Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

1B 462/2021

Urteil vom 13. September 2021

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch die Rechtsanwälte Philip Stolkin,
Bernard Rambert und Thomas Häusermann,

gegen

Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich,
Abteilung für schwere Gewaltkriminalität,
Molkenstrasse 15/17, 8004 Zürich.

Gegenstand
Sicherheitshaft,

Beschwerde gegen die Präsidialverfügung
des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer,
vom 20. Juli 2021 (SB200136-O/Z77/js).

Sachverhalt:

A.

A.a. An der Berufungsverhandlung des Obergerichts des Kantons Zürich vom 26. Mai 2021 stellte A.________ ein Gesuch um sofortige Entlassung aus der strafprozessualen Haft (zur Vorgeschichte: Urteil des Bundesgerichts 1B 326/2021 vom 5. Juli 2021 Sachverhalt A.). Mit Präsidialverfügung vom gleichen Tag wies der Abteilungspräsident das Gesuch ab und ordnete die Verlängerung der Sicherheitshaft bis zur mündlichen Eröffnung des Berufungsentscheides an.
Mit Urteil 1B 326/2021 vom 5. Juli 2021 hiess das Bundesgericht die Beschwerde von A.________ gegen diese Präsidialverfügung teilweise gut, hob sie auf und wies die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen ans Obergericht zurück. Das Gesuch um sofortige Haftentlassung wies es ab.
Mit Präsidialverfügung vom 20. Juli 2021 wies der zuständige Abteilungspräsident des Obergerichts das Haftentlassungsgesuch von A.________ vom 26. Mai 2021 (erneut) ab. Er erwog, den Parteien sei das Berufungsurteil vom 26. Mai 2021 am 16. Juni 2021 eröffnet worden. Mit Verfügung vom gleichen Tag sei die Sicherheitshaft bis zum Strafantritt verlängert worden. Diese Präsidialverfügung stelle somit den aktuellen Hafttitel dar. Das Haftentlassungsgesuch sei, auch unter Beachtung der Erwägungen des bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheids vom 5. Juli 2021, unbegründet.

A.b. Mit Urteil 1B 398/2021 vom 4. August 2021 hat das Bundesgericht die Präsidialverfügung vom 16. Juni 2021 aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid ans Obergericht zurückgewiesen. Das Gesuch von A.________ um sofortige Haftentlassung wies es ab.

B.

B.a. Mit Beschwerde vom 23. August 2021 beantragt A.________, die Präsidialverfügung des Obergerichts vom 20. Juli 2021 aufzuheben und ihn umgehend aus der Sicherheitshaft zu entlassen. Er sei vorsorglich aus der Einzelhaft zu entlassen und in den ordentlichen Vollzug zu versetzen, wobei ihm die notwendige medizinische Versorgung zu gewähren sei. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

B.b. Das Obergericht hält in seiner Vernehmlassung fest, es habe selbstverständlich nichts dagegen einzuwenden, dass A.________ medizinisch versorgt werde, und es gehe davon aus, dass dies in ausreichendem Mass sichergestellt sei. Letztlich handle es sich dabei aber gleich wie die ebenfalls beantragte Verlegung in den ordentlichen Strafvollzug um eine Vollzugsfrage, die nicht im Haftverfahren zu entscheiden sei. Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde in der Sache und alle Anträge zu vorsorglichen Massnahmen abzuweisen.
In seiner Replik hält der Beschwerdeführer an seiner Beschwerde vollumfänglich fest.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer strafrechtlichen Angelegenheit. Dagegen steht die Beschwerde nach Art. 78 ff
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 78 Grundsatz - 1 Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
1    Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
2    Der Beschwerde in Strafsachen unterliegen auch Entscheide über:
a  Zivilansprüche, wenn diese zusammen mit der Strafsache zu behandeln sind;
b  den Vollzug von Strafen und Massnahmen.
. BGG offen. Es ist allerdings Sache des Beschwerdeführers, sowohl darzulegen, dass die Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, soweit das nicht offensichtlich ist (Art. 42 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 42 Rechtsschriften - 1 Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
1    Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
2    In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliegt, so ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist. 14 15
3    Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat; richtet sich die Rechtsschrift gegen einen Entscheid, so ist auch dieser beizulegen.
4    Bei elektronischer Einreichung muss die Rechtsschrift von der Partei oder ihrem Vertreter beziehungsweise ihrer Vertreterin mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 201616 über die elektronische Signatur versehen werden. Das Bundesgericht bestimmt in einem Reglement:
a  das Format der Rechtsschrift und ihrer Beilagen;
b  die Art und Weise der Übermittlung;
c  die Voraussetzungen, unter denen bei technischen Problemen die Nachreichung von Dokumenten auf Papier verlangt werden kann.17
5    Fehlen die Unterschrift der Partei oder ihrer Vertretung, deren Vollmacht oder die vorgeschriebenen Beilagen oder ist die Vertretung nicht zugelassen, so wird eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels angesetzt mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibt.
6    Unleserliche, ungebührliche, unverständliche, übermässig weitschweifige oder nicht in einer Amtssprache verfasste Rechtsschriften können in gleicher Weise zur Änderung zurückgewiesen werden.
7    Rechtsschriften, die auf querulatorischer oder rechtsmissbräuchlicher Prozessführung beruhen, sind unzulässig.
BGG; BGE 133 II 249 E. 1.1; 353 E. 1), als auch, dass der angefochtene Entscheid Bundesrecht verletzt (BGE 135 III 127 E. 1.6 S. 130; 134 II 244 E. 2.1 und 2.2 S. 245 f.; je mit Hinweisen).
Die Einreichung einer Beschwerde setzt unter anderem ein aktuelles Rechtsschutzinteresse voraus, d.h., der Beschwerdeführer muss aus ihrer Gutheissung einen praktischen Nutzen ziehen können. Zu dieser Problematik äussert sich der Beschwerdeführer in seiner Eingabe ans Bundesgericht mit keinem Wort.
Mit der hier angefochtenen Präsidialverfügung hat das Obergericht die Verlängerung der Sicherheitshaft bis zur Eröffnung des Berufungsentscheids geschützt. Der Berufungsentscheid wurde am 16. Juni 2021 eröffnet, womit die Wirksamkeit der Verfügung vom 26. Mai 2021 abgelaufen ist. Sie wurde durch die Päsidialverfügung vom 16. Juni 2021 ersetzt, mit welcher die Sicherheitshaft bis zum Strafantritt verlängert wurde. Mit der Aufhebung der angefochtenen Präsidialverfügung vom 20. Juli 2021 und damit auch der in zeitlicher Hinsicht abgelaufenen Verfügung vom 26. Mai 2021 könnte der Beschwerdeführer seine Haftentlassung nicht erreichen. Er hat kein aktuelles Rechtsschutzinteresse an ihrer Aufhebung. Dies umso weniger, als das Bundesgericht am 4. August 2021 auch die Präsidialverfügung vom 16. Juni 2021 aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid ans Obergericht zurückgewiesen hat. Der Beschwerdeführer wird diesen (wohl bereits ergangenen oder in Kürze ergehenden) Obergerichtsentscheid wiederum beim Bundesgericht anfechten können. Dass sich dadurch seine Haft bis zu einer allfälligen neuen Beurteilung durch das Bundesgericht möglicherweise um einige wenige Wochen verlängert, hat er hinzunehmen, da das Bundesgericht im Urteil vom 4. August
2021 seinen Antrag auf sofortige Haftentlassung abgewiesen und damit diese Verzögerung in Kauf genommen hat.
Der Beschwerdeführer macht im Übrigen nicht geltend, es liege eine Konstellation vor, in der trotz fehlendem aktuellem Rechtsschutzinteresse dennoch auf die Beschwerde eingetreten werden müsste. Dies ist auch nicht ersichtlich.

2.
Auf die Beschwerde ist im vereinfachten Verfahren nicht einzutreten. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist abzuweisen, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
und 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
BGG). Hingegen kann auf die Erhebung von Kosten verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt der Präsident:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. September 2021

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kneubühler

Der Gerichtsschreiber: Störi
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 1B_462/2021
Date : 13. September 2021
Published : 01. Oktober 2021
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strafprozess
Subject : Sicherheitshaft


Legislation register
BGG: 42  64  66  78
BGE-register
133-II-249 • 134-II-244 • 135-III-127
Weitere Urteile ab 2000
1B_326/2021 • 1B_398/2021 • 1B_462/2021
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