Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C 523/2011

Urteil vom 24. August 2011
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Glanzmann,
Gerichtsschreiber Ettlin.

Verfahrensbeteiligte
J.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Eugster,
und diese substituiert durch M.________,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 26. April 2011.

Sachverhalt:

A.
Der 1965 geborene J.________ bezog ab 1. Dezember 1999 eine ganze Invalidenrente (Verfügung vom 4. März 2004). Im Rahmen eines im Mai 2005 eingeleiteten Revisionsverfahrens, in welchem u.a. ein polydisziplinäres Gutachten der MEDAS, Spital X.________, vom 10. Oktober 2008 eingeholt worden war, hob die IV-Stelle des Kantons Aargau, nach vorherigen beruflichen Eingliederungsmassnahmen, mit Verfügung vom 9. Juni 2010 die ganze Invalidenrente ab Ende des der Zustellung der Verfügung folgenden Monats auf (Invaliditätsgrad: 0 %).

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 26. April 2011 ab, soweit es darauf eintrat.

C.
J.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit den Anträgen, es seien, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids und der Verfügung vom 9. Juni 2010, weiterhin die gesetzlichen Leistungen zu erbringen. Eventuell sei die Sache zur Einholung eines Gutachtens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei Abweisung der Beschwerde sei die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, dem Beschwerdeführer die von der Haftpflichtversicherung erhaltene Entschädigung aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückzuerstatten.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG) und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG). Eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung stellt eine vom Bundesgericht ebenfalls zu korrigierende Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG dar (HANSJÖRG SEILER, in: Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2007, N. 24 zu Art. 97
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.86
BGG).

2.
2.1 Das kantonale Gericht hat in pflichtgemässer Würdigung der medizinischen Unterlagen, insbesondere gestützt auf das MEDAS-Gutachten vom 10. Oktober 2008, erwogen, der Gesundheitszustand habe sich seit der Verfügung vom 4. März 2004 verbessert, und der Beschwerdeführer könne eine leidensangepasste Beschäftigung mit einer Leistungsminderung von 20 % im Umfang von 100 % ausüben. Selbst bei Berücksichtigung eines Abzuges vom Tabellenlohn von 25 % - welcher indes nicht zur Diskussion stehe - werde höchstens ein Invaliditätsgrad von 39 % erreicht, was zu keiner Rente der Invalidenversicherung berechtige.

2.2 Die tatsächlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts sind nicht mangelhaft im Sinne von Art. 97 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.86
BGG. Namentlich hat das vorinstanzliche Gericht eingehend begründet, weshalb es für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit auf die Expertise der MEDAS vom 10. Oktober 2008 abgestellt hat. Diese Schlussfolgerung ist nach der Aktenlage nicht offensichtlich unrichtig. Wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, entspricht das MEDAS-Gutachten vom 10. Oktober 2008 den Anforderungen der Rechtsprechung an den Beweiswert einer Expertise (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis). Daran ändert die in der Beschwerde vorgetragene Kritik nichts. Entgegen dem Beschwerdeführer sind die Auswirkungen der Spondylodese C 4-6 in die Leistungsfähigkeitsschätzung im MEDAS-Gutachten eingeflossen, wobei Arbeiten mit ständiger Inklination des Kopfes und Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten mit Zwangshaltungen nicht zumutbar sind. Die allgemein gehaltene Rüge, die Gutachter hätten seit der Rentenzusprechung gleich gebliebene gesundheitliche Verhältnisse anders beurteilt, verfängt nicht. Mit der Vorinstanz ist vielmehr zu schliessen, dass seit der ursprünglichen Rentenzusprechung eine rentenrelevante Veränderung der gesundheitlichen Situation
eingetreten ist und die Revisionsvoraussetzungen des Art. 17 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 17 Revision der Invalidenrente und anderer Dauerleistungen - 1 Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich:
1    Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich:
a  um mindestens fünf Prozentpunkte ändert; oder
b  auf 100 Prozent erhöht.17
2    Auch jede andere formell rechtskräftig zugesprochene Dauerleistung wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn sich der ihr zu Grunde liegende Sachverhalt nachträglich erheblich verändert hat.
ATSG erfüllt sind. Insgesamt sind von zusätzlichen Abklärungen keine neuen rechtserhebliche Erkenntnisse zu erwarten, weshalb die Vorinstanz im Ergebnis von weiteren Beweiserhebungen absehen durfte (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148).

2.3 Schliesslich verneinte das vorinstanzliche Gericht rechtskonform konkrete Anhaltspunkte für einen beruflichen Aufstieg zum Kaminfegermeister und ein entsprechend höheres Einkommen im Gesundheitsfall (SVR 2010 UV Nr. 13 S. 51, 8C 550/2009 E. 4.1 mit Hinweisen). Dagegen trägt der Beschwerdeführer nichts Stichhaltiges vor. Schon vor kantonalem Gericht konkretisierte er in keiner Weise die behauptete berufliche Entwicklung. Die von der Vorinstanz durchgeführte Invaliditätsbemessung durch Einkommensvergleich hält letztinstanzlicher Prüfung stand. Der Rentenaufhebung steht sodann der mehrjährige Rentenbezug nicht entgegen, zumal der Revisionsverfügung vom 9. Juni 2010 berufliche Eingliederungsmassnahmen vorausgingen (vgl. hiezu Urteil 9C 228/2010 vom 26. April 2011 E. 3). Der Auseinandersetzung mit den im angefochtenen Entscheid bejahten Wiedererwägungsvoraussetzungen (Art. 53 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 53 Revision und Wiedererwägung - 1 Formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide müssen in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war.
1    Formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide müssen in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war.
2    Der Versicherungsträger kann auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist.
3    Der Versicherungsträger kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid, gegen die Beschwerde erhoben wurde, so lange wiedererwägen, bis er gegenüber der Beschwerdebehörde Stellung nimmt.
ATSG) bedarf es nach dem Gesagten nicht.

3.
Auf die Beschwerde ist insofern nicht einzutreten, als der Beschwerdeführer die Rückerstattung der Regresszahlung der Haftpflichtversicherung an die IV-Stelle an ihn verlangt, sollte die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten abgewiesen werden. Die Vorinstanz fällte in diesem Punkt einen Nichteintretensentscheid. Die Beschwerdeschrift befasst sich indessen lediglich mit der materiellen Seite der Sache, weshalb es an einer sachbezogenen Begründung fehlt (vgl. BGE 123 V 335; 118 Ib 134; ARV 2002 Nr. 7 S. 61 E. 2).

4.
Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Ausgleichskasse des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 24. August 2011
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Ettlin
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 9C_523/2011
Date : 24. August 2011
Published : 11. September 2011
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Invalidenversicherung
Subject : Invalidenversicherung (Revision)


Legislation register
ATSG: 17  53
BGG: 66  95  97  105
BGE-register
118-IB-134 • 123-V-335 • 125-V-351 • 134-I-140
Weitere Urteile ab 2000
8C_550/2009 • 9C_228/2010 • 9C_523/2011
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