Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BH.2015.2

Beschluss vom 9. April 2015 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz, Giorgio Bomio und Nathalie Zufferey Franciolli, Gerichtsschreiber Martin Eckner

Parteien

A.,

Beschwerdeführer

gegen

1. Bundesanwaltschaft,

Beschwerdegegnerin

2. Bezirksgericht Zürich, 10. Abteilung, Zwangsmassnahmengericht, Vorinstanz

Gegenstand

Verlängerung der Untersuchungshaft (Art. 227 i.V.m. Art. 222 StPO)

Sachverhalt:

A. Die Zweigstelle Zürich der Bundesanwaltschaft (nachfolgend "BA") führt u. a. gegen A. (nachfolgend auch "Beschuldigter") eine Untersuchung u. a. wegen des Verdachts des Betrugs (Art. 146 Abs. 1 StGB), der qualifizierten Geldwäscherei (Art. 305bis Ziff. 2 lit. b und c StGB), der Veruntreuung (Art. 138 StGB) sowie der qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 Ziff. 1 Abs. 3 /Ziff. 2 StGB; vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2014.11 vom 8. September 2014, lit. A).

Im Wesentlichen beschuldigt die BA eine Gruppe von Personen, darunter den Beschuldigten, u. a. des Betrugs an der E. Holding. Die E. Holding sei ein grosses Industrieunternehmen in Russland. Am Betrug namhaft mitbeteiligt sei auch zumindest eine bei und angeblich für E. Holding wirkende Person gewesen (R.). E. Holding sollte um EUR 100 Mio. betrogen werden (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2014.11 vom 8. September 2014, E. 4.2.1).

B. Das Zwangsmassnahmengericht am Bezirksgericht Zürich (nachfolgend "ZMG") versetzte den Beschuldigten mit Verfügung vom 30. Juni 2011 in Untersuchungshaft. Die Untersuchungshaft wurde seitdem mehrfach verlängert und im Rechtsmittelzug bestätigt (vgl. Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BH.2014.11 vom 8. September 2014, lit. B; BH.2014.17 vom 4. Dezember 2014, lit. C).

C. Mit Verfügung vom 29. Januar 2015 verlängerte das ZMG die Untersuchungshaft bis 28. April 2015 (act. 2).

D. Dagegen erhebt der Beschuldigte am 5. Februar 2015 persönlich Beschwerde (act. 1). Er beantragt in der Hauptsache, er sei aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

Das ZMG verzichtete am 10. Februar 2015 auf eine Stellungnahme (act. 4). Die BA beantragte am 18. Februar 2015, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit überhaupt darauf einzutreten sei (act. 7). Die Replik ist beim Gericht am 26. Februar 2015 eingegangen (act. 10).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1. Der inhaftierte Beschuldigte ist zur Haftbeschwerde legitimiert. Auch die weiteren Eintretensvoraussetzungen (dazu Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2014.17 vom 4. Dezember 2014, E. 1.1) sind erfüllt, die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

2. Nach Art. 221 Abs. 1 StPO ist Untersuchungshaft nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt ist und zusätzlich einer der (besonderen) Haftgründe Fluchtgefahr (lit. a), Kollusionsgefahr (Iit. b) oder Wiederholungsgefahr (Iit. c) vorliegt. Haft ist auch zulässig, wenn ernsthaft zu befürchten ist, eine Person werde ihre Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahrmachen (Art. 221 Abs. 2 StPO). Wie andere Zwangsmassnahmen auch, hat die Untersuchungshaft dem Verhältnismässigkeitsprinzip zu genügen (Art. 197 Abs. 1 lit. c und d StPO). Demnach ordnet das zuständige Gericht gemäss Art. 237 Abs. 1 StPO eine oder mehrere mildere Massnahmen an, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen. Zudem darf die Untersuchungshaft nicht länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe (Art. 212 Abs. 3 StPO).

3.

3.1 Gemäss dem Beschuldigten fehle gegen ihn der erforderliche dringende Tatverdacht. Dieser stütze sich zu Unrecht darauf, dass Gelder über die J. an seine Tochter weitertransferiert worden seien (act. 1 S. 2 Ziff. 2). Soweit ihn die einvernommenen Personen überhaupt gekannt hätten, hätten sie den Beschuldigten zumeist als Dolmetscher kennengelernt (act. 1 S. 2 Ziff. 3). Die E. Holding habe sehr wohl über die Finanzgeschäfte Bescheid gewusst (act. 1 S. 2 Ziff. 4).

Zu seiner Entlastung bringt der Beschuldigte vor, dass die Gelder an seine Tochter nicht deliktischer Herkunft seien, sondern aus insgesamt drei Darlehen sowie aus seinem Restguthaben stammen würden (act. 1 S. 3–5, 15). Er habe nicht gewusst, dass die E. Holding Kredite aufgenommen habe und diese sei darauf auch gar nicht angewiesen gewesen (act. 1 S. 12).

3.2 Vorliegend ist der dringende Tatverdacht in einer Untersuchung zu prüfen, die zahlreiche Beweismittel erhoben hat und kurz vor dem Abschluss steht.

Das Haftgericht hat bei der Überprüfung des dringenden Tatverdachts keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweisergebnisse vorzunehmen. Zu prüfen ist vielmehr, ob genügend konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat und eine Beteiligung des Beschwerdeführers daran vorliegen, die Untersuchungsbehörden somit das Bestehen eines dringenden Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften. Im Haftprüfungsverfahren genügt der Nachweis von konkreten Verdachtsmomenten, wonach das inkriminierte Verhalten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen lässt keinen Raum für ausgedehnte Beweismassnahmen. Zur Frage des dringenden Tatverdachts hat das Haftgericht weder ein eigentliches Beweisverfahren durchzuführen, noch dem erkennenden Strafgericht vorzugreifen. Vorbehalten bleibt allenfalls die Abnahme eines liquiden Alibibeweises (zum Ganzen: BGE 137 IV 122 E. 3.2/3.3; Urteil des Bundesgerichts 1B_180/2014 vom 10. Juni 2014, E. 3.3).

3.3 Die BA wirft dem Beschuldigten im Kern vor, massgeblich daran mitgewirkt zu haben, dass EUR 100 Mio. der E. Holding über ein Genfer Konto der Bank C. zur G. SA gelangten und zumindest bis zum Eingriff der Strafverfolgungsbehörden weiterverteilt und E. Holding entzogen wurden (im Detail vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2014.11 vom 8. September 2014, E. 4.2.1).

Was der Beschuldigte dagegen einwendet, lässt einmal diesen Gesamtzusammenhang ausser Acht. Die "Information" von E. Holding lief wesentlich über den ihm seit langer Zeit bekannten und in die Geschehnisse involvierten R. Ebensowenig stammen die geltend gemachten Kreditverträge von aussenstehenden Akteuren wie z.B. Banken. Die Darlegungen und Berechnungen der BA zu den Transfers des Beschuldigten an seine Tochter (act. 7 S. 9–13 lit. B, insbes. Ziff. 3–7) decken Widersprüchliches auf. Sie wecken derartige Zweifel an den Ausführungen des Beschuldigten zu den Transfers, dass sie vor dem Strafgericht zu klären sein werden.

Sodann sind die Darlegungen des Beschuldigten teilweise unzutreffend, soweit er sich als typischen Dolmetscher darzustellen scheint (act. 1 S. 2 Ziff. 3; vgl. dazu auch Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2014.17 vom 4. Dezember 2014, E. 3.3) und die Aktensituation als "extrem mangelhaft" darstellt (act. 1 S. 2 Ziff. 1, act. 10 Ziff. 3, 9). Wie festgestellt vom ZMG und im Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2014.11 vom 8. September 2014, E. 3.4, war die Anlage der Verfahrensakten nicht optimal. Diesbezüglich hat sich die Situation bis heute verbessert. Es bleibt, dass zahlreiche Dokumente nur indirekt als Beilagen von Beilagen (vgl. BH.2014.11 E. 3.4.3) im Aktenverzeichnis erfasst zu sein scheinen, was für das Verfahren vor dem Strafgericht wohl nicht genügte.

Weitere der Ausführungen des Beschuldigten sind im Haftprüfungsverfahren für den Tatverdacht des Betrugs nicht ausschlaggebend. Dies betrifft das Vorbringen (act. 1 S. 12), E. Holding sei gar nicht auf Bankkredite angewiesen gewesen, um die EUR 100 Mio. auf das Konto der Bank C. zu überweisen. Auch welche Rolle er in Geschäften der E. Holding mit anderen Partnern gespielt habe (act. 1 S. 10, 13), geht am Kern der strafrechtlichen Vorwürfe im Zeitpunkt des heutigen Haftprüfungsverfahrens vorbei.

3.4 Zusammenfassend ist demnach festzuhalten: Was schon zuvor dargestellt wurde (Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2014.11 vom 8. September 2014, E. 4, 4.3.2 und 4.5.2), begründet auch im heutigen Stand der Untersuchung gegen den Beschuldigten einen dringenden Tatverdacht namentlich des Betrugs (Art. 146 Abs. 1 StGB) und der Geldwäscherei (Art. 305bis Abs. 1 StGB). Seine Vorbringen im heutigen Verfahren lassen dagegen den festgestellten dringenden Tatverdacht nicht dahinfallen.

4. Der Haftgrund der Fluchtgefahr wurde zurecht nicht bestritten (vgl. dazu die noch heute zutreffenden Ausführungen im Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2014.11 vom 8. September 2014, E. 5).

5. Entgegen dem Beschwerdeführer (act. 1 S. 2 Ziff. 6; act. 10 Ziff. 9) und wie das ZMG entschied (act. 2 S. 11 Ziff. 11), droht – noch – keine Überhaft (vgl. dazu die auch beim heutigen Verfahrensstand zutreffenden Ausführungen im Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2014.11 vom 8. September 2014, E. 6). Den zutreffenden Ausführungen des ZMG (act. 2 S. 12) ist anzufügen, dass die Aktenaufbereitung keine Haftverlängerung zu rechtfertigen vermöchte.

6. Insgesamt ist die fortdauernde Untersuchungshaft nicht zu beanstanden. Die dagegen erhobenen Rügen gehen fehl. Die Beschwerde ist folglich abzuweisen.

7. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der unterliegende Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die unter den vorliegenden Umständen zu erhebende (reduzierte) Gerichtsgebühr ist auf Fr. 1'500.-- festzusetzen (Art. 73 StBOG i.V.m. Art. 5 und 8 Abs. 2 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR, SR 173.713.162]).

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

Bellinzona, 9. April 2015

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- A.

- Bezirksgericht Zürich, 10. Abteilung, Zwangsmassnahmengericht

- Bundesanwaltschaft

- Rechtsanwalt Adrian Ramsauer

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Entscheide der Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Art. 79 und 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005; BGG). Das Verfahren richtet sich nach den Artikeln 90 ff. BGG.

Eine Beschwerde hemmt den Vollzug des angefochtenen Entscheides nur, wenn der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin es anordnet (Art. 103 BGG).
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : BH.2015.2
Date : 09 avril 2015
Publié : 18 mai 2015
Source : Tribunal pénal fédéral
Statut : Non publié
Domaine : Cour des plaintes: procédure pénale
Objet : Verlängerung der Untersuchungshaft (Art. 227 i.V.m. Art. 222 StPO).


Répertoire des lois
CP: 138  146  158  305bis
CPP: 197  212  221  222  227  237  428
LOAP: 73
LTF: 103
Répertoire ATF
137-IV-122
Weitere Urteile ab 2000
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Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
prévenu • tribunal pénal fédéral • détention préventive • cour des plaintes • escroquerie • tribunal pénal • décision • soupçon • durée • assigné • argent • tribunal fédéral • greffier • risque de fuite • annexe • moyen de preuve • loi fédérale sur le tribunal fédéral • infraction • dossier • frais judiciaires • preuve • jour • indication des voies de droit • bellinzone • réplique • principe de la célérité • risque de collusion • doute • délai • russie • prêt de consommation • avocat • question • risque de récidive • autorité inférieure • chose principale • motif de détention • état de fait • mesure moins grave • comportement • gestion déloyale • peine privative de liberté
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