Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BP.2009.14 (Hauptverfahren: BB.2009.18)

Verfügung vom 19. Februar 2009 Präsident der I. Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Alex Staub i. V. des Präsidenten, Gerichtsschreiberin Tanja Inniger

Parteien

A., amtlich vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Jüsi,

Gesuchsteller

gegen

Bundesanwaltschaft,

Gesuchsgegnerin

Gegenstand

aufschiebende Wirkung (Art. 218 BStP)

Der Präsident der I. Beschwerdekammer hält fest, dass

- die Bundesanwaltschaft gegen A. ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Finanzierung des Terrorismus (Art. 260quinquies
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 260quinquies - 1 Wer in der Absicht, ein Gewaltverbrechen zu finanzieren, mit dem die Bevölkerung eingeschüchtert oder ein Staat oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen genötigt werden soll, Vermögenswerte sammelt oder zur Verfügung stellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in der Absicht, ein Gewaltverbrechen zu finanzieren, mit dem die Bevölkerung eingeschüchtert oder ein Staat oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen genötigt werden soll, Vermögenswerte sammelt oder zur Verfügung stellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Nimmt der Täter die Möglichkeit der Terrorismusfinanzierung lediglich in Kauf, so macht er sich nach dieser Bestimmung nicht strafbar.
3    Die Tat gilt nicht als Finanzierung einer terroristischen Straftat, wenn sie auf die Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung oder Wahrung von Menschenrechten gerichtet ist.
4    Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn mit der Finanzierung Handlungen unterstützt werden sollen, die nicht im Widerspruch mit den in bewaffneten Konflikten anwendbaren Regeln des Völkerrechts stehen.
StGB), der Erpressung (Art. 156
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 156 - 1. Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selber oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selber oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig oder erpresst er die gleiche Person fortgesetzt, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.211
3    Wendet der Täter gegen eine Person Gewalt an oder bedroht er sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben, so richtet sich die Strafe nach Artikel 140.
4    Droht der Täter mit einer Gefahr für Leib und Leben vieler Menschen oder mit schwerer Schädigung von Sachen, an denen ein hohes öffentliches Interesse besteht, so wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr212 bestraft.
StGB), der Nötigung (Art. 181
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB) und der Beteiligung an bzw. Unterstützung einer kriminellen Organisation (Art. 260ter
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 260ter - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
1    Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  sich an einer Organisation beteiligt, die den Zweck verfolgt:
a1  Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen Mitteln zu bereichern, oder
a2  Gewaltverbrechen zu begehen, mit denen die Bevölkerung eingeschüchtert oder ein Staat oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen genötigt werden soll; oder
b  eine solche Organisation in ihrer Tätigkeit unterstützt.
2    Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung auf humanitäre Dienste, die von einer unparteiischen humanitären Organisation, wie dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, in Übereinstimmung mit dem gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Abkommen vom 12. August 1949328 erbracht werden.
3    Übt der Täter einen bestimmenden Einfluss in der Organisation aus, so wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.
4    Das Gericht kann die Strafe mildern (Art. 48a), wenn der Täter sich bemüht, die weitere Tätigkeit der Organisation zu verhindern.
5    Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn die Organisation ihre verbrecherische Tätigkeit ganz oder teilweise in der Schweiz ausübt oder auszuüben beabsichtigt. Artikel 7 Absätze 4 und 5 sind anwendbar.
StGB) führt;

- anlässlich der Einvernahme vom 23. Januar 2009 der Verteidiger von A. unter Hinweis auf die Möglichkeit einer zusätzlichen Gefährdung den Antrag stellte, es sei in Anbetracht des hängigen Asylgesuchs in der Schweiz von einer Kontaktaufnahme mit den türkischen Behörden abzusehen und es seien die notwendigen Abklärungen via Botschaft (in analoger Vorgehensweise wie beim Bundesamt für Migration) zu tätigen;

- die Bundesanwaltschaft diesen Antrag mit Verfügung vom 16. Februar 2009 abwies, soweit darauf eingetreten werden könne (BB.2009.18, act. 1.1);

- A. gegen diese Verfügung mit Eingabe vom 17. Februar 2009 Beschwerde bei der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts erhob und mitunter um Gewährung der aufschiebenden Wirkung ersuchte (act. 1).

Der Präsident der I. Beschwerdekammer zieht in Erwägung, dass

- die aufschiebende Wirkung von der I. Beschwerdekammer oder ihrem Präsidenten angeordnet werden kann (Art. 218 BStP);

- die Erteilung der aufschiebenden Wirkung zur Folge hat, dass der Vollzug der angefochtenen Verfügung gehemmt wird (Bösch, Die Anklagekammer des Schweizerischen Bundesgerichts [Aufgaben und Verfahren], Diss. Zürich 1978, S. 87);

- es sich beim vorliegenden Anfechtungsobjekt um die Verfügung der Bundesanwaltschaft vom 16. Februar 2009 (BB.2009.18, act. 1.1) handelt, sodass die Erteilung der aufschiebenden Wirkung schliesslich die Kontaktaufnahme der Bundesanwaltschaft mit den türkischen Behörden im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens vorläufig hemmen würde;

- die Gewährung des Suspensiveffektes in der Regel von den konkreten Umständen und einer Abwägung der widerstreitenden Interessen abhängt (vgl. BGE 107 Ia 269 E. 1 S. 270) und der Vollzug der angefochtenen Verfügung nicht aufgeschoben werden darf, wenn damit der Zweck der Untersuchung bzw. der mit der Massnahme angestrebte Zweck gefährdet oder vereitelt würde (vgl. Guidon/Wüthrich, Zur Praxis bei Beschwerden gegen das Bundesstrafgericht, plädoyer 4/2005, S. 34 ff., 39 f.; Bösch, a.a.O., S. 87);

- der Gesuchsteller sein Gesuch um aufschiebende Wirkung damit begründet, dass er in seinem erstinstanzlich hängigen Asylverfahren bereits eine politisch motivierte Verfolgung durch den türkischen Staat geltend gemacht habe und aufgrund eines Rechtshilfeersuchens an die türkischen Justizbehörden diese sogar davon ausgehen könnten, er sei ein Mitglied der PKK, was eine zusätzliche Gefährdung im Sinne von Folter und weiteren unmenschlichen Behandlungsmethoden für ihn wie auch für seine Familienangehörigen in der Türkei zur Folge hätte (act. 1, S. 4/5);

- die Gesuchsgegnerin bereits in der angefochtenen Verfügung bekundet, die Kontaktaufnahme mit den türkischen Behörden sei zwingend notwendig zur Klärung des rechtsrelevanten Sachverhaltes, da das Vorleben sowie Erkenntnisse zu allfälligen weiteren, strafrechtlich relevanten Vorfällen im Zusammenhang mit dem Gesuchsteller nicht auf andere Weise erhältlich gemacht werden könnten, sowie zwecks Erhalt gerichtsverwertbaren Beweismaterials (BB.2009.18, act. 1.1, S. 2);

- die Nichtgewährung der aufschiebenden Wirkung bzw. die Kontaktaufnahme mit den türkischen Justizbehörden mittels Rechtshilfeersuchen und damit der Informationsaustausch im Falle der Gutheissung der Beschwerde im Hauptverfahren einen schwerwiegenden, nicht wieder gut zu machenden Nachteil für den Gesuchsteller bedeuten könnte;

- durch die Suspensivwirkung die Einholung der gewünschten Informationen bzw. des Beweismaterials nicht gefährdet oder vereitelt wird, zumal im Falle der Abweisung der Beschwerde im Hauptverfahren noch später ein Rechtshilfeersuchen gestellt werden kann;

- das Gesuch um aufschiebende Wirkung demnach gutzuheissen ist, womit der Vollzug der angefochtenen Verfügung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens gehemmt wird;

- die Kosten der vorliegenden Verfügung bei der Hauptsache bleiben;

und erkennt:

1. Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wird gutgeheissen und der Beschwerde vom 17. Februar 2009 wird die aufschiebende Wirkung erteilt.

2. Die Kosten der vorliegenden Verfügung werden mit der Hauptsache verlegt.

Bellinzona, 20. Februar 2009

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

i.V. Alex Staub, Bundesstrafrichter i.V. Tito Ponti, Bundesstrafrichter

Zustellung an

- Rechtsanwalt Bernhard Jüsi

- Bundesanwaltschaft

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diese Verfügung ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : BP.2009.14
Datum : 19. Februar 2009
Publiziert : 01. Juni 2009
Quelle : Bundesstrafgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Beschwerdekammer: Strafverfahren
Gegenstand : aufschiebende Wirkung (Art. 218 BStP)


Gesetzesregister
BStP: 218
StGB: 156 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 156 - 1. Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selber oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selber oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig oder erpresst er die gleiche Person fortgesetzt, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.211
3    Wendet der Täter gegen eine Person Gewalt an oder bedroht er sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben, so richtet sich die Strafe nach Artikel 140.
4    Droht der Täter mit einer Gefahr für Leib und Leben vieler Menschen oder mit schwerer Schädigung von Sachen, an denen ein hohes öffentliches Interesse besteht, so wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr212 bestraft.
181 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 181 - Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
260quinquies 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 260quinquies - 1 Wer in der Absicht, ein Gewaltverbrechen zu finanzieren, mit dem die Bevölkerung eingeschüchtert oder ein Staat oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen genötigt werden soll, Vermögenswerte sammelt oder zur Verfügung stellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in der Absicht, ein Gewaltverbrechen zu finanzieren, mit dem die Bevölkerung eingeschüchtert oder ein Staat oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen genötigt werden soll, Vermögenswerte sammelt oder zur Verfügung stellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Nimmt der Täter die Möglichkeit der Terrorismusfinanzierung lediglich in Kauf, so macht er sich nach dieser Bestimmung nicht strafbar.
3    Die Tat gilt nicht als Finanzierung einer terroristischen Straftat, wenn sie auf die Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung oder Wahrung von Menschenrechten gerichtet ist.
4    Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn mit der Finanzierung Handlungen unterstützt werden sollen, die nicht im Widerspruch mit den in bewaffneten Konflikten anwendbaren Regeln des Völkerrechts stehen.
260ter
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 260ter - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
1    Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  sich an einer Organisation beteiligt, die den Zweck verfolgt:
a1  Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen Mitteln zu bereichern, oder
a2  Gewaltverbrechen zu begehen, mit denen die Bevölkerung eingeschüchtert oder ein Staat oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen genötigt werden soll; oder
b  eine solche Organisation in ihrer Tätigkeit unterstützt.
2    Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung auf humanitäre Dienste, die von einer unparteiischen humanitären Organisation, wie dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, in Übereinstimmung mit dem gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Abkommen vom 12. August 1949328 erbracht werden.
3    Übt der Täter einen bestimmenden Einfluss in der Organisation aus, so wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.
4    Das Gericht kann die Strafe mildern (Art. 48a), wenn der Täter sich bemüht, die weitere Tätigkeit der Organisation zu verhindern.
5    Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn die Organisation ihre verbrecherische Tätigkeit ganz oder teilweise in der Schweiz ausübt oder auszuüben beabsichtigt. Artikel 7 Absätze 4 und 5 sind anwendbar.
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107-IA-269
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