Ehefrau des Erblassers Klage ein mit folgenden Rechtsbegehren: "1. Es sei der Nachlass des am 30. September 1970 in Chur verstorbenen B. ... darin inbegriffen der Nachlass der 1927 verstorbenen Frau M. B. festzustellen. 2. Es sei der Erbteil der Kläger festzustellen.
3. Es sei der Nachlass des B. sel. zu teilen."
Mit Urteil vom 31. Oktober 1973 hiess das Bezirksgericht die Klage gut und verpflichtete die Beklagte, den Klägern insgesamt Fr. 20'716.83 oder jedem einzelnen Fr. 3'452.80 zu bezahlen. Das Kantonsgericht hob am 8. Juli 1974 auf Berufung der Beklagten hin das erstinstanzliche Urteil auf und trat auf die Klage nicht ein, mit der Begründung, die Rechtsbegehren seien nicht genügend substantiiert worden.
D.- Gegen dieses Urteil haben die Kläger sowohl kantonale als auch eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde eingereicht. Erstere haben sie indessen am 3. Februar 1975 zurückgezogen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. (Formelles).
2. Die Kläger berufen sich auf den Nichtigkeitsgrund des Art. 68 Abs. 1 lit. a OG (Anwendung von kantonalem Recht statt des massgebenden eidgenössischen Rechts) und bringen
BGE 101 II 41 S. 43
im wesentlichen vor, sie hätten ihr Rechtsbegehren in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesgerichts und der massgebenden Kommentatoren formuliert; das (umfassende) Begehren auf Feststellung des Nachlasses und der Erbteile sowie auf Teilung des Nachlasses sei zulässig und genügend; eine weiter gehende kantonalrechtliche Substantiierungspflicht sei unbeachtlich.
3. a) Der Anspruch auf Teilung der Erbschaft ergibt sich aus Art. 604 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 604 - 1 Jeder Miterbe kann zu beliebiger Zeit die Teilung der Erbschaft verlangen, soweit er nicht durch Vertrag oder Vorschrift des Gesetzes zur Gemeinschaft verpflichtet ist. |
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1 | Jeder Miterbe kann zu beliebiger Zeit die Teilung der Erbschaft verlangen, soweit er nicht durch Vertrag oder Vorschrift des Gesetzes zur Gemeinschaft verpflichtet ist. |
2 | Auf Ansuchen eines Erben kann das Gericht vorübergehend eine Verschiebung der Teilung der Erbschaft oder einzelner Erbschaftssachen anordnen, wenn deren sofortige Vornahme den Wert der Erbschaft erheblich schädigen würde. |
3 | Den Miterben eines zahlungsunfähigen Erben steht die Befugnis zu, zur Sicherung ihrer Ansprüche sofort nach dem Erbgange vorsorgliche Massregeln zu verlangen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 607 - 1 Gesetzliche Erben haben sowohl unter sich als mit eingesetzten Erben nach den gleichen Grundsätzen zu teilen. |
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1 | Gesetzliche Erben haben sowohl unter sich als mit eingesetzten Erben nach den gleichen Grundsätzen zu teilen. |
2 | Sie können, wo es nicht anders angeordnet ist, die Teilung frei vereinbaren. |
3 | Miterben, die sich im Besitze von Erbschaftssachen befinden oder Schuldner des Erblassers sind, haben hierüber bei der Teilung genauen Aufschluss zu geben. |
BGE 101 II 41 S. 44
Fr. 50'000.-- gefunden, welche mit den im Schriftstück vom 29. Januar 1969 erwähnten Obligationen identisch seien. Wie aus den einschlägigen Unterlagen hervorgehe, stellten sie ebenfalls Mannesgut dar. Der Erbteilungsakt des Willensvollstreckers aber lasse sie unberücksichtigt. Was die auf der Rückseite des Wertschriftenverzeichnisses angeführten Sparguthaben betreffe, so habe der für das Depot bei der Kantonalbank verfügungsbevollmächtigte Schwiegersohn des Erblassers das Bankfach praktisch leer vorgefunden. Da die Beklagte ebenfalls Zugang zu diesem Bankfach gehabt habe, sei sie aufzufordern, über die Verwendung der hinterlegten Beträge Auskunft zu geben. Ihre Behauptung, sie sei begütert gewesen und das heute vorhandene Vermögen sei ihr Eigentum, werde bestritten. Abschliessend beziffern die Kläger die von ihnen beanspruchte Erbquote mit je 1/6 von 9/16.
