5P.214/2005
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5P.214/2005 /bnm
Urteil vom 24. August 2005
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Nordmann, Hohl,
Gerichtsschreiber Möckli.
Parteien
X.________ (Ehemann),
Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Urs Grob,
gegen
Y.________ (Ehefrau),
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Advokatin Dr. Caroline Cron,
Obergericht des Kantons Solothurn, Zivilkammer, Amthaus I, Amthausplatz, 4500 Solothurn.
Gegenstand
Art. 9

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Zivilkammer, vom 22. April 2005.
Sachverhalt:
A.
Die Parteien sind verheiratet und haben die am 18. März 1997 geborenen Zwillinge V.________ und W.________.
Im Rahmen eines Eheschutzverfahrens stellte der Gerichtspräsident A.________ deren Kinder nach Eintreffen des kinderpsychiatrischen Gutachtens mit Entscheid vom 27. September 2004 definitiv unter die Obhut der Mutter, unter Gewährung eines Besuchs- und Ferienrechts für den Vater, unter Weiterführung der Erziehungsbeistandschaft sowie unter der Auflage an die Mutter, die psychiatrische Betreuung bzw. Therapierung der Kinder fortzusetzen.
Mit Urteil vom 22. April 2005 wies das Obergericht des Kantons Solothurn den hiergegen erhobenen Rekurs des Vaters ab.
B.
Gegen den obergerichtlichen Entscheid hat X.________ am 1. Juni 2005 staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, um deren Abweisung das Obergericht und die Beschwerdegegnerin in ihren Vernehmlassungen vom 6. bzw. 14. Juli 2005 ersuchen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Letztinstanzliche kantonale Entscheide über gerichtliche Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft stellen grundsätzlich keine Endentscheide im Sinn von Art. 48 Abs. 1

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 48 - 1 Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen. |
2.
Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, die Kinder nicht selbst angehört zu haben, und macht in diesem Zusammenhang eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
2.1 Art. 144 Abs. 2

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 134 - 1 Auf Begehren eines Elternteils, des Kindes oder der Kindesschutzbehörde ist die Zuteilung der elterlichen Sorge neu zu regeln, wenn dies wegen wesentlicher Veränderung der Verhältnisse zum Wohl des Kindes geboten ist. |
Demgegenüber gewährt Art. 12

IR 0.107 Übereinkommen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes KRK Art. 12 - (1) Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äussern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife. |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 16 - Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
Wie die Konventionsrüge geht auch diejenige der Gehörsverletzung (Art. 29 Abs. 2

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
2.2 Das Obergericht hat die Anhörung der Kinder mit einem Verweis auf die kinderpsychiatrische Begutachtung und der Begründung abgelehnt, eine weitere Befragung durch das Gericht würde sie im vorliegenden Fall überfordern. Sodann hat es allgemein bemerkt, dass im Scheidungs- und Eheschutzverfahren urteilsunfähige Kinder in aller Regel nicht angehört würden.
Der Beschwerdeführer hält diese Begründung für willkürlich. Die Anhörung der Kinder nach Art. 144 Abs. 2

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
2.2.1 Soweit der Beschwerdeführer zunächst behauptet, blosse kinderpsychologische Tests stellten keine Anhörung dar - an sich zu Recht, setzt doch die Anhörung semantisch eine verbale Äusserung voraus -, übersieht er, dass die kinder- und jugendpsychiatrische Universitätsklinik und -poliklinik Basel (KJUP) mit den Kindern nicht bloss psychologische Tests durchgeführt hat; vielmehr ist auf S. 7, Ziff. 4.1.2 des Gutachtens ausdrücklich davon die Rede, dass die Kinder zu Beginn des Gespräches aktiv daran teilgenommen und nachher miteinander gespielt hätten.
2.2.2 Recht zu geben ist dem Beschwerdeführer insofern, als die Kinderanhörung gemäss Art. 144 Abs. 2

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
Bei seinen Ausführungen übergeht der Beschwerdeführer jedoch, dass das Obergericht für die unterbliebene Anhörung nicht nur auf das Kindesalter, sondern insbesondere auch auf den zweiten in Art. 144 Abs. 2

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
Da sich der Beschwerdeführer mit der auf diese besonderen Umstände zurückzuführenden Alternativbegründung des Obergerichts, den Kindern sei eine gerichtliche Anhörung nicht zuzumuten, entgegen seiner Pflicht, sich mit jeder Begründung einzeln auseinanderzusetzen (vgl. BGE 105 Ib 221 E. 2c S. 224; 107 Ib 264 E. 3b S. 268; 113 Ia 94 E. 1a/bb S. 95 f.; analog für die Berufung: BGE 111 II 397 E. 2b; 115 II 300 E. 2a S. 302), sofern überhaupt, bloss appellatorisch auseinandersetzt (Ziff. 41-43), kann darauf nicht eingetreten werden.
3.
Soweit der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit angeblichen Widersprüchen im Gutachten und der Feststellung des Obergerichts, er sei uneinsichtig, sinngemäss Willkür geltend macht, vermag die staatsrechtliche Beschwerde den Begründungsanforderungen gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
4.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen muss die staatsrechtliche Beschwerde als von Anfang an aussichtslos bezeichnet werden, womit es an den materiellen Voraussetzungen für die unentgeltliche Rechtspflege gebricht (vgl. Art. 152 Abs. 1

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
Aufgrund des Verfahrensausganges wird der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Der Beschwerdeführer hat der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung von Fr. 300.-- zu bezahlen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. August 2005
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Gesetzesregister
BV 9
BV 29
OG 90OG 152OG 156OG 159SR 0.107 12
ZGB 16
ZGB 48
ZGB 134
ZGB 137ZGB 144
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 16 - Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 48 - 1 Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 134 - 1 Auf Begehren eines Elternteils, des Kindes oder der Kindesschutzbehörde ist die Zuteilung der elterlichen Sorge neu zu regeln, wenn dies wegen wesentlicher Veränderung der Verhältnisse zum Wohl des Kindes geboten ist. |
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