115 Ia 12
4. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. Januar 1989 i.S. Roland Mathys gegen Rothornbahn und Scallotas AG, Gemeinde Vaz/Obervaz und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- Wendet eine kantonale Behörde in Ermangelung einer ausdrücklichen kantonalen Regelung die Praxis des Bundesgerichts zum Fristbeginn bei eingeschriebenen Briefpostsendungen als kantonales Recht an, so ist das Ergebnis im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nur auf Willkür hin zu prüfen (E. 3a).
- Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- Stellt eine Behörde ihren Entscheid, der eine vorbehaltlose Rechtsmittelbelehrung enthält, noch innerhalb der ordentlichen Rechtsmittelfrist, welche durch einen ersten erfolglosen Zustellungsversuch ausgelöst worden ist, zu, so kann sich aufgrund des verfassungsmässigen Rechts auf Vertrauensschutz die Rechtsmittelfrist verlängern, sofern alle notwendigen Bedingungen dazu erfüllt sind (E. 4).
Regeste (fr):
- Art. 4 Cst., arbitraire.
- Lorsqu'en l'absence d'une règle cantonale expresse, l'autorité cantonale applique les règles définies dans la jurisprudence du Tribunal fédéral pour déterminer le point de départ du délai pour recourir en cas de notification par pli postal recommandé, la décision cantonale n'est examinée dans la procédure du recours de droit public que sous l'angle de l'arbitraire (consid. 3a).
- Art. 4 Cst., droit à la protection de la confiance - Délai pour recourir.
- Lorsque l'autorité notifie à nouveau une décision contenant une indication sans réserve des voies de droit encore dans le délai qui a commencé à courir à la suite d'une première notification infructueuse, le délai pour recourir est compté dès la seconde notification, pour autant que les conditions relatives à l'application du principe constitutionnel de la protection de la confiance soient remplies (consid. 4).
Regesto (it):
- Art. 4 Cost., arbitrio.
- Ove, in assenza di una disciplina cantonale espressa, l'autorità applica le norme risultanti dalla giurisprudenza del Tribunale federale per determinare il momento in cui decorre il termine ricorsuale in caso di notificazione a mezzo lettera raccomandata, la decisione cantonale è esaminata nella procedura relativa al ricorso di diritto pubblico solamente sotto il profilo dell'arbitrio (consid. 3a).
- Art. 4 Cost., diritto alla protezione della buona fede Termine ricorsuale.
- Se l'autorità notifica di nuovo una decisione contenente un'indicazione, priva di riserve, del rimedio giuridico prima che sia scaduto il termine che ha cominciato a correre in seguito ad una prima notificazione infruttuosa, il termine ricorsuale è computato a partire dalla seconda notificazione, sempreché siano adempiute le condizioni relative all'applicazione del principio costituzionale della protezione della buona fede (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 13
BGE 115 Ia 12 S. 13
Die Gemeinde Vaz/Obervaz lehnte mit Verfügung vom 12. August 1987 eine Einsprache von Roland Mathys gegen ein Bauvorhaben der Rothornbahn und Scallotas AG ab. Sie stellte ihm den Entscheid am folgenden Tag zu. Da Roland Mathys die Chargésendung bei der Post innerhalb der gesetzten Frist nicht abholte, wurde sie an die Gemeinde zurückgesandt. Auch ein zweiter Versuch blieb erfolglos. Erst am 7. September 1987 konnte der Entscheid zugestellt werden. Roland Mathys rekurrierte am 24. September 1987 gegen den Einspracheentscheid der Gemeinde Vaz/Obervaz beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Dieses trat mit Urteil vom 23. Februar 1988 auf das Rechtsmittel nicht ein, im wesentlichen mit der Begründung, der Praxis entsprechend sei davon auszugehen, dass die (fingierte) Zustellung am 22. August 1987 erfolgt sei. Die zwanzigtägige Rekursfrist habe somit am 11. September 1987 geendet, weshalb der Rekurs verspätet sei; an diesem Ergebnis ändere auch die Anrufung des Vertrauensprinzips nichts, denn es fehle bereits an der ersten Voraussetzung für ein Abweichen von der gesetzlichen Regelung, nämlich an einer konkreten, vorbehaltlosen Auskunft einer Behörde. Roland Mathys erhob am 15. März 1988 "Beschwerde" gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 23. Februar 1988. Das Bundesgericht behandelt die Eingabe als staatsrechtliche Beschwerde und heisst sie gut aus folgenden
BGE 115 Ia 12 S. 14
Erwägungen
Erwägungen:
1. Die Eingabe des Beschwerdeführers ist als staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. a
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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2. Sowohl die Gemeinde Vaz/Obervaz wie auch die Rothornbahn und Scalottas AG vertreten die Auffassung, auf die staatsrechtliche Beschwerde könne wegen fehlender Begründung nicht eingetreten werden. a) Nach Art. 90 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
3. Das Verwaltungsgericht führt im angefochtenen Entscheid aus, der Beschwerdeführer sei an einem hängigen Verfahren
BGE 115 Ia 12 S. 15
beteiligt gewesen: Am 30. April 1987 habe er bei der Gemeinde Vaz/Obervaz Einsprache gegen ein Bauvorhaben der Rothornbahn erhoben. Aus diesem Grunde habe er mit der Zustellung des Einspracheentscheides rechnen müssen. Er hätte sich vor seinem Ferienantritt bei der Gemeinde erkundigen müssen, ob mit der Zustellung des Entscheides nächstens zu rechnen sei, und dafür sorgen müssen, dass ihm die Sendungen der Behörde nachgereicht würden, oder er hätte zumindest einen Zustellungsbevollmächtigten bzw. ein Zustellungsdomizil bezeichnen müssen. a) Das Verwaltungsgericht bezieht sich in Ermangelung einer ausdrücklichen kantonalen Regelung (vgl. Art. 9
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 9 - 1 Für die Begründung der Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens bei einer vorläufigen Deckungszusage genügt es, wenn die versicherten Risiken und der Umfang des vorläufigen Versicherungsschutzes bestimmbar sind. Entsprechend reduziert sich die Informationspflicht des Versicherungsunternehmens. |
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1 | Für die Begründung der Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens bei einer vorläufigen Deckungszusage genügt es, wenn die versicherten Risiken und der Umfang des vorläufigen Versicherungsschutzes bestimmbar sind. Entsprechend reduziert sich die Informationspflicht des Versicherungsunternehmens. |
2 | Eine Prämie ist zu leisten, soweit sie verabredet oder üblich ist. |
3 | Ist die vorläufige Deckungszusage unbefristet, so kann sie jederzeit unter Wahrung einer Frist von 14 Tagen gekündigt werden. Sie endet auf jeden Fall mit Abschluss eines definitiven Vertrags mit dem betreffenden oder einem anderen Versicherungsunternehmen. |
4 | Vorläufige Deckungszusagen sind vom Versicherungsunternehmen schriftlich zu bestätigen. |
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 2 - 1 Wird der Antrag, einen bestehenden Vertrag zu verlängern oder abzuändern oder einen suspendierten Vertrag wieder in Kraft zu setzen, vom Versicherungsunternehmen nicht binnen 14 Tagen, vom Empfange an gerechnet, abgelehnt, so gilt er als angenommen. |
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1 | Wird der Antrag, einen bestehenden Vertrag zu verlängern oder abzuändern oder einen suspendierten Vertrag wieder in Kraft zu setzen, vom Versicherungsunternehmen nicht binnen 14 Tagen, vom Empfange an gerechnet, abgelehnt, so gilt er als angenommen. |
2 | Ist nach Massgabe der allgemeinen Versicherungsbedingungen eine ärztliche Untersuchung erforderlich, so gilt der Antrag als angenommen, wenn er vom Versicherungsunternehmen nicht binnen vier Wochen, vom Empfange an gerechnet, abgelehnt wird. |
3 | Der Antrag, die Versicherungssumme zu erhöhen, fällt nicht unter diese Bestimmungen. |
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 2 - 1 Wird der Antrag, einen bestehenden Vertrag zu verlängern oder abzuändern oder einen suspendierten Vertrag wieder in Kraft zu setzen, vom Versicherungsunternehmen nicht binnen 14 Tagen, vom Empfange an gerechnet, abgelehnt, so gilt er als angenommen. |
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1 | Wird der Antrag, einen bestehenden Vertrag zu verlängern oder abzuändern oder einen suspendierten Vertrag wieder in Kraft zu setzen, vom Versicherungsunternehmen nicht binnen 14 Tagen, vom Empfange an gerechnet, abgelehnt, so gilt er als angenommen. |
2 | Ist nach Massgabe der allgemeinen Versicherungsbedingungen eine ärztliche Untersuchung erforderlich, so gilt der Antrag als angenommen, wenn er vom Versicherungsunternehmen nicht binnen vier Wochen, vom Empfange an gerechnet, abgelehnt wird. |
3 | Der Antrag, die Versicherungssumme zu erhöhen, fällt nicht unter diese Bestimmungen. |
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 2 - 1 Wird der Antrag, einen bestehenden Vertrag zu verlängern oder abzuändern oder einen suspendierten Vertrag wieder in Kraft zu setzen, vom Versicherungsunternehmen nicht binnen 14 Tagen, vom Empfange an gerechnet, abgelehnt, so gilt er als angenommen. |
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1 | Wird der Antrag, einen bestehenden Vertrag zu verlängern oder abzuändern oder einen suspendierten Vertrag wieder in Kraft zu setzen, vom Versicherungsunternehmen nicht binnen 14 Tagen, vom Empfange an gerechnet, abgelehnt, so gilt er als angenommen. |
2 | Ist nach Massgabe der allgemeinen Versicherungsbedingungen eine ärztliche Untersuchung erforderlich, so gilt der Antrag als angenommen, wenn er vom Versicherungsunternehmen nicht binnen vier Wochen, vom Empfange an gerechnet, abgelehnt wird. |
3 | Der Antrag, die Versicherungssumme zu erhöhen, fällt nicht unter diese Bestimmungen. |
BGE 115 Ia 12 S. 16
Gemeindevorstand Vaz/Obervaz als auch an das Kreisamt Alvaschein. Bei dieser Sachlage ist es nicht willkürlich, wenn das Verwaltungsgericht zum Schluss gekommen ist, der Beschwerdeführer sei, als er in die Ferien reiste, an einem hängigen Verfahren vor dem Gemeindevorstand von Vaz/Obervaz beteiligt gewesen. Dass der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 30. April 1987 die Adressaten ausdrücklich aufgefordert hatte, sie möchten selbst entscheiden, was an seiner Einsprache öffentlichrechtlicher und was privatrechtlicher Natur sei, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Selbst ein Laie muss heute wissen, dass eine Behörde verpflichtet ist, über ein bei ihr eingereichtes Begehren auch dann zu befinden und den Antragsteller von der Art der Erledigung zu benachrichtigen, wenn sie sich als nicht zuständig erachtet (vgl. Art. 3
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 3 - 1 Das Versicherungsunternehmen muss den Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrags verständlich und in einer Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, über seine Identität und den wesentlichen Inhalt des Versicherungsvertrags informieren. Es muss informieren über:12 |
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1 | Das Versicherungsunternehmen muss den Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrags verständlich und in einer Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, über seine Identität und den wesentlichen Inhalt des Versicherungsvertrags informieren. Es muss informieren über:12 |
a | die versicherten Risiken; |
b | den Umfang des Versicherungsschutzes und darüber, ob es sich um eine Summen- oder um eine Schadenversicherung handelt; |
c | die geschuldeten Prämien und weitere Pflichten des Versicherungsnehmers; |
d | Laufzeit und Beendigung des Versicherungsvertrages; |
e | die für die Überschussermittlung und die Überschussbeteiligung geltenden Berechnungsgrundlagen und Verteilungsgrundsätze und -methoden; |
f | die Rückkaufs- und Umwandlungswerte sowie die mit einer rückkaufsfähigen Lebensversicherung im Falle des Rückkaufs verbundenen wesentlichen Kostenarten; |
g | die Bearbeitung der Personendaten einschliesslich Zweck und Art der Datenbank sowie Empfänger und Aufbewahrung der Daten; |
h | das Widerrufsrecht nach Artikel 2a sowie über Form und Frist des Widerrufs; |
i | eine Frist für das Einreichen der Schadenanzeige nach Artikel 38 Absatz 1; |
j | die zeitliche Geltung des Versicherungsschutzes insbesondere in den Fällen, in denen das befürchtete Ereignis während der Laufzeit des Vertrags, der daraus entstehende Schaden aber erst nach Beendigung des Vertrags eintritt; |
k | die Qualifikation einer Lebensversicherung als qualifizierte Lebensversicherung gemäss Artikel 39a des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 17. Dezember 200420 (VAG). |
2 | Diese Angaben sind dem Versicherungsnehmer so zu übergeben, dass er sie kennen kann, wenn er den Versicherungsvertrag beantragt oder annimmt. In jedem Fall muss er zu diesem Zeitpunkt im Besitz der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der Information nach Absatz 1 Buchstabe g sein. |
3 | Schliesst ein Arbeitgeber zum Schutz seiner Arbeitnehmer eine kollektive Personenversicherung ab, so ist er verpflichtet, die Arbeitnehmer über den wesentlichen Inhalt des Vertrags sowie dessen Änderungen und Auflösung schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zu informieren. Das Versicherungsunternehmen stellt dem Arbeitgeber die dazu erforderlichen Unterlagen zur Verfügung.21 |
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz VVG Art. 2 - 1 Wird der Antrag, einen bestehenden Vertrag zu verlängern oder abzuändern oder einen suspendierten Vertrag wieder in Kraft zu setzen, vom Versicherungsunternehmen nicht binnen 14 Tagen, vom Empfange an gerechnet, abgelehnt, so gilt er als angenommen. |
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1 | Wird der Antrag, einen bestehenden Vertrag zu verlängern oder abzuändern oder einen suspendierten Vertrag wieder in Kraft zu setzen, vom Versicherungsunternehmen nicht binnen 14 Tagen, vom Empfange an gerechnet, abgelehnt, so gilt er als angenommen. |
2 | Ist nach Massgabe der allgemeinen Versicherungsbedingungen eine ärztliche Untersuchung erforderlich, so gilt der Antrag als angenommen, wenn er vom Versicherungsunternehmen nicht binnen vier Wochen, vom Empfange an gerechnet, abgelehnt wird. |
3 | Der Antrag, die Versicherungssumme zu erhöhen, fällt nicht unter diese Bestimmungen. |
BGE 115 Ia 12 S. 17
b) Der angefochtene Entscheid könnte auch dann gegen die Verfassung verstossen, wenn er sich im Ergebnis als überspitzt formalistisch erwiese. Überspitzter Formalismus als besondere Form der Rechtsverweigerung liegt vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und dem Bürger den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt (BGE 114 Ia 40 E. 3; BGE 113 Ia 227 E. 1; BGE 112 Ia 308 E. 2a; je mit Hinweisen). Das Bundesgericht prüft den angefochtenen Entscheid in bezug auf dieses verfassungsmässige Recht frei.
Da das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden diejenigen Grundsätze über die Zustellung von Entscheiden durch eingeschriebenen Brief angewendet hat, welche das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung sowohl für kantonale und bundesrechtliche Verfahren entwickelt hat, falls das entsprechende Recht selbst keine Lösung vorsieht, lässt sich nicht sagen, diese Prinzipien seien sachlich nicht gerechtfertigt oder unnötig streng. Es handelt sich vielmehr um das Ergebnis einer Abwägung der gegenseitigen Interessen. Die Rechtssicherheit verlangt, dass die Vorschriften über den Beginn, die Dauer und die Einhaltung der Beschwerdefristen möglichst klar und einfach zu handhaben sind. Zudem haben sowohl die Behörden wie auch die Gegenparteien ein Interesse daran, so schnell wie möglich zu wissen, ob der Entscheid weitergezogen oder ob er rechtskräftig wird. Die Bestimmung der Fristen darf deshalb nicht oder nicht allein vom Willen oder Verhalten des Beschwerdeführers abhängen, sondern muss möglichst aufgrund objektiver Kriterien erfolgen (vgl. dazu BGE 113 Ib 90 E. 2b; 85 IV 116). In diesem Sinne hat das Bundesgericht denn auch in konstanter Rechtsprechung entschieden, eine Sendung sei nicht erst dann zugestellt, wenn der Adressat sie tatsächlich in Empfang nehme; es genüge vielmehr, wenn sie sich in seinem Machtbereich befinde und wenn er demzufolge von ihr Kenntnis nehmen könne (BGE 113 Ib 297 E. 2a; BGE 109 Ia 18 E. 4; Urteil des Bundesgerichts vom 8. Dezember 1969, veröffentlicht in Semaine Judiciaire, 1972, S. 56 ff., S. 61; vgl. auch RAYMOND JEANPRETRE, L'expédition et la réception des actes de procédure et des actes juridiques, SJZ 1973, S. 349 f.). Den Interessen des Beschwerdeführers wird dadurch Rechnung getragen, dass nur dann die Annahme einer fiktiven Zustellung zulässig ist, wenn er aufgrund der Umstände
BGE 115 Ia 12 S. 18
einen Entscheid zu erwarten hatte. Zudem kann der Beschwerdeführer ein Gesuch um Wiederherstellung der Frist stellen (vgl. RAYMOND JEANPRETRE, a.a.O., S. 352 f.). Da das Verwaltungsgericht die Grundsätze über die Zustellung von Entscheiden durch eingeschriebenen Brief nicht in völlig unhaltbarer Art und Weise angewendet hat, kann auch nicht gesagt werden, es habe sie mit übertriebener Schärfe gehandhabt. c) Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht weder das Willkürverbot verletzt noch überspitzt formalistisch entschieden hat, wenn es annahm, die (fingierte) Zustellung sei am 22. August 1987 erfolgt und die zwanzigtägige Rekursfrist sei demzufolge grundsätzlich am 11. September 1987 abgelaufen.
4. Die Gemeinde Vaz/Obervaz versuchte, dem Beschwerdeführer ihren Entscheid am 25. August 1987 nochmals mit eingeschriebener Post zuzustellen. Auch diese Sendung kam als nicht abgeholt zurück. Schliesslich schickte die Gemeindekanzlei den Entscheid am 7. September 1987 mit gewöhnlicher Briefpostsendung. Diese Ausfertigung, welche der Beschwerdeführer am 8. September 1987 in Empfang nahm, enthielt folgende Rechtsmittelbelehrung: "Gegen diesen Entscheid kann innert 20 Tagen beim Verwaltungsgericht rekurriert werden." Es stellt sich die Frage, ob damit - wie der Beschwerdeführer sinngemäss geltend macht - ein aus verfassungsrechtlicher Sicht schützenswertes Vertrauen in eine behördliche Auskunft geschaffen wurde. a) Das in Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 115 Ia 12 S. 19
5. wenn die gesetzliche Ordnung seit der Auskunfterteilung keine Änderung erfahren hat (BGE 112 V 119 E. 3a; BGE 111 V 71 E. 4c; BGE 99 Ib 101 E. 4; je mit Hinweisen). In Konkretisierung dieses Grundsatzes ist allgemein anerkannt, dass einer Partei aus einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung kein Nachteil erwachsen darf (BGE 112 Ia 310 E. 3; BGE 106 Ia 16 E. 3a mit Hinweisen; vgl. auch Art. 107 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 38 - Aus mangelhafter Eröffnung darf den Parteien kein Nachteil erwachsen. |
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz VGG Art. 50 - ...67 |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 115 Ia 12 S. 20
eine eingeschriebene Briefpostsendung eingetroffen, nicht erkennen, dass diese vom Gemeindevorstand von Vaz/Obervaz stammte, denn auf den Zetteln wird nur der Aufgabeort, nicht aber der Absender vermerkt. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass der Beschwerdeführer in der fraglichen Zeit von Vaz/Obervaz keine anderen eingeschriebenen Postsendungen erhielt oder zu erwarten hatte, so ginge es doch wohl zu weit, ihm den sonst berechtigten Vertrauensschutz nur deshalb zu verweigern, weil er aufgrund anderer Umstände wusste oder hätte wissen müssen, dass der Gemeindevorstand von Vaz/Obervaz versucht hatte, ihm den Entscheid vom 12. August 1987 zuzustellen. Allein ein solches Wissen ist nicht geeignet, das durch die vorbehaltlose Rechtsmittelbelehrung vom 8. September 1987 begründete Vertrauen zu zerstören, denn es enthält keine Elemente, aufgrund derer die erteilte Auskunft als falsch hätte erkannt werden müssen. Auch die letzte Voraussetzung für die Anwendung des Vertrauensschutzes ist erfüllt: Der Beschwerdeführer hatte im Vertrauen auf die Richtigkeit der Rechtsmittelbelehrung, die ihm am 8. September 1987 mit der Kenntnisnahme des Entscheides vom 12. August 1987 erteilt worden war, gehandelt und seine Eingabe innerhalb der zwanzigtägigen Rekursfrist am 24. September 1987 beim Verwaltungsgericht eingereicht. c) Zusammenfassend ist festzustellen, dass durch die erneute Zustellung des Entscheides vom 12. August 1987, welcher eine vorbehaltlose Rechtsmittelbelehrung enthielt, die Rechtsmittelfrist bis zum 28. September 1987 verlängert worden ist. In diesem Sinne ist die zu absolut formulierte Aussage in BGE 111 V 101 E. 2b zu relativieren: Grundsätzlich beginnt die Rechtsmittelfrist mit Ablauf der siebentägigen Abholfrist; sie kann sich aber gestützt auf den verfassungsmässigen Anspruch auf Vertrauensschutz dann verlängern, wenn noch vor ihrem Ende eine entsprechende vertrauensbegründende Auskunft erteilt wird. Ob dasselbe auch gelten muss, wenn die Auskunft erst nach Ablauf der regulären Rechtsmittelfrist erfolgt, braucht hier nicht entschieden zu werden. d) Gegen dieses Ergebnis lässt sich nicht einwenden, der Beschwerdeführer könne sich deshalb nicht mehr auf ein schützenswertes Vertrauen berufen, weil er es unterlassen habe, dem Gemeindevorstand von Vaz/Obervaz seine Abwesenheit mitzuteilen. Damit würde dem Beschwerdeführer ein Unterlassen zum Vorwurf gemacht, das nicht unmittelbare Ursache dafür gewesen war, dass die vertrauensbegründende Aussage erfolgte. Der Gemeindevorstand
BGE 115 Ia 12 S. 21
von Vaz/Obervaz wusste spätestens dann, als die Sendung zum ersten Mal als "nicht abgeholt" zurückkam, d. h. am 24. August 1987, dass der Beschwerdeführer abwesend war und dass der Entscheid grundsätzlich als zugestellt zu gelten hatte. Wenn er diesen dem Beschwerdeführer trotzdem ohne Vorbehalt bezüglich der darin enthaltenen Rechtsmittelbelehrung noch zweimal zusandte und schliesslich noch innerhalb der regulären Frist am 8. September 1988 zur Kenntnis bringen konnte, so schuf er damit ein berechtigtes Vertrauen, das mit dem vorgängigen Unterlassen des Beschwerdeführers nicht in derart enger Beziehung steht, dass jenes durch dieses zerstört würde.
5. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist die private Beschwerdegegnerin, die Rothornbahn und Scallotas AG, die einen Antrag auf Nichteintreten bzw. auf Abweisung gestellt hat, als unterliegende Partei im Sinne von Art. 156 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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