Bundesstrafgericht
Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal
Geschäftsnummer: BG.2012.33
Beschluss vom 28. November 2012 Beschwerdekammer
Besetzung
Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz, Andreas J. Keller und Cornelia Cova, Gerichtsschreiber Stefan Graf
Parteien
Kanton Basel-Stadt, Staatsanwaltschaft Basel-Stadt,
Gesuchsteller
gegen
Kanton Zürich, Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
Gesuchsgegner
Gegenstand
Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |
Sachverhalt:
A. Die Stiftung A. reichte mit Schreiben vom 5. Juli 2012 bei der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Strafanzeige gegen unbekannte Täterschaft wegen unlauteren Wettbewerbs ein. Gemäss der Strafanzeige habe die Täterschaft im April 2012 per Fax Offertenformulare für ein nicht näher beschriebenes "B.-Verzeichnis" an diverse Unternehmen sowie Privatpersonen versandt und dabei insbesondere gegen Art. 3 Abs. 1 lit. p

SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) UWG Art. 3 - 1 Unlauter handelt insbesondere, wer: |
B. Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 erfolgte seitens der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt eine Gerichtsstandsanfrage an die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (act. 1.6), welche die Anfrage praxisgemäss und ohne vertieftes Aktenstudium am 2. August 2012 an die Staatsanwaltschaft See/Oberland zur Prüfung der Verfahrensübernahme weiterleitete (act. 5.1). Die zuständige Staatsanwaltschaft See/Oberland lehnte das Ersuchen mit Antwortschreiben vom 7. August 2012 ab (act. 1.7).
C. In der Folge gelangte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt mit Gesuch vom 13. August 2012 an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragt, es seien die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich im vorliegenden Fall zur Strafverfolgung für zuständig zu erklären (act. 1).
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt in ihrem Antwortschreiben, auf das Gesuch des Kantons Basel-Stadt vom 13. August 2012 um Bestimmung des Gerichtsstandes sei nicht einzutreten, eventualiter sei der darin gestellte Antrag, die Strafbehörde des Kantons Zürich zur Strafverfolgung für zuständig zu erklären, abzuweisen (act. 5). Die Gesuchsantwort wurde der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt am 28. August 2012 zur Kenntnis gebracht (act. 6).
Auf die Ausführungen der Parteien sowie die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter (Art. 39 Abs. 1

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 39 Prüfung der Zuständigkeit und Einigung - 1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 39 Prüfung der Zuständigkeit und Einigung - 1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |

SR 173.71 Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) - Strafbehördenorganisationsgesetz StBOG Art. 37 Zuständigkeiten - 1 Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet. |
|
1 | Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet. |
2 | Sie entscheiden zudem über: |
a | Beschwerden in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten gemäss: |
a1 | dem Rechtshilfegesetz vom 20. März 198114, |
a2 | dem Bundesgesetz vom 21. Dezember 199515 über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts, |
a3 | dem Bundesgesetz vom 22. Juni 200116 über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof, |
a4 | dem Bundesgesetz vom 3. Oktober 197517 zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen; |
b | Beschwerden, die ihnen das Bundesgesetz vom 22. März 197418 über das Verwaltungsstrafrecht zuweist; |
c | Beschwerden gegen Verfügungen des Bundesverwaltungsgerichts über das Arbeitsverhältnis seiner Richter und Richterinnen und seines Personals sowie des Personals der ständigen Sekretariate der eidgenössischen Schätzungskommissionen; |
d | Konflikte über die Zuständigkeit der militärischen und der zivilen Gerichtsbarkeit; |
e | Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 21. März 199720 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit zum Entscheid zuweist; |
f | Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 7. Oktober 199421 über kriminalpolizeiliche Zentralstellen des Bundes zum Entscheid zuweist; |
g | Konflikte über die Zuständigkeit nach dem Geldspielgesetz vom 29. September 201723. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 396 Form und Frist - 1 Die Beschwerde gegen schriftlich oder mündlich eröffnete Entscheide ist innert 10 Tagen schriftlich und begründet bei der Beschwerdeinstanz einzureichen. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 14 Bezeichnung und Organisation der Strafbehörden - 1 Bund und Kantone bestimmen ihre Strafbehörden und deren Bezeichnungen. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 39 Prüfung der Zuständigkeit und Einigung - 1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |
1.2 Sämtliche ernstlich in Frage kommenden Kantone müssen unter sich einen Meinungsaustausch durchgeführt haben. Erst wenn dieser gescheitert ist, liegt ein streitiger Gerichtsstand vor, der zur Anrufung der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts berechtigt. Solange jene Behörde, die vom kantonalen Recht für die Behandlung der interkantonalen Gerichtsstandskonflikte als zuständig bezeichnet wird, nicht angegangen worden ist und sich nicht ausgesprochen hat, liegt noch kein endgültiger Gerichtsstandskonflikt vor und die Beschwerdekammer kann nicht angerufen werden (Schweri/Bänziger, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl., Bern 2004, N. 564; Entscheide des Bundesstrafgerichts BG.2010.16 vom 14. September 2010; BG.2008.13 vom 2. Juli 2008, E. 1.2)
1.3 Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt ist berechtigt, den Gesuchsteller bei interkantonalen Gerichtsstandskonflikten vor der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zu vertreten (Art. 40 Abs. 2

