Tribunal federal
{T 0/2}
6B 367/2007 /rom
Urteil vom 10. Oktober 2007
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari, Favre, Mathys,
Gerichtsschreiber Stohner.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Bernhard Rüdy,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich.
Gegenstand
Mehrfache Urkundenfälschung,
Beschwerde in Strafsachen gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 15. März 2007.
Sachverhalt:
A.
Mit Urteil vom 20. Juni 2006 sprach das Bezirksgericht Zürich X.________ und A.________ des mehrfachen Steuerbetrugs und der mehrfachen Urkundenfälschung schuldig und bestrafte sie je mit fünf Monaten Gefängnis, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren.
Gegen dieses Urteil reichte X.________ Berufung ans Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, ein und beantragte, auf die Anklage betreffend mehrfacher Urkundenfälschung sei nicht einzutreten. Eventualiter sei er vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung freizusprechen. A.________ sah von einem Weiterzug des Urteils ab.
B.
Mit Urteil vom 15. März 2007 stellte das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, fest, dass das erstinstanzliche Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, soweit X.________ des mehrfachen Steuerbetrugs für schuldig erklärt wurde. Des Weiteren befand es X.________ der mehrfachen Urkundenfälschung für schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von insgesamt 150 Tagessätzen zu Fr. 150.--, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren.
C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, auf die Anklage betreffend mehrfacher Urkundenfälschung sei nicht einzutreten. Eventualiter sei er vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung freizusprechen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Auf die Beschwerde ist einzutreten, da sie unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1







2.
Den Verurteilungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beschwerdeführer hat zusammen mit seinem Geschäftspartner A.________ 1991 eine Aktiengesellschaft (AG) gegründet, bei welcher A.________ als Präsident und der Beschwerdeführer als Vize-Präsident des Verwaltungsrats mit Einzelunterschrift amteten. Zwischen 1995 und 2001 veranlassten die beiden Geschäftspartner mit fiktiven Rechnungen Zahlungen der AG auf ein Bankkonto und verwendeten die einbezahlten Beträge zu privaten Zwecken. Diese Privatbezüge belasteten sie dem Aufwandkonto "Leistungen Dritter" der AG und reichten den Steuerbehörden zusammen mit der Steuererklärung Erfolgsrechnungen ein, welche einen fiktiv erhöhten Geschäftsaufwand auswiesen. Hierdurch wurden der steuerbare Geschäftsgewinn um insgesamt Fr. 622'790.-- geschmälert und im Ergebnis rund Fr. 191'000.-- an Steuern hinterzogen.
3.
Der Beschwerdeführer rügt vorab eine Verletzung von Art. 9

Willkür im Sinne von Art. 9

Der Beschwerdeführer wiederholt einzig seine bereits im kantonalen Verfahren erhobenen Tatsachenbehauptungen und stellt der Beweiswürdigung des Obergerichts seine eigene Sicht der Dinge gegenüber, ohne näher zu substantiieren, inwiefern der Entscheid (auch) im Ergebnis schlechterdings unhaltbar sein sollte. Seine Vorbringen erschöpfen sich mithin in einer unzulässigen appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil und genügen den Begründungsanforderungen nicht. In diesem Punkt kann auf die Beschwerde deshalb nicht eingetreten werden.
4.
4.1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Verurteilung wegen mehrfacher Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1


Ein Freispruch habe aber auch deshalb zu erfolgen, weil ihm keine Vorteils- oder Schädigungsabsicht angelastet werden könne. In der Erfolgsrechnung sei der Geschäftsgewinn fiktiv geschmälert worden, weshalb eine Täuschung von Dritten zur Erlangung eines unrechtmässigen Vorteils schlicht nicht möglich sei. Entgegen der Argumentation der Vorinstanz könnten insbesondere Gläubiger, die fälschlicherweise von einer schlechteren Bonität der Gesellschaft ausgingen, per se nicht in einer strafrechtlich relevanten Art getäuscht werden. Ebenso wenig sei eine Täuschung oder Schädigung der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) aufgrund der unwahren Erfolgsrechnungen denkbar, da der Ausgleichskasse keine Geschäftsbücher vorzulegen und auf Gewinnausschüttungen ohnehin keine Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten seien.
4.2 Gemäss Art. 251

Bei der Urkundenfälschung handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Geschütztes Rechtsgut von Art. 251


Die Urkundenfälschung im engeren Sinn erfasst das Herstellen einer unechten Urkunde, deren wirklicher Aussteller mit dem aus ihr ersichtlichen Urheber nicht identisch ist. Demgegenüber betrifft die Falschbeurkundung die Errichtung einer echten, aber unwahren Urkunde, bei der also der wirkliche und der in der Urkunde enthaltene Sachverhalt nicht übereinstimmen. Die Falschbeurkundung erfordert eine qualifizierte schriftliche Lüge. Eine solche wird nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur angenommen, wenn der Urkunde eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt und der Adressat ihr daher ein besonderes Vertrauen entgegenbringt. Dies ist der Fall, wenn allgemein gültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gegenüber Dritten gewährleisten, wie sie unter anderem in der Prüfungspflicht einer Urkundsperson oder in gesetzlichen Vorschriften wie etwa den Bilanzvorschriften der Art. 958 ff

kraft Gesetzes (Art. 662a


4.3 Eine falsche Buchung erfüllt den Tatbestand der Falschbeurkundung, wenn sie Buchungsvorschriften und -grundsätze verletzt, die errichtet worden sind, um die Wahrheit der Erklärung und damit die erhöhte Glaubwürdigkeit der Buchführung zu gewährleisten. Die spezifischen aktienrechtlichen Buchführungsbestimmungen gemäss Art. 662a

