Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas

Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts

Prozess
{T 7}
I 791/03

Urteil vom 18. März 2005
I. Kammer

Besetzung
Präsident Borella, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger, Ursprung und Kernen; Gerichtsschreiber Hadorn

Parteien
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, Beschwerdeführerin,

gegen

S.________, 1947, Beschwerdegegnerin

Vorinstanz
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

(Entscheid vom 1. Dezember 2003)

Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 4. Mai 2000 sprach die IV-Stelle des Kantons St. Gallen S.________ (geb. 1947) eine ganze IV-Rente ab 1. Oktober 1999 zu. Mit Schreiben vom 28. Juli 2003 eröffnete ihr die Ausgleichskasse SPIDA die Verfügung der IV-Stelle, wonach sich ihr Invaliditätsgrad von 90% auf 50% vermindert habe. Da sie jedoch verwitwet sei und somit Anspruch auf eine Witwenrente habe, ergebe sich keine Änderung im Rentenbetrag, weshalb weiterhin Anspruch auf eine ganze Invalidenrente bestehe. Auf die hiegegen gerichtete Einsprache trat die IV-Stelle mangels schutzwürdigem Interesse mit Entscheid vom 14. Oktober 2003 nicht ein.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 1. Dezember 2003 gut. Es wies die Sache an die IV-Stelle zurück, damit sie die Einsprache materiell behandle.
C.
Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben.

Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während S.________ und das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichten.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Versicherte ein schutzwürdiges Interesse an der materiellen Prüfung ihrer Einsprache hat und die IV-Stelle demnach auf diese hätte eintreten müssen.
2.
2.1 Das Rechtsschutzinteresse als Eintretensvoraussetzung für das Einspracheverfahren ist zwar im ATSG nicht erwähnt. Hingegen wird es in Art. 59
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 59 Legitimation - Zur Beschwerde ist berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung oder den Einspracheentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat.
ATSG für das Beschwerdeverfahren ausdrücklich als Legitimationserfordernis genannt. Sodann verlangt Art. 49 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 49 Verfügung - 1 Über Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die erheblich sind oder mit denen die betroffene Person nicht einverstanden ist, hat der Versicherungsträger schriftlich Verfügungen zu erlassen.
1    Über Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die erheblich sind oder mit denen die betroffene Person nicht einverstanden ist, hat der Versicherungsträger schriftlich Verfügungen zu erlassen.
2    Dem Begehren um Erlass einer Feststellungsverfügung ist zu entsprechen, wenn die gesuchstellende Person ein schützenswertes Interesse glaubhaft macht.
3    Die Verfügungen werden mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Sie sind zu begründen, wenn sie den Begehren der Parteien nicht voll entsprechen. Aus einer mangelhaften Eröffnung einer Verfügung darf der betroffenen Person kein Nachteil erwachsen.
4    Erlässt ein Versicherungsträger eine Verfügung, welche die Leistungspflicht eines anderen Trägers berührt, so hat er auch ihm die Verfügung zu eröffnen. Dieser kann die gleichen Rechtsmittel ergreifen wie die versicherte Person.
5    Der Versicherungsträger kann in seiner Verfügung einer Einsprache oder Beschwerde die aufschiebende Wirkung entziehen, auch wenn die Verfügung eine Geldleistung zum Gegenstand hat. Ausgenommen sind Verfügungen über die Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen.40
ATSG für den Erlass einer Feststellungsverfügung (somit für einen noch vor dem Einspracheverfahren liegenden Zeitpunkt), dass ein schutzwürdiges Interesse glaubhaft gemacht wird. Subsidiär ist auf Art. 48 lit. a
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 48 - 1 Zur Beschwerde ist berechtigt, wer:
1    Zur Beschwerde ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat;
b  durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist; und
c  ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat.
2    Zur Beschwerde berechtigt sind ferner Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt.
VwVG zu verweisen, welcher fast gleich lautet wie Art. 59
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 59 Legitimation - Zur Beschwerde ist berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung oder den Einspracheentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat.
ATSG und über Art. 55 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 55 Besondere Verfahrensregeln - 1 In den Artikeln 27-54 oder in den Einzelgesetzen nicht abschliessend geregelte Verfahrensbereiche bestimmen sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196844.
1    In den Artikeln 27-54 oder in den Einzelgesetzen nicht abschliessend geregelte Verfahrensbereiche bestimmen sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196844.
1bis    Der Bundesrat kann vorsehen, dass die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 über den elektronischen Verkehr mit Behörden auch für Verfahren nach diesem Gesetz gelten.45
2    Das Verfahren vor einer Bundesbehörde richtet sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 1968, ausser wenn sie über sozialversicherungsrechtliche Leistungen, Forderungen und Anordnungen entscheidet.
ATSG sinngemäss als ergänzende Vorschrift beigezogen werden kann (Kieser, ATSG-Kommentar, Rz 1 und 2 zu Art. 59). Daraus, dass das Rechtsschutzinteresse im Zusammenhang mit der Einsprache nicht eigens geregelt wird, darf nicht gefolgert werden, ein solches sei für eine materielle Prüfung der Einsprache nicht erforderlich. Denn das Rechtsschutzinteresse wird allgemein im gesamten Verwaltungsverfahrensrecht gleich verstanden (Kieser, a.a.O., Rz 4 zu Art. 59; ferner Rz 43 zu Art. 61
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 61 Verfahrensregeln - Das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht bestimmt sich unter Vorbehalt von Artikel 1 Absatz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196846 nach kantonalem Recht. Es hat folgenden Anforderungen zu genügen:
a  Das Verfahren muss einfach, rasch und in der Regel öffentlich sein.
b  Die Beschwerde muss eine gedrängte Darstellung des Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt sie diesen Anforderungen nicht, so setzt das Versicherungsgericht der Beschwerde führenden Person eine angemessene Frist zur Verbesserung und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten wird.
c  Das Versicherungsgericht stellt unter Mitwirkung der Parteien die für den Entscheid erheblichen Tatsachen fest; es erhebt die notwendigen Beweise und ist in der Beweiswürdigung frei.
