Bundesstrafgericht
Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal
Geschäftsnummer: BG.2016.14
Beschluss vom 14. Juni 2016 Beschwerdekammer
Besetzung
Bundesstrafrichter Emanuel Hochstrasser, Vorsitz, Tito Ponti und Patrick Robert-Nicoud, Gerichtsschreiber Miro Dangubic
Parteien
Kanton Schaffhausen, Staatsanwaltschaft,
Gesuchsteller
gegen
1. Kanton Thurgau, Generalstaatsanwaltschaft,
2. Kanton Bern, Generalstaatsanwaltschaft,
Gesuchsgegner
Gegenstand
Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |
Sachverhalt:
A. A. wurde mit sieben weiteren Mittätern im Jahr 2008 im Kanton Bern verhaftet. Ihm wurde seitens der bernischen Strafverfolgungsbehörden vorgeworfen, banden- und gewerbsmässig Einbruchsdiebstähle begangen zu haben. In der Folge konnte A. bei einem Gefangenentransport fliehen. Die gegen ihn laufende Strafuntersuchung wurde von den Strafverfolgungsbehörden des Kantons Bern sistiert (act. 4).
B. Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Thurgau führen seit 2013 ein Strafverfahren gegen A. und B. wegen Hausfriedensbruchs, banden- und gewerbsmässigen Diebstahls sowie Sachbeschädigung (act. 1).
C. In der Nacht vom 7. auf den 8. September 2015 verübten A., B. C. und ein unbekannt gebliebener Mittäter mehrere Einbruchsdiebstähle in Rhein (SH). A., B. und C. konnten am 8. September 2015 in flagranti verhaftet werden (act. 1).
D. In der Folge übernahm die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern (nachfolgend „GStA BE“) das Verfahren gegen A. von der Staatsanwaltschaft Schaffhausen (nachfolgend „StA SH“). Die Untersuchung gegen C. wurde von der Staatsanwaltschaft StA SH abgetrennt, wobei zwischenzeitlich Anklage erhoben wurde (act. 3 und 4).
E. Im Zeitraum vom 23. März 2016 bis 23. Mai 2016 führte die StA SH Meinungsaustausche i.S.v. Art. 39

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 39 Prüfung der Zuständigkeit und Einigung - 1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter. |
F. Die Gesuchsantworten der dazu eingeladenen Kantone Bern und Thurgau, welche beide die Verfahrensübernahme ablehnten, wurden dem Gesuchsteller am 9. Juni 2016 zur Kenntnis zugestellt (act. 3-5).
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1. Die Eintretensvoraussetzungen (durchgeführter Meinungsaustausch zwischen den involvierten Kantonen und zuständigen Behörden, Frist und Form, vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2014.7 vom 21. März 2014, E. 1) sind vorliegend erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass.
2.
2.1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig (Art. 31 Abs. 1

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 31 Gerichtsstand des Tatortes - 1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig. |
2.2 Ist eine Straftat von mehreren Mittätern verübt worden, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 33 Abs. 2

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 33 Gerichtsstand im Falle mehrerer Beteiligter - 1 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Straftat werden von den gleichen Behörden verfolgt und beurteilt wie die Täterin oder der Täter. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 34 - 1 Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind. |
Begehen mehrere Beschuldigte zusammen in verschiedenen Kantonen mehrere Delikte, so sind Art. 33

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 33 Gerichtsstand im Falle mehrerer Beteiligter - 1 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Straftat werden von den gleichen Behörden verfolgt und beurteilt wie die Täterin oder der Täter. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 34 - 1 Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind. |
2.3 B. wird bandenmässiger Diebstahl (Art. 139 Abs. 3

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
|
1 | Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | ...198 |
3 | Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er: |
a | gewerbsmässig stiehlt; |
b | den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat; |
c | zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder |
d | sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.199 |
4 | Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | ...198 |
3 | Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er: |
a | gewerbsmässig stiehlt; |
b | den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat; |
c | zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder |
d | sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.199 |
4 | Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt. |
Aus dem Dargelegten geht hervor, dass der gesetzliche Gerichtsstand von B. gestützt auf das forum praeventionis somit im Kanton Bern liegt. Dies wird vom stellvertretenden Generalstaatsanwalt des Kantons Bern auch nicht bestritten.
2.4 Die Beschwerdekammer kann (wie die beteiligten Staatsanwaltschaften untereinander auch) einen andern als den in den Art. 31

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 31 Gerichtsstand des Tatortes - 1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |
2.5 Dem stellvertretenden Generalstaatsanwalt des Kantons Bern ist insofern zuzustimmen, als die strikte Anwendung von Art. 33 Abs. 2

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 33 Gerichtsstand im Falle mehrerer Beteiligter - 1 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Straftat werden von den gleichen Behörden verfolgt und beurteilt wie die Täterin oder der Täter. |
Einerseits sind die B. vorgeworfen Delikte als überschaubar einzustufen – es liegt kein Grossprozess vor. Zudem führen die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Bern ohnehin bereits ein Strafverfahren gegen A. im Zusammenhang mit den Einbrüchen in Rhein (SH) vom 7. und 8. September 2015. Somit ist der diesbezügliche Mehraufwand betreffend B. nicht sehr gross.
2.6 Demnach sind die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Bern für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die B. zur Last gelegten Delikte zu verfolgen und zu beurteilen.
3. Es ist keine Gerichtsgebühr zu erheben (Art. 423 Abs. 1

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 423 Grundsätze - 1 Die Verfahrenskosten werden vom Bund oder dem Kanton getragen, der das Verfahren geführt hat; abweichende Bestimmungen dieses Gesetzes bleiben vorbehalten. |
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Die Strafbehörden des Kantons Bern sind berechtigt und verpflichtet, die B. vorgeworfenen strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.
2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.
Bellinzona, 14. Juni 2016
Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Der Vorsitzende: Der Gerichtsschreiber:
Zustellung an
- Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen
- Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau
- Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.