Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung IV

D-5784/2019

Urteil vom 20. April 2020

Einzelrichterin Daniela Brüschweiler,

Besetzung mit Zustimmung von Richterin Gabriela Freihofer;

Gerichtsschreiber Linus Sonderegger.

A._______, geboren am (...),

Sri Lanka,
Parteien
vertreten durch Gabriel Püntener, Rechtsanwalt,

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM),

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Asyl und Wegweisung (Mehrfachgesuch);
Gegenstand
Verfügung des SEM vom 25. September 2019 / N (...).

Sachverhalt:

A.
Der Beschwerdeführer suchte am 2. Dezember 2015 erstmals in der Schweiz um Asyl nach. Zur Begründung machte er dabei im Wesentlichen geltend, dass er aufgrund seiner Verbindungen zu den Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) in den Fokus der Behörden geraten und mehrmals verhaftet und misshandelt worden sei.

B.
Mit Verfügung vom 23. Mai 2018 stellte das SEM fest, dass der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt, lehnte sein Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug an. Eine gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wurde mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-3780/2018 vom 18. März 2019 abgewiesen.

C.
Mit Eingabe vom 23. Mai 2019 ersuchte er ein weiteres Mal um Asyl und begründete dies mit der angeblich massiven Verschlechterung der Sicherheitslage in Sri Lanka.

D.
Mit Verfügung vom 27. Juni 2019 trat das SEM auf das Mehrfachgesuch nicht ein und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug an. Eine gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wurde mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-3558/2019 vom 30. Juli 2019 abgewiesen, soweit darauf eingetreten wurde.

E.
Am 18. September 2019 reichte der Beschwerdeführer eine als «Neues Asylgesuch» bezeichnete Eingabe beim SEM ein. Darin machte er im Wesentlichen geltend, die LTTE-nahen (...) in der Schweiz hätten sich im Juli 2019 gespalten und die Situation zwischen den hiesigen Tamilen sei extrem angespannt. Es sei davon auszugehen, dass ein Informationsfluss von der Schweiz nach Sri Lanka stattgefunden habe und auch der Beschwerdeführer denunziert worden sei. Sein zukünftiger Schwiegervater sei vor seiner Flucht in die Schweiz Vorsteher des politischen Flügels der LTTE im Gebiet B._______ und Vizeleiter der (...) gewesen, weshalb die Gefahr einer Reflexverfolgung bestehe. Am 19. August 2019 sei ferner Shavendra Silva, ein berüchtigter Kriegsverbrecher, zum neuen sri-lankischen Armeechef ernannt worden und das Militär sei mittlerweile mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet.

Der Beschwerdeführer reichte einen Lagebericht zu Sri Lanka, Fotos und eine Bestätigung des Ehevorbereitungsverfahrens ein.

F.
Mit Verfügung vom 25. September 2019 (Eröffnung am 3. Oktober 2019) lehnte das SEM das Mehrfachgesuch ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug an.

Das SEM begründete seine Verfügung damit, dass das exilpolitische Wirken des Beschwerdeführers mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2019 als sehr niederschwellig bezeichnet worden sei. An dieser Feststellung vermöge die angebliche Spaltung der (...) nichts zu ändern. Beim Vorbringen, er sei denunziert worden, handle es sich um eine blosse Behauptung. Hinsichtlich des Schwiegervaters sei zu bemerken, dass allein die Tatsache, dass Familienangehörige in der Schweiz als Flüchtlinge anerkannt seien, für die Annahme einer Reflexverfolgung nicht ausreiche. Vielmehr müssten dafür zusätzliche Kriterien erfüllt sein. Dies sei vorliegend zu verneinen. Es sei auch nicht absehbar, dass die sri-lankischen Behörden von der Verbindung zum Schwiegervater erfahren sollten. Die Ernennung des neuen Armeechefs sei offensichtlich nicht geeignet, die Flüchtlingseigenschaft zu begründen.

G.
Diese Verfügung focht der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 4. November 2019 beim Bundesverwaltungsgericht an. Er beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Rückweisung der Sache an die Vor-instanz. Eventualiter sei die Flüchtlingseigenschaft festzustellen und dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren. Eventualiter sei die Unzulässigkeit oder Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs festzustellen und eine vorläufige Aufnahme anzuordnen.

Dem Beschwerdeführer sei umgehend der Spruchkörper mitzuteilen und zu bestätigen, ob dieser zufällig ausgewählt worden sei. Andernfalls seien die Kriterien bekannt zu geben, nach welchen die Gerichtspersonen ausgewählt worden seien.