Art. 251

Nach Art. 662a Abs. 1


Wer Vergünstigungen und Ausgaben privater Art zu Unrecht als geschäftsbedingt ausweist oder wer Lohnzahlungen auf einem sachfremden Aufwandkonto verbucht, verstösst gegen Art. 662a


Durch das Verbuchen fiktiver Passiven hat der Beschwerdeführer folglich den objektiven Tatbestand der Falschbeurkundung nach Art. 251

4.4 Der subjektive Tatbestand der Urkundenfälschung verlangt Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale, wobei Eventualvorsatz genügt. Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Art. 12 Abs. 2

Verlangt wird des Weiteren ein Handeln in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen oder sich oder einem anderen einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Der erstrebte Vorteil bzw. die Schädigung müssen sich aus der zumindest in Kauf genommenen Verwendung der unechten bzw. unwahren Urkunde ergeben. Dies setzt eine Täuschungsabsicht voraus, die sich regelmässig aus dem Willen des Täters ergibt, die Urkunde als echt bzw. wahr zu verwenden. Dass eine Person tatsächlich getäuscht wird, ist nicht erforderlich, denn es entspricht dem Wesen der abstrakten Gefährdungsdelikte, dass nicht von Anbeginn an ersichtlich ist, in welcher Weise - d.h. bei welchen Personen und in welchem konkreten Sachzusammenhang - die dem Delikt innewohnende Gefahr sich auswirken kann. Die abstrakte Gefahr bzw. das Missbrauchsrisiko wird aber dennoch als derart hoch und schwerwiegend eingeschätzt, dass der Gesetzgeber bereits das gefährdende Verhalten als selbstständig strafbar beurteilt, unabhängig davon, ob der ordnungsgemässe Gang des Rechtsverkehrs auch faktisch tangiert ist oder nicht. Die Absichten der fälschenden Person können sich auf einen vom Gesetz nicht näher bestimmten "unrechtmässigen Vorteil" zugunsten des Täters
oder eines Dritten richten. Dabei genügt grundsätzlich jede Besserstellung. Art. 251


Der vom Beschwerdeführer subjektiv angestrebte unrechtmässige Vorteil besteht primär in Steuervorteilen für die Gesellschaft, deren Gewinn sich um den zu Unrecht verbuchten Geschäftsaufwand verringerte. Darüber hinaus schuf der Beschwerdeführer durch diese Transaktionen - seien sie nun als verdeckte Gewinnausschüttungen oder als Verbuchung von Lohnzahlungen auf einem sachfremden Aufwandkonto zu bewerten - die Voraussetzungen dafür, dass er den fraglichen Betrag bei der Steuerveranlagung seines privaten Einkommens verschweigen konnte (vgl. hierzu Urteil des Bundesgerichts 6S.147/2003 vom 30. April 2005, E. 2.3.3, publ. in: Pra 2006 Nr. 71 S. 500).
Der subjektive Tatbestand von Art. 251

-:-
4.5 Zu klären bleibt das Verhältnis zwischen den Tatbeständen des Steuerbetrugs und der Urkundenfälschung.
Wer mit einem Urkundenfälschungsdelikt ausschliesslich Steuervorschriften umgehen will, ist einzig nach Steuerstrafrecht zu beurteilen. Ist hingegen nachgewiesen, dass der Täter mit seiner Fälschung oder Falschbeurkundung nicht nur einen steuerlichen Vorteil erstrebte, sondern auch eine - objektiv mögliche - Verwendung des Dokuments im nicht-fiskalischen Bereich beabsichtigte oder zumindest in Kauf nahm, so liegt echte Konkurrenz zwischen Steuerdelikt und gemeinrechtlichem Urkundendelikt vor (Markus Boog, Basler Kommentar, StGB II, 2003, Art. 251 N. 107; Andreas Donatsch/Wolfgang Wohlers, Strafrecht IV Delikte gegen die Allgemeinheit, 3. Aufl., Zürich 2004, S. 155; Trechsel, a.a.O., Art. 251 N. 20; Stratenwerth, a.a.O., § 36 N. 59; Derselbe, Urkundendelikte unter dem Aspekt der Wirtschaftskriminalität, SJZ 76/1980 S. 10 f.; Hans Schultz, Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1996, ZBJV 133/1997 S. 401; vgl. auch Andreas Donatsch, Besprechung von BGE 122 IV 25 ff., SZW 6/1997 S. 262; Guido Jenny, Zur Frage der Konkurrenz zwischen Steuerstrafrecht und gemeinem Strafrecht im Bereich der Urkundendelikte, ZStrR 97/1980 S. 121 ff.; A. Haefliger, Urkundendelikte des Strafgesetzbuches und kantonales
Steuerstrafrecht, ZStrR 71/1956 S. 68 f.).
4.6 Während bei einfachen Gesellschaften - auf welche sich der vom Beschwerdeführer angeführte BGE 108 IV 27 bezieht - das Vermögen der Gesellschaft lediglich abstrakt ausgeschieden ist und die Gesellschafter unbeschränkt für Gesellschaftsschulden haften, kommt der Buchhaltung bei Aktiengesellschaften eine erhöhte Bedeutung zu, da diese dem Nachweis des Gesellschaftsvermögens dient. Die Handelsbilanz einer AG hat stets die Funktion, nicht nur im Verhältnis zu den Steuerbehörden, sondern auch und vor allem gegenüber Dritten als Ausweis über die finanzielle Situation der Gesellschaft zu dienen. Wer eine inhaltlich unrichtige Handelsbilanz erstellt, nimmt daher in aller Regel in Kauf, dass diese nicht nur im Verhältnis zu den Steuerbehörden, sondern auch im nicht-fiskalischen Bereich Verwendung findet. Das reicht grundsätzlich für die Anwendung von Art. 251


inhaltlich falsche, ausschliesslich für Steuerzwecke erstellte und als solche bezeichnete Steuerbilanz errichtet würde (vgl. zum Ganzen BGE 122 IV 25 E. 3c). Dies aber ist vorliegend nicht der Fall.
4.7 Aus diesen Ausführungen folgt zugleich, dass die Rüge des Beschwerdeführers, der Anklagegrundsatz sei verletzt worden, nicht stichhaltig ist:
Der Anklagegrundsatz dient dem Schutz der Verteidigungsrechte der angeklagten Person und konkretisiert insofern das Prinzip der Gehörsgewährung (Art. 29 Abs. 2


In der Anklageschrift wird dem Beschwerdeführer explizit vorgeworfen, er habe durch die Falschbeurkundung in Kauf genommen, dass Dritte - insbesondere mögliche Gläubiger und die AHV - über die Vermögenslage getäuscht würden. Da aber weder eine effektive Überlassung der Erfolgsrechnung an Dritte in objektiver noch ein damit verfolgter konkreter Täuschungsvorsatz in subjektiver Hinsicht erforderlich ist, muss die Anklage auch nicht anhand einzelner Lebensvorgänge konkretisieren, inwiefern Dritte getäuscht oder konkret geschädigt worden seien bzw. potentiell geschädigt werden könnten.
Ein Verstoss gegen das Akkusationsprinzip liegt mithin nicht vor.
4.8 Im Übrigen ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bei Erfolgsrechnungen, welche das Ergebnis der Unternehmung negativer darstellen, als dies in Tat und Wahrheit der Fall ist, die Erlangung eines eigenen Vorteils oder einer Schädigung Dritter - wie namentlich von Gläubigern oder der AHV - nicht per se ausgeschlossen:
Wird zum Zwecke der Steuerhinterziehung der Geschäftsgewinn fiktiv geschmälert, besteht für die Gesellschaft insbesondere das Risiko, dass Nach- und Strafsteuern bezahlt werden müssen, wenn die Sache entdeckt wird. Diese Zahlungen mindern die Liquidität der Gesellschaft und können so Gläubigerinteressen tangieren.
Ebenso kann die Falschbeurkundung sozialversicherungsrechtlich bedeutsam sein. Gemäss Art. 7 lit. h


Die Sozialversicherung ist daran interessiert zu verhindern, dass massgebender Lohn fälschlicherweise als Kapitalertrag deklariert wird und dadurch der Beitragserhebung entgeht (BGE 103 V 1 E. 2b; Roland Müller, Der Verwaltungsrat als Arbeitnehmer, Zürich/Basel/ Genf 2005, S. 377 ff.). Es ist dabei Sache der Ausgleichskassen, selbstständig zu beurteilen, ob ein Einkommensbestandteil als massgebender Lohn oder als Kapitalertrag zu qualifizieren ist. Allerdings halten sich die Ausgleichskassen bei ihrem Entscheid in der Regel an die bundessteuerrechtliche Betrachtungsweise (vgl. Art. 23

4.9 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der Beschwerdeführer durch seine Erstellung einer inhaltlich unrichtigen Handelsbilanz zum Zwecke der Steuerhinterziehung die Verwendung der Urkunden im nicht-fiskalischen Bereich und die Täuschung von Dritten zwangsläufig billigend in Kauf genommen hat, konnte er doch nicht von vornherein wissen, wofür die Erfolgsrechnung noch Verwendung findet. Es liegt folglich echte Konkurrenz zwischen den Tatbeständen des Steuerbetrugs und der Urkundenfälschung vor.
5.
Die Beschwerde ist demnach vollumfänglich abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1

Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. Oktober 2007
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: