[AZA 7]
H 369/99 Gi

IV. Kammer

Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger;
Gerichtsschreiber Hadorn

Urteil vom 9. Juni 2000

in Sachen

O.________, Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse Gastrosuisse, Heinerich Wirri-Strasse 3, Aarau, Beschwerdegegnerin,

und

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

A.- Mit Verfügungen vom 12. Februar 1998 verpflichtete die Ausgleichskasse Gastrosuisse O.________, G.________ und M.________, Verwaltungsratsmitglieder der in Konkurs gefallenen N.________ AG, unter solidarischer Haftbarkeit Fr. 36'611. 85, Fr. 40'800. 90 bzw. Fr. 15'320. 30 Schadenersatz für nicht mehr einbringliche Sozialversicherungsbeiträge zuzüglich Verzugszinsen und Mahngebühren zu leisten.

B.- Nach Einspruch aller Belangten erhob die Kasse drei Klagen auf Bezahlung der genannten Summen, je abzüglich einer inzwischen eingegangenen Überweisung des Verwaltungsratspräsidenten T.________ von Fr. 1150. -. Mit Entscheid vom 30. September 1999 vereinigte das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die drei Verfahren und verurteilte die Beklagten, in solidarischer Haftung wie folgt Schadenersatz zu zahlen: O.________ Fr. 35'461. 85, G.________ Fr. 39'650. 90 und M.________ Fr. 14'170. 30.

C.- O.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben, und die gegen ihn gerichtete Klage der Kasse sei abzuweisen, eventuell bloss im Umfang von Fr. 31'265. 85 gutzuheissen.
Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, weist aber darauf hin, dass ihre Forderung wegen weiterer Teilzahlungen von T.________ um insgesamt Fr. 4350. 90 zu reduzieren sei.
Der als Mitinteressierter beigeladene M.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen.
Der Mitinteressierte G.________ und das Bundesamt für Sozialversicherung reichen keine Vernehmlassung ein.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.- a) Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so weit eingetreten werden, als die Schadenersatzforderung kraft Bundesrechts streitig ist. Im vorliegenden Verfahren ist deshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Umfang nicht einzutreten, als sie sich gegen die Schadenersatzforderung für entgangene Beiträge an die kantonale Familienausgleichskasse richtet (vgl. BGE 119 V 80 Erw. 1b, 118 V 69 Erw. 1b mit Hinweis).
b) Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.- a) Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf Gesetz (Art. 52
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
AHVG) und Rechtsprechung (vgl. statt vieler BGE 123 V 15 Erw. 5a) die Voraussetzungen zutreffend dargelegt, unter welchen Organe juristischer Personen den der Ausgleichskasse wegen Verletzung der Vorschriften über die Beitragsabrechnung und -zahlung (Art. 14 Abs. 1
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 14 Bezugstermine und -verfahren - 1 Die Beiträge vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit sind bei jeder Lohnzahlung in Abzug zu bringen und vom Arbeitgeber zusammen mit dem Arbeitgeberbeitrag periodisch zu entrichten.
a  die Zahlungstermine für die Beiträge;
b  das Mahn- und Veranlagungsverfahren;
c  die Nachzahlung zu wenig bezahlter Beiträge;
d  den Erlass der Nachzahlung, auch in Abweichung von Artikel 24 ATSG;
e  ...76.77
AHVG; Art. 34 ff
SR 831.101 Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV)
AHVV Art. 34 Zahlungsperioden - 1 Es haben der Ausgleichskasse die Beiträge zu zahlen:
a  Arbeitgeber monatlich oder, wenn die jährliche Lohnsumme 200 000 Franken nicht übersteigt, vierteljährlich;
b  Selbstständigerwerbende und Nichterwerbstätige sowie Arbeitnehmer nicht beitragspflichtiger Arbeitgeber, vierteljährlich;
c  Arbeitgeber im vereinfachten Verfahren nach den Artikeln 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005150 über Massnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (BGSA), jährlich.
. AHVV) schuldhaft verursachten Schaden zu ersetzen haben. Darauf kann verwiesen werden.

b) Der Beschwerdeführer kritisiert die Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts zu Art. 52
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
AHVG. Die erwähnte Bestimmung statuiere die Haftung des Arbeitgebers. Sei dieser eine juristische Person, sehe Art. 52
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
AHVG jedoch keine Ausdehnung der Haftung auf deren Organe vor.
Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat sich in BGE 114 V 220 Erw. 3 eingehend mit dieser Frage befasst und erkannt, es bestehe kein Grund, von der subsidiären Haftung der Organe abzusehen. Daran hat das Gericht in ständiger Rechtsprechung festgehalten (BGE 123 V 15 Erw. 5b, 122 V 66 Erw. 4a, 119 V 405 Erw. 2, je mit Hinweisen). Vorliegend ist kein Anlass ersichtlich, von dieser Praxis abzuweichen. Sodann drängt sich keine Milderung des strengen Verschuldensmassstabes bei Verwaltungsräten von kleinen Gesellschaften auf. Von solchen ist in Übereinstimmung mit der bisherigen Praxis weiterhin zu verlangen, dass sie den Überblick über den Geschäftsgang ihrer einfach strukturierten Firma behalten und für die korrekte Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge sorgen (BGE 108 V 203 Erw. 3b).

3.- a) Die Vorinstanz hat in für das Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlicher Weise (Erw. 1b hievor) festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht bloss "Berater" der in Konkurs gefallenen Firma war, sondern an Besprechungen und Vertragsverhandlungen teilgenommen hat, in das Unternehmen eingebunden war und für seine Bemühungen entsprechende Honorarforderungen erhob. Den diesbezüglichen Erwägungen des kantonalen Gerichts ist nichts beizufügen. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er sei von den übrigen Verwaltungsräten ausgegrenzt worden, ist ihm entgegen zu halten, dass gerade faktisch von der Geschäftsführung ausgeschlossene Verwaltungsräte sich umso energischer um Einsicht in die Firmenunterlagen bemühen, Massnahmen ergreifen und notfalls aus dem Verwaltungsrat austreten müssen. SolltendieübrigenMitgliederdes Verwaltungsrats den Beschwerdeführer nicht mehr informiert haben, musste dieser daher selber einschreiten. Konkrete Massnahmen weist er jedoch keine nach. Eine solche Passivität ist grobfahrlässig im Sinne von Art. 52
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
AHVG (ZAK 1989 S. 104). Dass die Geschäftsführung nicht in seinen Händen lag, entlastet den Beschwerdeführer nicht. Auf Grund seiner gesetzlichen Pflichten als Verwaltungsrat hatte er auch bei
einer Delegation des Finanzwesens an Dritte darüber zu wachen, dass die ausstehenden Beiträge pünktlich bezahlt wurden, und gegebenenfalls einzuschreiten. Auch diesbezüglich ist den Erwägungen der Vorinstanz nichts Weiteres beizufügen.

b) Eventualiter macht der Beschwerdeführer geltend, er hafte nur bis 7. Februar 1997, dem Datum, an welchem die Einladung zur ausserordentlichen Generalversammlung vom 3. März 1997 mit dem Traktandum seiner Abwahl aus dem Verwaltungsrat verschickt worden ist. Diesem Begehren ist nicht stattzugeben. Ein Verwaltungsrat haftet bis zu seinem Ausscheiden aus dieser Funktion, vorliegend somit bis zum 3. März 1997 (BGE 112 V 4 Erw. 3c, 111 II 484 f.).

c) In masslicher Hinsicht wird die Ausgleichskasse berücksichtigen, dass Verwaltungsratspräsident T.________ in der Zwischenzeit die Beitragsschuld durch weitere Ratenzahlungen teilweise beglichen hat, und sämtliche bis zu einer allfälligen Vollstreckung der Schadenersatzforderung eingegangenen Zahlungen anrechnen.

4.- a) Das Verfahren ist kostenpflichtig, da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht (Art. 134
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
OG e contrario). Der unterliegende Beschwerdeführer hat daher die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
OG). Dass die gegen ihn gerichtete Forderung der Kasse im Sinne von Erw. 3c hievor zu reduzieren sein wird, rechtfertigt keine Ermässigung der Gerichtskosten.

b) Dem anwaltlich vertretenen Mitinteressierten M.________, der mit seinem Antrag auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde obsiegt, steht eine Parteientschädigung zu Lasten des Beschwerdeführers zu (Art. 159
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
OG; BGE 97 V 32 Erw. 5; Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. S. 184).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, im Sinne der Erwägungen abgewiesen.

II.Die Gerichtskosten von total Fr. 3000. - werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

III. Der Beschwerdeführer hat dem als Mitinteressierten beigeladenen M.________ für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1000. - zu bezahlen.

IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Abgaberechtliche Abteilung, dem Bundesamt für Sozialversicherung, G.________ und M.________ zugestellt.

Luzern, 9. Juni 2000

Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer:

Der Gerichtsschreiber:
Decision information   •   DEFRITEN
Document : H_369/99
Date : 09. Juni 2000
Published : 27. Juni 2000
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Alters- und Hinterlassenenversicherung
Subject : -


Legislation register
AHVG: 14  52
AHVV: 34
OG: 104  105  132  134  156  159
BGE-register
108-V-199 • 111-II-480 • 112-V-1 • 114-V-219 • 118-V-65 • 119-V-401 • 119-V-78 • 122-V-65 • 123-V-12 • 97-V-28
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