100 IV 233
60. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Oktober 1974 i.S. Dietrich und Konsorten gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste (de):
- Art. 204 Ziff. 1
StGB; unzüchtige Veröffentlichungen.
- 1. Begriff des unzüchtigen Films (Erw. 2).
- 2. Begriff der öffentlichen Filmvorführung (Erw. 3).
- 3. Eventualvorsätzliches öffentliches Vorführen unzüchtiger Filme (Erw. 4).
Regeste (fr):
- Art. 204 ch. 1 CP; publications obscènes.
- 1. Définition du film obscène (consid. 2).
- 2. Définition de la projection de films en public (consid. 3).
- 3. Dol éventuel en matière de projection de films obscènes en public (consid. 4).
Regesto (it):
- Art. 204 n. 2 CP; pubblicazioni oscene.
- 1. Nozione di film osceno (consid. 2).
- 2. Nozione de proiezione di film in pubblico (consid. 3).
- 3. Dolo eventuale in materia di proiezione in pubblico di film osceni (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 233
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A.- Erwin Dietrich beherrscht die Elite AG und die Afiba AG. Letztere stellte im Juni/Juli 1971 zusammen mit der deutschen
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Avco Film GmbH den Film "Blutjunge Verführerinnen" her. Er wurde teils in Zürich, teils in Deutschland gedreht. Dietrich war Produzent und unter einem Pseudonym auch Drehbuchautor und Regisseur. Von Oktober 1971 bis Februar 1972 verlieh er durch die Elite AG den Film an verschiedene Kinos, u.a. an das Kino Etoile in Zürich, für das Karl Feierabend in alleiniger Verantwortung die Auswahl der Filme besorgt. Der Film wurde in diesem Kino vom 3. Dezember 1971 bis zu seiner Beschlagnahmung am 24. Januar 1972 vorgeführt. Im September/Oktober 1971 stellte Dietrich als Regisseur, Drehbuchautor und Unternehmer teils in der Schweiz, teils in Deutschland auch den Film "Die Stewardessen" her, der in der Folge von der Elite AG an Kinos in Winterthur, Schaffhausen, Basel, Bülach, Stein AG und auch an das der Beatus AG gehörende Kino "Cinébref" in Zürich verliehen wurde, wo er vom 2. Januar 1972 bis zu seiner Beschlagnahmung vom 25. Januar 1972 täglich viermal aufgeführt wurde. Verantwortlicher Geschäftsführer der Beatus AG war damals Dr. Albert Schumacher. Schliesslich vertrieb Dietrich durch die Elite AG den in Deutschland von Alois Brummer hergestellten Film "Gefährlicher Sex frühreifer Mädchen". Er verlieh ihn an das Kino "Stüssihof" in Zürich, dessen Eigentümer und verantwortlicher Geschäftsführer Hans Schneider ist. Der Film wurde im genannten Kino vom 11. März bis zur Beschlagnahme am 28. März 1972 viermal täglich aufgeführt.
B.- Das Bezirksgericht Zürich verurteilte am 27. April 1973 in vier getrennten Entscheiden: - Dietrich wegen wiederholter und fortgesetzter unzüchtiger Veröffentlichungen (Art. 204 Ziff. 1 Abs. 1



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kantonale Kassationsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 19. August 1974 ab, soweit es auf sie eintrat.
C.- Alle vier Verurteilten führen eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Dietrich und Feierabend beantragen in einer gemeinsamen Eingabe, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen, damit es sie freispreche, eventuell im Sinne der Anklage schuldig spreche, jedoch wegen Rechtsirrtums von Strafe absehe und die Beschlagnahmung des sämtlichen Filmmaterials aufhebe. Schumacher verlangt in einer eigenen Rechtsschrift die Nichtigerklärung des obergerichtlichen Urteils. Schneider beantragt dem Bundesgericht in einer selbständigen Eingabe, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und ihn von Schuld und Strafe freizusprechen.
Die Staatsanwaltschaft Zürich hat sich innert Frist nicht vernehmen lassen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Alle Beschwerdeführer bestreiten ohne Erfolg, dass die Filme objektiv unzüchtig seien. Ihrem Inhalt nach erschöpfen sich die drei Filme in der ungehemmten Darstellung sexueller Erlebnisse von angeblich minderjährigen Mädchen, Schülerinnen eines Pensionats und Air-Hostessen. An ausgefallenen Orten, in allen möglichen Stellungen, allein oder mit ständig wechselnden Partnern andern oder gleichen Geschlechts lassen die Akteure ihrem sexuellen Trieb freien Lauf, wobei von der Selbstbefriedigung über den Beischlaf und die lesbische Liebe bis zum Gruppensex alles über die Bühne geht. Die Bilderfolgen werden dabei durch derbe Texte und eine das Geschehen begleitende entsprechende Geräuschkulisse untermalt. Dürftige Darstellungen nicht sexueller Art dienen lediglich der Überleitung von einer Intimszene zur andern. Die Vorinstanz hält nach einer eingehenden Besprechung der einzelnen Filme abschliessend fest, dass sie eine ganze Reihe von Anstoss erregenden Szenen mit aufdringlich erotisierender und sexuell aufreizender Wirkung enthielten, die gesamthaft gesehen als eine schwere Verletzung des sexuellen
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Schamgefühls erschienen. Da sie hierbei zutreffend die durchschnittlichen sittlichen Anschauungen in schweizerischen Verhältnissen zum Massstab genommen und auch zutreffend auf den Gesamteindruck der Veröffentlichungen abgestellt hat (BGE 96 IV 69), muss es bei jener Würdigung sein Bewenden haben. Daran ändern die Einwände der Beschwerdeführer nichts. Wohl kann nach BGE 96 IV 70 die Grenze des Zulässigen etwas erweitert werden, wenn keine Gefahr besteht, dass empfindsame Personen ohne ihren Willen mit gewagten Veröffentlichungen konfrontiert werden. Doch gilt dies nur für Grenzfälle, ansonst die Einheit des Begriffs des Unzüchtigen aufgelöst würde. Der Gedanke, dass demjenigen nicht Unrecht geschehe, der in die Tat einwillige, hat nur dort Raum, wo das Gesetz allein den Einzelnen schützt. Schutzobjekt des Art. 204


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3. Die Beschwerdeführer Feierabend und Schumacher machen geltend, das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit fehle; wer nämlich einen "unzüchtigen" Film in einem als Sex-Kino bekannten Lokal unter gebührender Ankündigung zeige, führe ihn nicht der Öffentlichkeit vor, sondern bloss einem Personenkreis, der ihn sehen wolle. Indessen ist Art. 204

4. Sämtliche Beschwerdeführer bestreiten, vorsätzlich gehandelt zu haben. Sie behaupten indessen nicht, dass das Obergericht von einem unrichtigen Begriff des direkten oder des Eventualvorsatzes ausgegangen sei. Das trifft auch tatsächlich nicht zu. Dann aber ist das Urteil der Vorinstanz in diesem Punkte unanfechtbar, denn was der Täter gewusst, gewollt oder in Kauf genommen hat, ist Tatfrage, deren Beantwortung dem kantonalen Richter anheimgegeben ist und den Kassationshof bindet (Art. 273 Abs. 1 lit. b


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der nach dem obergerichtlichen Urteil seit vielen Jahren im Filmfach tätig ist und als Geschäftsführer des Kinos Etoile, in dem seit drei bis vier Jahren nur noch Sexfilme gezeigt werden, Fachmann auf dem Gebiet ist. Insbesondere stellt das Obergericht auch hier fest, Feierabend habe den Inhalt des Films "Blutjunge Verführerinnen" bereits vor dessen Übernahme in das Kinoprogramm gekannt. Er habe ihn, nachdem er im Kino angelaufen sei, selber "teilweise auch angeschaut". Zudem seien ihm Produzent, Thema und Schauspieler bekannt gewesen, also Tatsachen, anhand deren - wie der Beschwerdeführer feststellte - jemand vom Fach "sieht, was los ist". Wenn die Vorinstanz gestützt auf all diese Überlegungen zum Schluss kam, es sei Feierabend sich bewusst gewesen, dass der Film "Blutjunge Verführerinnen" in groberweise das Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlichen Dingen verletzen könnte, und er habe dies in Kauf genommen, so hat sie damit Art. 204