Zur Stützung seiner Beschwerdevorbringen reichte er zahlreiche Beweismittel zur allgemeinen Lage in Sri Lanka zu den Akten.

H.
Mit Zwischenverfügung vom 7. November 2019 wurde dem Beschwerdeführer der Spruchkörper mitgeteilt und ein Kostenvorschuss erhoben.

I.
Am 22. November 2019 ersuchte der Beschwerdeführer um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG und ergänzte seine Beschwerde dahingehend, dass sich aufgrund der Wahl von Gotabaya Rajapaksa zum neuen Präsidenten Sri Lankas eine erhöhte Gefährdung ergebe.

J.
Mit Zwischenverfügung vom 27. November 2019 wurde das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung aufgrund der Aussichtslosigkeit der Beschwerdebegehren abgewiesen und eine Nachfrist zur Begleichung des Kostenvorschusses anberaumt.

K.
Mit Eingaben vom 5. Dezember 2019 und 9. Dezember 2019 (vorab jeweils per Fax) ersuchte der Beschwerdeführer um Wiedererwägung der Zwischenverfügung betreffend die Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Prozessführung.

L.
Mit Zwischenverfügung vom 10. Dezember 2019 hob das Bundesverwaltungsgericht die Zwischenverfügung vom 27. November 2019 wiedererwägungsweise auf und hiess das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gut.

Der bereits geleistete Kostenvorschuss wurde dem Beschwerdeführer zurückerstattet.

M.
Am 22. Januar 2020 und 28. Januar 2020 (vorab jeweils per Fax) ersuchte der Beschwerdeführer um Bestätigung, dass er den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten könne. Er benötige diese, da das kantonale Migrationsamt behaupte, er halte sich illegal in der Schweiz auf.

N.
Am 3. Februar 2020 (vorab per Fax) ersuchte er erneut um Bestätigung, dass er den Beschwerdeentscheid in der Schweiz abwarten könne. Ferner ersuchte er um Zustellung des Aktenverzeichnisses, aus welchem sich ergebe, welche Kontakte in dieser Sache bereits existieren würden, da nicht nachvollziehbar sei, weshalb diese eigentlich klare Bestätigung nicht sofort habe ausgestellt werden können. Zudem sei darzulegen, weswegen sich die Ausstellung verzögert habe.

O.
Mit Schreiben vom 4. Februar 2020 teilte das Gericht dem Beschwerdeführer respektive seinem Rechtsvertreter mit, dass es keinen Anlass gebe, in einer Verfügung die Rechtslage, welche sich eindeutig aus dem Gesetz ergebe, zu bestätigen. Hinsichtlich der in den Schreiben erwähnten Verfügungen kantonaler Migrationsbehörden, welche er für unrechtmässig erachte, verwies das Gericht auf den entsprechenden Rechtsweg, zumal diese Verfügungen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.

Dem Beschwerdeführer wurde eine Kopie des Aktenverzeichnisses zugestellt.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - wie auch vorliegend - endgültig (vgl. Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG [SR 142.31]). Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 VwVG). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 108 Abs. 6 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG) ist, vorbehältlich nachfolgender Einschränkung, einzutreten.

1.2 Auf den Antrag auf Mitteilung betreffend die Bildung des Spruchkörpers ist nicht einzutreten (vgl. Teilurteil des BVGer D-1549/2017 vom 2. Mai 2018 E. 4).

2.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

3.
Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich um eine solche, weshalb das Urteil nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).

4.
Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.

5.

5.1 In der Beschwerde werden formelle Rügen erhoben. Diese sind vorab zu beurteilen, da sie allenfalls geeignet wären, eine Kassation der vorin-stanzlichen Verfügung zu bewirken.

5.2 Der Beschwerdeführer moniert, das SEM habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es ihn trotz entsprechendem Antrag nicht erneut angehört und die Akten der Familie der künftigen Ehefrau nicht beigezogen habe. Ferner habe es die Begründungspflicht verletzt, indem die familiären Beziehungen zu einem ehemaligen LTTE-Kadermitglied (Schwiegervater) nicht sorgfältig und nachvollziehbar gewürdigt worden seien. Das SEM habe schliesslich auch den Sachverhalt mangelhaft feststellt, indem die familiären Verbindungen, die behördliche Registrierung, die Gefährdungslage wegen seiner Vergangenheit und der Herkunft aus dem Vanni-Gebiet sowie das exilpolitische Engagement nicht hinreichend abgeklärt worden seien und die aktuelle Situation in Sri Lanka, die zu einer erhöhten Gefährdung führe, verkannt werde.

