Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung V
E-7361/2014
Urteil vom 25. März 2014
Richter Walter Stöckli (Vorsitz),
Besetzung Richter Gérard Scherrer, Richter Daniel Willisegger,
Gerichtsschreiber Tobias Grasdorf.
A._______undB._______,
Parteien
Beschwerdeführende,
gegen
Staatssekretariat für Migration (SEM; zuvor Bundesamt
für Migration, BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Visum aus humanitären Gründen (z. G. von C._______);
Gegenstand
Verfügung des BFM vom 19. November 2014 / (...).
Sachverhalt:
A.
A.a Am 7. Oktober 2014 beantragte C._______ (nachfolgend: Gesuchsteller) auf der Schweizer Botschaft in Beirut ein Schengen-Visum aus humanitären Gründen.
A.b Die Schweizer Botschaft in Beirut wies den Visumsantrag am 15. Oktober 2014 ab mit der Begründung, der Zweck und die Bedingungen des beabsichtigten Aufenthaltes seien nicht nachgewiesen worden, die diesbezüglich gemachten Informationen seien unglaubhaft und die Absicht des Gesuchstellers, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Schengen-Mitgliedstaaten auszureisen, habe nicht festgestellt werden können.
A.c Am 17. Oktober 2014 erhob der Gesuchsteller beim BFM Einsprache gegen die Verweigerung des humanitären Visums.
A.d Mit Entscheid vom 18. November 2014 - eröffnet am 24. November 2014 - wies das BFM die Einsprache ab.
B.
Die Beschwerdeführenden reichten gegen diesen Entscheid am 17. Dezember 2014 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde ein und beantragten implizit die Aufhebung der Verfügung des BFM vom 18. November 2014 und die Erteilung eines humanitären Visums zur Einreise in die Schweiz an den Gesuchsteller.
C.
Mit Zwischenverfügung vom 7. Januar 2015 forderte das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeführenden auf, bis zum 22. Januar 2015 einen Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 700.- einzubezahlen oder ihre Beschwerde zurückzuziehen.
D.
Die Beschwerdeführenden zahlten den Kostenvorschuss innert Frist ein. Mit Eingabe vom 17. Januar 2015 ergänzten sie die Beschwerde.
E.
Die vom Gericht eingeholte Vernehmlassung des SEM datiert vom 12. Februar 2015. Auf die am 17. Februar 2015 ergangene Einladung zur Replik regierten die Beschwerdeführenden nicht.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31





1.2 Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG (Art. 37

1.3 Die Beschwerdeführenden sind zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 Abs. 1



2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes und - sofern nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat - Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49

3.
Die Einsprache beim SEM gegen die Ablehnung der Visumsanträge für die Gesuchstellenden richtete sich explizit nur gegen die Verweigerung eines humanitären Visums für den Gesuchsteller. Auch in der Beschwerdeschrift akzeptieren die Beschwerdeführenden explizit die Verweigerung eines Schengen-Visums und beantragen ausschliesslich die Erteilung eines humanitären Visums. Entsprechend bildet nur die Verweigerung eines humanitären Visums Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens.
4.
4.1 Das schweizerische Ausländerrecht kennt weder ein allgemeines Recht auf Einreise, noch gewährt es einen besonderen Anspruch auf Erteilung eines Visums. Die Schweiz ist daher grundsätzlich nicht verpflichtet, ausländischen Personen die Einreise zu gestatten. Vorbehältlich völkerrechtlicher Verpflichtungen handelt es sich dabei um einen autonomen Entscheid (vgl. BVGE 2009/27 E. 3 m.w.H.).
4.2 Der angefochtenen Verfügung liegt das Gesuch eines syrischen Staatsangehörigen um Erteilung eines humanitären Visums zugrunde. Die im Ausländergesetz (AuG; SR 142.20) und seinen Ausführungsbestimmungen enthaltenen Regelungen über das Visumsverfahren und über die Ein- und Ausreise gelangen nur soweit zur Anwendung, als die Schengen-Assoziierungsabkommen keine abweichenden Bestimmungen enthalten (Art. 2 Abs. 2


4.3 Angehörige von Staaten, die nicht Teil des Schengen-Raumes sind (sog. Drittstaaten), benötigen zur Einreise in die Schweiz beziehungsweise den Schengen-Raum für einen Aufenthalt von höchstens drei Monaten gültige Reisedokumente, die zum Grenzübertritt berechtigen, und ein Visum, sofern dieses erforderlich ist. Im Weiteren müssen Drittstaatsangehörige den Zweck und die Umstände ihres beabsichtigten Aufenthalts belegen und hierfür über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. Namentlich haben sie zu belegen, dass sie den Schengen-Raum vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des beantragten Visums verlassen beziehungsweise Gewähr für ihre fristgerechte Wiederausreise bieten. Drittstaatsangehörige dürfen ferner nicht im Schengener Informationssystem (SIS) zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen (Art. 5


