101 II 117
23. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. April 1975 i.S. Bank Y gegen X.
Regeste (de):
- Stellvertretung.
- Art. 36 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 36 - 1 Ist dem Bevollmächtigten eine Vollmachtsurkunde ausgestellt worden, so ist er nach dem Erlöschen der Vollmacht zur Rückgabe oder gerichtlichen Hinterlegung der Urkunde verpflichtet.
1 Ist dem Bevollmächtigten eine Vollmachtsurkunde ausgestellt worden, so ist er nach dem Erlöschen der Vollmacht zur Rückgabe oder gerichtlichen Hinterlegung der Urkunde verpflichtet. 2 Wird er von dem Vollmachtgeber oder seinen Rechtsnachfolgern hierzu nicht angehalten, so sind diese den gutgläubigen Dritten für den Schaden verantwortlich. - Gemeinschaftsdepot. Grundsätzliche Anwendung der Bestimmungen über den Auftrag. Solidarische Berechtigung der gemeinsamen Auftraggeber (Art. 150
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 150 - 1 Solidarität unter mehreren Gläubigern entsteht, wenn der Schuldner erklärt, jeden einzelnen auf die ganze Forderung berechtigen zu wollen sowie in den vom Gesetze bestimmten Fällen.
1 Solidarität unter mehreren Gläubigern entsteht, wenn der Schuldner erklärt, jeden einzelnen auf die ganze Forderung berechtigen zu wollen sowie in den vom Gesetze bestimmten Fällen. 2 Die Leistung an einen der Solidargläubiger befreit den Schuldner gegenüber allen. 3 Der Schuldner hat die Wahl, an welchen Solidargläubiger er bezahlen will, solange er nicht von einem rechtlich belangt worden ist. SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 405 - 1 Der Auftrag erlischt, sofern nicht das Gegenteil vereinbart ist oder aus der Natur des Geschäfts hervorgeht, mit dem Verlust der entsprechenden Handlungsfähigkeit, dem Konkurs, dem Tod oder der Verschollenerklärung des Auftraggebers oder des Beauftragten.254
1 Der Auftrag erlischt, sofern nicht das Gegenteil vereinbart ist oder aus der Natur des Geschäfts hervorgeht, mit dem Verlust der entsprechenden Handlungsfähigkeit, dem Konkurs, dem Tod oder der Verschollenerklärung des Auftraggebers oder des Beauftragten.254 2 Falls jedoch das Erlöschen des Auftrages die Interessen des Auftraggebers gefährdet, so ist der Beauftragte, sein Erbe oder sein Vertreter verpflichtet, für die Fortführung des Geschäftes zu sorgen, bis der Auftraggeber, sein Erbe oder sein Vertreter in der Lage ist, es selbst zu tun. SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 400 - 1 Der Beauftragte ist schuldig, auf Verlangen jederzeit über seine Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen und alles, was ihm infolge derselben aus irgendeinem Grunde zugekommen ist, zu erstatten.
1 Der Beauftragte ist schuldig, auf Verlangen jederzeit über seine Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen und alles, was ihm infolge derselben aus irgendeinem Grunde zugekommen ist, zu erstatten. 2 Gelder, mit deren Ablieferung er sich im Rückstande befindet, hat er zu verzinsen.
Regeste (fr):
- Représentation.
- Art. 36 al. 1 CO. Après la fin des pouvoirs le représentant ne peut prétendre des renseignements à l'égard du cocontractant du représenté en vertu du rapport de représentation (consid. 4).
- Dépôt conjoint. Application en principe des dispositions sur le mandat. Droit solidaire des mandants communs (art. 150 CO). En matière bancaire, le mandat ne s'éteint en principe pas par la mort d'un mandant (art. 405 al. 1 CO). La banque est tenue envers le cocontractant survivant de rendre compte selon l'art. 400 al. 1 CO pour toute la durée du rapport de mandat (consid. 5).
Regesto (it):
- Rappresentanza.
- Art. 36 cpv. 1 CO. Dopo il decadimento dei propri poteri di rappresentanza nei confronti del cocontrattante del rappresentato, il rappresentante non può pretendere informazioni fondandosi sul rapporto di rappresentanza.
- Deposito comune. Applicazione, in linea di principio, delle norme sul mandato. Diritto solidale dei mandanti comuni (creditori solidali) (art. 150 CO). In materia bancaria il mandato non cessa, per principio, con la morte di un mandante (art. 405 cpv. 1 CO). Durante tutta la durata del rapporto di mandato la banca è obligata nei confronti del cocontrattante di rendere conto del suo operato giusta l'art. 400 cpv. 1 CO (consid. 5).
Sachverhalt ab Seite 117
BGE 101 II 117 S. 117
A.- Die französischen Eheleute X. wurden am 26. November 1924 in Frankreich getraut, wo sie ihren ersten Wohnsitz hatten. Mit Ehevertrag vom 6. November 1924 vereinbarten sie unter sich eine "communauté universelle des biens" nach französischem Recht. Aus ihrer Ehe gingen die Söhne Roland und Guy hervor. Am 30. März 1925 errichteten die Eheleute X. bei der Bank Y. unter den Pseudonymen ... ein dépôt conjoint. Über dieses
BGE 101 II 117 S. 118
weiterhin gleichlautende Depot bestimmte der Ehemann am 20. Dezember 1953 in dem Sinne dass der Sohn Roland Eigentümer aller Werte, die beiden Eheleute selber und der Sohn Guy dagegen Beauftragte seien und über das alle vier Personen selbständig verfügen können. Am 11. Januar 1972 starb der Ehemann. Darauf ordnete der Sohn Roland am 28. Januar 1972 die Saldierung des Kontos an und liess die entsprechenden Werte auf sein eigenes Konto bei der gleichen Bank überführen; am 26. März 1972 widerrief er zudem die Vollmachten zugunsten seines Bruders und seiner Mutter über das genannte Konto. Im Hinblick auf die erbrechtliche Auseinandersetzung kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der Witwe und dem Sohn Guy einerseits und dem Sohn Roland anderseits.
B.- Am 21. Mai 1973 klagte die Witwe des Erblassers beim Appellationshof des Kantons Bern gegen die Bank Y. auf Auslieferung sämtlicher Unterlagen über das streitige Konto. Sie verdeutlichte in der Folge die Klage dahin, dass diese auch die blosse Einsichtnahme in die Akten des Depots umfasse. Am 1. November 1974 verurteilte der Appellationshof des Kantons Bern die Beklagte unter Strafandrohung, der Klägerin innert 14 Tagen seit Rechtskraft des Urteils sämtliche das genannte Depot betreffenden Urkunden zur Einsicht vorzulegen. Im übrigen wies er die Klage ab.
C.- Das Bundesgericht bestätigte am 7. April 1975 das vorinstanzliche Urteil.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4. Die Vorinstanz ist auf Grund der ihr bekannt gewordenen Urkunden der Auffassung, die Klägerin sei durch Errichtung des Depots am 30. März 1925 zunächst originär und sodann am 20. Dezember 1953 durch die von ihrem Ehemann ausgestellte Vollmacht verfügungsberechtigt gewesen. Diese Befugnis sei allerdings durch den Auftrag des Sohnes Roland auf Saldierung des Kontos untergegangen. Das ändere aber nichts daran, dass die Klägerin für die Dauer ihrer Bevollmächtigung gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Akteneinsicht habe.
Nach Ansicht der Beklagten steht der Klägerin schon deshalb
BGE 101 II 117 S. 119
kein Anspruch auf Akteneinsicht zu, weil sie selber nicht behaupte, vor dem Rückzug des Kontoguthabens im Jahre 1972 je von der Bevollmächtigung durch ihren Ehemann Kenntnis gehabt zu haben. Richtig ist, dass die Vollmachterteilung erst mit ihrer Mitteilung an den Vertreter wirksam wird (BGE 99 II 41; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 20 und 21 zu Art. 32
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 32 - 1 Wenn jemand, der zur Vertretung eines andern ermächtigt ist, in dessen Namen einen Vertrag abschliesst, so wird der Vertretene und nicht der Vertreter berechtigt und verpflichtet. |
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1 | Wenn jemand, der zur Vertretung eines andern ermächtigt ist, in dessen Namen einen Vertrag abschliesst, so wird der Vertretene und nicht der Vertreter berechtigt und verpflichtet. |
2 | Hat der Vertreter bei dem Vertragsabschlusse sich nicht als solcher zu erkennen gegeben, so wird der Vertretene nur dann unmittelbar berechtigt oder verpflichtet, wenn der andere aus den Umständen auf das Vertretungsverhältnis schliessen musste, oder wenn es ihm gleichgültig war, mit wem er den Vertrag schliesse. |
3 | Ist dies nicht der Fall, so bedarf es einer Abtretung der Forderung oder einer Schuldübernahme nach den hierfür geltenden Grundsätzen. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 33 - 1 Soweit die Ermächtigung, im Namen eines andern Rechtshandlungen vorzunehmen, aus Verhältnissen des öffentlichen Rechtes hervorgeht, ist sie nach den Vorschriften des öffentlichen Rechtes des Bundes und der Kantone zu beurteilen. |
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1 | Soweit die Ermächtigung, im Namen eines andern Rechtshandlungen vorzunehmen, aus Verhältnissen des öffentlichen Rechtes hervorgeht, ist sie nach den Vorschriften des öffentlichen Rechtes des Bundes und der Kantone zu beurteilen. |
2 | Ist die Ermächtigung durch Rechtsgeschäft eingeräumt, so beurteilt sich ihr Umfang nach dessen Inhalt. |
3 | Wird die Ermächtigung vom Vollmachtgeber einem Dritten mitgeteilt, so beurteilt sich ihr Umfang diesem gegenüber nach Massgabe der erfolgten Kundgebung. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 36 - 1 Ist dem Bevollmächtigten eine Vollmachtsurkunde ausgestellt worden, so ist er nach dem Erlöschen der Vollmacht zur Rückgabe oder gerichtlichen Hinterlegung der Urkunde verpflichtet. |
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1 | Ist dem Bevollmächtigten eine Vollmachtsurkunde ausgestellt worden, so ist er nach dem Erlöschen der Vollmacht zur Rückgabe oder gerichtlichen Hinterlegung der Urkunde verpflichtet. |
2 | Wird er von dem Vollmachtgeber oder seinen Rechtsnachfolgern hierzu nicht angehalten, so sind diese den gutgläubigen Dritten für den Schaden verantwortlich. |
5. Zu prüfen ist anderseits, ob die Klägerin gegegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Akteneinsicht aus dem im Jahre 1925 zusammen mit ihrem Ehemann errichteten "dépôt conjoint" herleiten kann. Nach dieser Vereinbarung verpflichtete sich die Beklagte gegenüber beiden Eheleuten, Geld und Wertschriften zur Verwahrung und Verwaltung entgegen zu nehmen. Es wurde demnach ein Hinterlegungsvertrag und Auftrag, d.h. ein gemischtes Rechtsgeschäft, begründet (vgl. BGE 94 II 169). Dabei lag das Schwergewicht auf den Dienstleistungen
BGE 101 II 117 S. 120
der Beklagten, weshalb grundsätzlich Auftragsrecht anzuwenden ist (BGE 94 II 169, 315, 96 II 149). Jeder der beiden Auftraggeber war gegenüber der Beklagten im Sinne von Art. 150
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 150 - 1 Solidarität unter mehreren Gläubigern entsteht, wenn der Schuldner erklärt, jeden einzelnen auf die ganze Forderung berechtigen zu wollen sowie in den vom Gesetze bestimmten Fällen. |
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1 | Solidarität unter mehreren Gläubigern entsteht, wenn der Schuldner erklärt, jeden einzelnen auf die ganze Forderung berechtigen zu wollen sowie in den vom Gesetze bestimmten Fällen. |
2 | Die Leistung an einen der Solidargläubiger befreit den Schuldner gegenüber allen. |
3 | Der Schuldner hat die Wahl, an welchen Solidargläubiger er bezahlen will, solange er nicht von einem rechtlich belangt worden ist. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 405 - 1 Der Auftrag erlischt, sofern nicht das Gegenteil vereinbart ist oder aus der Natur des Geschäfts hervorgeht, mit dem Verlust der entsprechenden Handlungsfähigkeit, dem Konkurs, dem Tod oder der Verschollenerklärung des Auftraggebers oder des Beauftragten.254 |
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1 | Der Auftrag erlischt, sofern nicht das Gegenteil vereinbart ist oder aus der Natur des Geschäfts hervorgeht, mit dem Verlust der entsprechenden Handlungsfähigkeit, dem Konkurs, dem Tod oder der Verschollenerklärung des Auftraggebers oder des Beauftragten.254 |
2 | Falls jedoch das Erlöschen des Auftrages die Interessen des Auftraggebers gefährdet, so ist der Beauftragte, sein Erbe oder sein Vertreter verpflichtet, für die Fortführung des Geschäftes zu sorgen, bis der Auftraggeber, sein Erbe oder sein Vertreter in der Lage ist, es selbst zu tun. |
BGE 101 II 117 S. 121
OR). Dazu gehört auch der Anspruch auf Akteneinsicht, dem das Bankgeheimnis zu weichen hat. Da dieses Recht der Klägerin schon als Vertragspartnerin der Beklagten zusteht, braucht auf die ebenfalls vorgetragene güterrechtliche und erbrechtliche Argumentation nicht eingetreten zu werden. Die Klägerin war, um sich im Hinblick auf die Auseinandersetzung betreffend den Nachlass ihres Ehemannes in tatsächlicher Hinsicht Klarheit zu verschaffen, genötigt, den vorliegenden Prozess zu führen. Nur so konnte sie das weitere Schicksal des im Jahre 1925 zusammen mit ihrem Ehemann begründeten Gemeinschaftsdepots, das im Laufe der Ehe auf über 2 Mio. Franken angewachsen ist, erfahren. Die Klage ist daher, soweit sie aufrechterhalten blieb, gutzuheissen und die Berufung abzuweisen.