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |
1.4 Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt gelangte nach Abklärungen hinsichtlich der verwendeten Rufnummern an die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und ersuchte diese um Übernahme des hängigen Strafverfahrens (act. 1.6). In der Folge leitete die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich das Ersuchen zur Prüfung an die innerkantonal betroffene Staatsanwaltschaft See/Oberland weiter. Für den Fall der Ablehnung des Gerichtsstandes wies sie die regionale Staatsanwaltschaft an, die anfragende Behörde darauf hinzuweisen, dass sie sich gegebenenfalls an die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich zu wenden hätte, falls sie mit der Ablehnung der Übernahme nicht einverstanden sei. Dieses Schreiben ging in Kopie an die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt (act. 3.1). Nach dem ablehnenden Entscheid der Staatsanwaltschaft See/Oberland - auf welchem der vorerwähnte Hinweis fehlte - unterliess es die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt allerdings, sich zur Fortsetzung des Meinungsaustausches an die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich zu wenden. Vielmehr gelangte sie direkt an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (act. 1). Demnach hat die gemäss Gesetz zuständige Behörde des Gesuchsgegners, die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, bei der interkantonalen Klärung des Gerichtsstands sich nicht zum vorliegenden Gerichtsstandskonflikt geäussert.
Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt macht nun geltend, sie habe aufgrund des fehlenden Hinweises auf dem Ablehnungsschreiben der Staatsanwaltschaft See/Oberland den Meinungsaustausch für abgeschlossen betrachten dürfen (act. 3). Dem kann nicht gefolgt werden. Einerseits hatte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Kenntnis vom Schreiben der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich an die Staatsanwaltschaft See/Oberland (act. 3.1) und wusste somit, an wen sie sich nach erfolgter Ablehnung wenden musste, andererseits geht aus Ziffer 14 der Empfehlungen zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit (Gerichtsstandsempfehlungen) der Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz (KSBS) vom 26. November 2009 eindeutig hervor, dass der abschliessende Meinungsaustausch zwischen den Kantonen auf jene Behörde ausgedehnt werden muss, welche den ersuchten Kanton vor dem Bundesstrafgericht vertreten wird. Die diesbezüglich legitimierten Stellen sind dem Behördenverzeichnis der KSBS zu entnehmen. Gemäss diesem Verzeichnis sind auf Seiten des Gesuchsgegners bei Gerichtsstandsfragen die Staatsanwaltschaft bzw. Jugendstaatsanwaltschaft für die Anerkennung zuständig und die Oberstaatsanwaltschaft ist kantonale Instanz bei Anständen. Folglich hätte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt wissen müssen, dass der Gesuchsgegner, wie auch mehrere andere Kantone (vgl. Behördenverzeichnis KSBS), einen zweistufigen Meinungsaustausch vorsieht, bevor die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts angerufen werden kann.
1.5 Nach dem Gesagten liegt kein abgeschlossener Meinungsaustausch und damit auch kein endgültiger Gerichtsstandskonflikt vor, was dem Eintreten auf das Gesuch entgegensteht.
1.6 Im Übrigen hat wohl auch kein Meinungsaustausch mit allen ernstlich in Frage kommenden Kantonen stattgefunden. Da offenbar anhand der bisherigen Erkenntnisse kein Handlungsort bestimmbar ist, subsidiär zwar mehrere Erfolgsorte in Frage kommen, aber unklar ist, wo - wenn überhaupt - bereits Verfahren hängig sind, könnte die Beschwerdekammer den Gerichtsstandskonflikt aufgrund der vorliegenden Akten zurzeit materiell nicht beurteilen.
Für die Schwergewichtsüberlegungen des Gesuchstellers fehlt es vorderhand bereits an der vorausgesetzten grossen Anzahl von bisher in Frage stehenden Delikten (Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2012.15 vom 23. Mai 2012, E. 3.3; BG.2012.9 vom 10. Mai 2012, E. 3.2 in fine; BG.2011.25 vom 28. September 2011, E. 3.2). Ungeklärt ist zurzeit auch, in welchem Kanton das erste Delikt erfolgte respektive wo der erste Fax eingegangen ist (vgl. Fingerhuth/Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Zürich/Basel/Genf 2010, Art. 31

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 31 Gerichtsstand des Tatortes - 1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig. |
1.7 Dementsprechend hat der Gesuchsteller zur Klärung des Gerichtsstands zuerst einmal einen vollständigen Meinungsaustausch zumindest mit der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich - allenfalls auch mit weiteren Kantonen - durchzuführen.
2. Für das vorliegende Verfahren sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 423 Abs. 1

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 423 Grundsätze - 1 Die Verfahrenskosten werden vom Bund oder dem Kanton getragen, der das Verfahren geführt hat; abweichende Bestimmungen dieses Gesetzes bleiben vorbehalten. |
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Auf das Gesuch wird nicht eingetreten.
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Bellinzona, 28. November 2012
Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Zustellung an
- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt
- Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.