Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C 74/2008

Urteil vom 14. Mai 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Steinmann.

Parteien
1. X.________,
2. Y.________,
3. Z.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Rechtsamt, Reiterstrasse 11, 3011 Bern.

Gegenstand
Bauwesen; Ablehnung,

Beschwerde gegen das Urteil vom 10. Januar 2008
des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung.

Sachverhalt:

A.
Die Einwohnergemeinde Wahlern erteilte der Sunrise Communications AG (TDC Switzerland AG) mit Gesamtbauentscheid vom 7. Mai 2007 die Bewilligung zur Errichtung einer Mobilfunkantenne. Dagegen erhoben X.________, Y.________ und Z.________ bei der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern (im Folgenden BVE bzw. Direktion) Verwaltungsbeschwerde. Gleichzeitig bestritten die Beschwerdeführer die Zuständigkeit der Direktion und ersuchten um deren Ausstand; zur Begründung ihres Ersuchens machten sie geltend, die Direktion sei Vermieterin des geplanten Antennenstandortes, ziehe aus der Vermietung erhebliche finanzielle Vorteile und sei daher nicht in der Lage, die Verwaltungsbeschwerde unvoreingenommen zu beurteilen.

Das Rechtsamt der Direktion überwies die Akten dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern zum Entscheid über das Ausstandsbegehren. Dieses hat u.a. den Mietvertrag zwischen dem Kanton Bern und der Sunrise Communications AG beigezogen; die Gesuchsteller verlangten Einsicht in diesen Vertrag, die Sunrise Communications AG machte hinsichtlich einzelner Teile Geheimhaltungsinteressen geltend.
Mit Urteil vom 10. Januar 2008 wies das Verwaltungsgericht das Ablehnungsgesuch gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Direktion der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion ab. Es hielt im Wesentlichen fest, dass eine Einsicht in den Mietvertrag entbehrlich sei, ein Ablehnungsgesuch sich nicht gegen eine Organisationseinheit richten könne, keine beim Rechtsamt des BVE Angestellten mit dem Mietvertrag oder der Bewilligungssache befasst waren und finanzielle Interessen lediglich von Bedeutung seien, wenn sie einzelne Personen beträfen.

B.
Gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts haben X.________, Y.________ und Z.________ beim Bundesgericht am 8. Februar 2008 Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben und sinngemäss die Aufhebung verlangt. Sie beanstanden unter dem Gesichtswinkel von Art. 29
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV und des Öffentlichkeitsprinzips die Verweigerung der Einsicht in den Mietvertrag. Ferner halten sie dafür, dass von der BVE in Anbetracht der konkreten Verhältnisse keine unvoreingenommene Prüfung erwartet werden könne.
Das Verwaltungsgericht und das Rechtsamt der Direktion haben mit dem Antrag auf Abweisung und unter Verweis auf die Akten auf Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die als Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereichte Eingabe ist als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Sinne von Art. 82 ff
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 82 Grundsatz - Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden:
a  gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts;
b  gegen kantonale Erlasse;
c  betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie betreffend Volkswahlen und -abstimmungen.
. BGG entgegenzunehmen (siehe auch Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Entscheid). Das Urteil des Verwaltungsgerichts kann nach Art. 92 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 92 - 1 Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig.
1    Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig.
2    Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden.
BGG angefochten werden. Nach Art. 42 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 42 Rechtsschriften - 1 Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
1    Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
2    In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliegt, so ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist. 14 15
3    Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat; richtet sich die Rechtsschrift gegen einen Entscheid, so ist auch dieser beizulegen.
4    Bei elektronischer Einreichung muss die Rechtsschrift von der Partei oder ihrem Vertreter beziehungsweise ihrer Vertreterin mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 201616 über die elektronische Signatur versehen werden. Das Bundesgericht bestimmt in einem Reglement:
a  das Format der Rechtsschrift und ihrer Beilagen;
b  die Art und Weise der Übermittlung;
c  die Voraussetzungen, unter denen bei technischen Problemen die Nachreichung von Dokumenten auf Papier verlangt werden kann.17
5    Fehlen die Unterschrift der Partei oder ihrer Vertretung, deren Vollmacht oder die vorgeschriebenen Beilagen oder ist die Vertretung nicht zugelassen, so wird eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels angesetzt mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibt.
6    Unleserliche, ungebührliche, unverständliche, übermässig weitschweifige oder nicht in einer Amtssprache verfasste Rechtsschriften können in gleicher Weise zur Änderung zurückgewiesen werden.
7    Rechtsschriften, die auf querulatorischer oder rechtsmissbräuchlicher Prozessführung beruhen, sind unzulässig.
BGG ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt; die Verletzung von Grundrechten wird gemäss Art. 106 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG nur insoweit geprüft, als eine solche Rüge vorgebracht und begründet wird.

2.
Die Beschwerdeführer beanstanden als Verletzung des rechtlichen Gehörs, dass ihnen keine Einsicht in den zwischen dem Kanton Bern, vertreten durch den Kreisoberingenieur des Oberingenieurkreises II, und der Sunrise Communications AG abgeschlossenen Mietvertrag gegeben worden ist.

Aus den Verfahrensakten ist ersichtlich, dass das Rechtsamt auf Aufforderung des Instruktionsrichters hin dem Verwaltungsgericht den Mietvertrag zwischen dem Kanton Bern, vertreten durch den Kreisoberingenieur des Oberingenieurkreises II, und der Sunrise Communications AG einreichte. Am 22. November 2007 wies die Sunrise Communications AG darauf hin, dass der genannte Vertrag Informationen enthalte, an denen sie massgebliche Geheimhaltungsinteressen habe, und erklärte sich bereit, diese im Hinblick auf eine allfällige Aktenöffnung näher zu spezifizieren. Die Beschwerdeführer äusserten sich am 7. Dezember 2007 zur Eingabe des Rechtsamtes. Daraufhin verfügte der Instruktionsrichter am 10. Dezember 2007 u.a., dass über das Akteneinsichtsgesuch der Beschwerdeführer später entschieden werde. Ein derartiger Entscheid blieb indes aus und das Verwaltungsgericht wies das Ausstandsbegehren der Beschwerdeführer in der Sache am 10. Januar 2008 ab.

Nach Art. 23 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG) haben die Parteien Anspruch auf Einsicht in die Verfahrensakten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen deren Geheimhaltung erfordern; wird einer Partei die Einsichtnahme in ein Aktenstück verweigert, so darf auf dieses zum Nachteil der Partei nur abgestellt werden, wenn ihr die Behörde von seinem für die Sache wesentlichen Inhalt Kenntnis und ihr ausserdem Gelegenheit gegeben hat, sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen. Die gleichen Ansprüche ergeben sich aus der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV (vgl. BGE 132 II 485 E. 3.2 S. 494; 129 I 85 E. 4.1 S. 88; 126 I 7 E. 2b S. 10; 115 Ia 293 E. 5c S. 304, mit Verweis auf Art. 28
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 28 - Wird einer Partei die Einsichtnahme in ein Aktenstück verweigert, so darf auf dieses zum Nachteil der Partei nur abgestellt werden, wenn ihr die Behörde von seinem für die Sache wesentlichen Inhalt mündlich oder schriftlich Kenntnis und ihr ausserdem Gelegenheit gegeben hat, sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen.
VwVG).

Im vorliegenden Fall ist das Verfahren von Art. 23 VRPG nicht beachtet worden. Das Verwaltungsgericht hat auf den genannten Mietvertrag abgestellt, ohne sich zum Geheimnischarakter zu äussern und ohne den Beschwerdeführern Einblick zu gewähren. Damit hat es deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und erweist sich die Beschwerde in diesem Punkte als begründet.

3.
Demnach ist die Beschwerde gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache dem Verwaltungsgericht zu neuer Beurteilung zurückzuweisen. Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, materiell zum Ausstandsgesuch Stellung zu nehmen.

Es sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Den nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführern ist keine Parteientschädigung zuzusprechen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 10. Januar 2008 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern sowie der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. Mai 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Steinmann
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 1C_74/2008
Date : 14. Mai 2008
Published : 01. Juni 2008
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Zuständigkeitsfragen, Garantie des Wohnsitzrichters und des verfassungsmässigen Richters
Subject : Bauwesen; Ablehnung


Legislation register
BGG: 42  66  82  92  106
BV: 29
VwVG: 28
BGE-register
115-IA-293 • 126-I-7 • 129-I-85 • 132-II-485
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