Tribunal federal
{T 0/2}
4C.354/2005 /ruo
Urteil vom 8. Februar 2006
I. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Nyffeler,
Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Luczak.
Parteien
A.________,
Kläger und Berufungskläger,
vertreten durch Rechtsanwalt Felix Kuster,
gegen
B.________ AG,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Adriano Viganò,
Gegenstand
Arbeitsvertrag; Kündigung,
Berufung gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 5. September 2005.
Sachverhalt:
A.
A.________ (Kläger) arbeitete seit dem 1. Oktober 2001 für die B.________ AG (Beklagte) als Versuchsmechaniker. Am 7. April 2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis "ordentlich per 30. Juni 2003". Auf Verlangen des Klägers begründete sie am 2. Juni 2003 die Kündigung damit, dass sie für die Stelle des Klägers einen besser geeigneten Arbeitnehmer gefunden habe.
B.
Der Kläger, der an einer schweren Rauchallergie leidet, hatte bereits vor der Kündigung mit Klage vom 17. Februar 2003 beim Arbeitsgericht Zürich die Durchsetzung eines umfassenden Rauchverbotes in allen Räumen seiner Arbeitsumgebung verlangt. Nachdem ihm die Kündigung zugegangen war, änderte er mit Eingabe vom 17. Juni 2003 seine Begehren und verlangte von der Beklagten eine Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung gemäss Art. 336a
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C.
Der Kläger beantragt dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Fr. 10'800.-- zu bezahlen. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beklagte stellt den Antrag, auf die Berufung nicht einzutreten, eventuell diese abzuweisen und den angefochtenen Beschluss des Obergerichts zu bestätigen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach Art. 55 Abs. 1 lit. c
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2.
Zu prüfen bleibt, ob die Vorinstanz gestützt auf die von ihr getroffenen tatsächlichen Feststellungen bundesrechtskonform davon ausgehen durfte, die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung sei nicht missbräuchlich.
2.1 Für die Rechtmässigkeit einer Kündigung bedarf es grundsätzlich keiner besonderen Gründe, da das schweizerische Arbeitsrecht vom Prinzip der Kündigungsfreiheit ausgeht (BGE 131 III 535 E. 4.1 S. 538; 127 III 86 E. 2a S. 88; 125 III 70 E. 2a S. 72). Missbräuchlich ist die Kündigung nur, wenn sie aus bestimmten unzulässigen Gründen ausgesprochen wird, welche in Art. 336
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2.2 Die Vorinstanz ging unter Hinweis auf die Erwägungen des Arbeitsgerichts davon aus, die Klageeinleitung vom Februar 2003 habe nicht den ausschlaggebenden und massgeblichen Grund der Kündigung dargestellt. Insoweit liegt Beweiswürdigung vor, welche das Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht überprüft (BGE 127 III 73 E. 6a S. 81; 126 III 10 E. 2b S. 13; 119 II 84 E. 3 S. 85). Soweit der Kläger gestützt auf eine Aussage eines Personalverantwortlichen der Beklagten an der Hauptverhandlung geltend macht, es liege eine Rachekündigung vor, kritisiert er in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanz. Wenn er ausführt, die Aussage des Personalverantwortlichen werde nur vom Arbeitsgericht, nicht aber im angefochtenen Beschluss erwähnt, lässt er ausser Acht, dass die Vorinstanz durch Verweis die Erwägungen des Arbeitsgerichts zu ihren eigenen gemacht hat. Davon abgesehen wäre der angefochtene Entscheid nur zu beanstanden, wenn die Aussage des Personalverantwortlichen bei der Bildung der richterlichen Überzeugung auch implizit nicht einbezogen, also in den Akten unentdeckt geblieben oder vergessen worden wäre (BGE 101 Ib 220 E. 1 S. 222). Dass diese Voraussetzung für die Annahme eines offensichtlichen Versehens (Art. 63 Abs.
2
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2.3 Wie die kantonalen Gerichte zutreffend erkannten, läge dagegen eine nach Art. 336
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3.
