Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B 5/2010

Urteil vom 22. Januar 2010
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiber Forster.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft See/Oberland, Weiherallee 15, Postfach, 8610 Uster.

Gegenstand
Untersuchungshaft,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 24. Dezember 2009 des Bezirksgerichts Uster,
Einzelrichter in Haftsachen.
Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft See/Oberland führt eine Strafuntersuchung gegen X.________. Er wird verdächtigt, zulasten mehrerer geschädigter Personen Vermögensdelikte und weitere Straftaten verübt zu haben. Mit Verfügung vom 1. Juli 2009 ordnete die Einzelrichterin in Haftsachen des Bezirksgerichtes Uster Untersuchungshaft gegen den Angeschuldigten an. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 7. August 2009 ab, soweit es darauf eintrat (Verfahren 1B 197/2009). Mit Verfügung vom 28. September 2009 verlängerte der Einzelrichter in Haftsachen des Bezirksgerichtes Uster die Untersuchungshaft. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 28. Oktober 2009 ab, soweit es darauf eintrat (Verfahren 1B 289/2009).

B.
Mit Verfügung vom 24. Dezember 2009 verlängerte der Einzelrichter in Haftsachen des Bezirksgerichtes Uster erneut die Untersuchungshaft. Dagegen gelangte X.________ mit Beschwerde vom 28. Dezember 2009 (Postaufgabe: 4. Januar 2010) an das Bundesgericht. Er beantragt zur Hauptsache die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und (sinngemäss) seine Haftentlassung ("hilfsweise gegen Auflagen").
Das Bezirksgericht und die Staatsanwaltschaft haben am 8. bzw. 11. Januar 2010 auf Vernehmlassungen je ausdrücklich verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 78 Grundsatz - 1 Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
1    Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
2    Der Beschwerde in Strafsachen unterliegen auch Entscheide über:
a  Zivilansprüche, wenn diese zusammen mit der Strafsache zu behandeln sind;
b  den Vollzug von Strafen und Massnahmen.
. BGG geben zu keinen Vorbemerkungen Anlass.

2.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es sei ihm die uneingeschränkte Einsicht in sämtliche Akten verwehrt worden.

Im Haftprüfungsverfahren ist dem Angeschuldigten zwar Einsicht in die haftrelevanten und dem Haftrichter übermittelten Akten zu geben. Ein Anspruch auf Einsicht in sämtliche Untersuchungsakten besteht hingegen vor Abschluss der Strafuntersuchung noch nicht (§ 17 Abs. 1 und Abs. 3 StPO/ZH; vgl. BGE 115 Ia 293 E. 5c S. 304). Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, er habe keine Einsicht in die für die Prüfung der Haftgründe relevanten und dem Haftrichter vorgelegten Haftakten erhalten. Wie sich aus dem Protokoll der mündlichen Haftverhandlung vom 23. Dezember 2009 ergibt, lagen die Haftakten dem Beschwerdeführer und seinem amtlichen Verteidiger anlässlich der Anhörung zur Einsicht vor. Der Beschwerdeführer selbst hat an der Verhandlung diverse Unterlagen zu den Akten gegeben. Ein Akteneinsichtsantrag wurde laut Protokoll weder gestellt, noch abgewiesen. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
i.V.m. Art. 31 Abs. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV) erweist sich damit als unbegründet.

3.
Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen von Fluchtgefahr.

Im angefochtenen Entscheid verweist der Haftrichter diesbezüglich auf den Entscheid des Bundesgerichtes 1B 289/2009 vom 28. Oktober 2009 (E. 3). Ausserdem wird erwogen, dass der Beschwerdeführer bezüglich Fluchtgefahr keine wesentlichen neuen Fakten darlege. Dass die Schweiz (seit 12. Dezember 2008) dem "Schengen-Raum" zugehöre, ändere an der Beurteilung nichts, zumal der Beschwerdeführer auch in der Schweiz oder in seinem Heimatland Deutschland "untertauchen" oder sich in ein Nicht-Schengenland absetzen könnte. Die Einwendungen des Beschwerdeführers lassen die Annahme von Fluchtgefahr nicht als verfassungswidrig erscheinen. Dies gilt namentlich für seine Vorbringen, er verfüge zwar über gefestigte soziale Beziehungen unter anderem nach Deutschland und spreche mehrere Fremdsprachen, von einem Sich-Verborgenhalten oder von Vorbereitungen zur Flucht könne jedoch nicht die Rede sein. Es kann offen bleiben, ob daneben noch weitere besondere Haftgründe erfüllt wären. Die Ansicht des Haftrichters, der Fluchtgefahr könne im gegenwärtigen Verfahrensstadium mit blossen Ersatzmassnahmen für Haft nicht ausreichend begegnet werden, hält ebenfalls vor der Verfassung stand.

4.
Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, die Weiterdauer der Haft verstosse gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip. Die Strafuntersuchung komme nur schleppend voran, und die Zusicherung der Staatsanwaltschaft, sie wolle das Verfahren zügig vorantreiben, erscheine kaum noch glaubhaft. Ausserdem werde die Haftfrist im angefochtenen Entscheid nicht zeitlich beschränkt.

4.1 Im bereits erwähnten Bundesgerichtsurteil 1B 289/2009 vom 28. Oktober 2009 (E. 4) wurden (mit Hinweisen auf die einschlägige Praxis) die Kriterien dargelegt, die für eine verfassungskonforme Weiterdauer von Untersuchungshaft erfüllt sein müssen. Im angefochtenen Entscheid erwägt der kantonale Haftrichter, die nötigen Detaileinvernahmen zu den einzelnen Nebendossiers und die Schlusseinvernahme des Beschwerdeführers hätten bisher noch nicht durchgeführt werden können. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer beim Obergericht des Kantons Zürich gegen einen Entscheid des Bezirksgerichtspräsidiums Uster vom 25. November 2009 rekurriert habe, in welchem ein Gesuch um Entlassung des Offizialverteidigers abgewiesen worden sei.

4.2 Was der Beschwerdeführer vorbringt, lässt die bisherige Haftdauer nicht als grundrechtswidrig erscheinen. Dass der Haftrichter die Haftdauer nicht (vorläufig) zeitlich befristet hat, hält vor der Verfassung stand, zumal im Dispositiv (Ziffer 2) des angefochtenen Entscheides ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass der Beschwerdeführer "jederzeit" ein neues Haftentlassungsgesuch stellen könne. Aus Art. 31 Abs. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV ergibt sich ein Anspruch des Inhaftierten auf Haftprüfung in vernünftigen Abständen (vgl. BGE 126 I 26 E. 2 S. 28 f.; 123 I 31 E. 4c-d S. 37-39, je mit Hinweisen). Im Falle von künftigen Haftverlängerungen wird der kantonale Haftrichter die Verhältnismässigkeit der Haft allerdings besonders sorgfältig zu prüfen haben. Der blosse Umstand, dass eine etwaige Abberufung des (rechtsgültig bestellten) Offizialverteidigers rechtshängig ist, würde jedenfalls keine Verzögerung des Verfahrens rechtfertigen.

5.
Weitere Beanstandungen des Beschwerdeführers bilden nicht Gegenstand des angefochtenen Haftprüfungsentscheides. Dies gilt insbesondere für die Vorbringen, die Staatsanwaltschaft See/Oberland bzw. das Bezirksgericht Uster seien für die Untersuchung und gerichtliche Beurteilung der Strafsache nicht zuständig, oder die verfügte Postkontrolle bzw. die Offizialverteidigung seien rechtswidrig. Darauf ist nicht einzutreten (Art. 78 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 78 Grundsatz - 1 Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
1    Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
2    Der Beschwerde in Strafsachen unterliegen auch Entscheide über:
a  Zivilansprüche, wenn diese zusammen mit der Strafsache zu behandeln sind;
b  den Vollzug von Strafen und Massnahmen.
i.V.m. Art. 80 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 80 Vorinstanzen - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.48
1    Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.48
2    Die Kantone setzen als letzte kantonale Instanzen obere Gerichte ein. Diese entscheiden als Rechtsmittelinstanzen. Ausgenommen sind die Fälle, in denen nach der Strafprozessordnung vom 5. Oktober 200749 (StPO) ein Zwangsmassnahmegericht oder ein anderes Gericht als einzige kantonale Instanz entscheidet.50
und Art. 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG).

6.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt erscheinen (Art. 64 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
BGG), ist das Begehren zu bewilligen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Prozessführung gewährt, und es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft See/Oberland und dem Bezirksgericht Uster, Einzelrichter in Haftsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Januar 2010
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Forster
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 1B_5/2010
Date : 22. Januar 2010
Published : 09. Februar 2010
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strafprozess
Subject : Fortsetzung Untersuchungshaft


Legislation register
BGG: 64  78  80  95
BV: 29  31
BGE-register
115-IA-293 • 123-I-31 • 126-I-26
Weitere Urteile ab 2000
1B_197/2009 • 1B_289/2009 • 1B_5/2010
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