100 II 285
41. Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Juli 1974 i.S. Keller gegen Herzog.
Regeste (de):
- Begriff des Endentscheides; Art. 48 Abs. 1 OG
- Gegen den letztinstanzlichen Entscheid, der ein Befehlsbegehren in Anwendung von § 292 Ziff. 1 der zürcherischen Zivilprozessordnung schützt, ist die Berufung zulässig (Erw. 1).
- Namensrecht
- Der geschiedene Ehemann kann verlangen, dass seine unter die elterliche Gewalt der Mutter gestellten unmündigen Kinder keinen andern Namen als den seinen führen, solange die zuständige Behörde nicht aus wichtigen Gründen eine Namensänderung bewilligt hat (Erw. 2).
Regeste (fr):
- Notion de décision finale; art. 48 al. 1 OJ
- Le recours en réforme est recevable contre une décision de dernière instance qui admet une demande formulée en application du § 292 ch. 1 de l'ordonnance régissant la procédure civile zurichoise, et qui exprime une commination (consid. 1).
- Droit au nom
- Le mari divorcé peut exiger que ses enfants mineurs placés sous la puissance paternelle de la mère ne portent pas un autre nom que le sien aussi longtemps que l'autorité compétente n'a pas accordé un changement de nom pour des motifs importants (consid. 2).
Regesto (it):
- Nozione di decisione finale; art. 48 cpv. 1 OG
- Il ricorso per riforma é ammissibile contro una decisione ingiuntiva presa in applicazione del § 292 n. 1 della procedura civile zurighese.
- Diritto al nome
- Fintanto che l'autorità competente non abbia autorizzato un cambiamento di nome per motivi importanti, il marito divorziato può esigere che i suoi figli minorenni, posti sotto la potestà della madre, non portino altro nome che il suo.
Sachverhalt ab Seite 286
BGE 100 II 285 S. 286
A.- Ruth Keller war in früherer Ehe mit Hans Emil Herzog verheiratet. Mit Urteil vom 5. Juni 1973 hatte das Bezirksgericht Zürich diese Ehe geschieden und die daraus hervorgegangenen Kinder Peter Hans, geb. am 28. März 1963, und Robert Ernst, geb. am 14. Juni 1966, unter die elterliche Gewalt der Mutter gestellt. Seit dem 17. August 1973 ist Ruth Keller mit Siegfried Keller verheiratet. Seither gibt sie den Namen der Kinder mit "Keller" an. Auf ihr Gesuch hin werden die Kinder auch in der Schule mit diesem Namen genannt.
B.- Hans Emil Herzog stellte am 20. November 1973 beim Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirkes Bülach das Begehren, es sei Ruth Keller unter Androhung von Ordnungsbusse und Überweisung an den Strafrichter im Unterlassungsfall zu befehlen, die beiden Kinder ausschliesslich unter dem Namen "Herzog" zu erziehen. Mit Verfügung vom 19. Dezember 1973 wurde das Begehren wegen Illiquidität abgewiesen. Das Obergericht des Kantons Zürich hiess einen vom Kläger gegen diese Verfügung eingereichten Rekurs teilweise gut und befahl der Beklagten mit Beschluss vom 28. März 1974 unter Androhung von Ordnungsbusse im Widerhandlungsfall, den Familiennamen der Kinder Peter Hans und Robert Ernst "im Sinne der Erwägungen Ziff. 4" mit "Herzog" anzugeben.
