Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B 1075/2020
Urteil vom 14. Oktober 2020
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichterin van de Graaf,
Gerichtsschreiberin Unseld.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt,
2. Amt für Justizvollzug des Kantons Basel-Stadt, Straf- und Massnahmenvollzug,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Zwangsmedikation (stationäre therapeutische Massnahme),
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, vom 31. August 2020 (VD.2020.148).
Sachverhalt:
A.
Das Strafgericht Basel-Stadt stellte mit Urteil vom 15. Juni 2017 fest, dass A.________ die Straftatbestände der mehrfachen Verleumdung, der mehrfachen Beschimpfung, des mehrfachen Missbrauchs einer Fernmeldeanlage, der mehrfachen Drohung und der versuchten Nötigung erfüllt hat. Es sprach ihn wegen Schuldunfähigkeit im Sinne von Art. 19 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 19 - 1 War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar. |
|
1 | War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar. |
2 | War der Täter zur Zeit der Tat nur teilweise fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so mildert das Gericht die Strafe. |
3 | Es können indessen Massnahmen nach den Artikeln 59-61, 63, 64, 67, 67b und 67e getroffen werden.15 |
4 | Konnte der Täter die Schuldunfähigkeit oder die Verminderung der Schuldfähigkeit vermeiden und dabei die in diesem Zustand begangene Tat voraussehen, so sind die Absätze 1-3 nicht anwendbar. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 19 - 1 War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar. |
|
1 | War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar. |
2 | War der Täter zur Zeit der Tat nur teilweise fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so mildert das Gericht die Strafe. |
3 | Es können indessen Massnahmen nach den Artikeln 59-61, 63, 64, 67, 67b und 67e getroffen werden.15 |
4 | Konnte der Täter die Schuldunfähigkeit oder die Verminderung der Schuldfähigkeit vermeiden und dabei die in diesem Zustand begangene Tat voraussehen, so sind die Absätze 1-3 nicht anwendbar. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 59 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn: |
|
1 | Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn: |
a | der Täter ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang steht; und |
b | zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen. |
2 | Die stationäre Behandlung erfolgt in einer geeigneten psychiatrischen Einrichtung oder einer Massnahmevollzugseinrichtung. |
3 | Solange die Gefahr besteht, dass der Täter flieht oder weitere Straftaten begeht, wird er in einer geschlossenen Einrichtung behandelt. Er kann auch in einer Strafanstalt nach Artikel 76 Absatz 2 behandelt werden, sofern die nötige therapeutische Behandlung durch Fachpersonal gewährleistet ist.57 |
4 | Der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug beträgt in der Regel höchstens fünf Jahre. Sind die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nach fünf Jahren noch nicht gegeben und ist zu erwarten, durch die Fortführung der Massnahme lasse sich der Gefahr weiterer mit der psychischen Störung des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Verlängerung der Massnahme um jeweils höchstens fünf Jahre anordnen. |
B.
Das Amt für Justizvollzug, Straf- und Massnahmenvollzug (nachfolgend: SMV) ordnete mit Verfügung vom 16. Juli 2020 eine Zwangsmedikation von A.________ zur Einstellung der Therapiefähigkeit an, dies ab 3. August 2020 für die Dauer von 30 Tagen. Den von A.________ dagegen erhobenen Rekurs wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 31. August 2020 ab.
C.
A.________ gelangt gegen den Entscheid vom 31. August 2020 mit Beschwerde an das Bundesgericht, wobei er sinngemäss beantragt, von der Zwangsmedikation sei abzusehen.
Erwägungen:
1.
