Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2017.90

Beschluss vom 21. Juni 2017 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Andreas J. Keller, Vorsitz, Cornelia Cova und Patrick Robert-Nicoud, Gerichtsschreiber Stefan Graf

Parteien

A., vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Steiner,

Gesuchsteller

gegen

B., Staatsanwalt des Bundes,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Ausstand der Bundesanwaltschaft (Art. 59 Abs. 1 lit. b
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 59 Entscheid - 1 Wird ein Ausstandsgrund nach Artikel 56 Buchstabe a oder f geltend gemacht oder widersetzt sich eine in einer Strafbehörde tätige Person einem Ausstandsgesuch einer Partei, das sich auf Artikel 56 Buchstaben b-e abstützt, so entscheidet ohne weiteres Beweisverfahren:22
i.V.m. Art. 56
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 56 Ausstandsgründe - Eine in einer Strafbehörde tätige Person tritt in den Ausstand, wenn sie:
StPO)

Die Beschwerdekammer hält fest, dass:

- die Staatsanwältin des Bundes C. das von ihr gegen A. geführte Strafverfahren mit Verfügung vom 2. Dezember 2013 einstellte (vgl. act. 1 S. 32; act. 2 S. 2);

- hierbei der Entscheid über Entschädigung und Genugtuung des vormals Beschuldigten vertagt worden ist (vgl. act. 2 S. 2);

- es im März 2015 zu einem Handwechsel in der Verfahrensleitung kam und neu der Staatsanwalt des Bundes B. mit dem Entscheid über die Entschädigungs- und Genugtuungsforderungen von A. betraut wurde (vgl. act. 2 S. 2);

- es am 12. August 2015 diesbezüglich zu einer ersten Vergleichsverhandlung mit B. kam (vgl. act. 2 S. 2);

- A. im Rahmen seiner an B. gerichteten Eingabe vom 28. Februar 2017 nebst anderem beantragt, der bis anhin zuständige Verfahrensleiter (B.) sei infolge eines offenkundigen Interessenkonflikts seiner Aufgabe zu entheben (act. 1);

- B. das gegen ihn gerichtete Ausstandsbegehren am 12. Mai 2017 der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts übermittelte (act. 2);

- er dessen Abweisung beantragt, soweit darauf eingetreten werden könne, unter Kosten- und Entschädigungsfolge (act. 2 S. 2);

- A. mit Replik vom 6. Juni 2017 an seinem Gesuch festhält (act. 5), was B. am 7. Juni 2017 zur Kenntnis gebracht wurde (act. 6).

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung, dass:

- sie u. a. die Bundesanwaltschaft betreffende Gesuche beurteilt, wenn ein Ausstandsgrund nach Art. 56 lit. a
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 56 Ausstandsgründe - Eine in einer Strafbehörde tätige Person tritt in den Ausstand, wenn sie:
oder f StPO geltend gemacht wird (Art. 59 Abs. 1 lit. b
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 59 Entscheid - 1 Wird ein Ausstandsgrund nach Artikel 56 Buchstabe a oder f geltend gemacht oder widersetzt sich eine in einer Strafbehörde tätige Person einem Ausstandsgesuch einer Partei, das sich auf Artikel 56 Buchstaben b-e abstützt, so entscheidet ohne weiteres Beweisverfahren:22
StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1
SR 173.71 Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) - Strafbehördenorganisationsgesetz
StBOG Art. 37 Zuständigkeiten - 1 Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet.
1    Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet.
2    Sie entscheiden zudem über:
a  Beschwerden in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten gemäss:
a1  dem Rechtshilfegesetz vom 20. März 198114,
a2  dem Bundesgesetz vom 21. Dezember 199515 über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts,
a3  dem Bundesgesetz vom 22. Juni 200116 über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof,
a4  dem Bundesgesetz vom 3. Oktober 197517 zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen;
b  Beschwerden, die ihnen das Bundesgesetz vom 22. März 197418 über das Verwaltungsstrafrecht zuweist;
c  Beschwerden gegen Verfügungen des Bundesverwaltungsgerichts über das Arbeitsverhältnis seiner Richter und Richterinnen und seines Personals sowie des Personals der ständigen Sekretariate der eidgenössischen Schätzungskommissionen;
d  Konflikte über die Zuständigkeit der militärischen und der zivilen Gerichtsbarkeit;
e  Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 21. März 199720 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit zum Entscheid zuweist;
f  Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 7. Oktober 199421 über kriminalpolizeiliche Zentralstellen des Bundes zum Entscheid zuweist;
g  Konflikte über die Zuständigkeit nach dem Geldspielgesetz vom 29. September 201723.
StBOG);

- eine Partei der Verfahrensleitung ein Ausstandsgesuch ohne Verzug zu stellen hat, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat (Art. 58 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 58 Ausstandsgesuch einer Partei - 1 Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen.
StPO);

- wer einen Ablehnungsgrund nicht unverzüglich nach dessen Kenntnisnahme geltend macht, den Anspruch auf seine spätere Anrufung verwirkt (BGE 140 I 271 E. 8.4.3; 139 III 120 E. 3.2.1 S. 124; 138 I 1 E. 2.2 S. 4; Urteil des Bundesgerichts 1B_58/2017 vom 5. April 2017, E. 2.3);

- unverzüglich nach der Rechtsprechung ein Geltendmachen des Anspruchs binnen maximal sechs bis sieben Tagen bedeutet und ein zweiwöchiges Zuwarten bereits klarerweise unzulässig ist (Urteile des Bundesgerichts 1B_58/2017 vom 5. April 2017, E. 2.3; 6B_973/2016 vom 7. März 2017, E. 3.3.2);

- der Gesuchsteller sinngemäss erneut den Ausstandsgrund des grundsätzlichen Interessenkonflikts vorbringt (vgl. bereits den ebenfalls den Gesuchsteller betreffenden Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2014.139 vom 2. Dezember 2014) und er sich spätestens seit der ersten Vergleichsverhandlung am 12. August 2015 bewusst sein musste, dass der Gesuchsgegner über seine Entschädigungs- und Genugtuungsansprüche entscheiden werde;

- sich das rund eineinhalb Jahre später gegen den Gesuchsgegner gerichtete Ausstandsbegehren nach dem Gesagten offensichtlich als verspätet erweist;

- auf das Gesuch nicht einzutreten ist;

- die Beurteilung aller übrigen in der Eingabe vom 28. Februar 2017 gestellten Verfahrensanträge der zuständigen Verfahrensleitung der Bundesanwaltschaft überlassen bleibt;

- der Gesuchsteller im Übrigen offenbar verkennt, dass Art. 429
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 429 Ansprüche - 1 Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie Anspruch auf:
StPO eine Kausalhaftung des Staates begründet (BGE 142 IV 237 E. 1.3.1 S. 239);

- der Staat deshalb für den durch das eingestellte Strafverfahren kausal verursachten Schaden des Gesuchstellers Entschädigung zu leisten hat, ganz unabhängig davon, ob sich die vormalige Verfahrensleiterin C. allenfalls Fehler zu Schulden kommen liess oder nicht (Urteile des Bundesgerichts 6B_740/2016 vom 2. Juni 2017, E. 3.1; 6B_118/2016 vom 20. März 2017, E. 3);

- die vom Gesuchsgegner gemachten Erwägungen betreffend Beurteilung des eigenen Fehlverhaltens durch die Bundesanwaltschaft (vgl. act. 1 S. 11 f.) bzw. Vertuschungsgefahr bezüglich des Verschuldens von C., der dieser gegenüber bestehenden Loyalität (vgl. act. 1 S. 12) usw. für die Frage der Entschädigung und Genugtuung des Gesuchstellers somit irrelevant sind;

- bei diesem Ausgang des Verfahrens der Gesuchsteller die Gerichtskosten zu tragen hat (Art. 59 Abs. 4
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 59 Entscheid - 1 Wird ein Ausstandsgrund nach Artikel 56 Buchstabe a oder f geltend gemacht oder widersetzt sich eine in einer Strafbehörde tätige Person einem Ausstandsgesuch einer Partei, das sich auf Artikel 56 Buchstaben b-e abstützt, so entscheidet ohne weiteres Beweisverfahren:22
StPO);

- die Gerichtsgebühr vorliegend auf Fr. 800.– festzusetzen ist (Art. 73
SR 173.71 Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) - Strafbehördenorganisationsgesetz
StBOG Art. 73 Kosten und Entschädigung - 1 Das Bundesstrafgericht regelt durch Reglement:
1    Das Bundesstrafgericht regelt durch Reglement:
a  die Berechnung der Verfahrenskosten;
b  die Gebühren;
c  die Entschädigungen an Parteien, die amtliche Verteidigung, den unentgeltlichen Rechtsbeistand, Sachverständige sowie Zeuginnen und Zeugen.
2    Die Gebühr richtet sich nach Umfang und Schwierigkeit der Sache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien sowie nach dem Kanzleiaufwand.
3    Es gilt ein Gebührenrahmen von 200-100 000 Franken für jedes der folgenden Verfahren:
a  Vorverfahren;
b  erstinstanzliches Verfahren;
c  Rechtsmittelverfahren.
StBOG i.V.m. Art. 5 und 8 Abs. 2 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]);

und erkennt:

1. Auf das Gesuch wird nicht eingetreten.

2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.– wird dem Gesuchsteller auferlegt.

Bellinzona, 21. Juni 2017

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Vorsitzende: Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- Rechtsanwalt Bruno Steiner

- Bundesanwaltschaft, B., Staatsanwalt des Bundes

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : BB.2017.90
Date : 21. Juni 2017
Published : 28. Juni 2017
Source : Bundesstrafgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Beschwerdekammer: Strafverfahren
Subject : Ausstand der Bundesanwaltschaft (Art. 59 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 56 StPO).


Legislation register
StBOG: 37  73
StPO: 56  58  59  429
BGE-register
138-I-1 • 139-III-120 • 140-I-271 • 142-IV-237
Weitere Urteile ab 2000
1B_58/2017 • 6B_118/2016 • 6B_740/2016 • 6B_973/2016
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