Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
I 267/04
Urteil vom 18. März 2005
I. Kammer
Besetzung
Präsident Borella, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Ferrari, Schön und Ursprung; Gerichtsschreiber Hadorn
Parteien
B.________, 1993, Beschwerdeführer, handelnd durch seine Mutter K.________, und diese vertreten durch den Rechtsdienst für Behinderte, Bürglistrasse 11, 8002 Zürich,
gegen
IV-Stelle für Versicherte im Ausland, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, Lausanne
(Entscheid vom 1. März 2004)
Sachverhalt:
A.
B.________ (geb. 1993) wohnt mit seiner Familie seit 1994 in Bolivien. Er leidet seit der Geburt an einer Trisomie 21 und erhielt von der Invalidenversicherung verschiedene Leistungen zugesprochen. Mit Verfügung vom 17. Januar 2002 lehnte die IV-Stelle für Versicherte im Ausland ein Gesuch um pädagogisch-therapeutische Massnahmen (Beiordnung einer Tutorin / Kinderpsychologin für den Schulbesuch) ab. In einer weiteren Verfügung vom 29. Oktober 2002 lehnte die IV-Stelle die Gewährung von Logopädie-Unterricht ebenfalls ab.
B.
Die gegen beide Verfügungen gerichteten Beschwerden vereinigte die Eidgenössische Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden Personen mit Entscheid vom 1. März 2004 zu einem einzigen Verfahren und wies sie ab.
C.
B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es seien ihm schulische Massnahmen in Form von Sonderschulbeiträgen zuzusprechen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung sich nicht vernehmen lässt.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Eidgenössische Rekurskommission hat die gesetzlichen Vorschriften über Sonderschulbeiträge (Art. 19 Abs. 1
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SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 19 |
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SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 19 |
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SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 19 |
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SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 19 |
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SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 19 |
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SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 19 |
2.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf die genannten schulischen Massnahmen unter dem Titel Sonderschulbeiträge.
2.1 Der Versicherte besucht nach eigenen Angaben in Bolivien eine Privatschule. Diese unterrichte unter staatlicher Anerkennung auf dem Niveau der Volksschule. Zum Unterricht habe der Versicherte eine qualifizierte Tutorin mitzubringen und benötige überdies ausserhalb des ordentlichen Schulbetriebs Unterstützung durch eine Nachhilfelehrerin in Feinmotorik, Alphabetisierung und Logopädie. Dies sei die einzige Möglichkeit, eine sinnvolle Einschulung zu erhalten, da es in diesem Land ansonsten keine für Behinderte geeignete öffentliche Schule gebe. Dementsprechend beantragte der Versicherte, dass die Invalidenversicherung die Kosten für die Tutorin und die ausserhalb des Unterrichts durchgeführten Vorkehren übernehme.
2.2 Verwaltung und Vorinstanz wiesen diese Begehren ab mit der Begründung, das IVG sehe zwar die Gewährung von Beiträgen an die eigentliche Schulausbildung gemäss Art. 19 Abs. 1
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SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 19 |
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SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 19 |
2.3 In seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt der Versicherte ausführen, die "rigide Anwendung" der Bestimmungen des IVG auf die Verhältnisse führe im vorliegenden Fall zu einem stossenden Ergebnis. Er sei klar sonderschulbedürftig. Da indessen in Bolivien keine Sonderschule existiere und die Absolvierung einer öffentlichen Schule mangels Erreichbarkeit bzw. angemessener Qualität nicht in Frage komme, bleibe als einzige Lösung der Besuch der Privatschule unter Zuhilfenahme einer Tutorin und zusätzlicher Förderung in Form von Nachhilfestunden und Logopädie. Vor dem Hintergrund von Art. 8
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. |
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1 | Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. |
2 | Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. |
3 | Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. |
4 | Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 11 Schutz der Kinder und Jugendlichen - 1 Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung. |
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1 | Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung. |
2 | Sie üben ihre Rechte im Rahmen ihrer Urteilsfähigkeit aus. |
2.4 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht bestritten, dass der Versicherte keine Sonderschule im Sinn von Art. 19
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SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 19 |
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SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 19 |
2.5 Die Hinweise des Versicherten auf die verfassungsmässigen Grundsätze von Art. 8
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. |
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1 | Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. |
2 | Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. |
3 | Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. |
4 | Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor. |
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 11 Schutz der Kinder und Jugendlichen - 1 Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung. |
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1 | Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung. |
2 | Sie üben ihre Rechte im Rahmen ihrer Urteilsfähigkeit aus. |
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SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 23 Grundentschädigung - 1 Die Grundentschädigung beträgt 80 Prozent des letzten ohne gesundheitliche Einschränkung erzielten Erwerbseinkommens, jedoch nicht mehr als 80 Prozent des Höchstbetrages des Taggeldes nach Artikel 24 Absatz 1.162 |
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1 | Die Grundentschädigung beträgt 80 Prozent des letzten ohne gesundheitliche Einschränkung erzielten Erwerbseinkommens, jedoch nicht mehr als 80 Prozent des Höchstbetrages des Taggeldes nach Artikel 24 Absatz 1.162 |
1bis | Bei Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Artikel 8a beträgt sie 80 Prozent des Erwerbseinkommens, das die versicherte Person unmittelbar vor Beginn der Massnahme erzielt hat, jedoch nicht mehr als 80 Prozent des Höchstbetrages des Taggeldes.163 |
2 | ...164 |
2bis | ...165 |
3 | Grundlage für die Ermittlung des Erwerbseinkommens nach den Absätzen 1 und 1bis bildet das durchschnittliche Einkommen, von dem Beiträge nach dem AHVG166 erhoben werden (massgebendes Einkommen).167 |
vorsehen. Dass die IV-Gesetzgebung den Geboten der Rechtsgleichheit bzw. des Jugendschutzes nicht gerecht würde, ist in der Tat nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer denn auch nicht gerügt. Eine generelle Überprüfung der gesetzlichen Bestimmungen auf ihre Verfassungsmässigkeit wäre dem Eidgenössischen Versicherungsgericht überdies gar nicht möglich (Art. 191
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 191 Zugang zum Bundesgericht - 1 Das Gesetz gewährleistet den Zugang zum Bundesgericht. |
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1 | Das Gesetz gewährleistet den Zugang zum Bundesgericht. |
2 | Für Streitigkeiten, die keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung betreffen, kann es eine Streitwertgrenze vorsehen. |
3 | Für bestimmte Sachgebiete kann das Gesetz den Zugang zum Bundesgericht ausschliessen. |
4 | Für offensichtlich unbegründete Beschwerden kann das Gesetz ein vereinfachtes Verfahren vorsehen. |
3.
3.1 Zu prüfen bleibt daher einzig, ob die konkrete Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen im Einzelfall zur Verletzung eines verfassungsmässigen Anspruches führt. Soweit sich der Versicherte dabei auf das Gleichbehandlungsgebot (Art. 8
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. |
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1 | Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. |
2 | Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. |
3 | Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. |
4 | Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor. |
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SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 19 |
3.2 Eltern haben im Hinblick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung zu leiten und unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen zu treffen (Art. 301
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 301 - 1 Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen. |
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1 | Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen. |
1bis | Der Elternteil, der das Kind betreut, kann allein entscheiden, wenn: |
1 | die Angelegenheit alltäglich oder dringlich ist; |
2 | der andere Elternteil nicht mit vernünftigem Aufwand zu erreichen ist.405 |
2 | Das Kind schuldet den Eltern Gehorsam; die Eltern gewähren dem Kind die seiner Reife entsprechende Freiheit der Lebensgestaltung und nehmen in wichtigen Angelegenheiten, soweit tunlich, auf seine Meinung Rücksicht. |
3 | Das Kind darf ohne Einwilligung der Eltern die häusliche Gemeinschaft nicht verlassen; es darf ihnen auch nicht widerrechtlich entzogen werden. |
4 | Die Eltern geben dem Kind den Vornamen. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 302 - 1 Die Eltern haben das Kind ihren Verhältnissen entsprechend zu erziehen und seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung zu fördern und zu schützen. |
|
1 | Die Eltern haben das Kind ihren Verhältnissen entsprechend zu erziehen und seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung zu fördern und zu schützen. |
2 | Sie haben dem Kind, insbesondere auch dem körperlich oder geistig gebrechlichen, eine angemessene, seinen Fähigkeiten und Neigungen soweit möglich entsprechende allgemeine und berufliche Ausbildung zu verschaffen. |
3 | Zu diesem Zweck sollen sie in geeigneter Weise mit der Schule und, wo es die Umstände erfordern, mit der öffentlichen und gemeinnützigen Jugendhilfe zusammenarbeiten. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 302 - 1 Die Eltern haben das Kind ihren Verhältnissen entsprechend zu erziehen und seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung zu fördern und zu schützen. |
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1 | Die Eltern haben das Kind ihren Verhältnissen entsprechend zu erziehen und seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung zu fördern und zu schützen. |
2 | Sie haben dem Kind, insbesondere auch dem körperlich oder geistig gebrechlichen, eine angemessene, seinen Fähigkeiten und Neigungen soweit möglich entsprechende allgemeine und berufliche Ausbildung zu verschaffen. |
3 | Zu diesem Zweck sollen sie in geeigneter Weise mit der Schule und, wo es die Umstände erfordern, mit der öffentlichen und gemeinnützigen Jugendhilfe zusammenarbeiten. |
3.3 Schliesslich ist auch nicht erkennbar, dass durch einen Wohnsitzwechsel an einen Ort, von dem aus der Besuch einer Sonderschule für das Kind möglich wäre, der Anspruch auf Niederlassungsfreiheit eingeschränkt würde. Zu Recht wird dies von den Eltern des Versicherten nicht geltend gemacht. Auch Eltern von nicht behinderten Kindern haben keinen Anspruch darauf, dass an ihrem Wohnsitz besondere Schultypen angeboten werden. Vielmehr müssen sie ebenfalls ihren Wohnsitz wechseln, wenn sie ein derartiges Angebot im Rahmen des unentgeltlichen Unterrichts in Anspruch nehmen wollen. Andernfalls sind auch sie auf entgeltlichen Privatunterricht angewiesen (vgl. zum Ganzen BGE 122 I 236). Das Selbe gilt für Eltern behinderter Kinder.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, der Schweizerischen Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 18. März 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der I. Kammer: Der Gerichtsschreiber: