Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1B_277/2011
Urteil vom 28. Juni 2011
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Raselli, Merkli, Eusebio,
Gerichtsschreiber Stohner.
Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Beat Hess,
gegen
Zwangsmassnahmengericht des Kantons Luzern, Villastrasse 1, Postfach 1062, 6010 Kriens,
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, Postfach 3439, 6002 Luzern.
Gegenstand
Sicherheitshaft,
Beschwerde gegen den Beschluss vom 9. Mai 2011
des Obergerichts des Kantons Luzern, 2. Abteilung.
Sachverhalt:
A.
Am 14. April 2009 wurde X.________ von der Polizei unter dem dringenden Verdacht der Tötung seiner Lebenspartnerin Y.________ festgenommen. Am 15. April 2009 wurde er durch das Amtsstatthalteramt Luzern unter Hinweis auf die besonderen Haftgründe der Kollusions- und Fluchtgefahr in Untersuchungshaft versetzt. In der Folge legte der Beschuldigte ein Geständnis ab, wonach er Y.________ während einer handgreiflichen Auseinandersetzung erwürgt habe.
Ein von X.________ am 30. November 2009 eingereichtes Haftentlassungsgesuch wies das Amtsstatthalteramt am 2. Dezember 2009 mit der Begründung ab, es bestehe Fluchtgefahr. Mit Entscheid vom 23. Dezember 2009 wies das Obergericht des Kantons Luzern den von X.________ gegen diesen Entscheid eingereichten Rekurs ab.
Am 21. Dezember 2010 beantragte das Amtsstatthalteramt die Verlängerung der Untersuchungshaft bis zum 31. März 2011. Mit Verfügung vom 5. Januar 2011 hiess das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Luzern diesen Antrag gut.
B.
Am 29. März 2011 erhob die nunmehr zuständige Staatsanwaltschaft Emmen beim Kriminalgericht des Kantons Luzern Anklage gegen X.________ wegen vorsätzlicher Tötung sowie wegen Pornografie und beantragte die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Gleichentags stellte die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht Antrag auf Anordnung von Sicherheitshaft wegen Fluchtgefahr.
Mit Verfügung vom 30. März 2011 ordnete das Zwangsmassnahmengericht provisorisch Sicherheitshaft an. Mit Verfügung vom 6. April 2011 erfolgte die definitive Anordnung der Sicherheitshaft. Das Zwangsmassnahmengericht bejahte die Fluchtgefahr mit der Begründung, der Beschuldigte sei reisegewandt und verfüge wohl über Verbindungen nach Thailand, wo er sich schon verschiedentlich aufgehalten habe. Zudem lasse sich dem forensisch-psychiatrischen Gutachten vom 18. November 2010 entnehmen, dass sich der Beschuldigte während persönlicher Krisen dysfunktional verhalten habe.
Gegen diese Verfügung vom 6. April 2011 führte X.________ Beschwerde ans Obergericht des Kantons Luzern. Dieses bejahte insbesondere unter Bezugnahme auf die Ausführungen im forensisch-psychiatrischen Gutachten vom 18. November 2010 den besonderen Haftgrund der Fluchtgefahr und wies die Beschwerde mit Beschluss vom 9. Mai 2011 ab.
C.
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 6. Juni 2011 beantragt X.________, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben und ihn sofort unter Auflagen aus der Haft zu entlassen. Mit Eingabe vom 7. Juni 2011 stellt X.________ den Antrag, ihm sei die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.
Die Oberstaatsanwaltschaft, das Zwangsmassnahmengericht und das Obergericht beantragen in ihren Vernehmlassungen die Abweisung der Beschwerde. In seiner abschliessenden Stellungnahme hält der Beschwerdeführer an seinem Standpunkt fest.
Erwägungen:
1.
1.1 Gemäss Art. 78 Abs. 1






Der Beschwerdeführer nahm vor der Vorinstanz am Verfahren teil und hat ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Er ist nach Art. 81 Abs. 1


1.2 Strafprozessuale Zwangsmassnahmen sind Verfahrenshandlungen der Strafbehörden, die in die Grundrechte der Betroffenen eingreifen und dazu dienen, Beweise zu sichern, die Anwesenheit von Personen im Verfahren sicherzustellen oder die Vollstreckung des Endentscheids zu gewährleisten (Art. 196 lit. a






entsprechende Zwischenentscheide, die unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1



2.
Nach Art. 221


3.
Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht der vorsätzlichen Tötung nicht. Er rügt jedoch, die Vorinstanz habe den Haftgrund der Fluchtgefahr gemäss Art. 221 Abs. 1 lit. a

3.1 Die Vorinstanz hat erwogen, nach Auffassung des psychiatrischen Gutachters im forensisch-psychiatrischen Gutachten vom 18. November 2010 bedürfe der Beschwerdeführer einer ambulanten Heilbehandlung nach Art. 63


3.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, der psychiatrische Gutachter komme zum Schluss, dass er während persönlicher Krisen zu Alkoholexzessen neige. Auch die Hauptargumentation der Vorinstanz gehe dahin, dass er an einer schweren Alkoholabhängigkeit leide und unter Alkoholeinfluss zu inadäquaten Konfliktlösungen und psychogenen Kurzschlussreaktionen tendiere. Damit sei jedoch gleichzeitig auch gesagt, dass die Annahme einer möglichen Fluchtgefahr jeglicher Grundlage entbehre, wenn er keinen Alkohol konsumiere. Genau dies aber sei zurzeit der Fall und könne mit einer Gesprächstherapie sowie mit einer Antabus-Kur auch zukünftig gewährleistet werden. Diese beiden Ersatzmassnahmen böten Sicherheit genug, dass er keinen Alkohol trinke, zumal bei einer Freilassung nicht mit dem Auftreten einer persönlichen Krisensituation zu rechnen sei. Zusammenfassend seien keine Umstände ersichtlich, welche bei einer Haftentlassung bei gleichzeitiger totaler Alkoholabstinenz für das Vorliegen von Fluchtgefahr sprechen würden.
3.3 Beim Haftgrund der Fluchtgefahr gemäss Art. 221 Abs. 1 lit. a

3.4 Dem Beschwerdeführer droht eine mehrjährige Freiheitsstrafe, was einen gewichtigen Anreiz zur Flucht darstellt, wobei im Haftprüfungsverfahren entgegen den Ausführungen in der Beschwerde die Möglichkeit der bedingten Entlassung nach zwei Dritteln der Strafe gemäss Art. 86 Abs. 1

Der Beschwerdeführer stellt in seiner Beschwerde nicht in Abrede, dass er reisegewandt ist und sich mehrmals in Thailand aufgehalten hat. Ebenso wenig bestreitet er, dass er unter Alkoholeinfluss zu inadäquaten Konfliktlösungen und Kurzschlussreaktionen neigt. Dass es aber dem Beschwerdeführer in Freiheit gelingen würde, gänzlich alkoholabstinent zu leben, erscheint keineswegs gesichert. Die im Ergebnis von der Vorinstanz gezogene Schlussfolgerung, wonach die vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen Ersatzmassnahmen der Durchführung einer ambulanten Gesprächstherapie und der Behandlung mit Antabus nicht hinreichend Sicherheit bieten können für eine Alkoholabstinenz und das Verhindern einer möglichen Flucht ins Ausland als Folge einer Kurzschlussreaktion, ist nicht zu beanstanden. Insbesondere angesichts der (von der Vorinstanz willkürfrei festgestellten) psychischen Verfassung des Beschwerdeführers erscheint es fraglich, ob dieser willens und in der Lage wäre, die für eine erfolgreiche Gesprächs- und Antabustherapie notwendige Disziplin aufzubringen (vgl. insoweit auch das Urteil des Bundesgerichts 1B_254/2010 vom 25. August 2010 E. 2.5.3). Des Weiteren verletzt es kein Bundesrecht, dass die Vorinstanz die gemäss Gutachter
akzentuierten narzisstischen Persönlichkeitszüge des Beschwerdeführers unabhängig von der Alkoholproblematik als Indiz für eine bestehende Fluchtgefahr gewertet hat.
Bei dieser Sachlage hat die Vorinstanz die Fluchtgefahr zu Recht bejaht.
4.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Prozessführung und Rechtsverbeiständung. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, kann dem Gesuch entsprochen werden (Art. 64

Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
2.1 Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
2.2 Rechtsanwalt Beat Hess wird zum unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 2'000.-- entschädigt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie dem Zwangsmassnahmengericht, der Oberstaatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 28. Juni 2011
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Stohner