Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BK.2005.12

Entscheid vom 7. Juli 2005 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Emanuel Hochstrasser, Vorsitz, Andreas J. Keller und Tito Ponti , Gerichtsschreiberin Petra Williner

Parteien

A.______, vertreten durch Rechtsanwalt Justus H. Brunner, Gesuchsteller

gegen

Schweizerische Bundesanwaltschaft, Zweigstelle Zürich,

Gesuchsgegnerin

Gegenstand

Entschädigungsbegehren (Art. 122 BStP)

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung, dass:

- die Schweizerische Bundesanwaltschaft (nachfolgend „Bundesanwaltschaft“) am 23. Januar 2004 gegen A.______ ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz eröffnete (Beilage zu BK act. 3, Ordner Bundesanwaltschaft BA/EAII/2/04/0015, Operation B.______, Band 1, Reg. 1);

- der anwaltlich vertretene A.______ mit Schreiben vom 25. April 2005 mit dem sinngemässen Vorbringen an die Bundesanwaltschaft gelangte, das Ermittlungsverfahren sei einzustellen, und es seien ihm eine angemessene Entschädigung sowie eine Genugtuung auszurichten (BK act. 1);

- der Verteidiger von A.______ auf Aufforderung der Bundesanwaltschaft hin mit Eingabe vom 27. April 2005 für seine anwaltlichen Bemühungen einen Zeitaufwand von 16 Stunden geltend machte (BK act. 2);

- die Bundesanwaltschaft das gerichtspolizeiliche Ermittlungsverfahren gegen A.______ wegen Verdachts der qualifizierten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz, ausgehend von einer kriminellen Organisation, mit Verfügung vom 17. Mai 2005 unter Kostenfolge zu Lasten der Bundeskasse einstellte (Beilage zu BK act. 3, Ordner Bundesanwaltschaft BA/EAII/2/04/ 0015, Operation B.______, Band 1, Reg. 22);

- die Bundesanwaltschaft das Entschädigungsbegehren von A.______ mit Eingabe vom 14. Juni 2005 mit dem Antrag an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts weiterleitete (Art. 122 Abs. 3 BStP), A.______ sei für den geltend gemachten Verteidigeraufwand angemessen zu entschädigen, und es sei ihm für die erlittenen Nachteile im Zusammenhang mit der Hausdurchsuchung und der polizeilichen Zuführung eine Genugtuung von Fr. 500.-- zu bezahlen (BK act. 3);

- A.______ sich mit Replik vom 27. Juni 2005 der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft vollumfänglich anschloss (BK act. 5);

- der Schriftenwechsel damit abgeschlossen wurde;

- dem Beschuldigten, gegen den die Untersuchung oder das Ermittlungsverfahren eingestellt wird, auf Begehren eine Entschädigung für die Untersuchungshaft und andere Nachteile, die er erlitten hat, auszurichten ist, sofern er die Untersuchungshandlungen nicht durch ein verwerfliches oder leichtfertiges Benehmen verschuldet oder erschwert hat (Art. 122 Abs. 1 und 4 BStP);

- mit der Einstellungsverfügung der Bundesanwaltschaft vom 17. Mai 2005 ein grundsätzlicher Entschädigungsanspruch seitens des Gesuchstellers gegeben und ein leichtfertiges oder verwerfliches Verhalten seinerseits weder von der Bundesanwaltschaft behauptet wird, noch als anderweitig gegeben erscheint;

- als "andere Nachteile" im Sinne von Art. 122 BStP insbesondere die dem Beschuldigten entstandenen Verteidigungskosten gelten, wenn der Beizug des Verteidigers zulässig war – was bei einem gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren gemäss Art. 35 Abs. 1 BStP zu jedem Zeitpunkt der Fall ist – und wenn die Kosten unmittelbar durch das Verfahren bedingt und aus Vorkehren entstanden sind, die sich bei sorgfältiger Interessenwahrung als geboten erweisen oder doch in guten Treuen verantworten lassen (BGE 115 IV 156, 159 E. 2c; Entscheid der Beschwerdekammer BK_K 002/04 vom 6. Juli 2004 E. 2.1);

- der vom Verteidiger des Gesuchstellers in zeitlicher Hinsicht geltend gemachte Aufwand von 16 Stunden ausgewiesen und angemessen ist;