C.- Hiegegen reichte die Beklagte sowohl Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons Zürich als auch Berufung an das Bundesgericht ein, diese mit dem Antrag, das Begehren des Klägers sei in Aufhebung des angefochtenen
BGE 100 II 285 S. 287
Entscheids abzuweisen. Mit Beschluss vom 25. Juni 1974 wies das Kassationsgericht die Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Eine Berufungsantwort wurde nicht eingeholt.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 48 Abs. 1 OG ist die Berufung in der Regel erst gegen Endentscheide zulässig. Ein solcher Entscheid liegt nach der Rechtsprechung nur vor, wenn der kantonale Richter den streitigen Anspruch materiell beurteilt oder dessen Beurteilung aus einem Grunde abgelehnt hat, der endgültig verbietet,. dass der gleiche Anspruch zwischen den gleichen Parteien nochmals geltend gemacht wird (BGE 98 II 154 /155 mit Hinweisen). Der angefochtene Entscheid erging in Anwendung von § 292 Ziff. 1 der zürcherischen Zivilprozessordnung (ZPO). Nach dieser Bestimmung ist "zur schnellen Handhabung klaren Rechts bei nicht streitigen oder sofort herstellbaren tatsächlichen Verhältnissen" das Befehlsverfahren zulässig. Dabei handelt es sich um eine Unterart des summarischen Verfahrens. Gemäss § 105 ZPO sind Verfügungen im summarischen Verfahren, mit denen über einen Anspruch entschieden worden ist, nur für ein späteres summarisches Verfahren massgebend. Der Richter im ordentlichen Verfahren ist daran nicht gebunden (STRÄULI/HAUSER, N. 1 zu § 105 ZPO; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 483 ff., insbesondere 486). Eine im summarischen Verfahren beurteilte Sache kann daher dem ordentlichen Richter neuerdings zum Entscheid unterbreitet werden (so ausdrücklich STRÄULI/HAUSER, a.a.O.). GULDENER hat daraus gefolgert, dass die Entscheidung im summarischen Verfahren nur vorläufigen Charakter trage und zu einer Art einstweiliger Verfügung werde, bleibe doch der Entscheid des ordentlichen Richters vorbehalten (a.a.O. S. 486).
Mit Rücksicht auf diese beschränkte Rechtskraft der im zürcherischen Befehlsverfahren ergangenen Entscheidungen hat das Bundesgericht deren Berufungsfähigkeit früher verneint (BGE 81 II 85). Bereits in BGE 82 II 562 /563 Erw. 3 wurde indessen die Berufung gegen Entscheide des zürcherischen Obergerichtes gemäss § 292 Ziff. 1 ZPO als zulässig
BGE 100 II 285 S. 288
erklärt, sofern es sich dabei nicht um vorläufige Massnahmen handle, gegenüber welchen die Durchführung eines ordentlichen Verfahrens vorbehalten bleibe (vgl. auch BGE 84 II 78 ff. Erw. 1b). In BGE 90 II 463 Erw. 1 wird der endgültige Charakter solcher Entscheide unter Hinweis auf BGE 82 II 562 wiederum bejaht, sofern darin kein Vorbehalt des ordentlichen Verfahrens enthalten sei. In BGE 94 II 108 Erw. 1b spricht das Bundesgericht bereits von einer ständigen Rechtsprechung, wonach Entscheide im zürcherischen Befehlsverfahren, durch die ein Befehlsbegehren über einen vom Bundeszivilrecht beherrschten Anspruch in Anwendung von § 292 Ziff. 1 ZPO geschützt worden sei, als berufungsfähige Endentscheide anerkannt würden. Der endgültige Charakter der Entscheidung wird vom Bundesgericht indessen nach wie vor verneint, wenn ein Begehren im Befehlsverfahren nicht gutgeheissen, sondern abgewiesen wird; denn in diesem Falle stehe es dem Kläger frei, seinen Anspruch im ordentlichen Verfahren erneut geltend zu machen (BGE 93 II 285 Erw. 2; nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 6. Oktober 1972 in Sachen Schweizerische Treuhandgesellschaft gegen Fides Treuhand-Vereinigung).
Diese neuere Rechtsprechung entspricht bei strenger Betrachtungsweise der Definition des Endentscheids nicht. Denn nicht nur die ein Befehlsbegehren abweisende, sondern auch die gutheissende Entscheidung lässt die spätere Anrufung des ordentlichen Richters offen, erwächst also insofern nicht in materielle Rechtskraft (HASLER, SJZ 1972 S. 132; GULDENER, a.a.O. S. 486). Auch in diesem Falle ist demnach über den streitigen Anspruch nicht endgültig entschieden. An der bisherigen Praxis ist indessen - schon aus Gründen der Rechtssicherheit - festzuhalten. Der Begriff des Endentscheids im Sinne von Art. 48 OG wurde in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts auch in anderer Hinsicht extensiv ausgelegt. So wurde in BGE 98 II 154 ff. das eine Klage wegen Rechtshängigkeit zurückweisende Urteil als Endentscheid betrachtet, obwohl der Kläger durch ein solches Urteil oft nur vorübergehend an der Geltendmachung seines Anspruchs gehindert wird. Es liegt in der Linie dieser Rechtsprechung, einem Beklagten, der im zürcherischen Befehlsverfahren letztinstanzlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet worden ist, den Weg der Berufung ans Bundesgericht zu öffnen.
BGE 100 II 285 S. 289
Auch wenn ihm die Möglichkeit vorbehalten bleibt, die gleiche Frage später dem ordentlichen Richter zum Entscheid zu unterbreiten, so wird die ihm auferlegte Verpflichtung in der Regel doch während längerer Zeit ihre Wirkungen entfalten; sie kann sogar Gegenstand von Vollstreckungsmassnahmen bilden. So muss sich der im Befehlsverfahren aus seiner Wohnung ausgewiesene Mieter gefallen lassen, ausgeschafft zu werden, auch wenn er die Möglichkeit behält, beim ordentlichen Richter auf Rückerstattung der Wohnung oder auf Schadenersatz zu klagen (GULDENER, a.a.O. S. 486). Mit Rücksicht auf diese Auswirkungen der ein Befehlsbegehren gutheissenden Entscheidung lässt es sich verantworten, die Berufungsfähigkeit solcher Entscheide jedenfalls dann zu bejahen, wenn diese nicht zwangsläufig zu einem ordentlichen Verfahren Anlass geben (wie dies bei den vorsorglichen Massnahmen der Fall ist), sondern in der Regel für längere Zeit oder sogar endgültig Recht schaffen. Auf die Berufung ist daher einzutreten. Dabei beschränkt sich die Kognition des Bundesgerichts selbstverständlich auf die Prüfung der richtigen Anwendung des Bundesrechts und erstreckt sich nicht auch auf die Frage der Liquidität im Sinne von § 292 Ziff. 1 ZPO (vgl. dazu HASLER, SJZ 1972 S. 383 in fine).
2. In materieller Hinsicht erweist sich die Berufung ohne Zweifel als unbegründet. Nach Rechtsprechung und Lehre hat der geschiedene Mann ein schützenswertes Interesse daran, dass seine unter die elterliche Gewalt der Mutter gestellten unmündigen Kinder keinen andern Namen als den seinen führen, dies jedenfalls solange, als die zuständige Behörde nicht aus wichtigen Gründen eine Namensänderung bewilligt hat (BGE 97 I 621 /622 Erw. 3, BGE 76 II 339 /340 und 342 Erw. 2; EGGER, N. 14 zu Art. 29
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 29 - 1 Wird jemandem die Führung seines Namens bestritten, so kann er auf Feststellung seines Rechtes klagen. |
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1 | Wird jemandem die Führung seines Namens bestritten, so kann er auf Feststellung seines Rechtes klagen. |
2 | Wird jemand dadurch beeinträchtigt, dass ein anderer sich seinen Namen anmasst, so kann er auf Unterlassung dieser Anmassung sowie bei Verschulden auf Schadenersatz und, wo die Art der Beeinträchtigung es rechtfertigt, auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung klagen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 270 - 1 Sind die Eltern miteinander verheiratet und tragen sie verschiedene Namen, so erhält das Kind denjenigen ihrer Ledignamen, den sie bei der Eheschliessung zum Namen ihrer gemeinsamen Kinder bestimmt haben. |
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1 | Sind die Eltern miteinander verheiratet und tragen sie verschiedene Namen, so erhält das Kind denjenigen ihrer Ledignamen, den sie bei der Eheschliessung zum Namen ihrer gemeinsamen Kinder bestimmt haben. |
2 | Die Eltern können innerhalb eines Jahres seit der Geburt des ersten Kindes gemeinsam verlangen, dass das Kind den Ledignamen des andern Elternteils trägt. |
3 | Tragen die Eltern einen gemeinsamen Familiennamen, so erhält das Kind diesen Namen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 30 - 1 Die Regierung des Wohnsitzkantons kann einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn achtenswerte Gründe vorliegen.46 |
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1 | Die Regierung des Wohnsitzkantons kann einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn achtenswerte Gründe vorliegen.46 |
2 | ...47 |
3 | Wer durch Namensänderung verletzt wird, kann sie binnen Jahresfrist, nachdem er von ihr Kenntnis erlangt hat, gerichtlich anfechten. |
BGE 100 II 285 S. 290
annehmen zu können, überwiegen, hat nicht der Richter zu entscheiden, sondern die gemäss Art. 30 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 30 - 1 Die Regierung des Wohnsitzkantons kann einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn achtenswerte Gründe vorliegen.46 |
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1 | Die Regierung des Wohnsitzkantons kann einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn achtenswerte Gründe vorliegen.46 |
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3 | Wer durch Namensänderung verletzt wird, kann sie binnen Jahresfrist, nachdem er von ihr Kenntnis erlangt hat, gerichtlich anfechten. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und der Beschluss des Obergerichts (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 28. März 1974 bestätigt.