Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}

1B 452/2016

Urteil vom 27. Februar 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hollinger,

gegen

Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach,
Wildischachenstrasse 14, 5200 Brugg.

Gegenstand
Kostenpunkt eines Zwischenentscheides,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 10. Oktober 2016 des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach führt gegen A.________ ein Strafverfahren wegen Raubes, Nötigung und Tätlichkeiten zum Nachteil von B.________. A.________ wurde am 8. Dezember 2015 festgenommen und anschliessend in Untersuchungshaft versetzt.
Am 4. April 2016 wies das Obergericht des Kantons Aargau eine Beschwerde von A.________ gegen die vom Zwangsmassnahmengericht am 9. März 2016 angeordnete Haftverlängerung ab.
Am 22. April 2016 teilte die Staatsanwaltschaft A.________ mit, die Untersuchung stehe vor dem Abschluss und forderte ihn auf, Beweisanträge zu stellen, was er am 11. Mai 2016 tat.
Am 30. Mai 2016 wies das Bundesgericht die Beschwerde von A.________ gegen den Obergerichtsentscheid vom 4. April 2016 ab, soweit es darauf eintrat (Urteil 1B 166/2016).
Am 13. Juli 2016 beschwerte sich A.________ bei der Staatsanwaltschaft darüber, dass er noch keine Anklageschrift erhalten habe und teilte mit, dass er deren Zustellung bis Ende Juli 2016 erwarte.
Am 3. August 2016 erhob A.________ beim Obergericht des Kantons Aargau Rechtsverzögerungsbeschwerde mit dem Antrag, die Staatsanwaltschaft anzuweisen, innert einer kurzen, vom Obergericht festzusetzenden Frist beim zuständigen Gericht Anklage zu erheben.
Am 29. August 2016 erhob die Staatsanwaltschaft beim Bezirksgericht Brugg Anklage gegen A.________ und einen Mitbeschuldigten.
Am 10. Oktober 2016 schrieb das Obergericht des Kantons Aargau das Beschwerdeverfahren infolge Gegenstandslosigkeit von der Geschäftskontrolle ab und auferlegte die Verfahrenskosten A.________ (Dispositiv-Ziffer 2).

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 24. November 2016 ficht A.________ diesen Entscheid des Obergerichts im Kostenpunkt an mit dem Antrag, die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens auf die Staatskasse zu nehmen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

C.
Das Obergericht verzichtet auf Vernehmlassung. Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde abzuweisen. A.________ hält in seiner Replik an der Beschwerde fest.

Erwägungen:

1.
Das angefochtene Urteil ist ein Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 80
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 80 Vorinstanzen - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.48
1    Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.48
2    Die Kantone setzen als letzte kantonale Instanzen obere Gerichte ein. Diese entscheiden als Rechtsmittelinstanzen. Ausgenommen sind die Fälle, in denen nach der Strafprozessordnung vom 5. Oktober 200749 (StPO) ein Zwangsmassnahmegericht oder ein anderes Gericht als einzige kantonale Instanz entscheidet.50
BGG) in einer Strafsache (Art. 78 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 78 Grundsatz - 1 Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
1    Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
2    Der Beschwerde in Strafsachen unterliegen auch Entscheide über:
a  Zivilansprüche, wenn diese zusammen mit der Strafsache zu behandeln sind;
b  den Vollzug von Strafen und Massnahmen.
BGG). Er schliesst das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab. Es handelt sich mithin nicht um einen Endentscheid im Sinn von Art. 90
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 90 Endentscheide - Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen.
BGG), sondern um einen Zwischenentscheid, gegen den die Beschwerde in Strafsachen - von hier nicht gegebenen Spezialfällen abgesehen (vgl. Art. 92
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 92 - 1 Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig.
1    Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig.
2    Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden.
BGG) - nur unter einschränkenden Voraussetzungen von Art. 93
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
1    Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
a  wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder
b  wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
2    Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind.
3    Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken.
BGG zulässig ist. Das Bundesgericht verzichtet allerdings bei Beschwerden wegen Rechtsverweigerung und -verzögerung auf das Erfordernis eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils (Art. 93 Abs. 1 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
1    Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
a  wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder
b  wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
2    Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind.
3    Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken.
BGG; BGE 138 IV 258 E. 1.1; 134 IV 43 E. 2.2 S. 45). Gegen den angefochtenen, ein Rechtsverzögerungsverfahren betreffenden Entscheid steht damit die Beschwerde offen, und der Beschwerdeführer, der am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat und dem Kosten auferlegt wurden, ist befugt, sie zu erheben (Art. 81 Abs. 1 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 81 Beschwerderecht - 1 Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
1    Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und
b  ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere:
b1  die beschuldigte Person,
b2  ihr gesetzlicher Vertreter oder ihre gesetzliche Vertreterin,
b3  die Staatsanwaltschaft, ausser bei Entscheiden über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft,
b4  ...
b5  die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann,
b6  die Person, die den Strafantrag stellt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht,
b7  die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung in Verwaltungsstrafsachen nach dem Bundesgesetz vom 22. März 197455 über das Verwaltungsstrafrecht.
2    Eine Bundesbehörde ist zur Beschwerde berechtigt, wenn das Bundesrecht vorsieht, dass ihr der Entscheid mitzuteilen ist.56
3    Gegen Entscheide nach Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b steht das Beschwerderecht auch der Bundeskanzlei, den Departementen des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, den ihnen unterstellten Dienststellen zu, wenn der angefochtene Entscheid die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann.
und b Ziff. 1 BGG). Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.

