Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas

Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts

Prozess
{T 7}
K 177/04

Urteil vom 7. April 2006
IV. Kammer

Besetzung
Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Schön; Gerichtsschreiber Lanz

Parteien
S.________, 1941, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lothar Auf der Maur, alte Gasse 2, 6440 Brunnen,

gegen

EGK-Gesundheitskasse, Brislachstrasse 2, 4242 Laufen, Beschwerdegegnerin

Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Schwyz

(Entscheid vom 27. Oktober 2004)

Sachverhalt:
A.
Die 1941 geborene S.________ ist bei der EGK-Gesundheitskasse obligatorisch krankenpflegeversichert. Am 26. Mai 2003 stellte ihr Dr. med., med. dent. B.________, Facharzt FMH für Kiefer- und Gesichtschirurgie, Rechnung im Betrag von Fr. 745.55 für einen am 12. Februar 2003 (mit Vorabklärungen am 3. Januar 2003 und Wundkontrolle am 19. Februar 2003) durchgeführten Eingriff. Diesen beschrieb der Arzt mit Schreiben an den Krankenversicherer vom 7. Juni 2003 mit "Revision, Dekortikation, Curettage eines osteomyelitischen Herdes sowie Entfernen des Zahnes 36". Mit Verfügung vom 21. April 2004 und Einspracheentscheid vom 1. Juli 2004 verneinte die EGK-Gesundheitskasse ihre Leistungspflicht mit der Begründung, der Eingriff sei nicht als Folge einer Osteomyelitis der Kiefer zu betrachten, sondern rein zahnärztlicher Natur. Sie stützte sich dabei auf Stellungnahmen ihres Vertrauenszahnarztes Dr. med. dent. U.________, vom 12. Oktober 2003, 18. April und 27. Mai 2004 sowie ihres Vertrauensarztes Dr. med. C.________, FMH Chirurgie und Kiefer-Gesichtschirurgie, vom 7. und 28. Juni 2004.
B.
Die von S.________ gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz ab (Entscheid vom 27. Oktober 2004).
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ beantragen, in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides sei die EGK-Gesundheitskasse zur Übernahme der Kosten der kieferchirurgisch-zahnärztlichen Behandlungen einschliesslich Diagnostik zu verpflichten; ferner sei ein medizinisches Gutachten des Direktors der Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsklinik X.________ einzuholen, wobei die Sache hiefür eventuell an die Vorinstanz zurückzuweisen sei.

Die EKG-Gesundheitskasse legt eine Stellungnahme des Dr. med. C.________ vom 20. Januar 2005 auf und schliesst, wie auch das kantonale Gericht, auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Versicherte hatte im Einsprache- und im Beschwerdeverfahren auch Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung gestellt, welche im Einspracheentscheid vom 1. Juli 2004 und im kantonalen Entscheid vom 27. Oktober 2004 abgewiesen wurden. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gemäss Anträgen und Begründung nicht hiegegen. Streitig und zu prüfen ist vielmehr einzig, ob Beschwerdegegnerin und Vorinstanz zu Recht einen Leistungsanspruch aus der obligatorischen Krankenversicherung für den Eingriff vom 12. Februar 2003 verneint haben.
2.
2.1 Die Bestimmungen und Grundsätze über den Leistungsanspruch aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bei zahnärztlichen Behandlungen sind im angefochtenen Entscheid richtig dargestellt. Dasselbe gilt für die zu beachtenden beweisrechtlichen Regeln. Darauf wird verwiesen.

Zur Diskussion steht, ob die am 12. Februar 2003 vorgenommene zahnärztliche Behandlung durch eine schwere, nicht vermeidbare Erkrankung des Kausystems in Gestalt einer Osteomyelitis der Kiefer bedingt war, was nach Art. 17 lit. c Ziff. 5
SR 832.112.31 Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV) - Krankenpflege-Leistungsverordnung
KLV Art. 17 Erkrankungen des Kausystems - Die Versicherung übernimmt die Kosten der zahnärztlichen Behandlungen, die durch eine der folgenden schweren, nicht vermeidbaren Erkrankungen des Kausystems bedingt sind (Art. 31 Abs. 1 Bst. a KVG189). Voraussetzung ist, dass das Leiden Krankheitswert erreicht; die Behandlung ist nur so weit von der Versicherung zu übernehmen, wie es der Krankheitswert des Leidens notwendig macht:
a  Erkrankungen der Zähne:
a1  Idiopathisches internes Zahngranulom,
a2  Verlagerung und Überzahl von Zähnen und Zahnkeimen mit Krankheitswert (z. B. Abszess, Zyste);
b  Erkrankungen des Zahnhalteapparates (Parodontopathien):
b1  Präpubertäre Parodontitis,
b2  Juvenile, progressive Parodontitis,
b3  Irreversible Nebenwirkungen von Medikamenten;
c  Erkrankungen des Kieferknochens und der Weichteile:
c1  Gutartige Tumore im Kiefer- und Schleimhautbereich und tumorähnliche Veränderungen,
c2  Maligne Tumore im Gesichts-, Kiefer- und Halsbereich,
c3  Osteopathien der Kiefer,
c4  Zysten (ohne Zusammenhang mit Zahnelementen),
c5  Osteomyelitis der Kiefer;
d  Erkrankungen des Kiefergelenks und des Bewegungsapparates:
d1  Kiefergelenksarthrose,
d2  Ankylose,
d3  Kondylus- und Diskusluxation;
e  Erkrankungen der Kieferhöhle:
e1  In die Kieferhöhle dislozierter Zahn oder Zahnteil,
e2  Mund-Antrumfistel;
f  Dysgnathien, die zu folgenden Störungen mit Krankheitswert führen:
f1  Schlafapnoesyndrom,
f2  Schwere Störungen des Schluckens,
f3  Schwere Schädel-Gesichts-Asymmetrien.
KLV in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 lit. a
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 31 Zahnärztliche Behandlungen - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten der zahnärztlichen Behandlung, wenn diese:
1    Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten der zahnärztlichen Behandlung, wenn diese:
a  durch eine schwere, nicht vermeidbare Erkrankung des Kausystems bedingt ist; oder
b  durch eine schwere Allgemeinerkrankung oder ihre Folgen bedingt ist; oder
c  zur Behandlung einer schweren Allgemeinerkrankung oder ihrer Folgen notwendig ist.
2    Sie übernimmt auch die Kosten der Behandlung von Schäden des Kausystems, die durch einen Unfall nach Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b97 verursacht worden sind.
KVG und Art. 33 lit. d
SR 832.102 Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (KVV)
KVV Art. 33 Allgemeine Leistungen - Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) bezeichnet nach Anhören der zuständigen Kommission:128
a  die von Ärzten und Ärztinnen oder Chiropraktoren und Chiropraktorinnen erbrachten Leistungen, deren Kosten nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen werden;
b  die nicht von Ärzten und Ärztinnen oder Chiropraktoren und Chiropraktorinnen erbrachten Leistungen nach den Artikeln 25 Absatz 2 und 25a Absätze 1 und 2 des Gesetzes;
c  die neuen oder umstrittenen Leistungen, deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit oder Wirtschaftlichkeit sich in Abklärung befinden; es bestimmt die Voraussetzungen und den Umfang der Kostenübernahme durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung;
d  die medizinischen Präventionsmassnahmen nach Artikel 26 des Gesetzes, die Leistungen bei Mutterschaft nach Artikel 29 Absatz 2 Buchstaben a und c des Gesetzes und die zahnärztlichen Behandlungen nach Artikel 31 Absatz 1 des Gesetzes;
e  die von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmenden Mittel und Gegenstände nach Artikel 52 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 3 des Gesetzes; es setzt Höchstbeträge für ihre Vergütung fest;
f  den in Artikel 25 Absatz 2 Buchstabe c des Gesetzes vorgesehenen Beitrag an die Kosten von Badekuren; dieser Beitrag dient der Deckung von Kosten bei Badekuren, die nicht durch andere Leistungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gedeckt sind; er kann während höchstens 21 Tagen pro Kalenderjahr ausgerichtet werden;
g  den in Artikel 25 Absatz 2 Buchstabe g des Gesetzes vorgesehenen Beitrag an die Transport- und Rettungskosten; die medizinisch notwendigen Transporte von einem Spital in ein anderes sind Teil der stationären Behandlung;
h  das Verfahren der Bedarfsermittlung;
i  den in Artikel 25a Absätze 1 und 4 des Gesetzes vorgesehenen und nach Pflegebedarf differenzierten Beitrag an die Pflegeleistungen.
KVV die Leistungspflicht des obligatorischen Krankenversicherers begründen würde.
2.2 Das kantonale Gericht ist zum Ergebnis gelangt, die Diagnose einer Osteomyelitis des Kiefers sei nicht gesichert. Die behandelte Symptomatik könne mit mindestens der gleichen Wahrscheinlichkeit mit einer entzündlichen Entwicklung im extrahierten Zahn 36 als Folge vorangegangener Wurzelbehandlung erklärt werden. Daher sei die EGK-Gesundheitskasse nicht leistungspflichtig.

Diese Beurteilung beruht auf einer sorgfältigen Würdigung der Sach- und Rechtslage und ist nicht zu beanstanden. Sie stützt sich namentlich auf die Stellungnahmen des Vertrauenszahnarztes und des Vertrauensarztes chirurgischer sowie kiefer- und gesichtschirurgischer Fachrichtung der Beschwerdegegnerin. Diese Arztberichte setzen sich einlässlich mit der von Dr. med., med. dent. B.________ im Bericht vom 7. Juni 2003 beschriebenen Symptomatik, den Ergebnissen der von ihm veranlassten bildgebenden und Labor-Untersuchungen sowie den Einwänden, welche die Versicherte unter Hinweis auf medizinische Fachliteratur vorgebracht hatte, auseinander. Sie überzeugen dabei sowohl in der fachmedizinischen (zahnärztlichen und kieferchirurgischen) Argumentation als auch hinsichtlich der nachvollziehbar begründeten Schlussfolgerungen, weshalb sie mit der Vorinstanz als beweiswertig anzusehen sind. Entgegen der von der Versicherten vertretenen Auffassung liegen keine Widersprüche oder andere Anhaltspunkte vor, welche Zweifel an der Fachkompetenz der berichterstattenden Spezialärzte zu begründen vermöchten. Gleiches gilt in Bezug auf deren Unbefangenheit. Namentlich spricht alleine der Umstand, dass diese als Vertrauensärzte der Beschwerdegegnerin
Stellung genommen haben, nicht gegen die Zuverlässigkeit ihrer Aussagen (vgl. BGE 125 V 353 ff. Erw. 3). Wenn die Vorinstanz bei dieser Ausgangslage auf die Stellungnahmen von Vertrauensarzt und Vertrauenszahnarzt und nicht auf den hinsichtlich der Diagnose einer Osteomyelitis ohnehin kurz gehaltenen Bericht des Dr. med., med. dent. B.________ vom 7. Juni 2003 abgestellt hat, ist dies daher nicht zu beanstanden. Dies gilt erst recht mit Blick darauf, dass Stellungnahmen der behandelnden Ärzte aufgrund deren auftragsrechtlichen Vertrauensstellung zum Patienten mit Vorbehalt zu würdigen sind (BGE 125 V 353 Erw. 3b/cc), was für den allgemein praktizierenden Hausarzt wie den behandelnden Spezialarzt gilt (Urteil S. vom 20. März 2006, I 655/05, Erw. 5.4 mit Hinweisen).

Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde weiter vorgetragen wird, rechtfertigt ebenfalls keine andere Betrachtungsweise. Das Schreiben der Beschwerdeführerin an die EGK-Gesundheitskasse vom 22. Juni 2004 lag entgegen ihrer Vermutung dem kantonalen Gericht vor. Dass darauf im angefochtenen Entscheid nicht gesondert Bezug genommen wird, ist nicht zu beanstanden, zumal die Versicherte ihre Argumente auch einsprache- und beschwerdeweise vorgebracht hat. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanz liegt weder hier noch in anderer Hinsicht vor. Namentlich befasst sich der angefochtene Entscheid in genügender Form mit den Vorbringen in der Beschwerde. Dem kantonalen Gericht ist aufgrund der schlüssigen Aktenlage sodann im Verzicht auf weitere Sachverhaltsabklärungen zu folgen, da hievon kein entscheidrelevanter neuer Aufschluss erwartet werden kann (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 124 V 94 Erw. 4b, 122 V 162 Erw. 1d mit Hinweis; SVR 2003 IV Nr. 1 S. 1 Erw. 2 [I 518/01]). Festzuhalten ist ferner, dass sich der vorliegende Sachverhalt grundlegend von denjenigen unterscheidet, welche in BGE 127 V 328 und im Urteil L. vom 19. Dezember 2001, K 111/99 (zusammengefasst in: ZBJV 2002 S. 425), zu beurteilen waren. Hinsichtlich
der weiteren Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu medizinischen Gesichtspunkten ist einzig zu erwähnen, dass alleine die erfolgte Wurzelbehandlung eines Zahnes weitere gesundheitliche Beschwerden aus der damit angegangenen Problematik oder als Folge dieser Behandlung nicht ausschliesst. Es kann im Übrigen vollumfänglich auf die Erwägungen im vorinstanzlichen Entscheid verwiesen werden, welcher demnach in allen Teilen rechtens ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 7. April 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
Decision information   •   DEFRITEN
Document : K_177/04
Date : 07. April 2006
Published : 25. April 2006
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Krankenversicherung
Subject : Krankenversicherung


Legislation register
KLV: 17
KVG: 31
KVV: 33
BGE-register
122-V-157 • 124-V-90 • 125-V-351 • 127-V-328
Weitere Urteile ab 2000
I_518/01 • I_655/05 • K_111/99 • K_177/04
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ZBJV
2002 S.425