Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}

6B 909/2013

Urteil vom 12. Februar 2014

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Einzelrichter,
Gerichtsschreiberin Pasquini.

Verfahrensbeteiligte
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt Altstätten,
Luchsstrasse 11, 9450 Altstätten SG,
Beschwerdeführerin,

gegen

Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Henzen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Beschwerdelegitimation der Privatklägerschaft,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 28. Mai 2013.

Der Einzelrichter zieht in Erwägung:

1.

Das Kreisgericht Rheintal verurteilte die Beschwerdegegnerin am 3. November/21. Dezember 2010 wegen Betrugs, versuchten Betrugs, mehrfacher Urkundenfälschung und falscher Anschuldigung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten. Von den Vorwürfen des Betrugs zum Nachteil der Privatkläger X.________ und der Erschleichung einer falschen Beurkundung sprach es sie frei. Es verwies die Zivilklage der Privatkläger auf den Zivilweg.

Das Kantonsgericht St. Gallen wies die Berufung der Privatkläger am 28. Mai 2013 ab, soweit es darauf eintrat.

Die Beschwerdeführerin beantragt beim Bundesgericht, der Entscheid des Kantonsgerichts sei aufzuheben. Die Strafsache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen. Auf die Berufung der Privatkläger sei einzutreten. Die Beschwerdegegnerin sei des Betrugs zum Nachteil der Eheleute X.________ schuldig zu sprechen.

Die Privatkläger führen ihrerseits Beschwerde in Strafsachen (Verfahren 6B 904/2013 und 6B 911/2013).

2.

Der Beschwerdeführerin steht das Beschwerderecht in Strafsachen grundsätzlich ohne Einschränkungen zu (BGE 134 IV 36 E. 1.4; Urteil 6B 950/2013 vom 10. Dezember 2013 E. 3.1). Im Kanton St. Gallen besteht weder eine für den ganzen Kanton zuständige Oberstaatsanwaltschaft noch eine vergleichbare Behörde (vgl. Urteil 6B 949/2013 vom 3. Februar 2014 E. 2.2 mit Hinweis; Art. 9-11 des Einführungsgesetzes des Kantons St. Gallen vom 3. August 2010 zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung; THOMAS HANSJAKOB, in: Organisation der kantonalen und eidgenössischen Strafbehörden, Arn/Saurer/Kuhn [Hrsg.], 2011, S. 424 N. 22, wonach der Erste Staatsanwalt die Staatsanwaltschaft bloss gegen aussen leitet und der Konferenz der Leitenden Staatsanwälte und des Leitenden Jugendanwalts vorsteht, diesen gegenüber aber über kein Weisungsrecht verfügt). Die Leitende Staatsanwältin des Untersuchungsamts Altstätten ist befugt, mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht zu gelangen.

3.

3.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz wende das Recht falsch an, indem sie erwäge, die Privatkläger könnten den Freispruch nicht anfechten, sondern nur den Entscheid über die Zivilklage, diese könne aber nicht behandelt werden, weil ein Freispruch erfolgt sei.

3.2. Die Vorinstanz erwägt, die Eheleute X.________ seien gemäss anwendbarem kantonalem Verfahrensrecht als Privatkläger nicht legitimiert, den Schuld- oder Strafpunkt des erstinstanzlichen Urteils anzufechten. Sie seien auch keine Opfer im Sinne von Art. 1 Abs. 2
SR 312.5 Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) - Opferhilfegesetz
OHG Art. 1 Grundsätze - 1 Jede Person, die durch eine Straftat in ihrer körperlichen, psychischen oder sexuellen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist (Opfer), hat Anspruch auf Unterstützung nach diesem Gesetz (Opferhilfe).
1    Jede Person, die durch eine Straftat in ihrer körperlichen, psychischen oder sexuellen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist (Opfer), hat Anspruch auf Unterstützung nach diesem Gesetz (Opferhilfe).
2    Anspruch auf Opferhilfe haben auch der Ehegatte oder die Ehegattin des Opfers, seine Kinder und Eltern sowie andere Personen, die ihm in ähnlicher Weise nahestehen (Angehörige).
3    Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob der Täter oder die Täterin:
a  ermittelt worden ist;
b  sich schuldhaft verhalten hat;
c  vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.
OHG. Auf ihre Berufung könne nur eingetreten werden, soweit sie die Zivilklage betreffe (Urteil S. 4-6 E. II). Die erste Instanz habe diese zu Recht auf den Zivilweg verwiesen. Der von den Privatklägern geltend gemachte Schaden sei nicht die Folge einer strafbaren Handlung, sondern hänge vielmehr mit der ungeklärten zivilrechtlichen Situation zusammen (Urteil S. 6 f. E. III).

3.3. Am 1. Januar 2011 trat die Schweizerische Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) in Kraft. Das erstinstanzliche Urteil erging am 3. November/21. Dezember 2010. Das kantonale Verfahren richtet sich nach dem bis am 31. Dezember 2010 geltenden Strafprozessgesetz des Kantons St. Gallen vom 1. Juli 1999 (Art. 453 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 453 Vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällte Entscheide - 1 Ist ein Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden, so werden Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt.
1    Ist ein Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden, so werden Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt.
2    Wird ein Verfahren von der Rechtsmittelinstanz oder vom Bundesgericht zur neuen Beurteilung zurückgewiesen, so ist neues Recht anwendbar. Die neue Beurteilung erfolgt durch die Behörde, die nach diesem Gesetz für den aufgehobenen Entscheid zuständig gewesen wäre.
StPO; BGE 137 IV 219 E. 1.1 mit Hinweisen).

Das Bundesgericht überprüft die Anwendung kantonalen Rechts - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür (vgl. Art. 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG; BGE 138 IV 13 E. 2). Die Rüge der Verletzung von Grundrechten einschliesslich Willkür muss in der Beschwerde präzis vorgebracht und substanziiert begründet werden, andernfalls auf die Beschwerde nicht einzutreten ist. Das bedeutet, dass klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (Art. 106 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG; vgl. BGE 138 I 225 E. 3.2; 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5; je mit Hinweisen).

3.4. Nach Art. 222 Abs. 1 lit. c aStP/SG ist der Kläger berechtigt, ein Rechtsmittel gegen die Nichteintretens- und die Aufhebungsverfügung sowie das Urteil, soweit ihm Kosten auferlegt werden, einzulegen. Er kann den Entscheid über die Zivilklage anfechten, wenn der Streitwert Fr. 8'000.-- übersteigt. Gemäss Art. 43 Abs. 1 aStP/SG können im Strafverfahren Zivilansprüche geltend gemacht werden, die sich gegen den Angeschuldigten richten und sich aus der strafbaren Handlung ableiten. Über die Zivilklage wird entschieden, wenn sie spruchreif ist. Freispruch und Einstellung stehen der Beurteilung nicht entgegen (Art. 46 Abs. 1 aStP/SG). Dass und inwiefern die Vorinstanz vorliegend diese kantonalen Bestimmungen willkürlich angewandt haben soll, legt die Beschwerdeführerin nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Auf die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 108
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 108 Einzelrichter oder Einzelrichterin - 1 Der Präsident oder die Präsidentin der Abteilung entscheidet im vereinfachten Verfahren über:
1    Der Präsident oder die Präsidentin der Abteilung entscheidet im vereinfachten Verfahren über:
a  Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Beschwerden;
b  Nichteintreten auf Beschwerden, die offensichtlich keine hinreichende Begründung (Art. 42 Abs. 2) enthalten;
c  Nichteintreten auf querulatorische oder rechtsmissbräuchliche Beschwerden.
2    Er oder sie kann einen anderen Richter oder eine andere Richterin damit betrauen.
3    Die Begründung des Entscheids beschränkt sich auf eine kurze Angabe des Unzulässigkeitsgrundes.
BGG nicht einzutreten.

4.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
i.V.m. Abs. 4 BGG). Der Beschwerdegegnerin ist keine Entschädigung auszurichten, weil sie vor Bundesgericht keine Umtriebe hatte.

Demnach erkennt der Einzelrichter:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Februar 2014

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Einzelrichter: Schneider

Die Gerichtsschreiberin: Pasquini
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 6B_909/2013
Date : 12. Februar 2014
Published : 02. März 2014
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strafprozess
Subject : Beschwerdelegitimation der Privatklägerschaft


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