Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung VI
F-2661/2021
Urteil vom 22. November 2021
Einzelrichter Andreas Trommer,
Besetzung mit Zustimmung von Richterin Gabriela Freihofer;
Gerichtsschreiber Mathias Lanz.
1. A._______, geb. (...), und ihre Kinder,
2. B._______, geb. (...),
Parteien 3. C._______, geb. (...),
Beschwerdeführende,
alle vertreten durch Lynn Zürcher, Solidaritätsnetz Bern,
gegen
Staatssekretariat für Migration SEM,
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung
Gegenstand
(Dublin-Verfahren).
Sachverhalt:
A.
Die Beschwerdeführenden suchten am 28. August 2015 in Italien um Asyl nach, wo ihnen gemäss eigenen Angaben später eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde. Nach mehrjährigem Aufenthalt in Italien stellten sie am 4. Juli 2020 in der Schweiz ein Asylgesuch (Akten der Vorinstanz [SEM-act.] 1 ff.).
B.
Am 9. Juli 2020 nahm die Vorinstanz die Personalien der Beschwerdeführerinnen 1 und 2 auf (SEM-act. 15 und 19) und am 14. Juli 2020 gewährte sie ihnen rechtliches Gehör, unter anderem zur Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens, zum beabsichtigten Nichteintretensentscheid sowie zur Wegweisung in diesen Dublin-Mitgliedstaat (SEM-act. 24 und 26).
C.
Die Gesuche der Vorinstanz vom 23. Juli 2020 und vom 29. Juli 2020 um Wiederaufnahme der Beschwerdeführenden gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Bst. b

D.
Am 23. September 2020 reichten die Beschwerdeführenden einen Arztbericht betreffend die Beschwerdeführerin 1 ein (SEM-act. 39).
E.
Mit Verfügung vom 23. September 2020 trat die Vorinstanz in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b

SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 31a Entscheide des SEM - 1 Das SEM tritt in der Regel auf Asylgesuche nicht ein, wenn Asylsuchende: |
F.
Die italienischen Behörden bestätigten am 23. März 2021, dass die Garantien gemäss dem alten Rundschreiben vom 8. Januar 2019 immer noch gültig seien, respektive dass Familien künftig in Übereinstimmung mit dem Rundschreiben vom 8. Februar 2021 untergebracht würden (SEM-act. 60).
G.
Mit Verfügung vom 25. Mai 2021 trat die Vorinstanz erneut auf das Asylgesuch nicht ein, ordnete die Überstellung der Beschwerdeführenden nach Italien an und forderte sie auf, die Schweiz am Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist zu verlassen. Gleichzeitig wies die Vorinstanz darauf hin, dass einer allfälligen Beschwerde von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zukomme, und beauftragte sie den Kanton Bern mit dem Vollzug der Wegweisung (SEM-act. 63).
H.
Gegen den vorinstanzlichen Entscheid erhob die Beschwerdeführerin 1 für sich und die Beschwerdeführenden 2 und 3 am 4. Juni 2021 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Sie beantragte, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, ihre Pflicht oder ihr Recht zum Selbsteintritt auszuüben und sich für das vorliegende Asylverfahren für zuständig zu erklären. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragte sie, es sei im Sinne einer vorsorglichen Massnahme die aufschiebende Wirkung zu erteilen und die Vollzugsbehörden seien anzuweisen, von einer Überstellung nach Italien abzusehen, bis das Bundesverwaltungsgericht über die vorliegende Beschwerde entschieden habe. Auf die Erhebung eines Kostenvorschusses sei zu verzichten und die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren (Akten des Bundesverwaltungsgerichts [BVGer-act.] 1).
I.
Am 7. Juni 2021 lagen dem Bundesverwaltungsgericht die Akten in elektronischer Form vor und gleichentags setzte der Instruktionsrichter den Vollzug der Überstellung gestützt auf Art. 56

SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 56 - Nach Einreichung der Beschwerde kann die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei andere vorsorgliche Massnahmen treffen, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen. |
J.
Mit Zwischenverfügung vom 11. Juni 2021 erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu, hiess die Gesuche um unentgeltliche Prozessführung und amtliche Rechtsverbeiständung gut und setzte die für das vorliegende Verfahren mandatierte Vertreterin als unentgeltliche Rechtsbeiständin ein. Gleichzeitig zeigte es an, dass in mehreren gleichgelagerten hängigen Verfahren über eine für das vorliegende Verfahren voraussichtlich präjudizielle Rechtsfrage zu befinden sei, weshalb auf die Anordnung weiterer Instruktionsmassnahmen einstweilen verzichtet und der Ausgang eines bereits laufenden Beschwerdeverfahrens abgewartet werde (BVGer-act. 3).
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37

SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz VGG Art. 37 Grundsatz - Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG58, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. |

SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 6 Verfahrensgrundsätze - Verfahren richten sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196810 (VwVG), dem Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 200511 und dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 200512, soweit das vorliegende Gesetz nichts anderes bestimmt. |
1.2. Die Beschwerde ist zulässig (Art. 105

SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005367 Beschwerde geführt werden. |

SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz VGG Art. 31 Grundsatz - Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen Verfügungen nach Artikel 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 196819 über das Verwaltungsverfahren (VwVG). |

SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005367 Beschwerde geführt werden. |

SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 48 - 1 Zur Beschwerde ist berechtigt, wer: |
|
1 | Zur Beschwerde ist berechtigt, wer: |
a | vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; |
b | durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist; und |
c | ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. |
2 | Zur Beschwerde berechtigt sind ferner Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt. |

SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 108 Beschwerdefristen - 1 Im beschleunigten Verfahren ist die Beschwerde gegen einen Entscheid nach Artikel 31a Absatz 4 innerhalb von sieben Arbeitstagen, gegen Zwischenverfügungen innerhalb von fünf Tagen seit Eröffnung der Verfügung einzureichen. |

SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 52 - 1 Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; die Ausfertigung der angefochtenen Verfügung und die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit der Beschwerdeführer sie in Händen hat. |
|
1 | Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; die Ausfertigung der angefochtenen Verfügung und die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit der Beschwerdeführer sie in Händen hat. |
2 | Genügt die Beschwerde diesen Anforderungen nicht oder lassen die Begehren des Beschwerdeführers oder deren Begründung die nötige Klarheit vermissen und stellt sich die Beschwerde nicht als offensichtlich unzulässig heraus, so räumt die Beschwerdeinstanz dem Beschwerdeführer eine kurze Nachfrist zur Verbesserung ein. |
3 | Sie verbindet diese Nachfrist mit der Androhung, nach unbenutztem Fristablauf auf Grund der Akten zu entscheiden oder, wenn Begehren, Begründung oder Unterschrift fehlen, auf die Beschwerde nicht einzutreten. |
1.3. Am 11. Juni 2021 beurteilte der Instruktionsrichter die Beschwerde summarisch und bezogen auf den Gesuchszeitpunkt als nicht aussichtslos und gewährte die unentgeltliche Rechtspflege. Nach einer zwischenzeitlich erfolgten Änderung der Rechtsprechung erweist sich die vorliegende Beschwerde indes als offensichtlich unbegründet, weshalb sie nun im Verfahren einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin (Art. 111 Bst. e

SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 111 Einzelrichterliche Zuständigkeit - Die Richter entscheiden in folgenden Fällen als Einzelrichter: |

SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 111a Verfahren und Entscheid - 1 Das Bundesverwaltungsgericht kann auf die Durchführung des Schriftenwechsels verzichten.392 |

SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 111a Verfahren und Entscheid - 1 Das Bundesverwaltungsgericht kann auf die Durchführung des Schriftenwechsels verzichten.392 |
2.
Mit Beschwerde können die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1

SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 106 Beschwerdegründe - 1 Mit der Beschwerde kann gerügt werden: |
3.
3.1. Die Beschwerdeführenden 1 - 3 suchten am 28. August 2015 in Italien um Asyl nach. In der Folge wurde ihnen gemäss eigenen Aussagen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt. Italien ist zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführenden daher grundsätzlich zuständig (Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-VO i.V.m. Art. 23 Dublin-III-VO bzw. Art. 19 Abs. 1 Dublin-III-VO i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO; vgl. Christian Filzwieser/Andrea Sprung, Dublin-III-Verordnung, 2014, K2 zu Art. 19). Daran vermag nichts zu ändern, dass die italienischen Behörden die Übernahmeersuchen vom 23. Juli 2020 und vom 29 Juli 2020 erst am 16. September 2020 und damit erst nach Ablauf der Frist gemäss Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-VO positiv beantworteten. Mit dem ungenutzten Ablauf der Antwortfrist anerkannten die italienischen Behörden ihre Zuständigkeit bereits implizit (Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO; vgl. Urteil F-4872/2020 E. 3.1).
3.2. Fehl geht die Rüge einer Verletzung der sechsmonatigen Überstellungsfrist. Gemäss Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO erfolgt die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb von sechs Monaten nach der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder einer Überprüfung, wenn diese gemäss Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat. Ausgelöst wurde die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO im vorliegenden Fall mit dem ungenutzten Ablauf der Frist zur Beantwortung der Wiederaufnahmegesuche vom 23. und 29. Juli 2020 (BVGE 2018 VI/2 E. 9.6.2). Der seinerzeitigen Beschwerde vom 1. Oktober 2020 gegen den vorinstanzlichen Nichteintretensentscheid vom 23. September 2020 erkannte die Instruktionsrichterin am 6. Oktober 2020 aufschiebende Wirkung zu (SEM-act. 48), womit die Überstellungsfrist unterbrochen respektive ausgesetzt wurde (BVGE 2015/19 E. 5.4). Da es sich beim Urteil
F-4872/2020 um einen Rückweisungs- und nicht um einen endgültigen Entscheid über die Zuständigkeitsfrage handelte, ist die Dauer des Rückweisungsverfahrens nach Ausfällung des Entscheids am 5. November 2020 noch der Beschwerde vom 1. Oktober 2020 zuzurechnen. Die sechsmonatige Überstellungsfrist gemäss Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO beginnt daher erst mit der endgültigen Entscheidung über die vorliegende Beschwerde zu laufen. Ein Zuständigkeitsübergang im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO auf die Schweiz ist nicht erfolgt (BVGE 2015/19 E. 5.4; Urteil des BVGer F-6330/2020 vom 18. Oktober 2021 E. 6.3).
4.
Zu Recht berufen sich die vertretenen Beschwerdeführenden nicht auf eine Zuständigkeit der Schweiz gestützt auf Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO. Das Asylverfahren und das Aufnahmesystem in Italien weisen keine systemischen Mängel auf (Urteil F-6330/2020 E. 9.2).
5.
5.1. Die Beschwerdeführenden fordern die Anwendung der Souveränitätsklausel von Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO respektive der - das Selbsteintrittsrecht im Landesrecht konkretisierenden - Bestimmung von Art. 29a Abs. 3

SR 142.311 Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (Asylverordnung 1, AsylV 1) - Asylverordnung 1 AsylV-1 Art. 29a Zuständigkeitsprüfung nach Dublin - (Art. 31a Absatz 1 Bst. b AsylG)85 |
|
1 | Das SEM prüft die Zuständigkeit zur Behandlung eines Asylgesuchs nach den Kriterien, die in der Verordnung (EU) Nr. 604/201386 geregelt sind.87 |
2 | Ergibt die Prüfung, dass ein anderer Staat für die Behandlung des Asylgesuches zuständig ist, und hat dieser Staat der Aufnahme oder Wiederaufnahme der asylsuchenden Person zugestimmt, so fällt das SEM einen Nichteintretensentscheid. |
3 | Das SEM kann aus humanitären Gründen das Gesuch auch dann behandeln, wenn die Prüfung ergeben hat, dass ein anderer Staat dafür zuständig ist. |
4 | Das Verfahren für die Aufnahme oder Wiederaufnahme der asylsuchenden Person durch den zuständigen Staat richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 1560/200388.89 |

IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. |
5.1.1. Im Formular "nucleo familiare" vom 16. September 2020 führten die italienischen Behörden Vor- und Nachnamen, Geburtsdaten und Nationalität der Beschwerdeführenden 1 - 3 auf. Sie gaben die Zusicherung ab, dass sie als Familie in einem der Aufnahmezentren untergebracht würden, das Familien vorbehalten und in der Liste vom 24. April 2020 aufgeführt sei und das im Einklang mit dem Rundschreiben vom 8. Januar 2019 stehe. Das konkrete Aufnahmezentrum werde zum Zeitpunkt der Überstellung anhand der verfügbaren Kapazitäten und spezifischen Bedürfnisse der Familie ausgewählt (SEM-act. 36 ff.). Mit Rundschreiben vom 8. Februar 2021, welches jenes vom 8. Januar 2020 ersetzt, informierten die italienischen Behörden die anderen Dublin-Mitgliedstaaten über das Inkrafttreten des Gesetzesdekrets Nr. 130/2020 und die Schaffung des Aufnahme- und Integrationssystems SAI (Sistema di accoglienza e integrazione). Sie garantierten, dass Familien mit minderjährigen Kindern, die im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Italien überstellt werden, im SAI-System unter Wahrung der Einheit der Familie und in Übereinstimmung mit dem Urteil des EGMR 29217/12 Tarakhel gegen die Schweiz vom 4. November 2014 untergebracht würden (Urteil F-6330/2020 E. 11.2). Mit Schreiben vom 23. März 2021 teilten die italienischen Behörden der Schweiz sodann mit, dass Familien, für welche "alte" Garantien vorlägen, in Übereinstimmung mit dem Rundschreiben vom 8. Februar 2021 untergebracht würden (SEM-act. 60).
5.1.2. Die Beschwerdeführerin gehört als alleinerziehende Mutter zweier minderjähriger Kinder zu den schutzbedürftigen Personen gemäss dem Tarakhel-Urteil des EGMR. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzesdekrets Nr. 130/2020 am 20. Dezember 2020 wurde das Zweitaufnahmesystem SAI wieder für alle Asylsuchenden zugänglich gemacht, wobei Familien und vulnerable Personen bei der Überstellung in eine SAI-Unterkunft Vorrang geniessen. Das Angebot der Dienstleistungen für die Asylsuchenden wurde wieder ausgebaut und auch auf die Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen ausgerichtet (Urteil F-6330/2020 E. 10.5 und E. 11.1). Vor diesem Hintergrund liegen genügend konkrete und individuelle Garantien der italienischen Behörden vor, dass die Beschwerdeführenden nach ihrer Überstellung in eine kindgerechte und die Einheit der Familie wahrende Unterkunft des Zweitaufnahmesystems SAI untergebracht werden. Es bestehen derzeit keine Hinweise darauf, dass sie bei ihrer Ankunft in Italien keinen Platz in einer Unterkunft des SAI erhalten würden. Auch bei vorübergehender Unterbringung in einem Erstaufnahmezentrum erhalten Familien Zugang zu den nötigen Dienstleistungen (Urteil F-6330/2020 E. 11.2; Urteil des EGMR 46595/19 M.T. gegen die Niederlande vom 23. März 2021, Ziff. 48 ff.).
5.1.3. Die mittels des Formulars "nucleo familiare" abgegebene Anerkennung der Familieneinheit und Zusicherung einer familiengerechten Unterbringung sowie die Rundschreiben, welche eine Unterbringung im SAI zusichern, stellen somit hinreichend konkretisierte und individualisierte Zusicherungen im Sinne der Rechtsprechung dar. Anlässlich der Dublin-Gespräche vom 14. Juli 2020 gaben die Beschwerdeführenden zwar ohne nähere Begründung dazu an, sie seien in Italien aus der Asylunterkunft hinausgeworfen worden und hätten keine Bleibe mehr gehabt (SEM-act. 24 und 26). Ein konkretes und ernsthaftes Risiko dafür, die italienischen Behörden könnten sich trotz Zusicherungen nach der Rücküberstellung nach Italien weigern, die Beschwerdeführenden wieder aufzunehmen, ist aber nicht ersichtlich. Folglich gibt es keinen Grund zur Annahme, eine Überstellung der Beschwerdeführenden 1 - 3 nach Italien würde aufgrund der Unterbringungssituation zu einer Verletzung von Art. 3

IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. |
5.2. Die Beschwerdeführenden rügen weiter, die Überstellung nach Italien setze die Beschwerdeführerin 1 einer Gefahr für die Gesundheit aus und verletze Art. 3

IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. |

IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. |
5.3. Schliesslich ist auch aufgrund der bisherigen Verfahrensdauer von rund 16 bis 17 Monaten - die Asylgesuche datieren vom 4. Juli 2020 - ein Selbsteintritt nicht angezeigt (vgl. dazu ausführlich Urteil F-6330/2020 E. 7). Somit bleibt es bei der Zuständigkeit Italiens zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführenden.
6.
Nach dem bisher Gesagten verletzt der angefochtene Entscheid keine die Schweiz bindende völkerrechtliche Bestimmung. Eine gesetzeswidrige Ermessensausübung der Vorinstanz ist nicht ersichtlich. Demzufolge ist nicht zu beanstanden, dass sie von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO und in Art. 29a Abs. 3

SR 142.311 Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (Asylverordnung 1, AsylV 1) - Asylverordnung 1 AsylV-1 Art. 29a Zuständigkeitsprüfung nach Dublin - (Art. 31a Absatz 1 Bst. b AsylG)85 |
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1 | Das SEM prüft die Zuständigkeit zur Behandlung eines Asylgesuchs nach den Kriterien, die in der Verordnung (EU) Nr. 604/201386 geregelt sind.87 |
2 | Ergibt die Prüfung, dass ein anderer Staat für die Behandlung des Asylgesuches zuständig ist, und hat dieser Staat der Aufnahme oder Wiederaufnahme der asylsuchenden Person zugestimmt, so fällt das SEM einen Nichteintretensentscheid. |
3 | Das SEM kann aus humanitären Gründen das Gesuch auch dann behandeln, wenn die Prüfung ergeben hat, dass ein anderer Staat dafür zuständig ist. |
4 | Das Verfahren für die Aufnahme oder Wiederaufnahme der asylsuchenden Person durch den zuständigen Staat richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 1560/200388.89 |
7.
7.1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten grundsätzlich den Beschwerdeführenden aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1

SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 63 - 1 Die Beschwerdeinstanz auferlegt in der Entscheidungsformel die Verfahrenskosten, bestehend aus Spruchgebühr, Schreibgebühren und Barauslagen, in der Regel der unterliegenden Partei. Unterliegt diese nur teilweise, so werden die Verfahrenskosten ermässigt. Ausnahmsweise können sie ihr erlassen werden. |
|
1 | Die Beschwerdeinstanz auferlegt in der Entscheidungsformel die Verfahrenskosten, bestehend aus Spruchgebühr, Schreibgebühren und Barauslagen, in der Regel der unterliegenden Partei. Unterliegt diese nur teilweise, so werden die Verfahrenskosten ermässigt. Ausnahmsweise können sie ihr erlassen werden. |
2 | Keine Verfahrenskosten werden Vorinstanzen oder beschwerdeführenden und unterliegenden Bundesbehörden auferlegt; anderen als Bundesbehörden, die Beschwerde führen und unterliegen, werden Verfahrenskosten auferlegt, soweit sich der Streit um vermögensrechtliche Interessen von Körperschaften oder autonomen Anstalten dreht. |
3 | Einer obsiegenden Partei dürfen nur Verfahrenskosten auferlegt werden, die sie durch Verletzung von Verfahrenspflichten verursacht hat. |
4 | Die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter erhebt vom Beschwerdeführer einen Kostenvorschuss in der Höhe der mutmasslichen Verfahrenskosten. Zu dessen Leistung ist dem Beschwerdeführer eine angemessene Frist anzusetzen unter Androhung des Nichteintretens. Wenn besondere Gründe vorliegen, kann auf die Erhebung des Kostenvorschusses ganz oder teilweise verzichtet werden.102 |
4bis | Die Spruchgebühr richtet sich nach Umfang und Schwierigkeit der Streitsache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien. Sie beträgt: |
a | in Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse 100-5000 Franken; |
b | in den übrigen Streitigkeiten 100-50 000 Franken.103 |
5 | Der Bundesrat regelt die Bemessung der Gebühren im Einzelnen.104 Vorbehalten bleiben Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005105 und Artikel 73 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010106.107 |

SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 65 - 1 Die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter befreit nach Einreichung der Beschwerde eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Verfahrenskosten, sofern ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint.112 |
|
1 | Die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter befreit nach Einreichung der Beschwerde eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Verfahrenskosten, sofern ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint.112 |
2 | Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter der Partei einen Anwalt.113 |
3 | Die Haftung für Kosten und Honorar des Anwalts bestimmt sich nach Artikel 64 Absätze 2-4. |
4 | Gelangt die bedürftige Partei später zu hinreichenden Mitteln, so ist sie verpflichtet, Honorar und Kosten des Anwalts an die Körperschaft oder autonome Anstalt zu vergüten, die sie bezahlt hat. |
5 | Der Bundesrat regelt die Bemessung von Honorar und Kosten.114 Vorbehalten bleiben Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005115 und Artikel 73 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010116.117 |
7.2. Der am 11. Juni 2021 als amtliche Rechtsbeiständin eingesetzten Rechtsvertreterin ist eine angemessene Entschädigung auszurichten (Art. 65

SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 65 - 1 Die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter befreit nach Einreichung der Beschwerde eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Verfahrenskosten, sofern ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint.112 |
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1 | Die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter befreit nach Einreichung der Beschwerde eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Verfahrenskosten, sofern ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint.112 |
2 | Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter der Partei einen Anwalt.113 |
3 | Die Haftung für Kosten und Honorar des Anwalts bestimmt sich nach Artikel 64 Absätze 2-4. |
4 | Gelangt die bedürftige Partei später zu hinreichenden Mitteln, so ist sie verpflichtet, Honorar und Kosten des Anwalts an die Körperschaft oder autonome Anstalt zu vergüten, die sie bezahlt hat. |
5 | Der Bundesrat regelt die Bemessung von Honorar und Kosten.114 Vorbehalten bleiben Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005115 und Artikel 73 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010116.117 |

SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE) VGKE Art. 14 Festsetzung der Parteientschädigung - 1 Die Parteien, die Anspruch auf Parteientschädigung erheben, und die amtlich bestellten Anwälte und Anwältinnen haben dem Gericht vor dem Entscheid eine detaillierte Kostennote einzureichen. |
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1 | Die Parteien, die Anspruch auf Parteientschädigung erheben, und die amtlich bestellten Anwälte und Anwältinnen haben dem Gericht vor dem Entscheid eine detaillierte Kostennote einzureichen. |
2 | Das Gericht setzt die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtlich bestellten Anwälte und Anwältinnen auf Grund der Kostennote fest. Wird keine Kostennote eingereicht, so setzt das Gericht die Entschädigung auf Grund der Akten fest. |

SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 65 - 1 Die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter befreit nach Einreichung der Beschwerde eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Verfahrenskosten, sofern ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint.112 |
|
1 | Die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter befreit nach Einreichung der Beschwerde eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Verfahrenskosten, sofern ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint.112 |
2 | Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter der Partei einen Anwalt.113 |
3 | Die Haftung für Kosten und Honorar des Anwalts bestimmt sich nach Artikel 64 Absätze 2-4. |
4 | Gelangt die bedürftige Partei später zu hinreichenden Mitteln, so ist sie verpflichtet, Honorar und Kosten des Anwalts an die Körperschaft oder autonome Anstalt zu vergüten, die sie bezahlt hat. |
5 | Der Bundesrat regelt die Bemessung von Honorar und Kosten.114 Vorbehalten bleiben Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005115 und Artikel 73 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010116.117 |
(Dispositiv nächste Seite)
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
3.
Das Bundesverwaltungsgericht entrichtet Rechtsanwältin Lynn Zürcher zulasten der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'136.65. Diesen Betrag haben die Beschwerdeführenden dem Bundesverwaltungsgericht zurückzuerstatten, sollten sie nachträglich zu hinreichenden Mitteln gelangen.
4.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführenden, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:
Andreas Trommer Mathias Lanz
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