Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

8C 229/2023

Urteil vom 26. April 2024

IV. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterinnen Heine, Viscione, Bundesrichter Métral,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
Unia Arbeitslosenkasse,
Weltpoststrasse 20, 3000 Bern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Advokatin Sonja Ryf,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung; Zwischenverdienst),

Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 5. Oktober 2022 (AL.2022.15).

Sachverhalt:

A.
Der 1966 geborene A.________ meldete sich am 27. Oktober 2021 zur Arbeitsvermittlung und am 7. November 2021 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung an, nachdem ihm die Teilzeitanstellung mit einer Wochenarbeitszeit von 15 Stunden als Unterhaltsreiniger bei der B.________ AG per 31. Juli 2021 gekündigt worden war. In seinem Antrag auf Arbeitslosenentschädigung gab er an, er sei bereit und in der Lage, Vollzeit zu arbeiten. Eine weitere, seit 3. Juli 2020 ausgeübte teilzeitliche Tätigkeit als Reinigungsmitarbeiter für die C.________ AG (nachfolgend: C.________ AG oder Arbeitgeberin) konnte A.________ auch nach der Anmeldung bei der Arbeitslosenkasse beibehalten. Gemäss Arbeitsvertrag vom 7. Dezember 2020 war in dieser Anstellung bei einer Arbeitszeit "gemäss Einsatzplänen" eine "Wochenarbeitszeit" von 16.50 Stunden vereinbart. Die Unia Arbeitslosenkasse eröffnete eine Rahmenfrist für den Leistungsbezug vom 27. Oktober 2021 bis 26. Oktober 2023. In der Folge rechnete sie die Kontrollperioden November 2021 bis Februar 2022 unter Anrechnung eines auf 16,5 Wochenarbeitsstunden basierenden Zwischenverdienstes ab. Dies hielt sie auf entsprechende Aufforderung des A.________ am 25. März 2022 auch noch in Verfügungsform fest, wobei sie
darauf hinwies, dass sich der Zwischenverdienst nach der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit richte. Die von der Arbeitgeberin zugesicherten Stunden seien von der Kasse als Zwischenverdienst anzurechnen, auch wenn im betreffenden Monat weniger gearbeitet worden sei. Die dagegen erhobene Einsprache lehnte sie ab, wobei sie den Verfahrensgegenstand auf die Kontrollperioden Oktober 2021 bis und mit Februar 2022 ausdehnte (Einspracheentscheid vom 2. Juni 2022).

B.
In Gutheissung der dagegen geführten Beschwerde hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt den Einspracheentscheid auf und wies die Sache zur Neuberechnung des Zwischenverdienstes für die Kontrollperioden Oktober 2021 bis und mit Februar 2022 im Sinne der Erwägungen an die Kasse zurück (Urteil vom 5. Oktober 2022).

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten stellt die Kasse das Rechtsbegehren, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und der Einspracheentscheid sei zu bestätigen.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) pflichtet in seiner Vernehmlassung den Ausführungen der Kasse vollumfänglich bei, ohne sich weiter zu äussern, während das kantonale Gericht auf Abweisung der Beschwerde schliesst. A.________ lässt beantragen, das Rechtsmittel sei abzuweisen und ausserdem sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 145 V 380 E. 1 Ingress mit Hinweis).

1.1. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen Endentscheide, das heisst gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG). Gegen selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde hingegen nur zulässig, wenn sie die Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG), oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen End0entscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Rückweisungsentscheide, mit denen eine Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, sind grundsätzlich Zwischenentscheide, die nur unter den genannten Voraussetzungen beim Bundesgericht angefochten werden können (BGE 140 V 282 E. 2 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 138 V 271). Anders verhält es sich dann, wenn der unteren Instanz, an welche zurückgewiesen wird, kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt und die Rückweisung bloss noch der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient (BGE 135 V 141 E. 1.1 S. 143; 134 II 124 E. 1.3 S. 127). Diesfalls liegt - materiell betrachtet - kein Zwischen-,
sondern ein Endentscheid vor (BGE 140 V 282 E. 4.2 mit Hinweisen; vgl. Urteil 8C 242/2022 vom 4. August 2022 E. 1).

1.2. Die Arbeitslosenkasse wird mit dem angefochtenen Rückweisungsentscheid gezwungen, den Zwischenverdienst für die Kontrollperioden Oktober 2021 bis Februar 2022 basierend auf dem in dieser Zeit effektiv zur Auszahlung gelangten Lohn (und nicht anhand der vertraglich vereinbarten Arbeitsstunden) zu berechnen. Die Kasse macht darum zu Recht geltend, dass die Rückweisung nur noch die rechnerische Umsetzung der vorinstanzlich verbindlich festgelegten Methode zur Ermittlung des Zwischenverdienstes betrifft, ohne dass der Kasse noch ein Entscheidungsspielraum verbliebe. Weil die Rückweisung folglich einem Endentscheid gleichkommt und auch die übrigen Formvorschriften eingehalten sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f . BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f . BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 , Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4; Urteil 8C 177/2023 vom 6. Oktober 2023 E. 1).

3.
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie den Einspracheentscheid vom 2. Juni 2022 aufhob und die Beschwerdeführerin im hier angefochtenen Rückweisungsurteil vom 5. Oktober 2022 verpflichtete, den Zwischenverdienst unter Berücksichtigung des in den jeweiligen Kontrollperioden von Oktober 2021 bis Februar 2022 effektiv ausbezahlten Lohnes zu berechnen.

4.

4.1. Art. 8 Abs. 1 AVIG zählt die für die Arbeitslosenentschädigung massgeblichen Anspruchsvoraussetzungen auf. Dazu gehört, dass die versicherte Person ganz oder teilweise arbeitslos ist (Art. 8 Abs. 1 lit. a AVIG) und einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat (Art. 8 Abs. 1 lit. b AVIG). Als ganz arbeitslos gilt, wer in keinem Arbeitsverhältnis steht und eine Vollzeitstelle sucht (Art. 10 Abs. 1 AVIG) und als teilweise arbeitslos, wer in keinem Arbeitsverhältnis steht und lediglich eine Teilzeitbeschäftigung sucht (Art. 10 Abs. 2 lit. a AVIG) oder eine Teilzeitbeschäftigung hat und eine Vollzeit- oder eine weitere Teilzeitbeschäftigung sucht (Art. 10 Abs. 2 lit. b AVIG).

4.2. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist der von teilarbeitslosen Personen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. b AVIG weiterhin durch die teilzeitlich ausgeübte Tätigkeit erzielte Lohn als Zwischenverdienst anzurechnen (BGE 141 V 426 E. 5.1). Als Zwischenverdienst gilt jedes Einkommen aus unselbstständiger oder selbstständiger Erwerbstätigkeit, das der Arbeitslose innerhalb einer Kontrollperiode erzielt (Art. 24 Abs. 1 AVIG). Der Versicherte hat Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls. Als Verdienstausfall gilt die Differenz zwischen dem in der Kontrollperiode erzielten Zwischenverdienst, mindestens aber dem berufs- und ortsüblichen Ansatz für die betreffende Arbeit, und dem versicherten Verdienst (Art. 24 Abs. 3 AVIG).

5.
Das kantonale Gericht gelangt in Auslegung des Art. 24 Abs. 3 AVIG aufgrund des - nach seinem Dafürhalten - klaren Wortlauts der Bestimmung zum Schluss, die Beschwerdeführerin hätte der Berechnung des Zwischenverdienstes den während der jeweiligen Kontrollperioden vom Beschwerdegegner effektiv erzielten Verdienst zugrunde legen müssen, statt unbesehen von nicht realisierbaren Lohnansprüchen auszugehen, indem sie auf die vertraglich vereinbarten (Arbeits-) Stunden abgestellt habe. Die Weisung des SECO in AVIG-Praxis ALE Rz. C142, wonach bei Minusstunden im Zwischenverdienst die Grundsätze nach Art. 324 OR zu berücksichtigen seien, sei gesetzeswidrig. Die Verwaltungsweisung führe dazu, dass Arbeitslose, deren Ansprüche aus Zwischenverdienst zweifelhaft seien, schlechter gestellt würden als Arbeitslose mit fraglichen Ansprüchen aus bisherigen Arbeitsverhältnissen, weil die Schutzfunktion von Art. 29 AVIG nicht zur Anwendung gelange. Davon wäre gerade der vorliegende Fall betroffen, bei dem konträre Meinungen seitens Arbeitgeberin und Arbeitnehmer über den (Lohn-) Anspruch bestehen würden. Dies erscheine stossend und würde auch die Attraktivität des Zwischenverdienstes schmälern.

6.

6.1. Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, Art. 24 Abs. 3 und der ebenfalls zu berücksichtigende Art. 24 Abs. 1 AVIG könnten nicht im Sinne der Erwägungen des kantonalen Gerichts verstanden werden. Als "erzielt" gelte der Zwischenverdienst bereits in dem Moment, in welchem der Rechtsanspruch auf die Leistung erworben werde, also sobald die finanzielle Forderung für die erbrachte Leistung entstanden sei (Entstehungsprinzip). Da über die Gründe, weshalb der Beschwerdegegner nicht die vertraglich vereinbarten 16,5 Stunden wöchentlich gearbeitet habe, Uneinigkeit zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmer herrsche, sei auf objektivierbare Beweismittel abzustellen. Als solches gelte einzig und allein der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien, in dem zweifelsfrei ein Arbeitspensum von 16,5 Stunden pro Woche festgehalten sei. Der Beschwerdegegner habe seine Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt und damit die geldwerte Leistung erbracht. Habe die Arbeitgeberin (teilweise) auf die Arbeitsleistung verzichtet, so bleibe sie lohnzahlungspflichtig (Art. 324 Abs. 1 OR). Der Beschwerdegegner habe also einen Anspruch auf Lohn gegen die Arbeitgeberin "erzielt". Insofern habe die Beschwerdeführerin korrekt auf die vertraglich vereinbarten
Arbeitsstunden und die damit verbundenen Lohnansprüche abgestellt, um den erzielten Zwischenverdienst zu ermitteln. Dieses Vorgehen basiere auf der AVIG-Praxis ALE C142 und entspreche Art. 324 OR sowie Art. 24 AVIG. Indem die Vorinstanz davon abweiche und stattdessen bloss die effektiv geleisteten Stunden für massgeblich erkläre, verletze sie diese Bestimmungen.

6.2. Das SECO schliesst sich dieser Sichtweise uneingeschränkt an.

6.3. Demgegenüber macht der Beschwerdegegner geltend, Arbeitgeberin und Arbeitnehmer seien sich hier nicht uneins, sondern sie hätten sich über den Willen der jeweils anderen Partei über die angestrebte Arbeitszeit im Irrtum befunden. Es liege kein Fall von Arbeitgeberverzug im Sinne von Art. 324 OR vor. Sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Prozess vor dem kantonalen Gericht sei dargelegt worden, dass zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeberin ein Missverständnis über das vereinbarte Arbeitspensum bestanden habe, das mit Arbeitsvertrag vom 1. April 2022 behoben worden sei. Damit bestehe kein Grund, hier eine arbeitsrechtliche Streitsituation anzunehmen, die der Klärung in einem zivilrechtlichen Klageverfahren bedurft hätte.

6.4. Letztinstanzlich weist das kantonale Gericht darauf hin, dass es um einen umstrittenen arbeitsrechtlichen Anspruch gehe, weil der Beschwerdegegner die vereinbarten Stunden gemäss Arbeitsvertrag vom 7. Dezember 2020 nicht geleistet habe und die Vertragspartner über die Gründe uneinig seien. Dies gehe unter anderem aus den E-Mails der Arbeitgeberin vom 17., 21. Februar und 22. März 2022 und dem Schreiben des Beschwerdegegners vom 27. März 2022 hervor. Selbst wenn in rechtlicher Hinsicht einiges für die Position des Beschwerdegegners spreche, sei offensichtlich, dass die Arbeitgeberin nicht willens gewesen sei, die vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit zu vergüten. Der Anspruch hätte auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden müssen. Im Zeitpunkt der Anrechnung des Zwischenverdienstes seien die Lohnansprüche demnach nicht realisierbar gewesen, da gerade über die Erfüllung der geldwerten Leistung keine Einigung bestanden habe.

7.
Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Ordnung zu unterstellen (BGE 142 V 466 E. 3.2 S. 471 mit Hinweisen).

7.1.

7.1.1. Die Meinungen der Parteien gehen in Bezug auf die Bedeutung des in Art. 24 Abs. 1 und 3 AVIG gleichermassen verwendeten Begriffs des erzielten Zwischenverdienstes auseinander (vgl. die vollständige Wiedergabe der Bestimmungen in E. 4.2 hiervor; frz.: gain intermédiaire retiré; ital.: guadagno intermedio ottenuto). Der deutsch- und französischsprachige Begriff "erzielt" und "retiré" legt im Sinne der vorinstanzlichen Erwägungen und der Ausführungen des Beschwerdegegners nahe, dass damit der tatsächlich ausbezahlte Lohn gemeint ist. Das Verständnis der Beschwerdeführerin, der erzielte Zwischenverdienst bestehe im Lohn, zu dessen Auszahlung die Arbeitgeberin vereinbarungsgemäss verpflichtet sei, wird aber durch den Wortlaut der Bestimmungen ebenfalls nicht ausgeschlossen. Bei der italienischsprachigen Version liegt demgegenüber die Deutung näher, dass die Arbeitnehmenden den Lohn tatsächlich erhalten haben müssen, damit er als Zwischenverdienst gelten kann. Der Wortlaut ist somit nicht klar und es sind verschiedene Interpretationen möglich.

7.1.2. Im 2. Abschnitt des AVIG unter dem Titel "Entschädigung" wird mit Art. 23 Abs. 1 AVIG, unmittelbar vor der Konkretisierung des Zwischenverdienstes in Art. 24 Abs. 1 AVIG, der versicherte Verdienst als massgebender Lohn definiert, der während eines Bemessungszeitraumes aus einem oder mehreren Arbeitsverhältnissen normalerweise erzielt wurde. Der Wortlaut ist somit in der deutschen Sprache identisch, indem sowohl in Art. 23 Abs. 1 als auch in Art. 24 Abs. 1 AVIG von "erzielt" die Rede ist, während Art. 23 Abs. 1 AVIG in französisch und italienisch die Verben "obtenu" und "riscosso" verwendet. Eine sprachliche Übereinstimmung mit Art. 24 Abs. 1 AVIG besteht somit nur in der deutschsprachigen Version.
Gemäss Rechtsprechung sind für die Ermittlung des versicherten Verdienstes die tatsächlichen Lohnbezüge, nicht die arbeitsvertraglich festgelegten Löhne, massgebend (BGE 139 V 473 E. 3.1; 131 V 444 E. 3.2.1, je mit Hinweisen). Daraus allein kann jedoch noch nicht abgeleitet werden, dass für den Zwischenverdienst dasselbe gelten müsste. Für die Auslegung des Begriffes "erzielt" in Art. 24 Abs. 1 und 3 AVIG bedeutsam erweist sich insbesondere die in Art. 24 Abs. 3 AVIG vorgesehene Korrektur des Zwischenverdienstes bei einer Entlöhnung, die nicht dem berufs- und ortsüblichen Ansatz für die betreffende Arbeit entspricht (E. 7.4 hiernach).

7.2.

7.2.1. Die Beschwerdeführerin bemängelt, das kantonale Gericht könne die in Art. 29 AVIG normierte Schutzfunktion nicht indirekt über Art. 24 Abs. 3 AVIG auch für die vorliegende Konstellation anbieten, um eine Schlechterstellung im Vergleich zu Versicherten mit zweifelhaften Ansprüchen aus bisherigen Arbeitsverhältnissen zu verhindern. Es fragt sich, ob allenfalls der Aufbau des Gesetzes oder der Sinn und Zweck der Zwischenverdienstregelung die Sichtweise der Vorinstanz zu stützen vermag.

7.2.2. Hat die Arbeitslosenkasse begründete Zweifel darüber, ob die versicherte Person für die Zeit des Arbeitsausfalls gegenüber ihrem bisherigen Arbeitgeber Lohn- oder Entschädigungsansprüche im Sinne von Art. 11 Abs. 3 AVIG hat oder ob sie erfüllt werden, so zahlt sie die Arbeitslosenentschädigung aus (Art. 29 Abs. 1 AVIG). Mit der Zahlung durch die Arbeitslosenkasse gehen alle Ansprüche der versicherten Person samt dem gesetzlichen Konkursprivileg auf die Kasse über (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 AVIG). Bei Art. 29 Abs. 1 AVIG handelt es sich um eine Sonderregelung an der Schnittstelle zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses und dem Eintritt der Arbeitslosigkeit. Sie garantiert den arbeitslos gewordenen Versicherten in dieser Übergangsphase aus sozialen Gründen den für ihren Lebensunterhalt notwendigen Erwerbsersatz und nimmt ihnen die mit einem Prozess gegen den früheren Arbeitgeber verbundenen Kosten- und Inkassorisiken ab (BGE 126 V 368 E. 3c/aa mit Hinweisen; THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, S. 2397 ff. Rz. 448 ff.). Art. 29 Abs. 1 AVIG erfasst zwei Tatbestände: Beim ersten bestehen Zweifel darüber, ob die versicherte Person
Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber hat. Beim zweiten Tatbestand beziehen sich die Zweifel auf die Realisierbarkeit eines ausgewiesenen Anspruchs (BGE 126 V 368 E. 3a/aa; SVR 2015 ALV Nr. 9 S. 25, 8C 581/2014 E. 8.1.1).

7.2.3. Der Wortlaut der Bestimmung gibt klar vor, dass Art. 29 AVIG nur Forderungen aus beendeten Arbeitsverhältnissen betrifft. Für die vorliegende Konstellation mit fortbestehendem Arbeitsverhältnis im Zwischenverdienst ist keine vergleichbare Lösung vorgesehen, die direkt oder im übertragenen Sinn Anwendung finden könnte. Wie die Beschwerdeführerin vorbringt, ist der Schutz aus Art. 29 Abs. 1 AVIG an die Subrogation gemäss Art. 29 Abs. 2 AVIG gekoppelt. Würde die Arbeitslosenversicherung im Sinne der Vorinstanz, also in Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 29 Abs. 1 AVIG, auch bei Zweifeln über Ansprüche auf Lohn aus Zwischenverdiensttätigkeiten in einzelnen Kontrollperioden vorsorglich ausgleichend höhere Arbeitslosentaggelder erbringen, so könnten die allfällig bestehenden Lohnansprüche nicht auf die Kasse übergehen. Vielmehr verbliebe der versicherten Person die Möglichkeit, ihre (Rest-) Lohnforderungen auch gegenüber ihrem Arbeitgeber durchzusetzen, womit sie allenfalls doppelt entschädigt würde, einerseits durch die Nachzahlung des Arbeitgebers und andererseits durch Differenzzahlungen der Arbeitslosenkasse. Das Gesetz ist also offensichtlich nicht auf Kompensationszahlungen der Arbeitslosenversicherung bei Zweifeln
über Ansprüche aus andauernden Zwischenverdiensttätigkeiten ausgerichtet.

7.3. Die Entstehungsgeschichte trägt zum Verständnis des in Art. 24 Abs. 1 und 3 AVIG verwendeten Begriffs des erzielten Zwischenverdienstes nichts bei. Im angefochtenen Urteil wird zwar auf die Botschaft des Bundesrates vom 23. August 1989 zu einer Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) verwiesen, worin präzisiert wird, dass der Versicherte, welcher einen irgendwie gearteten Zwischenverdienst erziele, unabhängig vom zeitlichen Umfang des Arbeitsausfalls eine allein nach dem Verdienstausfall bemessene Entschädigung in der Höhe von 80 Prozent des innerhalb einer Kontrollperiode erlittenen Ausfalls beanspruchen kann (BBl 1989 III 377, 391). Entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts führt dieser Hinweis auf den Verdienstausfall aber nicht weiter, weil sich in diesem Zusammenhang gleichermassen die Frage stellt, ob allenfalls über den ausbezahlten Lohn hinaus Lohnansprüche gegenüber dem Arbeitgeber, bei welchem der Zwischenverdienst erwirtschaftet wird, bestehen, und ob diese bei der Berechnung des Verdienstausfalls zu berücksichtigen sind.

7.4. Der Sinn und Zweck von Art. 24 Abs. 3 AVIG besteht offensichtlich darin, die Kompensationszahlungen der Arbeitslosenversicherung in den einzelnen Kontrollperioden auf die Differenz zwischen dem in der Kontrollperiode erzielten Zwischenverdienst und dem versicherten Verdienst zu begrenzen.

7.4.1. Art. 24 Abs. 3 AVIG sieht ein Korrektiv zur Missbrauchsbekämpfung vor: Entspricht der erzielte Zwischenverdienst nicht dem berufs- oder ortsüblichen Ansatz, so wird der Verdienstausfall nur im Umfang der Differenz zwischen der berufs- und ortsüblichen Entschädigung und dem versicherten Verdienst ausgeglichen. So soll namentlich vermieden werden, dass Arbeitgebende und Arbeitnehmende einen zu niedrigen Lohn vereinbaren können, um die Differenz zu Lasten der Arbeitslosenversicherung entschädigen zu lassen (BGE 129 V 102). Mit Art. 24 Abs. 3 AVIG soll verhindert werden, dass auf Kosten der Arbeitslosenversicherung Tätigkeiten mit einem gewissen wirtschaftlichen Wert ausgeübt werden, die normalerweise entlöhnt werden (vgl. BGE 129 V 102 E. 3.3.; vgl. auch Urteil 8C 434/2022 vom 25. November 2022 E. 4.2.1 mit Hinweisen). Die Nichteinhaltung des Kriteriums der Berufs- und Ortsüblichkeit führt nicht zum Dahinfallen des Anspruches auf Differenzausgleich. Vielmehr wird nunmehr bloss der von der versicherten Person erzielte effektive Lohn in masslicher Hinsicht bis zu dem als berufs- und ortsüblich zu qualifizierenden Ansatz angehoben, und es erfolgt nur auf dieser Grundlage ein Differenzausgleich (vgl. BGE 120 V 233 E. 5e mit
Hinweisen). Entsprechendes gilt bei fehlender Entlöhnung oder Lohnverzicht (vgl. BGE 133 V 161 E. 5.2.2).

7.4.2. Die Nichteinforderung von ausstehendem Lohn durch den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin ist im Sinne der soeben erwähnten Praxis mit einem Lohnverzicht gleichzusetzen. Um im Einzelfall eruieren zu können, ob und allenfalls in welcher Höhe ein Lohnverzicht erfolgt ist, muss deshalb der Lohnanspruch feststehen. Übt nun eine bei der Arbeitslosenversicherung angemeldete Person eine Erwerbstätigkeit aus, so hat demgemäss der daraus erzielte Zwischenverdienst im Sinne von Art. 24 Abs. 1 und Abs. 3 erster Teilsatz AVIG mit dem erworbenen Lohnanspruch, nicht mit dem arbeitgeberseitig ausbezahlten Geldbetrag, übereinzustimmen. Nur so kann eine korrekte Abgrenzung zu den arbeitsrechtlichen Zahlungspflichten der Arbeitgebenden stattfinden. Der abweichenden Sichtweise des kantonalen Gerichts, wonach der erzielte Zwischenverdienst dem ausbezahlten Lohnbetrag entspreche, kann nicht gefolgt werden.

7.4.3. Selbst wenn man den erzielten Zwischenverdienst allerdings im Sinne der Vorinstanz interpretieren würde, wäre kein abweichendes Ergebnis zu erreichen. Entspräche der erzielte Zwischenverdienst nämlich mit dem kantonalen Gericht dem ausbezahlten Lohn für effektiv geleistete Arbeitszeit, die von den vertraglich vereinbarten Arbeitsstunden abweicht, so könnte dies zu einer Umgehung des Art. 24 Abs. 3 AVIG führen, indem Arbeitgebende einen Anreiz erhielten, den eigenen Pflichten aus dem Einzelarbeitsvertrag nicht nachzukommen. Wie von der Beschwerdeführerin zutreffend ausgeführt, tragen die Arbeitgebenden das unternehmerische Risiko. Sie haben den Bedarf an Arbeitsleistung zu planen und dementsprechend Arbeitnehmende anzustellen sowie vereinbarungsgemäss zu entlöhnen. Könnten sich Arbeitgebende von der Lohnpflicht nach Bedarf befreien, indem sie Arbeitnehmende für weniger Arbeitsstunden einsetzen als vertraglich vereinbart, und würden die Arbeitnehmenden in diesem Umfang einen Verdienstausfall bei der Arbeitslosenkasse geltend machen können, würde dieses unternehmerische Risiko an die Arbeitslosenversicherung ausgelagert. Arbeitgebende könnten darauf verzichten, den vereinbarten Lohn zu entrichten, da die Einkommenslücke der
Arbeitnehmenden durch Arbeitslosentaggelder gedeckt wäre. Dies entspricht nicht der Intention der Zwischenverdienstregelung, was durch die (korrigierende) Ausrichtung des Zwischenverdienstes am berufs- und ortsüblichen Ansatz in Art. 23 Abs. 3 AVIG deutlich zum Ausdruck gebracht wird.
Unabhängig von der Interpretation des Begriffes des erzielten Zwischenverdienstes greift jedenfalls die Missbrauchsbekämpfungsregelung in Art. 24 Abs. 3 AVIG, sobald ein (teilweiser) Lohnverzicht seitens des Arbeitnehmenden vorliegt.

7.4.4. Die Beschwerdeführerin stützt sich im Übrigen zur Begründung ihrer Sichtweise auf BGE 122 V 367. In diesem Urteil wird darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit der AHV-Beitragspflicht Einkommen grundsätzlich in dem Zeitpunkt als erzielt gilt, in welchem der Rechtsanspruch auf die Leistung erworben wird. Ein Einkommen sei mit anderen Worten erzielt, sobald die Forderung für die erbrachte Leistung entstanden sei, nicht erst bei der Gutschrift oder Erfüllung in bar (BGE 122 V 367 E. 5b). Diese Rechtsprechung ist nach Auffassung der Kasse auch im Rahmen von Art. 24 AVIG zur Anwendung zu bringen. Übe ein Versicherter in einer Kontrollperiode, für die er Taggelder der Arbeitslosenversicherung beanspruche, eine Zwischenverdiensttätigkeit aus, habe er sich das vereinbarte (oder berufs-/ortsübliche; Art. 24 Abs. 3 AVIG) Entgelt in der gleichen Periode, in welcher er die geldwerte Leistung erbracht habe, anrechnen zu lassen, unabhängig davon, welchen Fälligkeitstermin die Parteien vereinbart hätten.
Dagegen wendet das kantonale Gericht letztinstanzlich ein, hier seien - anders als in BGE 122 V 367 - die Lohnansprüche im Zeitpunkt der Anrechnung des Zwischenverdienstes nicht "realisierbar" gewesen, da über die Erfüllung der geldwerten Leistung keine Einigung bestanden habe. Dieser Einwand ist insoweit berechtigt, als im zitierten Urteil lediglich der Zeitpunkt der Anrechnung der geldwerten Leistung zur Diskussion stand. Anders als dort ist im vorliegenden Fall nicht der Anrechnungszeitpunkt umstritten. Vielmehr ist hier nicht einmal sicher, ob dem Beschwerdegegner aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen über die Vergütung für die geleisteten Arbeitsstunden hinaus weitere Lohnansprüche gegen die Arbeitgeberin zustehen. Die Vorinstanz hält es für offensichtlich, dass die Arbeitgeberin nicht willens gewesen sei, die vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit zu vergüten. Daher bestehe keine "Korrekturmöglichkeit" im Sinne eines Abweichens vom effektiv erzielten Zwischenverdienst. Wie dargelegt, kann es jedoch für die Berechnung des Zwischenverdienstes nicht darauf ankommen, ob die Arbeitgeberin willens gewesen ist, den Lohn vollständig auszubezahlen. Massgebend ist letztlich einzig die Höhe des vertraglich vereinbarten
Lohnes. Hier könnte, je nach den noch unklaren konkreten Umständen, ein (Teil-) Lohnverzicht vorliegen, womit Art. 24 Abs. 3 AVIG greifen würde (vgl. E. 7.4.2 f. hiervor).

7.5. Zusammenfassend ist der Wortlaut des Art. 24 Abs. 1 und 3 AVIG in Bezug auf die Definition des erzielten Zwischenverdienstes nicht eindeutig. Aus der Entstehungsgeschichte der Zwischenverdienstregelung ergeben sich keine zusätzlichen Erkenntnisse. Jedoch führen die Gesetzessystematik und die ratio legis dazu, den erzielten Zwischenverdienst - unabhängig von der Höhe des arbeitgeberseitig ausbezahlten Geldbetrags - mit dem arbeitsvertraglich festgelegten Lohnanspruch gleichzusetzen. Die der Kasse im angefochtenen Rückweisungsurteil vorgeschriebene Berechnungsmethode des Zwischenverdienstes erweist sich als bundesrechtwidrig, weshalb es aufzuheben ist. Insoweit besteht Einigkeit mit der Beschwerdeführerin.

8.

8.1. Die Kasse möchte den Zwischenverdienst anhand der "vertraglich vereinbarten" 16,5 Arbeitsstunden pro Woche berechnen. Die Arbeitgeberin, die teilweise auf die Arbeitsleistung des Beschwerdegegners verzichtet habe, befinde sich im Arbeitgeberverzug und sei daher lohnpflichtig (vgl. E. 6.1 hiervor).

8.1.1. Da der Sachverhalt in dieser Hinsicht allerdings lückenhaft ist, lässt sich noch nicht beantworten, wie es sich damit verhält. Bei einem Annahmeverzug der Arbeitgeberin im Sinne des Art. 324 Abs. 1 OR, würde diese zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet bleiben (vgl. Urteil 4A 53/2023 vom 30. August 2023 E. 4.1 und 5.3 mit Hinweisen, zur Publikation vorgesehen). Der Beschwerdegegner müsste sich diesfalls an die Arbeitgeberin halten und die ausstehenden Löhne wären ihm im Sinne von Art. 24 Abs. 3 AVIG als erzielter Zwischenverdienst anzurechnen. Entgegen der Ansicht des kantonalen Gerichts kann die Weisung AVIG-Praxis ALE C142, die für diese Konstellation vorsieht, dass der vertraglich vereinbarte Lohn als Zwischenverdienst anzurechnen ist, somit nicht als gesetzeswidrig qualifiziert werden (vgl. zur Bedeutung von Verwaltungsweisungen: BGE 147 V 79 E. 7.3.2).

8.1.2. Die Vorinstanz qualifizierte den ausbezahlten Lohn als relevante Grösse, weshalb sie sich mit der arbeitsvertraglichen Regelung der vereinbarten Arbeitszeit nicht weiter befassen musste. Immerhin stellte sie dazu fest, es würden konträre Meinungen seitens Arbeitgeberin und Arbeitnehmer über den (Lohn-) Anspruch bestehen. Der Beschwerdegegner beruft sich seinerseits auf ein Missverständnis über das vereinbarte Arbeitspensum, das mit Arbeitsvertrag vom 1. April 2022 behoben worden sei. In diesem Schriftstück war die Wochenarbeitszeit auf 7,5 Stunden gesenkt worden. Diese wurde aber nur einen Monat später, am 1. Mai 2022, wieder auf 23,5 Stunden erhöht. Diese Verträge betreffen weder die hier strittigen Kontrollperioden, noch vermögen sie aufgrund der ab April 2022 monatlich geänderten Wochenarbeitszeiten sonst verbindlich zur Klärung beizutragen. Bei gegensätzlichen Ansichten über den Inhalt der arbeitsvertraglichen Abmachungen lässt sich jedenfalls durch das Bundesgericht nicht feststellen, ob tatsächlich mit der Beschwerdeführerin von einem Annahmeverzug der Arbeitgeberin ausgegangen werden kann.

8.2.

8.2.1. Der Inhalt eines Vertrags ist durch Auslegung zu bestimmen. Ziel der Vertragsauslegung ist es, in erster Linie den übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen festzustellen (Art. 18 Abs. 1 OR). Steht der Vertragsinhalt fest, ist in einem zweiten Schritt gestützt auf der Grundlage des festgestellten Vertragsinhalts die Vereinbarung rechtlich einzuordnen. Im vorliegenden Fall ist nicht einmal klar, wie der schriftliche Arbeitsvertrag vom 7. Dezember 2020, auf den die Kasse als einziges "objektivierbares Beweismittel" abstellen möchte (vgl. E. 6.1 hiervor), zu verstehen ist. Dieser sieht vor, dass der Beschwerdegegner ab 3. Juli 2020 eingestellt werde, der Vertrag ab 2. Dezember 2020 gelte und alle vorhergehenden Verträge ersetze. Als "Wochenarbeitszeit" sind 16,5 Stunden vereinbart und unter dem Titel "Arbeitszeit" wird lediglich "gemäss Einsatzplänen" notiert. Ausserdem wird namentlich der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für die Reinigungsbranche in der Deutschschweiz (2018-2020) als integrierender Bestandteil des Vertrages erklärt. Der entsprechende GAV bestimmt in Ziffer 3.1, dass der Arbeitgeber und der/die ArbeitnehmerIn bei der Anstellung einen Arbeitsvertrag unterschreiben, der mindestens folgende Angaben enthält: die
Berufskategorie, die normale durchschnittliche Wochenarbeitszeit (auf Monatsbasis) und den Lohn.

8.2.2. Aufgrund der Formulierung und Umsetzung des Arbeitsvertrags ("Arbeitszeit gemäss Einsatzplänen" ohne nähere Bezifferung) kann zunächst nicht ausgeschlossen werden, dass die Parteien eine Arbeit auf Abruf vereinbart haben. Bei der Arbeit auf Abruf besteht keine Garantie für einen bestimmten Beschäftigungsumfang, sodass die Person während der Zeit, in der sie nicht zur Arbeit aufgefordert wird, keinen Arbeits- und Verdienstausfall nach Art. 11 Abs. 1 AVIG erleidet. Denn ein anrechenbarer Ausfall an Arbeitszeit kann nur entstehen, wenn zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer eine wöchentliche Normalarbeitszeit vereinbart war. Von diesem Grundsatz kann jedoch abgewichen werden, wenn der auf Abruf erfolgte Einsatz während längerer Zeit im Wesentlichen mehr oder weniger konstant war. In diesem Fall ist die effektiv absolvierte Arbeitszeit als normal zu betrachten (BGE 146 V 112 E. 3.3 mit Hinweisen). Falls hier weitere Abklärungen das Vorliegen einer Arbeit auf Abruf bestätigen sollten, könnten Kompensationszahlungen somit bereits aufgrund des Fehlens eines Verdienstausfalls ausgeschlossen sein. Dies bliebe hier allerdings ohne Folgen, da das Bundesgericht nicht über die (zulässigen) Begehren der Parteien hinausgehen kann
(Art. 107 Abs. 1 BGG).

8.2.3. Zudem bestand für Änderungen des Arbeitsvertrags weder gesetzlich noch vertraglich eine Notwendigkeit zur Schriftlichkeit. Denn wird es vom Gesetz nicht anders bestimmt, so bedarf der Einzelarbeitsvertrag gemäss Art. 320 Abs. 1 OR zu seiner Gültigkeit keiner besonderen Form. Er gilt auch dann als abgeschlossen, wenn der Arbeitgeber Arbeit in seinem Dienst auf Zeit entgegennimmt, deren Leistung nach den Umständen nur gegen Lohn zu erwarten ist (Art. 320 Abs. 2 OR). Folglich ist auch die Änderung eines Einzelarbeitsvertrages formlos gültig. Ob ferner eine stillschweigende Zustimmung zu einer von der Gegenpartei vorgenommenen einseitigen Änderung des Vertrags anzunehmen ist, bestimmt sich nach dem Vertrauensprinzip (WOLFGANG PORTMANN/ROGER RUDOLPH, in: Basler Kommentar, Schweizerisches Obligationenrecht I, 7. Aufl. 2020, N. 32 zu Art. 320 OR).

8.2.4. Der Beschwerdegegner hat bislang keinen Zivilprozess gegen die Arbeitgeberin angestrengt. Er ist der Meinung, ein solcher wäre aussichtslos, da ein Irrtum über das vereinbarte Arbeitspensum vorliege. Die Vorinstanz sah sich bei ihrer Sichtweise nicht zu weiteren Sachverhaltsabklärungen veranlasst und die Kasse ging ohne Weiteres von einer arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 16,5 Stunden aus. Wie dargelegt, ist der Sachverhalt in Bezug auf die arbeitsvertraglichen Abmachungen alles andere als klar. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Bundesgerichts, nun erstmals den Sachverhalt zu vervollständigen. Bevor die Kompensationszahlungen festgelegt werden können, ist die Beschwerdeführerin daher gehalten, vorfrageweise zu untersuchen, welche Vereinbarungen die Arbeitgeberin mit dem Beschwerdegegner für den vorliegend relevanten Zeitraum getroffen hat, namentlich ob allenfalls Arbeit auf Abruf abgemacht war, was die schriftlich Vereinbarung verneinendenfalls sonst bedeutet und ob nach Vertragsabschluss mündliche Absprachen oder sogar eine stillschweigende Zustimmung zu einseitigen Vertragsänderungen vorliegen. Einzig wenn sich ergeben sollte, dass der Beschwerdegegner aus dem Arbeitsverhältnis über den bereits ausbezahlten
Lohn hinaus keine weiteren Lohnansprüche gegenüber der Arbeitgeberin hat, entspricht vorliegend der erzielte Zwischenverdienst dem ausbezahlten Lohn.

9.
Das angefochtene Urteil erweist sich durch die von der Vorinstanz vorgegebene Berechnungsweise des Zwischenverdienstes als bundesrechtswidrig und ist in teilweiser Gutheissung der Beschwerde aufzuheben. Die Sache geht an die Arbeitslosenkasse zurück, die nach Abklärung des Sachverhalts neu über den Anspruch auf Kompensationszahlungen zu verfügen hat. Dabei wird sie Art. 107 Abs. 1 BGG zu beachten haben (vgl. Urteil 8C 60/2023 vom 14. Juli 2023 E. 8.6 mit Hinweisen), indem sie bei der Berechnung der Arbeitslosenentschädigung in den Kontrollperioden Oktober 2021 bis Februar 2022 keinen höheren Zwischenverdienst anrechnen kann als denjenigen, den sie bereits im Einspracheentscheid vom 2. Juni 2022 berücksichtigt hat.

10.

10.1. Die Rückweisung der Sache an die Beschwerdeführerin zur Sachverhaltsabklärung und erneuter Verfügung gilt für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten und der Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG, unabhängig davon, ob sie beantragt oder ob das Begehren im Haupt- oder Eventualantrag gestellt wird (BGE 146 V 28 E. 7; mit Hinweisen). Somit hat der Beschwerdegegner grundsätzlich die Gerichtskosten zu tragen. Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung und Verbeiständung) kann jedoch entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach die begünstigte Partei der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu in der Lage ist.

10.2. Der Ausgang dieses Verfahrens gibt keinen Anlass, die Kostenverlegung im vorinstanzlichen Verfahren zu ändern (vgl. Art. 67 und Art. 68 Abs. 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 5. Oktober 2022 und der Einspracheentscheid der Unia Arbeitslosenkasse vom 2. Juni 2022 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Unia Arbeitslosenkasse zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdegegner wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Advokatin Sonja Ryf wird als unentgeltliche Anwältin bestellt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4.
Der Rechtsvertreterin des Beschwerdegegners wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 26. April 2024

Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Wirthlin

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 8C_229/2023
Date : 26. April 2024
Published : 10. Mai 2024
Source : Bundesgericht
Status : Zur Publikation vorgeschlagen
Subject area : Arbeitslosenversicherung
Subject : Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung; Zwischenverdienst)


Legislation register
AVIG: 8  10  11  23  24  29
BGG: 29  42  64  66  67  68  90  92  93  95  97  105  106  107
OR: 18  320  324
BGE-register
120-V-233 • 122-V-367 • 126-V-368 • 129-V-102 • 131-V-444 • 133-V-161 • 134-II-124 • 135-V-141 • 138-V-271 • 139-V-473 • 140-V-282 • 141-V-426 • 142-V-466 • 145-V-380 • 145-V-57 • 146-V-112 • 146-V-28 • 147-V-79
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4A_53/2023 • 8C_177/2023 • 8C_229/2023 • 8C_242/2022 • 8C_434/2022 • 8C_581/2014 • 8C_60/2023
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BBl
1989/III/377