Die Anordnung einer Zwangsmedikation während eines strafrechtlichen Massnahmenvollzugs ist ein Entscheid über den Vollzug von Massnahmen im Sinne von Art. 78 Abs. 2 lit. b
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 78 Grundsatz - 1 Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen. |
|
1 | Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen. |
2 | Der Beschwerde in Strafsachen unterliegen auch Entscheide über: |
a | Zivilansprüche, wenn diese zusammen mit der Strafsache zu behandeln sind; |
b | den Vollzug von Strafen und Massnahmen. |
Dem Rekurs gegen die am 16. Juli 2020 für die Zeit vom 3. August bis 2. September 2020 angeordnete Zwangsmedikation wurde im kantonalen Verfahren die aufschiebende Wirkung entzogen. Dem angefochtenen Entscheid und der Beschwerde ist zu entnehmen, dass die Zwangsmedikation - anders als die zuvor bereits am 30. November 2018 und 8. Januar 2019 angeordneten Zwangsmedikationen (vgl. angefochtener Entscheid E. 2.3.1 S. 6) vollstreckt wurde. Aus dem Schreiben der Vorinstanz vom 23. September 2020 geht zudem hervor, dass am 16. September 2020 bereits eine weitere Zwangsmedikation für die Zeit vom 17. September bis 16. Oktober 2020 angeordnet wurde, bezüglich welcher bei der Vorinstanz ein Rekurs hängig ist (act. 8). Der Beschwerdeführer hat daher ein rechtlich geschütztes Interesse an der Beurteilung seiner Beschwerde. Auf seine Beschwerde gegen die am 8. Januar 2019 angeordnete Zwangsmedikation trat das Bundesgericht mangels Begründung nicht ein (Urteil 6B 616/2020 vom 3. Juni 2020).
2.
Der Beschwerdeführer rügt, die Zwangsmedikation verstosse gegen die EMRK (insbesondere das Folterverbot und das Recht auf Freiheit und Sicherheit) sowie die dazu ergangenen Zusatzprotokolle.
2.1. Die medikamentöse Zwangsbehandlung stellt einen schweren Eingriff in die körperliche und geistige Integrität (Art. 10 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 10 Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit - 1 Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten. |
|
1 | Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten. |
2 | Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit. |
3 | Folter und jede andere Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung sind verboten. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
Gemäss § 15 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Basel-Stadt vom 13. November 2019 über den Justizvollzug (Justizvollzugsgesetz, JVG/BS [SG 258.200]) kann die Vollzugsbehörde auf Empfehlung eines psychiatrischen Facharztes gegenüber einer verurteilten Person, an der eine angeordnete Massnahme gemäss Art. 59
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 59 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn: |
|
1 | Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn: |
a | der Täter ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang steht; und |
b | zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen. |
2 | Die stationäre Behandlung erfolgt in einer geeigneten psychiatrischen Einrichtung oder einer Massnahmevollzugseinrichtung. |
3 | Solange die Gefahr besteht, dass der Täter flieht oder weitere Straftaten begeht, wird er in einer geschlossenen Einrichtung behandelt. Er kann auch in einer Strafanstalt nach Artikel 76 Absatz 2 behandelt werden, sofern die nötige therapeutische Behandlung durch Fachpersonal gewährleistet ist.57 |
4 | Der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug beträgt in der Regel höchstens fünf Jahre. Sind die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nach fünf Jahren noch nicht gegeben und ist zu erwarten, durch die Fortführung der Massnahme lasse sich der Gefahr weiterer mit der psychischen Störung des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Verlängerung der Massnahme um jeweils höchstens fünf Jahre anordnen. |