5.3 Vorliegend ist weder auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl. BVGE 2015/10 E. 3.3, BVGE 2016/9 E. 5.1) noch auf eine unrichtige oder unvollständige Sachverhaltsfeststellung (vgl. BVGE 2016/2 E. 4.3) zu schliessen.

5.4 Die Vorinstanz war nicht verpflichtet, den Beschwerdeführer erneut anzuhören (vgl. Art. 111c AsylG). Mit der Einreichung eines schriftlichen Asylgesuchs wird das rechtliche Gehör in der Regel wahrgenommen (vgl. BVGE 2009/53 E. 5). Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer konnte seine neuen Vorbringen im Gesuch und in der Beschwerdeschrift ausführlich darlegen.

5.5 Eine Pflicht, die Akten der künftigen Ehefrau und deren Familie beizuziehen, bestand ebenfalls nicht, da der Sachverhalt - der im Übrigen hinreichend und richtig festgestellt wurde - liquid ist.

5.6 Ferner ist das SEM der Begründungspflicht nachgekommen, indem dargelegt wurde, weshalb es die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers bei der aktuellen Lage verneint und eine Rückkehr des Beschwerdeführers für zulässig und zumutbar erachtet. Allein der Umstand, dass die Vorinstanz in ihrer Länderpraxis zu Sri Lanka einer anderen Linie folgt als vom Beschwerdeführer vertreten, und sie aus sachlichen Gründen zu einer anderen Würdigung der Vorbringen (inklusive Risikoanalyse) gelangt, spricht weder für eine Verletzung der Begründungspflicht noch für eine ungenügende Sachverhaltsfeststellung. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Frage der materiellen Beurteilung.

6.

Die Beweisanträge (erneute Anhörung, Beizug der Akten der Familie der Ehefrau, Offenlegung der Quellen, auf welche das SEM seine Lagebeurteilung stützt) sind abzuweisen, da der Sachverhalt liquid ist. Ebenfalls abzuweisen ist der Antrag in der Eingabe vom 5. Dezember 2019, wonach abzuklären sei, ob bei der Entführung einer schweizerischen Botschaftsmitarbeiterin am 25. November 2019 Daten des Beschwerdeführers erpresst worden seien, zumal eine Verbindung des Beschwerdeführers zu dieser Botschaftsmitarbeiterin nicht substanziiert dargelegt worden ist.

7.

7.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).

7.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

7.3 Das Bundesverwaltungsgericht hat im Referenzurteil E-1866/2015 vom 15. Juli 2016 festgestellt, dass Angehörige der tamilischen Ethnie bei einer Rückkehr nach Sri Lanka nicht generell einer ernstzunehmenden Gefahr von Verhaftung und Folter ausgesetzt sind. Vielmehr ist anhand bestimmter Risikofaktoren eine individuelle Prüfung vorzunehmen. Der Beschwerdeführer macht in seinem neuen Asylgesuch geltend, dass diesen Risikofaktoren aufgrund aktueller Entwicklungen eine erhöhte Geltung zukommen müsse respektive die Schwelle für die Annahme einer Gefährdung zu senken sei.