d  Das Versicherungsgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden. Es kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid zu Ungunsten der Beschwerde führenden Person ändern oder dieser mehr zusprechen, als sie verlangt hat, wobei den Parteien vorher Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zum Rückzug der Beschwerde zu geben ist.
e  Rechtfertigen es die Umstände, so können die Parteien zur Verhandlung vorgeladen werden.
f  Das Recht, sich verbeiständen zu lassen, muss gewährleistet sein. Wo die Verhältnisse es rechtfertigen, wird der Beschwerde führenden Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt.
fbis  Bei Streitigkeiten über Leistungen ist das Verfahren kostenpflichtig, wenn dies im jeweiligen Einzelgesetz vorgesehen ist; sieht das Einzelgesetz keine Kostenpflicht bei solchen Streitigkeiten vor, so kann das Gericht einer Partei, die sich mutwillig oder leichtsinnig verhält, Gerichtskosten auferlegen.
g  Die obsiegende Beschwerde führende Person hat Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen.
h  Die Entscheide werden, versehen mit einer Begründung und einer Rechtsmittelbelehrung sowie mit den Namen der Mitglieder des Versicherungsgerichts schriftlich eröffnet.
i  Die Revision von Entscheiden wegen Entdeckung neuer Tatsachen oder Beweismittel oder wegen Einwirkung durch Verbrechen oder Vergehen muss gewährleistet sein.
und Rz 17 zu Art. 62
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 62 Bundesgericht - 1 Gegen Entscheide der kantonalen Versicherungsgerichte kann nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200550 beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden.
1    Gegen Entscheide der kantonalen Versicherungsgerichte kann nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200550 beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden.
1bis    Der Bundesrat regelt das Beschwerderecht der Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen vor dem Bundesgericht.
2    Für die Vollstreckbarkeit der vorinstanzlichen Beschwerdeentscheide ist Artikel 54 sinngemäss anwendbar.
). Daher ist Art. 59
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 59 Legitimation - Zur Beschwerde ist berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung oder den Einspracheentscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat.
ATSG im Einspracheverfahren sinngemäss anzuwenden (Kieser, a.a.O., Rz 2 zu Art. 59). Zudem hat das Eidgenössische Versicherungsgericht in BGE 130 V 563 Erw. 3.2
festgehalten, dass die Legitimationsvoraussetzungen für die Einsprache - wozu das Rechtsschutzinteresse gehört - gleich zu bestimmen sind wie im kantonalen Beschwerdeverfahren. Der Begriff des Rechtsschutzinteresses ist gleich auszulegen wie für das bundesrechtliche Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren (vgl. auch BGE 130 V 390 f. Erw. 2.2 und 2.3). Demnach ist auch im vorliegenden Fall nach den allgemeinen Regeln zu prüfen, ob die Beschwerdegegnerin ein rechtsschutzwürdiges Interesse an der materiellen Beurteilung ihrer Einsprache hat.
2.2 Die Vorinstanz erwog, es gehöre zur umfassenden Prüfungspflicht der IV-Stelle, unter anderem auch der Frage einer allfälligen reformatio in peius nachzugehen. Daher müsse sie die Einsprache selbst dann materiell behandeln, wenn ein höherer Invaliditätsgrad als 50% keine Änderung am Ergebnis bewirken würde. Sollte sich nämlich erweisen, dass der Invaliditätsgrad auf weniger als 50% festzusetzen sei, würde an Stelle der bisherigen Invalidenrente die Witwenrente wieder aufleben. Zudem sei die Versicherte auf eine exakte Bemessung des Invaliditätsgrades angewiesen, um ihre Ansprüche gegen die berufliche Vorsorgeeinrichtung geltend machen zu können. Selbst wenn diese gemäss der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht an die Feststellungen der Invalidenversicherungsorgane gebunden sein sollte, sei es erfahrungsgemäss äusserst schwierig, den Beweis darüber zu führen, dass die Invaliditätsbemessung der IV-Stelle unhaltbar sei.
2.3 Nach der Rechtsprechung ist der im IV-Verfahren im Zusammenhang mit einer Härtefallrente ermittelte Invaliditätsgrad für die berufsvorsorgliche Invalidenrente nicht präjudizierend (BGE 118 V 40 Erw. 2b/aa und 43 Erw. 3b, 115 V 212 Erw. 2c und 220 Erw. 4c; Urteile O. vom 11. September 2002, I 185/00, und B. vom 28. September 1998, I 164/98). Dies gilt umso mehr dann, wenn die Invalidenversicherung den Invaliditätsgrad nur in einem groben Massstab festgelegt hat, indem sie sich mit der Feststellung begnügte, ob der für die Zusprechung einer halben Härtefallrente vorausgesetzte Invaliditätsgrad von mindestens 40% und weniger als 66 2/3% oder aber ein höherer, zu einer ganzen Rente berechtigender Invaliditätsgrad vorlag (Art. 28 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 28 Grundsatz - 1 Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die:
1    Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die:
a  ihre Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wieder herstellen, erhalten oder verbessern können;
b  während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 Prozent arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG206) gewesen sind; und
c  nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 Prozent invalid (Art. 8 ATSG) sind.
1bis    Eine Rente nach Absatz 1 wird nicht zugesprochen, solange die Möglichkeiten zur Eingliederung im Sinne von Artikel 8 Absätze 1bis und 1ter nicht ausgeschöpft sind.207
2    ...208
und 1bis
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 28 Grundsatz - 1 Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die:
1    Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die:
a  ihre Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wieder herstellen, erhalten oder verbessern können;
b  während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 Prozent arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG206) gewesen sind; und
c  nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 Prozent invalid (Art. 8 ATSG) sind.
1bis    Eine Rente nach Absatz 1 wird nicht zugesprochen, solange die Möglichkeiten zur Eingliederung im Sinne von Artikel 8 Absätze 1bis und 1ter nicht ausgeschöpft sind.207
2    ...208
IVG in der bis Ende 2003 gültig gewesenen Fassung). Im erwähnten Urteil B. ergab sich die Konstellation, dass in Bezug auf den Invaliditätsgrad einer teilweise erwerbstätigen Person im Erwerbsbereich jeder beliebige Invaliditätsgrad zwischen 38% und 80% angenommen werden konnte, ohne dass sich am Ergebnis (Anspruch auf eine halbe Rente) etwas geändert hätte. Da eine derart grobe Schätzung mit der differenzierteren Stufenfolge kontrastiert, welche für den Anspruch auf eine Invalidenrente der
obligatorischen beruflichen Vorsorge (Art. 24 Abs. 1
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)
BVG Art. 24 - 1 ...73
1    ...73
2    Die Invalidenrente wird nach dem gleichen Umwandlungssatz berechnet wie die Altersrente im 65. Altersjahr74. Für die Versicherten der Übergangsgeneration gilt der vom Bundesrat nach Buchstabe b der Übergangsbestimmungen der 1. BVG-Revision vom 3. Oktober 2003 festgelegte Umwandlungssatz.
3    Das der Berechnung zu Grunde liegende Altersguthaben besteht aus:
a  dem Altersguthaben, das der Versicherte bis zum Beginn des Anspruches auf die Invalidenrente erworben hat;
b  der Summe der Altersgutschriften für die bis zum Referenzalter fehlenden Jahre, ohne Zinsen.
4    Diese Altersgutschriften werden auf dem koordinierten Lohn des Versicherten während seines letzten Versicherungsjahres in der Vorsorgeeinrichtung berechnet.
5    Die Invalidenrente wird angepasst, wenn bei einem Vorsorgeausgleich ein Betrag nach Artikel 124 Absatz 1 ZGB75 übertragen wird. Der Bundesrat regelt die Berechnung der Anpassung.76
BVG) oder noch mehr der Unfallversicherung (Art. 18 Abs. 2
SR 832.20 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG)
UVG Art. 18 Invalidität - 1 Ist der Versicherte infolge des Unfalles zu mindestens 10 Prozent invalid (Art. 8 ATSG49), so hat er Anspruch auf eine Invalidenrente, sofern sich der Unfall vor Erreichen des Referenzalters50 ereignet hat.51
1    Ist der Versicherte infolge des Unfalles zu mindestens 10 Prozent invalid (Art. 8 ATSG49), so hat er Anspruch auf eine Invalidenrente, sofern sich der Unfall vor Erreichen des Referenzalters50 ereignet hat.51
2    Der Bundesrat regelt die Bemessung des Invaliditätsgrades in Sonderfällen. Er kann dabei auch von Artikel 16 ATSG abweichen.
UVG in der bis Ende 2003 gültig gewesenen Fassung) massgebend ist, entfaltete der von der Invalidenversicherung ermittelte Invaliditätsgrad keine Bindungswirkung auf die berufliche Vorsorge.
2.4 Vorliegend geht es zwar nicht um eine Invalidenrente im Zusammenhang mit einer Härtefallrente, sondern um eine solche in Verbindung mit einer Witwenrente. Hinsichtlich einer allfälligen Bindungswirkung für andere Sozialversicherungszweige ist die Situation jedoch vergleichbar. Die Versicherte erhält nämlich bei jedem Invaliditätsgrad von wenigstens 40% eine ganze IV-Rente, so lange sie parallel einen Anspruch auf eine Witwenrente hat (Art. 43 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 43 - 1 Witwen, Witwer und Waisen, welche sowohl die Anspruchsvoraussetzungen für eine Hinterlassenenrente der Alters- und Hinterlassenenversicherung als auch für eine Rente der Invalidenversicherung erfüllen, haben Anspruch auf eine ganze Invalidenrente. Es wird aber nur die höhere der beiden Renten ausgerichtet.281
1    Witwen, Witwer und Waisen, welche sowohl die Anspruchsvoraussetzungen für eine Hinterlassenenrente der Alters- und Hinterlassenenversicherung als auch für eine Rente der Invalidenversicherung erfüllen, haben Anspruch auf eine ganze Invalidenrente. Es wird aber nur die höhere der beiden Renten ausgerichtet.281
2    Sind die Anspruchsvoraussetzungen für ein Taggeld der Invalidenversicherung erfüllt oder übernimmt die Invalidenversicherung bei Eingliederungsmassnahmen die Kosten für Unterkunft und Verpflegung überwiegend oder vollständig, so besteht kein Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung. Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen und Bestimmungen über die Ablösung des Taggeldes durch eine Rente erlassen.282
3    Der Bundesrat erlässt Vorschriften zur Verhinderung von Überentschädigungen beim Zusammenfallen von mehreren Leistungen der Invalidenversicherung und von Leistungen dieser Versicherung mit solchen der Alters- und Hinterlassenenversicherung.283
IVG). Die IV-Stelle brauchte daher den Invaliditätsgrad nicht exakt festzulegen; vielmehr genügte es für die Ausrichtung der ganzen Rente, dass sie einen Wert von wenigstens 40% ermittelte. Bei jeder andern Stufe innerhalb von 40% bis 100% bleiben die selben Leistungen geschuldet. Die IV-Stelle hat sich denn auch mit einer gröberen Schätzung begnügt, setzte sie doch die medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit der Invalidität gleich. Eine solche Schätzung vermag die berufliche Vorsorge im Lichte der erwähnten Rechtsprechung nicht zu binden. Demzufolge lässt sich ein allfälliges schutzwürdiges Interesse der Versicherten an einer exakten Festsetzung des Invaliditätsgrades nicht mit dem Blick auf andere Sozialversicherungszweige begründen. Die vom kantonalen Gericht angeführten
angeblichen Beweisschwierigkeiten ändern daran nichts, werden doch andere Versicherer den Invaliditätsgrad von Amtes wegen mit der gebotenen Sorgfalt zu ermitteln haben.
2.5 Der Auffassung der Vorinstanz, die IV-Stelle müsse wegen der Möglichkeit einer allfälligen reformatio in peius jede Einsprache materiell prüfen, kann nicht gefolgt werden. Die Einsprache bzw. Beschwerde wurde von der Versicherten erhoben, welche allein darüber entscheidet, ob sie ein Rechtsmittel einlegen will. Zudem ist sie ausschliesslich an einem höheren Invaliditätsgrad interessiert. Die IV-Stelle ist grundsätzlich gehalten, den Invaliditätsgrad bereits im Verwaltungsverfahren ausreichend exakt zu ermitteln. Im Falle einer reformatio in peius stände der Versicherten die Möglichkeit offen, ihr Rechtsmittel zurückzuziehen, womit es ebenfalls bei der ganzen IV-Rente bliebe. Zudem ist nach der Rechtsprechung von der - fakultativen - reformatio in peius zurückhaltend Gebrauch zu machen (BGE 119 V 249 Erw. 5 mit Hinweisen, Urteil H. vom 10. Oktober 2003, U 340/00). Die Auffassung der Vorinstanz müsste, konsequent zu Ende gedacht, dazu führen, dass alle Rechtsmittel gegen eine leistungs-zusprechende Verfügung vor jeder Instanz von Amtes wegen materiell auf eine reformatio in peius hin überprüft werden müssten. Damit würde der Bogen überspannt.
2.6 Die Vorinstanz begründet das Rechtsschutzinteresse der Versicherten schliesslich damit, dass diese sich gegebenenfalls wieder verheiraten könnte. Dabei würde sie den Anspruch auf die Witwenrente verlieren, weshalb es ihr wichtig sei zu wissen, ob sie allein auf Grund des Invaliditätsgrades weiterhin eine ganze Rente beziehen könne.
2.6.1 Auch dieses Argument ist nicht stichhaltig. In den Akten weist nichts darauf hin, dass die Beschwerdegegnerin eine erneute Heirat plant. Daher ist die Wiederverheiratung zur Zeit lediglich eine theoretische Möglichkeit. Für eine genaue Überprüfung des Invaliditätsgrades muss jedoch nach der Rechtsprechung ein unmittelbares und aktuelles Interesse rechtlicher oder tatsächlicher Natur nachgewiesen sein (BGE 125 V 24 Erw. 1b, 121 V 317 Erw. 4a, je mit Hinweisen). Hinzu kommt, dass die Versicherte an labilen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet. Sollte sie dereinst tatsächlich wieder heiraten, wird ihr Invaliditätsgrad auf Grund des dannzumaligen Gesundheitszustandes zu bestimmen sein. Dieser kann vom jetzigen abweichen. Es macht daher keinen Sinn, vorliegend für den hypothetischen Fall der Wiederverheiratung Rechtsanwendung auf Vorrat zu betreiben. Da jede verwitwete Person theoretisch erneut heiraten kann, wäre die Verwaltung ansonsten in allen derartigen Fällen gezwungen, genaue Abklärungen zu treffen, welche sich oft als überflüssig (keine Wiederverheiratung) oder als nicht mehr massgebend (bei späterer, tatsächlicher Heirat veränderter Invaliditätsgrad) erweisen könnten. Solcher administrativer Leerlauf ist zu
vermeiden.
2.6.2 Dies stimmt im Ergebnis mit der bisherigen Rechtsprechung überein. Bereits im nicht veröffentlichten Urteil G. vom 13. Dezember 1996, I 369/96, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht erkannt, dass eine bloss theoretische Möglichkeit der Wiederverheiratung kein aktuelles Rechtsschutzinteresse an der Feststellung eines behaupteten Invaliditätsgrades begründet. Dabei hat das Gericht auf BGE 106 V 92 und die seitherige Rechtsprechung hingewiesen, wonach die Versicherte im Falle der Aufhebung ihrer Rente immer noch die gebotenen Einwendungen gegen die dann zu Grunde gelegte Invaliditätsbemessung - notfalls im Beschwerdeverfahren - wird vorbringen können. An dieser Rechtsprechung (zuletzt bestätigt im Urteil Z. vom 8. März 2004, I 424/03) ist festzuhalten. Die bloss hypothetische Möglichkeit einer erneuten Heirat verschafft daher für sich allein noch kein schutzwürdiges Interesse an einer exakten Ermittlung des Invaliditätsgrades. Soweit im Urteil R. vom 14. Juli 2003, I 307/02, etwas anderes gesagt worden ist, kann daran nicht festgehalten werden.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 1. Dezember 2003 aufgehoben.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 18. März 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der I. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
Decision information   •   DEFRITEN
Document : I_791/03
Date : 18. März 2005
Published : 05. April 2005
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Invalidenversicherung
Subject : -


Legislation register
ATSG: 49  55  59  61  62
BVG: 24
IVG: 28  43
UVG: 18
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BGE-register
106-V-91 • 115-V-208 • 118-V-35 • 119-V-241 • 121-V-311 • 125-V-21 • 130-V-388 • 130-V-560
Weitere Urteile ab 2000
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