- die Verordnung vom 22. Oktober 2003 über die Kosten der Bundesstrafrechtspflege (SR 312.025) keine Bestimmungen über die Anwaltsentschädigung enthält, weshalb es als sachgerecht erscheint, zur Bemessung des Honorars des Verteidigers das Reglement vom 11. Februar 2004 über die Entschädigungen in Verfahren vor dem Bundesstrafgericht (SR 173.711.31) anzuwenden, wie dies im Übrigen auch im Verwaltungsstrafverfahren gehandhabt wird (vgl. Entscheid der Beschwerdekammer BK.2005.3 vom 11. Mai 2005 E. 4.);

- das erwähnte Reglement einen Stundenansatz von mindestens 200 und höchstens 300 Franken vorsieht (Art. 3 Abs. 1 des Reglements vom 11. Februar 2004 über die Entschädigungen in Verfahren vor dem Bundesstrafgericht);

- vorliegend ein Tarifansatz von Fr. 220.-- als angemessen erscheint, was für 16 Arbeitsstunden eine Entschädigung von Fr. 3’520.-- zuzüglich 7.6% MwSt. – d.h. Fr. 267.50 – und somit insgesamt Fr. 3’787.50 ergibt;

- die Entschädigung nach Art. 122 Abs. 1 BStP neben dem Ersatz des Schadens auch eine Geldsumme als Genugtuung umfassen kann, wenn die fraglichen Untersuchungshandlungen eine gewisse Schwere erreichen und durch sie in nicht unerheblicher Weise in die Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten eingegriffen worden ist, wobei ein solcher Eingriff namentlich vorliegt, wenn das Verfahren und die darin erhobenen und sich später als ungerechtfertigt erweisenden Anschuldigungen in der Öffentlichkeit bekannt werden (vgl. BGE 103 Ia 73, 74 E. 7), und zudem auch das Erdulden einer Hausdurchsuchung und dergleichen zu einer Genugtuung führen kann (BGE 84 IV 44, 47 E. 6; Entscheid der Beschwerdekammer BK_K 003/04 vom 6. Juli 2004 E. 2.1);

- die am 1. September 2004 von 8.20 Uhr bis 13.00 Uhr durchgeführte Hausdurchsuchung (Beilage zu BK act. 3, Ordner Bundesanwaltschaft BA/EAII/2/ 04/0015, Operation B.______, Band 1, Reg. 7) und die daran anschliessende Abführung des Gesuchstellers in Handschellen (BK act. 1 und 3) eine gewisse Schwere aufweisen und diese nach Aussen wahrnehmbaren Zwangsmassnahmen seinem Ruf in der Nachbarschaft abträglich sein können; demgegenüber die öffentlich nicht erkennbare Überwachung seines Telefons diesbezüglich nicht zusätzlich erschwerend wirkt;

- demnach ein Anspruch des Gesuchstellers auf eine Genugtuung besteht, die antragsgemäss auf Fr. 500.-- festzusetzen ist;

- bei diesem Ausgang des Verfahrens keine Kosten erhoben werden (Art. 245 BStP i.V.m. Art. 156 Abs. 2 OG);

- die Parteientschädigung für das vorliegende Verfahren bereits im geltend gemachten und zugestandenen Arbeitsaufwand von 16 Stunden enthalten ist, weshalb dem Gesuchsteller keine zusätzliche Entschädigung auszurichten ist, was er im Übrigen auch nicht verlangt;

erkennt die Beschwerdekammer:

1. Das Gesuch wird gutgeheissen.

2. Die Gesuchsgegnerin wird verpflichtet, dem Gesuchsteller für das eingestellte gerichtspolizeiliche Ermittlungsverfahren eine Entschädigung von Fr. 3'787.50 (inkl. MwSt.) und eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 500.-- zu bezahlen.

3. Es werden keine Kosten erhoben.

4. Es wird festgehalten, dass in der sub Zifffer 2 hiervor zugesprochenen Entschädigung auch die Parteientschädigung für das vorliegende Verfahren enthalten ist.

Bellinzona, 7. Juli 2005

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Zustellung an

- Rechtsanwalt Justus H. Brunner

- Schweizerische Bundesanwaltschaft, Zweigstelle Zürich,

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : BK.2005.12
Datum : 07. Juli 2005
Publiziert : 01. Juni 2009
Quelle : Bundesstrafgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Beschwerdekammer: Strafverfahren
Gegenstand : Entschädigungsbegehren (Art. 122 BStP)


Gesetzesregister
BStP: 35  122  245
OG: 156
BGE Register
103-IA-73 • 115-IV-156 • 84-IV-44
Stichwortregister
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