4. a) Bestünde der väterliche Nachlass lediglich aus Bargeld, so hätten die Kläger ohne weiteres ein betragsmässig bestimmtes Rechtsbegehren stellen können. Sie haben indessen stets geltend gemacht, zum eingebrachten Gut des Erblassers seien auch die auf dem von ihnen eingereichten Verzeichnis angeführten Wertschriften sowie weitere (in Bankfächern hinterlegte) Guthaben zu zählen. Mag dieser Standpunkt zutreffen oder nicht, bei der Beurteilung der Voraussetzungen an die Formulierung der Rechtsbegehren hatte die Vorinstanz auf jeden Fall von den vorgebrachten Tatsachenbehauptungen auszugehen. Das Kantonsgericht ist der Ansicht, die Kläger hätten aufgrund ihrer Vorstellung von der Zusammensetzung des Nachlasses bestimmte Gegenstände bzw. den entsprechenden Geldwert herausverlangen und durch Eventualbegehren alle Alternativen berücksichtigen können. Dabei übersieht es jedoch, dass das Bundeszivilrecht, von Teilungsvorschriften des Erblassers abgesehen, keinen Anspruch auf Zuweisung bestimmter Objekte gewährleistet. Die Erben haben bei der Teilung alle den gleichen Anspruch auf die Gegenstände der Erbschaft (Art. 610 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 610 - 1 Die Erben haben bei der Teilung, wenn keine andern Vorschriften Platz greifen, alle den gleichen Anspruch auf die Gegenstände der Erbschaft. |
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1 | Die Erben haben bei der Teilung, wenn keine andern Vorschriften Platz greifen, alle den gleichen Anspruch auf die Gegenstände der Erbschaft. |
2 | Sie haben einander über ihr Verhältnis zum Erblasser alles mitzuteilen, was für die gleichmässige und gerechte Verteilung der Erbschaft in Berücksichtigung fällt. |
3 | Jeder Miterbe kann verlangen, dass die Schulden des Erblassers vor der Teilung der Erbschaft getilgt oder sichergestellt werden. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 611 - 1 Die Erben bilden aus den Erbschaftssachen so viele Teile oder Lose, als Erben oder Erbstämme sind. |
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1 | Die Erben bilden aus den Erbschaftssachen so viele Teile oder Lose, als Erben oder Erbstämme sind. |
2 | Können sie sich nicht einigen, so hat auf Verlangen eines der Erben die zuständige Behörde unter Berücksichtigung des Ortsgebrauches, der persönlichen Verhältnisse und der Wünsche der Mehrheit der Miterben die Lose zu bilden. |
3 | Die Verteilung der Lose erfolgt nach Vereinbarung oder durch Losziehung unter den Erben. |
BGE 101 II 41 S. 45
Vermutungen Gewissheit verschaffe. Die Vervollständigung des Erbschaftsinventars wird ja u.a. gerade Gegenstand des Beweisverfahrens im Teilungsprozess bilden müssen. b) Wie bereits dargelegt, geht der Anspruch aus Art. 604 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 604 - 1 Jeder Miterbe kann zu beliebiger Zeit die Teilung der Erbschaft verlangen, soweit er nicht durch Vertrag oder Vorschrift des Gesetzes zur Gemeinschaft verpflichtet ist. |
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1 | Jeder Miterbe kann zu beliebiger Zeit die Teilung der Erbschaft verlangen, soweit er nicht durch Vertrag oder Vorschrift des Gesetzes zur Gemeinschaft verpflichtet ist. |
2 | Auf Ansuchen eines Erben kann das Gericht vorübergehend eine Verschiebung der Teilung der Erbschaft oder einzelner Erbschaftssachen anordnen, wenn deren sofortige Vornahme den Wert der Erbschaft erheblich schädigen würde. |
3 | Den Miterben eines zahlungsunfähigen Erben steht die Befugnis zu, zur Sicherung ihrer Ansprüche sofort nach dem Erbgange vorsorgliche Massregeln zu verlangen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 604 - 1 Jeder Miterbe kann zu beliebiger Zeit die Teilung der Erbschaft verlangen, soweit er nicht durch Vertrag oder Vorschrift des Gesetzes zur Gemeinschaft verpflichtet ist. |
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1 | Jeder Miterbe kann zu beliebiger Zeit die Teilung der Erbschaft verlangen, soweit er nicht durch Vertrag oder Vorschrift des Gesetzes zur Gemeinschaft verpflichtet ist. |
2 | Auf Ansuchen eines Erben kann das Gericht vorübergehend eine Verschiebung der Teilung der Erbschaft oder einzelner Erbschaftssachen anordnen, wenn deren sofortige Vornahme den Wert der Erbschaft erheblich schädigen würde. |
3 | Den Miterben eines zahlungsunfähigen Erben steht die Befugnis zu, zur Sicherung ihrer Ansprüche sofort nach dem Erbgange vorsorgliche Massregeln zu verlangen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 604 - 1 Jeder Miterbe kann zu beliebiger Zeit die Teilung der Erbschaft verlangen, soweit er nicht durch Vertrag oder Vorschrift des Gesetzes zur Gemeinschaft verpflichtet ist. |
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1 | Jeder Miterbe kann zu beliebiger Zeit die Teilung der Erbschaft verlangen, soweit er nicht durch Vertrag oder Vorschrift des Gesetzes zur Gemeinschaft verpflichtet ist. |
2 | Auf Ansuchen eines Erben kann das Gericht vorübergehend eine Verschiebung der Teilung der Erbschaft oder einzelner Erbschaftssachen anordnen, wenn deren sofortige Vornahme den Wert der Erbschaft erheblich schädigen würde. |
3 | Den Miterben eines zahlungsunfähigen Erben steht die Befugnis zu, zur Sicherung ihrer Ansprüche sofort nach dem Erbgange vorsorgliche Massregeln zu verlangen. |
BGE 101 II 41 S. 46
massgebenden eidgenössischen Rechts kantonales Recht angewendet. Bei der vorliegenden Sachlage gestützt auf kantonale Prozessvorschriften nicht auf die Klage einzutreten und damit deren materielle Beurteilung zu versagen, läuft auf eine Vereitelung des bundesrechtlichen Teilungsanspruches hinaus. Das Bundesgericht hat in BGE 75 II 256 erklärt, auch wenn das kantonale Prozessrecht es zulasse, dass vor den kantonalen Instanzen einfach Feststellung und Teilung des Nachlasses beantragt werde, müssten mit der Berufung ans Bundesgericht konkrete Anträge über die Art der Teilung gestellt werden. JOST (Der Erbteilungsprozess im schweizerischen Recht, S. 73) ist der Ansicht, das Bundesgericht scheine damit den Anforderungen des kantonalen Prozessrechts an die Formulierung des Teilungsbegehrens den Vorrang einräumen zu wollen. Jenes Urteil hatte jedoch lediglich die an die Berufungsschrift gestellten Anforderungen sowie die besondere Natur der eidgenössischen Berufung als revisio in iure zum Gegenstand, welche verbieten, dass vor Bundesgericht lediglich der Antrag auf neue Feststellung und Teilung des Nachlasses gestellt wird. Aus ihm kann zugunsten der Auffassung der Vorinstanz und der Beklagten daher nichts abgeleitet werden. Der angefochtene Entscheid, der übrigens umso stossender ist, als das kantonale Prozessrecht es bei Forderungsklagen, bei denen die Höhe von einem Beweisverfahren abhängt, ausdrücklich genügen lässt, dass zunächst nur die grundsätzliche Feststellung der Zahlungspflicht verlangt wird (Art. 172 und 205 Abs. 1 Ziff. 3 des Gesetzes über die Zivilrechtspflege), ist somit aufzuheben.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Kantonsgerichts vom 8. Juli 1974 aufgehoben; die Sache wird zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.