84 IV 44
15. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 9. Januar 1958 i.S. M. gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft.
Regeste (de):
- Art. 122 Abs. 1
BStP.
- 1. Rechtsanspruch des ungerechtfertigterweise in Untersuchung Gezogenen auf Entschädigung für erlittene Nachteile; Verursachungshaftung des Staates (Erw. 2 lit. a).
- 2. Voraussetzungen für die Zusprechung von Schadenersatz (Erw. 2 lit. b-d).
- 3. Anspruch auf Genugtuung bei Verletzung in den persönlichen Verhältnissen (Erw. 6)?
Regeste (fr):
- Art. 122 al. 1 PPF.
- 1. Droit de la personne contre laquelle une instruction a été effectuée à tort à une indemnité pour le dommage causé; responsabilité causale de l'Etat (consid. 2 litt. a).
- 2. Conditions de l'allocation de dommages-intérêts (consid. 2 litt. b-d).
- 3. Droit à une indemnité à titre de réparation du tort moral en cas d'atteinte aux intérêts personnels? (consid. 6).
Regesto (it):
- Art. 122 cp. 1 PPF.
- 1. Diritto della persona, contro la quale un'istruzione ha avuto luogo a torto, a un'indennità per il pregiudizio subito; responsabilità causale dello Stato (consid. 2 lett. a).
- 2. Condizioni alle quali è vincolata l'assegnazione dell'indennità (consid. 2 lett. b-d).
- 3. Diritto a un'indennità a titolo di riparazione nel caso in cui esista un pregiudizio nelle relazioni personali? (consid. 6).
Erwägungen ab Seite 45
BGE 84 IV 44 S. 45
Aus den Erwägungen:
2. Dem Beschuldigten, gegen den die Untersuchung eingestellt wird, ist auf Begehren eine Entschädigung für die Untersuchungshaft und für andere Nachteile, die er erlitten hat, auszurichten. Die Entschädigung kann verweigert werden, wenn der Beschuldigte die Untersuchungshandlungen durch ein verwerfliches oder leichtfertiges Benehmen verschuldet oder erschwert hat (Art. 122 Abs. 1



BGE 84 IV 44 S. 46
Das Strafverfahren des Kantons Bern N. 1 zu Art. 202; CLERC in SJZ 1950 S. 270, 272; GERLAND, Der deutsche Strafprozess N. I, 1 zu § 81.) b) Objektive Voraussetzung ist, dass der Beschuldigte durch Untersuchungshaft oder andere Untersuchungshandlungen einen Nachteil erlitten hat. Der deutsche Gesetzeswortlaut erwähnt zwar ausdrücklich nur die Untersuchungshaft als Ursache entschädigungspflichtiger Folgen. Indessen ist nicht anzunehmen, dass mit dem Hinweis auf die Entschädigung "für andere Nachteile" bloss die mittelbaren Folgen der in der Untersuchungshaft liegenden Freiheitsbeschränkung gemeint seien. Nach Satz 2 dieser Bestimmung kann die Entschädigung verweigert werden, wenn der Beschuldigte "die Untersuchungshandlungen" durch ein verwerfliches oder leichtfertiges Benehmen verschuldet oder erschwert hat. Zudem sprechen die romanischen Texte unmissverständlich von "préjudice résultant de la détention préventive ou d'autres actes de l'instruction" bzw. von "pregiudizio risultante dal carcere preventivo o da altri atti dell'istruzione". Schliesslich scheint auch die Botschaft des Bundesrates zum Gesetzesentwurf von dieser Auffassung auszugehen (BBl 1929 II S. 615; vgl. auch STÄMPFLI, Das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege, Anm. 2 zu Art. 122). Der Entschädigungsanspruch des Beschuldigten begreift somit auch Nachteile in sich, die ihren Grund in anderen Untersuchungshandlungen als der Untersuchungshaft haben (wie z.B. in der Hausdurchsuchung usw.). c) Dabei versteht sich von selbst, dass nicht für jeden geringfügigen Nachteil Entschädigung zu leisten ist. Abgesehen davon, dass dem Beschuldigten durch die Untersuchung regelmässig irgendein Nachteil zugefügt wird, hat der Staatsbürger grundsätzlich das durch die Notwendigkeit einer energischen Verbrechensbekämpfung bedingte Risiko einer gegen ihn geführten materiell ungerechtfertigten Strafverfolgung bis zu einem bestimmten Grade auf
BGE 84 IV 44 S. 47
sich zu nehmen. Die Entschädigungspflicht des Staates nach Art. 122 Abs. 1

6. Dass dem Beschuldigten ausser dem Anspruch auf Ersatz des erlittenen Vermögensschadens bei Verletzung in seinen persönlichen Verhältnissen ein Anspruch auf Genugtuung zustehe, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. Indessen spricht Art. 122

BGE 84 IV 44 S. 48
sind im vorliegenden Falle nicht erfüllt. Zudem hat der Gesuchsteller die Untersuchung zum Teil durch sein leichtfertiges Benehmen verschuldet.