5.
5.1 Sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines für den gesamten Schengen-Raum geltenden Visums nicht erfüllt, kann gemäss Art. 5 Abs. 4 Bst. c Schengener Grenzkodex ein Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit erteilt werden, indem der Mitgliedstaat einem Drittstaatsangehörigen die Einreise in sein Hoheitsgebiet aus humanitären Gründen oder Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen gestattet. Im schweizerischen Recht wurde diese Möglichkeit in Art. 2 Abs. 4


5.2 Gemäss der Weisung "Visumsantrag aus humanitären Gründen" vom 28. September 2012 (Weisung Nr. 322.126) kann ein Visum aus humanitären Gründen erteilt werden, wenn bei einer Person offensichtlich davon ausgegangen werden muss, dass sie im Heimat- oder Herkunftsstaat unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet ist. Die betroffene Person muss sich in einer besonderen Notsituation befinden, die ein behördliches Eingreifen zwingend erforderlich macht und die Erteilung eines Einreisevisums rechtfertigt. Dies kann etwa bei akuten kriegerischen Ereignissen oder bei einer - aufgrund der konkreten Situation - unmittelbaren individuellen Gefährdung gegeben sein. Das Gesuch ist unter Berücksichtigung der aktuellen Gefährdung, der persönlichen Umstände der betroffenen Person und der Lage im Heimat- oder Herkunftsland sorgfältig zu prüfen. Befindet sich die Person bereits in einem Drittstaat, ist in der Regel davon auszugehen, dass keine Gefährdung mehr besteht.
Es versteht sich von selbst, dass bei einem durch das Vorliegen einer unmittelbaren, ernsthaften und konkreten Gefahr gerechtfertigten humanitären Visum die Einreisevoraussetzung entfällt, wonach die rechtzeitige (nämlich vor Ablauf der 90-tägigen Visumsdauer) Wiederausreise aus der Schweiz zu belegen ist. Bei einer auf einer konkreten Gefahr gründenden Erteilung eines humanitären Visums wird vielmehr davon ausgegangen, dass der betreffende Visumsinhaber ein Asylgesuch einreicht, sobald er sich in der Schweiz befindet, ansonsten er die Schweiz innert 90 Tagen zu verlassen hat.
5.3 Die Weisung "Visumsantrag aus humanitären Gründen" konkretisiert den offenen Begriff "humanitäre Gründe" als eine unmittelbare, ernsthafte und konkrete Gefährdung an Leib und Leben. Bei dieser Weisung handelt es sich um vollzugslenkende Verwaltungsverordnungen, die als solche für das Gericht grundsätzlich nicht verbindlich ist. Sie ist jedoch zu berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulässt. Das Gericht weicht in solchen Fällen daher nicht ohne triftigen Grund von der Weisung ab (vgl. BGE 137 V 1 E. 5.2.3; BVGE 2011/1 E. 6.4). Die Weisung humanitäres Visum, die den Begriff "humanitäre Gründe" in wörtlicher Übereinstimmung mit der Botschaft (BBl 2010 4490) definiert, erfüllt diese Voraussetzung, so dass sie vom Gericht einzelfallbezogen als sachgerechte Konkretisierung der humanitären Gründe berücksichtigt wird.
6.
6.1 In der Einsprache gegen die ablehnenden Visumsentscheide führten die Beschwerdeführenden an, der Gesuchsteller sei christlichen Glaubens. Die Christen Syriens seien in den Wirren des Bürgerkriegs als besonders verletzliche Personen anzusehen. Der Gesuchsteller sei in den Libanon geflüchtet, da bei ihm das Risiko bestehe, dass er als Reservist für militärische Aufgaben im syrischen Bürgerkrieg rekrutiert werde. Er habe Angst um Leib und Leben und fürchte sich vor der Willkür des Staates und seiner Organe. Der Einsprache beigelegt war die französische Übersetzung von vom Gesuchsteller niedergeschriebenen Ausführungen. Darin verweist dieser insbesondere darauf, dass er Angst habe, für die syrische Armee rekrutiert zu werden, wenn er sich in Syrien in der Öffentlichkeit zeige. Zudem führte er aus, an welchen Orten in Syrien er sich vor seiner Flucht in den Libanon aufgehalten habe.
6.2 Das SEM führte in der Abweisung der Einsprache aus, es lägen keine Elemente vor, die auf eine besondere individuelle und konkrete Gefährdung des Gesuchstellenden schliessen lassen würden. Der Gesuchteller halte sich in einem sicheren Drittstaat auf, wo weder (Bürger-)Krieg noch eine Situation landesweiter, allgemeiner Gewalt herrsche. Dass seine Situation im Libanon nicht einfach sei, werde nicht bezweifelt. Immerhin könne er mit der finanziellen Unterstützung der im Ausland lebenden Verwandten rechnen. Zudem lägen auch keine anderen humanitären Gründe vor.
6.3 Zur Begründung ihrer Beschwerde führten die Beschwerdeführenden aus, eine Rückkehr nach Syrien sei für ihre christliche Verwandtschaft inklusive des Gesuchstellers unter den heutigen politischen und gesellschaftlichen Zuständen illusorisch und weltfremd. Der Gesuchsteller sei im Libanon zwar vielleicht nicht an Leib und Leben bedroht, jedoch habe der Libanon zweifellos nicht die Kapazität, die riesige Anzahl Flüchtlinge aus Syrien langfristig aufzunehmen. Der Gesuchsteller halte sich in Beirut auf. Als Christ in Syrien sei er der Verfolgung durch die Bürgerkriegsparteien ausgesetzt und das Risiko der Rekrutierung durch die Regierung für den Kriegsdienst sei real und drohend. Eine spezifische, individuelle Gefährdung zu dokumentieren sei bis zum Zeitpunkt des faktischen Einzugs in die Armee allerdings nicht möglich. Der Libanon sei nicht einmal im Sinne eines menschenwürdigen Flüchtlingsdaseins sicher, es sei deshalb illusorisch, den Libanon als sicheren Drittstaat zu bezeichnen. Die Flüchtlinge würden dort unter prekärsten Bedingungen leben.
7.
7.1 Der Gesuchsteller unterliegt als syrischer Staatsangehöriger gemäss Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 539/2001 in Verbindung mit Anhang I einer Visumspflicht für den Schengen-Raum. Die Erteilung eines Visums für den ganzen Schengen-Raum ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens (vgl. E. 3). Im Folgenden ist einzig zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht die Erteilung eines Einreisevisums in die Schweiz aus humanitären Gründen abgelehnt hat.
7.2 Die Lage der eineinhalb Millionen syrischer Flüchtlinge im Libanon ist - wie die Beschwerdeführenden zu Recht ausführen - besorgniserregend. Syrische Flüchtlinge im Libanon können sich zwar beim UNHCR als Flüchtlinge registrieren, von welcher Möglichkeit über 1,1 Millionen Gebrauch gemacht haben. Eine Registrierung verschafft ihnen jedoch keine Aufenthaltsbewilligung, sondern ermöglicht ihnen höchstens einen beschränkten rechtlichen Schutz und Zugang zu gewissen Dienstleistungen (vgl. Aranki/Kalis, Limited legal status for refugees from Syria in Lebanon, September 2014,
Trotzdem ist festzuhalten, dass es sich beim Gesuchsteller um einen jungen Mann handelt, der keinerlei gesundheitliche Beschwerden geltend macht. Es ist nicht zu verkennen, dass er bei einer Rückkehr nach Syrien ernsthaften Problemen ausgesetzt wäre, namentlich aufgrund seiner Zugehörigkeit zur christlichen Kirche und der Gefahr, als Reservist zum Militärdienst in die syrische Armee eingezogen zu werden. Festzustellen ist allerdings, dass dem Bundesverwaltungsgericht keine Hinweise dafür vorliegen, dass Syrer im Libanon - selbst wenn sie illegal dort sind - gefährdet wären, nach Syrien ausgeschafft zu werden. Obwohl Libanon die Flüchtlingskonvention nicht ratifiziert hat, scheint sich dieses Land grundsätzlich an das flüchtlingsrechtliche Non-Refoulement-Prinzip im Sinne des völkergewohnheitsrechtlichen ius cogens zu halten. Der Gesuchsteller macht zudem auch nicht gelten, er sei persönlich und konkret von einer Rückschaffung nach Syrien bedroht. Da der Gesuchsteller über seine schwierige, aber nicht unmittelbar gefährliche Situation hinaus keine humanitäre Gründe geltend macht, sind die Voraussetzungen für die Erteilung eines humanitären Visums nicht gegeben.
7.3 Insgesamt ist deshalb nicht davon auszugehen, dass sich der Gesuchsteller aufgrund seiner persönlichen Umstände und allgemeinen der Lage in Syrien und im Libanon in einer besonderen Notsituation befindet. Deshalb kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass die Ausführungen der Vorinstanz zu stützen sind, wonach die Voraussetzungen für die Erteilung eines humanitären Visums nicht erfüllt sind.
8.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 49

9.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten in der Höhe von insgesamt Fr. 700.- den Beschwerdeführenden aufzuerlegen. Der einbezahlte Kostenvorschuss ist zur Bezahlung der Verfahrenskosten zu verwenden (Art. 63 Abs. 1




Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 700.- werden den Beschwerdeführenden auferlegt. Der einbezahlte Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.
3.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführenden und an das SEM.
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Walter Stöckli Tobias Grasdorf
Versand: