101 Ib 1
1. Auszug aus dem Urteil vom 26. März 1975 in Sachen Schweizerische Eidgenossenschaft gegen Gemeinde Pontresina
Regeste (de):
- Garantiegesetz.
- - Die von der Gemeinde Pontresina erhobene Liegenschaftssteuer ist eine direkte Steuer im Sinne von Art. 10
GarG.
- - Es kann nicht angenommen werden, eine Liegenschaft sei im Sinne von Art. 10
GarG unmittelbar für Bundeszwecke bestimmt, wenn die Nutzung der Liegenschaft gemäss dem Bundeszweck, für den sie erworben worden ist, nicht bloss vorübergehend, sondern für eine längere, unbestimmte Zeit unwahrscheinlich oder doch zumindest zweifelhaft erscheint und die Überlassung der Liegenschaft an Dritte einen selbständigen Zweck verfolgt, namentlich der Erzielung eines wirtschaftlichen Entgeltes dient.
Regeste (fr):
- Loi fédérale sur les garanties politiques et de police de la Confédération.
- - L'impôt immobilier prélevé par la commune de Pontresina est un impôt direct au sens de l'art. 10 LGar.
- - On ne saurait admettre qu'un immeuble est directement affecté à un but fédéral au sens de l'art. 10 LGar lorsque l'utilisation de ce bien dans le but fédéral pour lequel il a été acquis apparaît être peu vraisemblable ou à tout le moins douteuse, que cette situation n'est pas simplement provisoire, mais qu'elle doit se prolonger pour une longue période, voire pour une durée indéterminée, et que la mise de l'immeuble à disposition de tiers poursuit un but indépendant, notamment l'obtention d'un rendement économique.
Regesto (it):
- Legge federale sulle garanzie politiche e di polizia in favore della Confederazione.
- - L'imposta immobiliare riscossa dal comune di Pontresina è un'imposta diretta ai sensi dell'art. 10 LGar.
- - Non può ritenersi che un immobile sia destinato ad uno scopo federale immediato ai sensi dell'art. 10 LGar ove la sua utilizzazione per lo scopo federale per il quale è stato acquistato appaia non solo transitoriamente, ma per un lungo periodo di tempo di durata indeterminata, improbabile o quanto meno dubbia, e ove il fatto di porre l'immobile a disposizione di terzi persegua uno scopo indipendente, in particolare quello di ottenere una controprestazione economica.
Sachverhalt ab Seite 2
BGE 101 Ib 1 S. 2
Die Klägerin, die Schweizerische Eidgenossenschaft, ist Eigentümerin des neuen Postgebäudes in Pontresina, das sie im Juli 1973 bezog. Das Gebäude umfasst ein Untergeschoss, ein Erdgeschoss und einen ersten Stock. Untergeschoss und Erdgeschoss enthalten neben den eigentlichen Postlokalitäten fünf Doppelgaragen (Untergeschoss) und einen Kioskraum (Erdgeschoss). Der erste Stock weist eine 4 1/2 Zimmerwohnung, eine Einzimmerwohnung, ein Doppelzimmer sowie zwei Einzelzimmer mit Küchenbenutzung, eine 3 1/2 Zimmerwohnung und eine 2 1/2 Zimmerwohnung auf, die - nach den Angaben der Klägerin - wie folgt belegt sind: die 4 1/2 Zimmerwohnung durch einen Betriebsassistenten der PTT, die Einzimmerwohnung durch eine Postgehilfin, das Doppel- und die Einzelzimmer durch Assistentinnen und Lehrtöchter der PTT; die 3 1/2 Zimmerwohnung und die 2 1/2 Zimmerwohnung sind Ferienwohnungen für PTT-Personal. Die Schweizerische Eidgenossenschaft erhebt verwaltungsrechtliche Klage beim Bundesgericht gegen die Gemeinde Pontresina mit dem Begehren, es sei festzustellen, dass sie für das neue Postgebäude in Pontresina von der Liegenschaftssteuer befreit sei. Die Gemeinde Pontresina widersetzt sich diesem Begehren und vertritt die Auffassung, dass die Klägerin für jene Gebäudeteile, die nicht unmittelbar der postdienstlichen Aufgabe dienten, die Liegenschaftssteuer entrichten müsse. Das Bundesgericht heisst die Klage insoweit gut, als festgestellt wird, dass die Klägerin für das neue Postgebäude in Pontresina nicht liegenschaftssteuerpflichtig ist, mit Ausnahme der 7 an PTT-fremde Interessenten vermieteten Einstellplätze im Untergeschoss, der an den Kioskbetrieb vermieteten Räumlichkeiten im Erdgeschoss sowie der beiden Ferienwohnungen im ersten Stock des Postgebäudes.
BGE 101 Ib 1 S. 3
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Nach Art. 10


3. Die Klägerin macht geltend, das neue Postgebäude in Pontresina sei unmittelbar für einen Bundeszweck bestimmt; sie dürfe daher für dieses Gebäude nicht mit direkten Steuern belastet werden. Die Beklagte bestreitet im vorliegenden Verfahren nicht, dass das Gebäude, soweit es für die eigentlichen postdienstlichen Verrichtungen belegt ist, nicht mit der Liegenschaftssteuer belastet werden darf. Sie hebt indes hervor, dass verschiedene Gebäudeteile nicht unmittelbar Bundeszwecken dienten: Im Untergeschoss werde beinahe ein Drittel der Gesamtfläche als Garagenareal fremdvermietet; im Erdgeschoss werde ein Kiosk betrieben; im ersten Stock würden rund 185 m2 als Ferienwohnungen vermietet. Für jene Gebäudeteile, die nicht unmittelbar der postdienstlichen Aufgabe
BGE 101 Ib 1 S. 4
dienten und als Ferienwohnungen, Garagen, Kiosk usw. fremdvermietet würden, sei die Liegenschaftssteuer zu entrichten. a) In dem Masse, als das neue Postgebäude in Pontresina dazu dient, die von einer örtlichen PTT-Stelle benötigten Räumlichkeiten aufzunehmen, ist die in Art. 10




BGE 101 Ib 1 S. 5
Zwischenzeit geschieht, es kommt m.a.W. wesentlich auf die tatsächliche Nutzung der Liegenschaft an. Dass die Steuerbefreiung in solchen Fällen von der tatsächlichen Nutzung abhängig gemacht wird, erscheint als logische Konsequenz aus Art. 10



4. Für das neue Postgebäude in Pontresina bedeutet dies, dass eine gänzliche Steuerbefreiung nur dann eintreten kann, wenn vom Gebäude ein dem Anstaltszweck der PTT-Betriebe entsprechender Gebrauch gemacht wird. Dabei ist nicht notwendig, dass sämtliche Räumlichkeiten des neuen Postgebäudes für den PTT-Betrieb geradezu unentbehrlich sind und er ohne sie überhaupt nicht aufrechterhalten werden könnte; es genügt, dass die Räumlichkeiten tatsächlich Betriebszwecken dienen, d.h. zum PTT-Betrieb gehörende Funktionen erfüllen oder doch bestimmt sind, für die Erfüllung der mit dem PTT-Betrieb verbundenen Dienstleistungen günstige Bedingungen zu schaffen. Dies trifft vorab unbestrittenermassen für alle Räumlichkeiten
BGE 101 Ib 1 S. 6
zu, welche für die postdienstlichen Verrichtungen im engern Sinn genutzt werden. Die Beklagte bestreitet im vorliegenden Verfahren auch nicht, dass jene Wohnungen, welche zur Zeit an ortsansässiges PTT-Personal vermietet werden, im Sinne von Art. 10

BGE 101 Ib 1 S. 7
betrachtet die Klägerin als notwendig für den Postbetrieb in Pontresina. Sie weist auf BGE 60 I 149 hin, wo das Bundesgericht auf Steuerfreiheit für die Räumlichkeiten des Bahnhofskiosks im internationalen Bahnhof von Chiasso erkannte. Die Beklagte bestreitet, dass in Pontresina ein dringendes Bedürfnis für das Zurverfügungstellen eines Kiosks im neuen Postgebäude bestehe. Sie hebt hervor, dass Pontresina von fahrplanmässigen Postkursen nur von ca. Mitte Juni bis ca. Mitte/Ende September bedient werde; im Winter halte lediglich der lokale Sportbus vor dem Postgebäude; auch verfüge Pontresina bereits über fünf Kioske, wovon einer sich kaum 150 Meter vom neuen Postgebäude entfernt befinde. In der Tat ist mit der Beklagten der Klägerin entgegenzuhalten, dass ein Vergleich zwischen der Situation eines internationalen Bahnhofs wie Chiasso und einer Postautohaltestelle wie Pontresina nur schwer hält. Das Fehlen eines Kiosks würde - wie in BGE 60 I 151 ausgeführt - von den Benützern des Bahnhofs von Chiasso als schwerer Mangel empfunden. Dies dürfte nicht im selben Masse für die Postreisenden in Pontresina zutreffen. Weit weniger als Durchgangsreisende in einem Bahnhof, sind diese darauf angewiesen, innerhalb des Postgebäudes selber sich mit Zeitungen, Zeitschriften, Tabakwaren und dergleichen eindecken zu können. Die Kundschaft des Postkiosks von Pontresina wird sich auch kaum ausschliesslich aus Postreisenden zusammensetzen. Ob sich für einen derart beschränkten Kundenkreis überhaupt ein Interessent für den Betrieb dieses Kiosks gefunden hätte, erscheint fraglich. Die Annahme, dass die Räumlichkeiten für den Betrieb eines Kiosks aus PTT-betriebsfremden Gründen vermietet wurden, dass die Vermietung m.a.W. der Erreichung wirtschaftlicher Ziele dient, erscheint daher gerechtfertigt. Es ist auch nicht vorgesehen, die Kioskräumlichkeiten in absehbarer Zukunft für PTT-eigene Zwecke zu benutzen. Ebenfalls für diese Räumlichkeiten entfällt demnach das Steuerprivileg und ist die Gemeinde berechtigt, solange diese anderweitige Verwendung anhält, darauf die Liegenschaftssteuer zu erheben. Ferienwohnungen im ersten Stock: Was die zu Ferienzwecken an nicht ortsansässiges PTT-Personal vermieteten Wohnungen im ersten Stock des Gebäudes betrifft, ist nicht zu bestreiten, dass das Zurverfügungstellen von Ferienwohnungen an das Personal öffentlicher Betriebe eine personalpolitische
BGE 101 Ib 1 S. 8
Massnahme des Bundes (als Arbeitgeber) darstellt. Das genügt indes nicht, um annehmen zu dürfen, diese Massnahme diene unmittelbar dem mit dem Postgebäude verbundenen Bundeszweck. Die Steuerfreiheit im Sinne von Art. 10