2.
Umstritten ist einzig, ob das Obergericht Bundesrecht verletzt hat, indem es die Kosten des gegenstandslos gewordenen Verfahrens dem Beschwerdeführer auferlegte.

2.1. Art. 428
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 428 Kostentragung im Rechtsmittelverfahren - 1 Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht.
1    Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht.
2    Erwirkt eine Partei, die ein Rechtsmittel ergriffen hat, einen für sie günstigeren Entscheid, so können ihr die Verfahrenskosten auferlegt werden, wenn:
a  die Voraussetzungen für das Obsiegen erst im Rechtsmittelverfahren geschaffen worden sind; oder
b  der angefochtene Entscheid nur unwesentlich abgeändert wird.
3    Fällt die Rechtsmittelinstanz selber einen neuen Entscheid, so befindet sie darin auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung.
4    Hebt sie einen Entscheid auf und weist sie die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück, so trägt der Bund oder der Kanton die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und, nach Ermessen der Rechtsmittelinstanz, jene der Vorinstanz.
5    Wird ein Revisionsgesuch gutgeheissen, so entscheidet die Strafbehörde, die anschliessend über die Erledigung der Strafsache zu befinden hat, nach ihrem Ermessen über die Kosten des ersten Verfahrens.
StPO sieht für die Kostentragung im Rechtsmittelverfahren in allgemeiner Weise vor, dass die Parteien die Kosten nach Massgabe ihres Unterliegens zu tragen haben. Eine Regelung für den Fall, dass ein Verfahren gegenstandslos wird, enthält die StPO nicht. Das Obergericht hält dazu fest, dass in Fällen, in denen wie im vorliegenden die Gegenstandslosigkeit nach dem Ergreifen des Rechtsmittels eintritt, "über die Verfahrenskosten mit summarischer Begründung aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes zu entscheiden ist. Bei der Beurteilung der Kostenfolgen ist in erster Linie auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen. Bei der Beurteilung des mutmasslichen Verfahrensausgangs geht es jedoch nicht darum, die Prozessaussichten im einzelnen zu prüfen. Vielmehr kann es bei einer knappen, d.h. Prima-facie-Beurteilung der Aktenlage sein Bewenden haben" (E. 3.1 S. 3).
Dies entspricht im Wesentlichen den Regeln, die das Bundesgericht selber bei gegenstandslos gewordenen Verfahren anwendet (vgl. Art. 71
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 71 - Wo dieses Gesetz keine besonderen Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind die Vorschriften des BZP30 sinngemäss anwendbar.
BGG i.V.m. Art. 72
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 72 - Wird ein Rechtsstreit gegenstandslos oder fällt er mangels rechtlichen Interesses dahin, so erklärt ihn das Gericht nach Vernehmlassung der Parteien ohne weitere Parteiverhandlung als erledigt und entscheidet mit summarischer Begründung über die Prozesskosten auf Grund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes.
BZP). Ergänzend greift es auf allgemeine zivilprozessrechtliche Kriterien zurück. Danach wird in erster Linie jene Partei kosten- und entschädigungspflichtig, die das gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst hat oder bei der die Gründe eingetreten sind, die zur Gegenstandslosigkeit geführt haben (vgl. BGE 118 Ia 488 E. 4a S. 494 f.; 2C 45/2009 vom 26. Mai 2009 E. 3.1).