Die Vorinstanz ging davon aus, die Beklagte habe die ihr im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten zumutbaren Massnahmen zum Schutz des Klägers vor Rauchimmissionen ergriffen.
3.1 Das Arbeitsgericht, dessen Erwägungen die Vorinstanz wiederum durch Verweis übernimmt, erachtete es als erwiesen, dass die Rauchimmissionen im Betrieb der Beklagten den Kläger nicht bloss belästigt, sondern diesem Beschwerden und dadurch verschiedentlich dessen Arbeitsunfähigkeit verursacht hätten. Indessen sei die Beklagte dafür besorgt gewesen, dass sowohl am Arbeitsplatz des Klägers, einem Labor, bestehend aus zwei Werkstätten und Büroarbeitsplätzen eine Etage tiefer als die übrigen Geschäftsräume der Beklagten, als auch in der Toilette und in den weiteren Räumlichkeiten, die der Kläger für die Verrichtung seiner Arbeit aufzusuchen hatte (Kopierraum und Küche sowie Sitzungszimmer während den Sitzungen, alle in der oberen Etage), nicht geraucht werden durfte. Damit habe die Beklagte die ihr zumutbaren Massnahmen ergriffen, auch wenn das Rauchen im Lager, im Aufenthaltsraum, in den Gängen und im Sitzungszimmer, wenn keine Sitzungen stattfanden, gestattet blieb. Dass das Sitzungszimmer sowie die Gänge und das Lager rauchbelastet waren, hat die Beklagte nicht bestritten.
3.2 Nach Auffassung der Vorinstanz ist die Beklagte damit ihrer Fürsorgepflicht nach Art. 328
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4.
Der Kläger wirft der Vorinstanz eine Verletzung von Art. 328
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5.
5.1 Der Arbeitgeber ist gemäss Art. 328 Abs. 1
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5.2 Der Arbeitgeber hat zum Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jene Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind, soweit sie ihm mit Rücksicht auf das einzelne Arbeitsverhältnis und die Natur der Arbeitsleistung billigerweise zugemutet werden können (Art. 328 Abs. 2
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Toiletten, Küche etc. (Staehelin, Zürcher Kommentar, N. 16 zu Art. 328
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5.3 Aus dieser allgemeinen Fürsorgepflicht wurde bereits vor Einführung spezifischer Vorschriften zum Schutze vor Passivrauchen in der Lehre abgeleitet, Arbeitnehmer, welche die nicht mehr bestreitbare Gesundheitsschädigung durch Passivrauchen nicht auf sich nehmen wollten, hätten aus Art. 328
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5.4 Mit der nunmehr geltenden Fassung von Art. 328
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5.4.1 Nach Art. 19
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5.4.2 Der Bereich, wo Rauchen erlaubt ist, ist unter Berücksichtigung der Lüftungs- und Belüftungsmöglichkeiten so anzuordnen, dass der Rauch ohne Belästigung für Nichtraucher und Nichtraucherinnen abgezogen werden kann. Auf Verlangen betroffener nichtrauchender Arbeitnehmer ist unter Umständen ein geeignetes Rauchverbot zu erlassen (vgl. Tobias Jaag/Markus Rüssli, Schutz vor Passivrauchen: verfassungsrechtliche Aspekte, in: AJP 2006 S. 21 ff., S. 22; Seco, Wegleitung zur Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz, 319-1).
5.4.3 Die Schutzmassnahmen des Arbeitgebers sollen den Betriebsablauf und das Arbeitsklima im Betrieb nicht beeinträchtigen und keine Diskriminierung der Raucherinnen und Raucher darstellen. Die Verhängung eines Rauchverbots ist aber stets zulässig, sofern es der Betriebssicherheit oder dem Schutz des Nichtrauchers dient (Roger Baumberger, Rauchen am Arbeitsplatz, Diss. Zürich, Bern 2002, S. 93 und S. 114 mit Hinweisen).