Dieser Einwand ist unbegründet. Die Lageeinschätzung im Referenzurteil E-1866/2015 ist vielmehr auch im Lichte aktueller Entwicklungen in Sri Lanka weiterhin gültig. Am 16. November 2019 wurde Gotabaya Rajapaksa zum neuen Präsidenten Sri Lankas gewählt (vgl. Neue Zürcher Zeitung [NZZ], In Sri Lanka kehrt der Rajapaksa-Clan an die Macht zurück, 17.11.2019; www.theguardian.com/world/2019/nov/17/sri-lanka-presidential-candidate-rajapaksa-premadas-count-continues, abgerufen am 6. April 2020). Gotabaya Rajapaksa war unter seinem älteren Bruder, dem ehemaligen Präsidenten Mahinda Rajapaksa, der von 2005 bis 2015 an der Macht war, Verteidigungssekretär. Er wurde angeklagt, zahlreiche Verbrechen gegen Journalistinnen und Journalisten sowie Aktivisten begangen zu haben. Zudem wird er von Beobachtern für Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht; er bestreitet die Anschuldigungen (vgl. Human Rights Watch: World Report 2020 - Sri Lanka, 14.1.2020). Kurz nach der Wahl ernannte der neue Präsident seinen Bruder Mahinda zum Premierminister und band einen weiteren Bruder, Chamal Rajapaksa, in die Regierung ein; die drei Brüder Gotabaya, Mahinda und Chamal Rajapaksa kontrollieren im neuen Regierungskabinett zusammen zahlreiche Regierungsabteilungen oder -institutionen (vgl. www.aninews.in/news/world/asia/sri-lanka-35-including-presidents-brother-chamal-rajapksa-sworn-in-as-ministers-of-state20191127174753, abgerufen am 6. April 2020). Beobachter und ethnische respektive religiöse Minderheiten befürchten insbesondere mehr Repression und die vermehrte Überwachung von Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten, Journalistinnen und Journalisten, Oppositionellen und regierungskritischen Personen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe [SFH]: Regierungswechsel weckt Ängste bei Minderheiten, 21.11.2019). Anfang März 2020 löste Gotabaya Rajapaksa das Parlament vorzeitig auf und kündigte Neuwahlen an (vgl. NZZ, Sri Lankas Präsident löst das Parlament auf, 3.3.2020).

Das Bundesverwaltungsgericht ist sich dieser Veränderungen in Sri Lanka bewusst. Es beobachtet die Entwicklungen aufmerksam und berücksichtigt diese bei seiner Entscheidfindung. Zwar ist beim derzeitigen Kenntnisstand durchaus von einer möglichen Akzentuierung der Gefährdungslage auszugehen, der Personen mit einem bestimmten Risikoprofil ausgesetzt sind beziehungsweise bereits vorher ausgesetzt waren (vgl. Referenzurteil des Bundesverwaltungsgerichts E-1866/2015 vom 15. Juli 2016, HRW, Sri Lanka: Families of "Disappeared" Threatened, 16.02.2020). Dennoch gibt es zum heutigen Zeitpunkt keinen Grund zur Annahme, dass seit dem Machtwechsel in Sri Lanka ganze Bevölkerungsgruppen kollektiv einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt wären. Unter diesen Umständen ist im Einzelfall zu prüfen, ob ein persönlicher Bezug der asylsuchenden Personen zur Präsidentschaftswahl vom 16. November 2019 respektive deren Folgen besteht. Dies ist vorliegend zu verneinen.

Mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-3780/2018 vom 18. März 2019 wurde ferner festgestellt, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Engagements im (...)-Verein nicht gefährdet ist. Eine angebliche Spaltung der Szene vermag diese Feststellung nicht zu ändern.

Ferner ergibt sich aus der Verbindung zum Schwiegervater keine derart markante Schärfung des Profils, welche zur Annahme einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr führen würde. Gegen eine solche Gefährdung spricht bereits der Umstand, dass der Beschwerdeführer diese angebliche Verfolgungsgefahr aufgrund der familiären Verbindung in seinem ersten Mehrfachgesuch ohne nachvollziehbaren Grund noch mit keinem Wort erwähnte.

7.4 Zusammenfassend hat der Beschwerdeführer nichts vorgebracht, was geeignet wäre, seine Flüchtlingseigenschaft nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen. Die Vorinstanz hat sein Asylgesuch zu Recht abgelehnt.

8.

8.1 Lehnt das SEM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).

8.2 Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).

9.

9.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG [SR 142.20]).

Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz (insbesondere Art. 5 Abs. 1 AsylG, Art. 33 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30], Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe [FoK, SR 0.105] und Art. 3 EMRK) einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AlG). Gemäss Art. 83 Abs. 4 AlG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AlG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren. Der Vollzug ist schliesslich nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimat- oder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann (Art. 83 Abs. 2 AlG).

Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).

9.2 Es sind keine völkerrechtlichen Vollzugshindernisse erkennbar. Gemäss Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lassen weder die Zugehörigkeit zur tamilischen Ethnie noch die allgemeine Menschenrechtssituation in Sri Lanka den Wegweisungsvollzug als unzulässig erscheinen (vgl. Referenzurteil E-1866/2015 E. 12.2 f.). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat zudem wiederholt festgestellt, dass nicht generell davon auszugehen sei, zurückkehrenden Tamilen drohe in Sri Lanka eine unmenschliche Behandlung. Eine Risikoeinschätzung müsse im Einzelfall vorgenommen werden (vgl. Urteil des EGMR R.J. gegen Frankreich vom 19. September 2013, Nr. 10466/11; Rechtsprechung zuletzt bestätigt in J.G. gegen Polen vom 11. Juli 2017, Nr. 44114/14). Aus den Akten ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Sri Lanka mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Massnahmen zu befürchten hätte, die über einen so genannten "Background Check" (Befragung und Überprüfung von Tätigkeiten im In- und Ausland) hinausgehen würden, oder dass er persönlich gefährdet wäre. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der jüngsten politischen Entwicklungen in Sri Lanka sowie des Vorbringens auf Beschwerdeebene, es sei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass nach einer Entführung einer Angestellten der schweizerischen Botschaft in Sri Lanka am 25. November 2019 zwischen der sri-lankischen und der schweizerischen Regierung eine diplomatische Krise ausgebrochen sei. Wie bereits erwähnt, besteht keinerlei Grund zur Annahme, die allgemeinen politischen Entwicklungen in Sri Lanka könnten sich zum heutigen Zeitpunkt auf den Beschwerdeführer auswirken. Dies gilt auch im Hinblick auf die erwähnten diplomatischen Unstimmigkeiten. Der Vollzug er Wegweisung ist folglich zulässig.

9.3 Aktuell herrscht in Sri Lanka weder Krieg noch eine Situation allgemeiner Gewalt. Der Wegweisungsvollzug in die Nordprovinz Sri Lankas ist zumutbar, wenn das Vorliegen der individuellen Zumutbarkeitskriterien (insbesondere Existenz eines tragfähigen familiären oder sozialen Beziehungsnetzes sowie Aussichten auf eine gesicherte Einkommens- und Wohnsituation) bejaht werden kann (vgl. Urteil des BVGer E-1866/2015 E. 13.2). An dieser Einschätzung ist auch unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen in Sri Lanka festzuhalten. Das SEM hat vorliegend richtig festgestellt, auf individueller Ebene seien keine neuen Tatsachen erkennbar, die gegen den Vollzug der Wegweisung sprechen würden. Es kann vollumfänglich auf die entsprechenden Erwägungen in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts D-3780/2018 vom 18. März 2019 und D-3558/2019 vom 30. Juli 2019 verwiesen werden.

10.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und - soweit diesbezüglich überprüfbar - angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

11.
Hinsichtlich der am (...) 2020 erfolgten Heirat des Beschwerdeführers ergeht der Hinweis, etwaige Ansprüche gestützt auf die Ehe respektive den Schutz des Familienlebens bei den zuständigen Behörden geltend zu machen.

12.

12.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da ihm jedoch mit Zwischenverfügung vom 10. Dezember 2019 die unentgeltliche Prozessführung gewährt wurde, sind ihm keine Verfahrenskosten aufzuerlegen.

12.2 Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers stellte im vorliegenden Fall zum wiederholten Mal ein Rechtsbegehren, über das bereits in anderen Verfahren mehrfach befunden wurde (Bestätigung der Zufälligkeit beziehungsweise Offenlegung der objektiven Kriterien der Zusammensetzung des Spruchkörpers). Somit sind ihm in diesem Zusammenhang unnötig verursachte Kosten persönlich aufzuerlegen und auf Fr. 100.- festzusetzen (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 66 Abs. 3 BGG; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 5D_56/2018 vom 18. Juli 2018 E. 6; Urteil des BVGer E-5142/2018 vom 13. November 2018 E. 6.1).

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2.
Dem Beschwerdeführer werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

3.
Rechtsanwalt Gabriel Püntener werden Verfahrenskosten von Fr. 100.- persönlich auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.

4.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Die Einzelrichterin: Der Gerichtsschreiber:

Daniela Brüschweiler Linus Sonderegger

Versand:
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : D-5784/2019
Date : 20 avril 2020
Publié : 26 juin 2020
Source : Tribunal administratif fédéral
Statut : Non publié
Domaine : Asile
Objet : Asyl und Wegweisung (Mehrfachgesuch/Wiedererwägung); Verfügung des SEM vom 25. September 2019


Répertoire des lois
CEDH: 3
Cst: 25
LAsi: 2  3  5  6  7  44  105  106  108  111  111a  111c
LEtr: 83
LTAF: 31
LTF: 66  83
PA: 5  48  49  52  63  65
conv Réfugiés: 33
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