3.

3.1. Am 4. April 2016 wies das Obergericht eine Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 9. März 2016 ab, mit welchem dieses die Untersuchungshaft gegen den Beschwerdeführer um drei Monate bis zum 8. Juni 2016 verlängert hatte. Zur Frage der Verhältnismässigkeit in zeitlicher Hinsicht erwog es zunächst, dass die Haftdauer bis zum Ablauf der Verlängerung am 8. Juni 2016 rund 6 Monate betragen werde; angesichts der Schwere der Vorwürfe - u.a. Raub im Sinn von Art. 140 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.199
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr200 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
StGB mit einer Strafdrohung von bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe - drohe keine Überhaft (E. 3.4.1 S. 8). Offen liess das Obergericht (E. 3.4.2.3 S. 9 f.), ob eine Verletzung des Beschleunigungsgebots vorliege; eine Verzögerung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft, wenn eine solche überhaupt vorliege, sei jedenfalls wenig gravierend und damit von vornherein nicht geeignet, die Rechtmässigkeit der Haft in Frage zu stellen. Es ergäben sich aus den Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verfahren bisher nicht stetig oder bloss mit namhaften Unterbrüchen vorangetrieben worden sei. "Allerdings ist heute ausweislich der verurkundeten Akten ebenso wenig ersichtlich, was einer baldigen Anklageerhebung entgegen
stehen könnte, zumal sich die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach in der Beschwerdeantwort nicht zur Rüge des Beschwerdeführers äussert und auch nicht in Aussicht stellt, wie es sich mit der Anklageerhebung in zeitlicher Hinsicht verhält. Im Gesuch um Haftverlängerung vom 3. März 2016 (S. 4) merkte die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach noch an, die polizeilichen Ermittlungen würden sich dem Ende zuneigen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich um einen Haftfall handelt, darf deshalb von der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach erwartet werden, sie erhebe nun mit der verfassungs- und konventionsrechtlich gebotenen besonderen Beschleunigung Anklage beim zuständigen Gericht, ohne dafür die hier bestätigte Verlängerung der Untersuchungshaft um drei Monate voll auszuschöpfen."

3.2. Nach diesen Ausführungen des Obergerichts hätte die Staatsanwaltschaft unter dem Vorbehalt nicht voraussehbarer Umstände bis ca. Ende Mai 2016 Anklage erheben müssen, um dem Beschleunigungsgebot Genüge zu tun. Effektiv erfolgte die Anklageerhebung erst drei Monate später, am 29. August 2016, etwa einen Monat nachdem die Rechtsverzögerungsbeschwerde eingereicht worden war.
Von dieser Beurteilung, die es "in Unkenntnis der weiteren Entwicklung" (angefochtener Entscheid E. 3.4 S. 6) gemacht habe, rückt das Obergericht im angefochtenen Entscheid ab und legt im Detail dar, dass die Staatsanwaltschaft seit dem Haftentscheid des Obergerichts vom 4. April 2016 das Verfahren bis zum 4. Juli 2016 speditiv vorangetrieben habe. In den folgenden 7 Wochen bis zur Erhebung der Anklage am 29. August 2016 seien zwar keine weiteren Verfahrenshandlungen mehr erkennbar; dies sei indessen unter Berücksichtigung des Zeitbedarfs für die Ausarbeitung der Anklage nicht stossend (E. 3.4 S. 5 f.).

3.3. Die Auffassung des Obergerichts im angefochtenen Entscheid, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren speditiv führte, erscheint weitgehend plausibel. Bedenken erweckt allerdings der Zeitbedarf von rund 8 Wochen für die Erstellung der Anklageschrift in einem Haftfall, in dem die Staatsanwaltschaft vom Obergericht ausdrücklich zu einer besonders beförderlichen Verfahrensführung angehalten worden war und in dem die von diesem für die Anklageerhebung angemahnte Frist bereits seit längerem abgelaufen war. Dies beinhaltet im Übrigen keinen persönlichen Vorwurf an die fallführende Staatsanwältin, welche, wie sie nachvollziehbar darlegt, im fraglichen Zeitpunkt mit anderweitigen dringlichen Aufgaben überhäuft war. Unter dem Gesichtspunkt des Beschleunigungsgebots spielt es indessen keine entscheidende Rolle, ob die Staatsanwaltschaft nicht willens oder fähig ist, ein Verfahren mit der gebotenen Beförderung zu führen, oder ob sie dazu wegen mangelnder personeller Ressourcen nicht in der Lage ist. Ob das Beschleunigungsgebot verletzt wurde, ist für den Ausgang dieses Verfahrens allerdings nicht erheblich und kann daher offen bleiben.

3.4. Das Obergericht hat in seinem Entscheid vom 4. April 2016 den Zeitbedarf der Staatsanwaltschaft für die Anklageerhebung abgeschätzt und darauf die Erwartung gestützt, dass diese vor Ablauf der Haftfrist (8. Juni 2016) erfolgen werde. Diese Zeitvorgabe wurde in der Folge von der Staatsanwaltschaft nicht eingehalten, ohne dass das Verfahren durch Umstände verzögert worden wäre, die für das Obergericht am 4. April 2016 nicht vorhersehbar waren. Dass der Beschwerdeführer den Haftentscheid des Obergerichts ans Bundesgericht weiterziehen würde und nicht nur er, sondern auch weitere Verfahrensbeteiligte Akteneinsicht nehmen würden und das eine oder andere Fristverlängerungsgesuch bewilligt werden müsste, entspricht dem normalen Lauf eines Strafverfahrens und war dementsprechend für das Obergericht am 4. April 2016 absehbar.
Gestützt auf diese obergerichtliche Einschätzung des Zeitrahmens, welcher der Staatsanwaltschaft bei der gebotenen beförderlichen Verfahrensführung bis zur Anklageerhebung zustünde, hatte der Beschwerdeführer Anlass zur Einreichung einer Rechtsverzögerungsbeschwerde, nachdem die Anklage gut zwei Monate nach Ablauf der vom Obergericht bestimmten Frist noch nicht erhoben worden war; bei einem Verzicht auf die Einreichung dieses Rechtsmittels hätte sich der Anwalt des Beschwerdeführers allenfalls sogar den Vorwurf unsorgfältiger Mandatsführung gefallen lassen müssen. Dass die Prognose unrealistisch war und vom Obergericht im angefochtenen Entscheid fallengelassen wurde - der Beschwerdeführer spricht mit einer gewissen Berechtigung von einer "Kehrtwende" - ändert nichts daran, dass der Beschwerdeführer sich in guten Treuen auf die obergerichtlichen Erwägungen im Entscheid vom 4. April 2016 stützen und Beschwerde führen durfte. Es ist, wie er zu Recht geltend macht, mit Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
BV) nicht vereinbar, dass ihm das Obergericht im angefochtenen Entscheid die Kosten des gegenstandslos gewordenen Verfahrens auferlegte mit der Begründung, die Staatsanwaltschaft habe das Beschleunigungsgebot nicht verletzt. Die Rüge ist
begründet.

4.
Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und Dispositiv-Ziffer 2 des angefochtenen Entscheids aufzuheben. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Hingegen hat der Kanton Aargau dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
und 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und Dispositiv-Ziffer 2 des Entscheids des Aargauer Obergerichts vom 10. Oktober 2016 aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Der Kanton Aargau hat Rechtsanwalt Franz Hollinger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Februar 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Merkli

Der Gerichtsschreiber: Störi
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 1B_452/2016
Date : 27. Februar 2017
Published : 17. März 2017
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strafprozess
Subject : Kostenpunkt eines Zwischenentscheides


Legislation register
BGG: 66  68  71  78  80  81  90  92  93
BV: 5
BZP: 72
StGB: 140
StPO: 428
BGE-register
118-IA-488 • 134-IV-43 • 138-IV-258
Weitere Urteile ab 2000
1B_166/2016 • 1B_452/2016 • 2C_45/2009
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
aargau • access records • accusation • accused • affection • answer to appeal • appeal concerning criminal matters • arrest • board of appeal • calculation • clerk • condition • constitution • costs of the proceedings • counterplea • criminal matter • decision • elaboration • end • federal court • final decision • good faith • indictment • intention • interim decision • judicature without remuneration • knowledge • lausanne • lawyer • legal representation • litigation costs • lower instance • meadow • month • participant of a proceeding • position • prediction • prohibition of summary proceedings • question • remand • remedies • robbery • statement of affairs • statement of reasons for the adjudication • summary statement • term of imprisonment • time limit