5.4.4 Die Voraussetzungen für die öffentlichrechtliche Anordnung von Massnahmen zum Schutze des Arbeitnehmers sind analog den privatrechtlichen geregelt: Für die Anordnung entsprechender Massnahmen muss ein praktisches Bedürfnis bestehen, sie müssen dem aktuellen Stand der Technik entsprechen und angesichts der Eigenheit des Betriebes verhältnismässig sein. Ob die letztgenannte Voraussetzung gegeben ist, beurteilt sich nach Art und Grösse des Betriebes einerseits und dem Ausmass der Risiken andererseits. Die auferlegten Massnahmen müssen für den Betrieb wirtschaftlich tragbar sein und deren Kosten in einem vernünftigen Verhältnis zu deren Wirksamkeit stehen, wobei aber dem Gesundheitsschutz stets erste Priorität zukommt (Scheidegger/Pitteloud, in: Geiser/von Kaenel/Wyler, Arbeitsgesetz, N. 15 und 19 zu Art. 6
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5.4.5 Soweit die öffentlichrechtlichen Bestimmungen auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind und dem Arbeitnehmer konkrete Schutzrechte gewähren, die Inhalt eines Einzelarbeitsvertrages sein könnten, begründen sie für den Arbeitnehmer nach Art. 342 Abs. 2
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rechtlichen Schutzvorschriften hinausgehen. Ebenso ist nicht auszuschliessen dass Art. 328 Abs. 2
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5.5 Zu beachten ist, dass im zu beurteilenden Fall weder der allgemeine Schutz vor dem Passivrauchen (vgl. hiezu Tobias Jaag/Markus Rüssli, a.a.O., S. 21 ff.) noch der generelle Schutz des Arbeitnehmers vor der Belästigung durch Tabakrauch (vgl. hiezu Art. 19
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6.
Nach dem Gesagten ist massgeblich, ob das zum Schutze des Klägers Notwendige nach dem Stand der Technik realisierbar und der Beklagten unter Berücksichtigung der gesamten Umstände billigerweise zumutbar war.
6.1 Diese Rechtslage hat die Vorinstanz verkannt, indem sie annahm, die Beklagte sei mit den angeordneten Rauchverboten ihrer Fürsorgepflicht hinlänglich nachgekommen, obwohl feststeht, dass der Kläger als Allergiker wegen der verbleibenden Rauchimmissionen gesundheitlich derart beeinträchtigt war, dass er verschiedentlich der Arbeit fernbleiben musste. Das kann nur bedeuten, dass die getroffenen Massnahmen zum Schutz der Gesundheit des Arbeitnehmers objektiv nicht genügten. Unter diesen Umständen ist eine Verletzung der Fürsorgepflicht nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil die Beklagte bereits vergleichsweise ausgedehnte Massnahmen zum Schutz des Klägers ergriffen hat. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob mit zusätzlichen der Beklagten zumutbaren Massnahmen eine Beeinträchtigung der Gesundheit und damit der Arbeitsfähigkeit des Klägers hätte vermieden werden können.
6.2 Den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid kann weder entnommen werden, ob die beantragten weiteren Rauchverbote für die Gänge und das Sitzungszimmer überhaupt geeignet gewesen wären, die durch Rauchimmissionen bedingten Absenzen abzuwenden, noch ob entsprechenden Rauchverboten gegebenenfalls technische, betriebliche oder wirtschaftliche Gründe entgegenstanden, die eine Durchsetzung der Rauchverbote unzumutbar erscheinen liessen.
6.3 Da die tatsächlichen Feststellungen keinen Aufschluss darüber geben, ob das zum Schutze des Arbeitnehmers Notwendige der Beklagten zumutbar gewesen wäre, lässt sich nicht beurteilen, ob die Vorinstanz mit ihrer Rechtsauffassung, die Beklagte habe "die ihr im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten zumutbaren Massnahmen ergriffen", Bundesrecht verletzt. Der Beschluss der Vorinstanz ist daher in Gutheissung des Eventualantrags des Klägers aufzuheben und die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts im Sinne der Erwägungen und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 64 Abs. 1
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7.
Liegt der Streitwert - wie im vorliegenden Fall - unter Fr. 30'000.--, so sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 343 Abs. 3
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
In Gutheissung der Berufung wird der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 5. September 2005 aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.
3.
Die Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. Februar 2006
Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: