Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}

9C 102/2016

Urteil vom 21. März 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiber Furrer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Josef Ulrich,
Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse Luzern,
Würzenbachstrasse 8, 6006 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung (Rechtsmittelfrist),

Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Luzern
vom 22. Dezember 2015.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 24. Juni 2014 setzte die Ausgleichskasse Luzern (fortan: Ausgleichskasse) die von A.________ als Nichterwerbstätiger für die Beitragsperiode von 1. Januar bis 31. Dezember 2010 zu entrichtenden AHV-/IV-/EO-Beiträge fest. Eine hiegegen erhobene Einsprache vom 30. Juni 2014 wies die Ausgleichskasse mit Einspracheentscheid vom 30. Oktober 2014 ab. Nach versuchter Zustellung per Einschreiben - retourniert mit dem Vermerk "Nicht abgeholt" - sandte die Ausgleichskasse den Entscheid erneut am 11. November 2014 mittels A-Post zu, verbunden mit dem Hinweis, die Rechtsmittelfrist habe bereits mit dem eingeschrieben zugestellten Entscheid zu laufen begonnen. Nach Kenntnisnahme von der Wohnsitzverlegung des Beitragspflichtigen nach Ungarn publizierte die Ausgleichskasse im Kantonsblatt Nr.... vom... 2015, der Einspracheentscheid vom 30. Oktober 2014 betreffend A.________, unbekannten Aufenthaltes, liege bei der Ausgleichskasse auf und gelte mit dem Publikationsdatum als zugestellt.

B.
Auf eine gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde vom 15. Mai 2015 trat das Kantonsgericht Luzern mit Entscheid vom 22. Dezember 2015 nicht ein, weil diese erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgt sei.

C.
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und das Kantonsgericht Luzern sei anzuweisen, auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten.

Erwägungen:

1.
Streitig ist die Rechtzeitigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 15. Mai 2015, wozu das kantonale Gericht die einschlägigen Rechtsgrundlagen nach Gesetz (Art. 56 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 56 Beschwerderecht - 1 Gegen Einspracheentscheide oder Verfügungen, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, kann Beschwerde erhoben werden.
1    Gegen Einspracheentscheide oder Verfügungen, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, kann Beschwerde erhoben werden.
2    Beschwerde kann auch erhoben werden, wenn der Versicherungsträger entgegen dem Begehren der betroffenen Person keine Verfügung oder keinen Einspracheentscheid erlässt.
, Art. 60
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 60 Beschwerdefrist - 1 Die Beschwerde ist innerhalb von 30 Tagen nach der Eröffnung des Einspracheentscheides oder der Verfügung, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, einzureichen.
1    Die Beschwerde ist innerhalb von 30 Tagen nach der Eröffnung des Einspracheentscheides oder der Verfügung, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, einzureichen.
2    Die Artikel 38-41 sind sinngemäss anwendbar.
in Verbindung mit Art. 38
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 38 Berechnung und Stillstand der Fristen - 1 Berechnet sich eine Frist nach Tagen oder Monaten und bedarf sie der Mitteilung an die Parteien, so beginnt sie am Tag nach ihrer Mitteilung zu laufen.
1    Berechnet sich eine Frist nach Tagen oder Monaten und bedarf sie der Mitteilung an die Parteien, so beginnt sie am Tag nach ihrer Mitteilung zu laufen.
2    Bedarf sie nicht der Mitteilung an die Parteien, so beginnt sie am Tag nach ihrer Auslösung zu laufen.
2bis    Eine Mitteilung, die nur gegen Unterschrift des Adressaten beziehungsweise der Adressatin oder einer anderen berechtigten Person überbracht wird, gilt spätestens am siebenten Tag nach dem ersten erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt.28
3    Ist der letzte Tag der Frist ein Samstag, ein Sonntag oder ein vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannter Feiertag, so endet sie am nächstfolgenden Werktag. Massgebend ist das Recht des Kantons, in dem die Partei oder ihr Vertreter beziehungsweise ihre Vertreterin Wohnsitz oder Sitz hat.29
4    Gesetzliche oder behördliche Fristen, die nach Tagen oder Monaten bestimmt sind, stehen still:
a  vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern;
b  vom 15. Juli bis und mit dem 15. August;
c  vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar.
-41
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 41 Wiederherstellung der Frist - Ist die gesuchstellende Person oder ihre Vertretung unverschuldeterweise abgehalten worden, binnen Frist zu handeln, so wird diese wieder hergestellt, sofern sie unter Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersucht und die versäumte Rechtshandlung nachholt.
ATSG) und Rechtsprechung (insbesondere BGE 134 V 49) zutreffend dargelegt hat. Darauf wird verwiesen (Art. 109 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 109 Dreierbesetzung - 1 Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
1    Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
2    Sie entscheiden ebenfalls in Dreierbesetzung bei Einstimmigkeit über:
a  Abweisung offensichtlich unbegründeter Beschwerden;
b  Gutheissung offensichtlich begründeter Beschwerden, insbesondere wenn der angefochtene Akt von der Rechtsprechung des Bundesgerichts abweicht und kein Anlass besteht, diese zu überprüfen.
3    Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden.
BGG).

2.
Zunächst macht der Beschwerdeführer geltend, entgegen der Vorinstanz sei er nicht zur Meldung seiner neuen Adresse verpflichtet gewesen, womit die Zustellfiktion nicht greife. Dieser Einwand ist unbegründet. Wie die Vorinstanz zutreffend erkannte, ist die von der Rechtsprechung zur Zustellfiktion verlangte Voraussetzung erfüllt, wonach der Adressat mit der fraglichen Zustellung rechnen musste (BGE 134 V 49 E. 4 i.f. S. 52), hatte der Beschwerdeführer doch gegen die Beitragsverfügung vom 24. Juni 2014 Einsprache erhoben (vgl. a.a.O. E. 5 S. 52). Folglich war er nach Treu und Glauben auch gehalten, dafür zu sorgen, dass ihm Akte der Verwaltung, die das Verfahren betreffen, zugestellt werden können. Da er dies unterliess, hat er eine an der bekannt gegebenen Adresse versuchte Zustellung als erfolgt gelten zu lassen (so bereits BGE 107 V 187 E. 2 S. 189 f.).
Ferner rügt der Beschwerdeführer sinngemäss, mit dem im Kantonsblatt publizierten Hinweis "und gilt mit dem Publikationsdatum als zugestellt" sei eine vertrauensbegründende Auskunft erteilt und eine neue Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt worden. Dem kann nicht gefolgt werden. Zwar kann sich die Rechtsmittelfrist gestützt auf den verfassungsmässigen Anspruch auf Vertrauensschutz verlängern, wenn noch vor ihrem Ende eine entsprechende vertrauensbegründende Auskunft erteilt wird (bspw. in Form einer erneuten Zustellung eines Entscheides mit vorbehaltloser Rechtsmittelbelehrung; BGE 115 Ia 12 E. 5c S. 20). Doch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist greift der Vertrauensschutz nicht, fehlt es diesfalls an der für die Berufung auf den Vertrauensschutz vorausgesetzten nachteiligen Disposition (BGE 118 V 190 E. 3a S. 191; Urteil 8C 374/2014 vom 13. August 2014 E. 3.4). Folglich vermag der Beschwerdeführer - weil die Rechtsmittelfrist nach den bundesrechtskonformen Erwägungen der Vorinstanz spätestens am 8. Dezember 2014 ablief und unter dem Blickwinkel des Vertrauensschutzes keine neue Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt werden kann - aus der Publikation im Kantonsblatt vom... 2015 nichts zu seinen Gunsten abzuleiten.

3.
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist (Art. 109 Abs. 2 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 109 Dreierbesetzung - 1 Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
1    Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
2    Sie entscheiden ebenfalls in Dreierbesetzung bei Einstimmigkeit über:
a  Abweisung offensichtlich unbegründeter Beschwerden;
b  Gutheissung offensichtlich begründeter Beschwerden, insbesondere wenn der angefochtene Akt von der Rechtsprechung des Bundesgerichts abweicht und kein Anlass besteht, diese zu überprüfen.
3    Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden.
BGG), wird sie im vereinfachten Verfahren mit summarischer Begründung und unter Hinweis auf den kantonalen Gerichtsentscheid (Art. 109 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 109 Dreierbesetzung - 1 Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
1    Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
2    Sie entscheiden ebenfalls in Dreierbesetzung bei Einstimmigkeit über:
a  Abweisung offensichtlich unbegründeter Beschwerden;
b  Gutheissung offensichtlich begründeter Beschwerden, insbesondere wenn der angefochtene Akt von der Rechtsprechung des Bundesgerichts abweicht und kein Anlass besteht, diese zu überprüfen.
3    Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden.
BGG) erledigt.

4.
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. März 2016
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Furrer
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 9C_102/2016
Date : 21. März 2016
Published : 08. April 2016
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Alters- und Hinterlassenenversicherung
Subject : Alters- und Hinterlassenenversicherung (Rechtsmittelfrist)


Legislation register
ATSG: 38  41  56  60
BGG: 66  109
BGE-register
107-V-187 • 115-IA-12 • 118-V-190 • 134-V-49
Weitere Urteile ab 2000
8C_374/2014 • 9C_102/2016
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