2.2. Die Vorinstanz erwägt zusammengefasst, der Beschwerdeführer leide an einer Persönlichkeitsstörung mit vor allem zwanghaften und paranoiden Anteilen sowie an einer wahnhaften Störung. Gemäss dem forensisch-psychiatrischen Gutachten bestehe ein sehr hohes Risiko für weitere Drohungen und ein ganz erhebliches Risiko für eine Ausführung der Drohungen im Sinne von massiven Gewaltanwendungen gegenüber Dritten. Der Beschwerdeführer verweigere jeglichen Kontakt mit den Ärzten und Therapeuten sowie die Einnahme der Medikation, dies obschon mehrfach versucht worden sei, einen gesprächs-psychotherapeutischen Zugang aufzubauen und den Beschwerdeführer zur freiwilligen Einnahme der Medikation zu motivieren. Der Gutachter halte unter diesen Voraussetzungen eine neuroleptische Zwangsmedikation für indiziert. Die Zwangsmedikation sei zudem auf Empfehlung eines psychiatrischen Facharztes angeordnet worden. Mit der Zwangsmedikation werde eine Verbesserung der Legalprognose angestrebt. Die Zwangsmedikation sei zur erfolgreichen Durchführung der angeordneten stationären therapeutischen Massnahme zudem unumgänglich. Alternativen gebe es keine. Mögliche Nebenwirkungen würden verglichen mit dem möglichen Therapieerfolg nicht als derart gravierend
erscheinen, dass sie einer Zwangsmedikation von vornherein entgegenstünden, zumal beim Beschwerdeführer Nebenwirkungen - konkret Muskelsteifigkeit und Schlafstörungen - soweit ersichtlich lediglich in leichter Ausprägung festzustellen gewesen und diese mit der Zeit abgeklungen seien. Es sei davon auszugehen, dass die UPK die (Neben-) Wirkungen der Medikamente engmaschig kontrolliere und das medizinisch Nötige vorkehren werde, sollten sich stärkere Nebenwirkungen einstellen.
2.3. Damit erfüllt die Zwangsmedikation die gesetzlichen Anforderungen. Insbesondere sind keine Gründe ersichtlich, weshalb die Vorinstanz an der gutachterlichen Diagnose oder der gutachterlich attestierten Gefährlichkeit des Beschwerdeführers hätte zweifeln müssen. Der Beschwerdeführer sprach gegenüber seinen Opfern gemäss dem Strafurteil vom 15. Juni 2017 wiederholt massive Todesdrohungen aus, wobei er einem Opfer im November 2016 zur Unterstreichung seiner Todesdrohungen ein rund 30 cm langes Messer schickte (Urteil, a.a.O., S. 5 und 19). Ebenso wenig kann angesichts der Ausführungen in der Beschwerde angezweifelt werden, dass sich der Beschwerdeführer der Therapie weiterhin verweigert. Der Beschwerdeführer trägt auch sonst nichts vor, das die Zwangsmedikation als unverhältnismässig erscheinen liesse. Gemäss dem Gutachter und den behandelnden Ärzten ist die Zwangsmedikation im Hinblick auf eine Verbesserung der Legalprognose indiziert, was der Beschwerdeführer nicht widerlegt. Ob die Zwangsmedikation tatsächlich die erhoffte Wirkung erzielt, wird sich zeigen und wird im Hinblick auf deren allfällige Weiterführung vertiefter zu prüfen sein.
2.4. Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer darin pauschale Kritik gegenüber Ärzten übt und diese bspw. als psychisch krank bezeichnet (Beschwerde S. 1). Der Beschwerdeführer verkennt auch, dass es in der stationären therapeutischen Massnahme keine freie Arztwahl gibt (Beschwerde S. 1).
2.5. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der Menschenwürde, da seinem Rekurs die aufschiebende Wirkung entzogen und die Zwangsmassnahme vor Ergehen des vorinstanzlichen Entscheids vollzogen worden sei (Beschwerde S. 2). Der Einwand ist ebenfalls unbegründet. Gegen eine Verweigerung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch die Vorinstanz hätte der Beschwerdeführer grundsätzlich mit Beschwerde an das Bundesgericht gelangen können (vgl. Urteil 6B 1126/2016 vom 10. Oktober 2016). Entscheidend ist jedoch, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit den bereits am 30. November 2018 und 8. Januar 2019 unter weitgehend identischen Umständen angeordneten, jedoch nicht bzw. nur teilweise vollzogenen Zwangsmedikationen den Rechtsmittelweg ausschöpfen konnte, wobei seinen Rechtsmitteln kein Erfolg beschieden war.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Auf eine Kostenauflage kann ausnahmsweise verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
|
1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. Oktober 2020
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Die Gerichtsschreiberin: Unseld