Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung VI

F-4229/2017

Urteil vom 7. Dezember 2018

Richterin Regula Schenker Senn (Vorsitz),

Besetzung Richter Martin Kayser, Richter Fulvio Haefeli,

Gerichtsschreiberin Susanne Stockmeyer.

X._______,

Parteien ohne Zustellungsdomizil in der Schweiz,

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration SEM,
Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Einreiseverbot.

Sachverhalt:

A.
Der kosovarische Beschwerdeführer X._______ (geb. 1976) heiratete, nachdem er in der Schweiz erfolglos um Asyl ersucht hatte, am 20. September 2002 in seiner Heimat eine Schweizer Bürgerin. In der Folge erhielt er eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Ehefrau. Im Jahr 2007 wurde ihm die Niederlassungsbewilligung erteilt.

B.
Mit Verfügung vom 19. Juni 2009 bestätigte das Amt für Migration des Kantons Basel-Landschaft im zweiten Rechtsgang den bereits mit Entscheid vom 25. April 2008 verfügten Widerruf der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers. Weiter wurde ihm die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung erneut verwehrt und die Wegweisung angeordnet. Grund dafür war, dass der Beschwerdeführer gegenüber der kantonalen Migrationsbehörde verschwiegen hatte, am 10. Oktober 1996 in Österreich wegen Raubes, schweren Raubes sowie krimineller Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden zu sein. Weiter wurde er mit einem - unterdessen aufgehobenen - unbefristeten Aufenthaltsverbot für Österreich belegt (vgl. Beschwerdebeilage Nr. 5).

Der im Bewilligungsverfahren eingeschlagene Rechtsmittelweg blieb erfolglos (vgl. dazu Urteil des BGer 2C_136/2012 vom 17. April 2012).

C.
Gestützt auf diesen Sachverhalt erliess das SEM mit Verfügung vom 6. Juli 2012 ein Einreiseverbot, gültig ab sofort bis zum 5. Juli 2022. Gleichzeitig ordnete es die Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS II) an (Akten der Vorinstanz [SEM act.] 24/161).

D.
Mit Urteil des Strafgerichts Basel-Landschaft vom 4. März 2014 wurde der Beschwerdeführer wegen bandenmässigen Diebstahls sowie der mehrfachen Widerhandlung gegen das AuG (SR 142.20) zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 200 Tagessätzen und einer Busse von Fr. 300.- verurteilt. Dies unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren (SEM act. 16/116 ff.).

E.
Am 28. November 2014 richtete sich der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer schriftlich an die Vorinstanz und ersuchte um sofortige Aufhebung des bestehenden Einreiseverbots. Zur Begründung wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass er nun mit einer tschechischen Staatsangehörigen verheiratet sei (SEM act. 19/126 ff.). Das SEM hiess das Gesuch in der Folge mit Verfügung vom 29. Dezember 2014 teilweise gut und reduzierte die Dauer der Fernhaltemassnahme bis zum 5. Juli 2017. Gleichzeitig löschte es die Ausschreibung im SIS II. Die Vorinstanz verwies dabei auch auf das Urteil des Strafgerichts Basel-Landschaft vom 4. März 2014 (Sachverhalt Bst. D), welches beweise, dass beim Beschwerdeführer von einer grossen kriminellen Energie ausgegangen werden müsse. Es sei deshalb von einem nach wie vor grossen Rückfallrisiko auszugehen (SEM act. 15/112 ff.). Ein weiteres Gesuch um wiedererwägungsweise Aufhebung des noch bestehenden Einreiseverbots wurde von der Vorinstanz mit Verfügung vom 1. Dezember 2015 abgewiesen (SEM act. 12 und 13).

F.
Am 14. Juni 2016 reiste der Beschwerdeführer trotz des bestehenden Einreiseverbots von Deutschland kommend in die Schweiz ein. Noch am gleichen Tag wurde ihm im Grenzwachposten Basel Süd das rechtliche Gehör betreffend allfälliger Anordnung von Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen gewährt und gleichzeitig die sofort vollstreckbare Wegweisung nach Art. 64d Abs. 2 AuG verfügt (SEM act. 11/101 ff.). In der Folge wurde der Beschwerdeführer mit Strafbefehl vom 12. August 2016 der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt wegen Einreise trotz gültigen Einreiseverbots zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen verurteilt (SEM act. 10/84-85).

G.
Mit Schreiben vom 3. Februar 2017 wurde der Beschwerdeführer auf seine Anfrage hin vom SEM darüber informiert, dass das gegen ihn bestehende Einreiseverbot eine Gültigkeit bis 5. Juli 2017, 24.00 Uhr habe. Dies unter Vorbehalt, dass sich der Beschwerdeführer an die geltende Rechtsordnung halte und keinen Anlass für eine Verlängerung der Fernhaltemassnahme gebe (SEM act. 8/81-82).

H.
Am 1. März 2017 hielt sich der Beschwerdeführer erneut rechtswidrig in der Schweiz auf. In der Folge wurde ihm durch einen Mitarbeiter des Grenzwachtpostens Basel Ost wiederum das rechtliche Gehör bezüglich allfälliger Anordnung von Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen gewährt. Der Beschwerdeführer verzichtete auf eine Aussage. Noch am selben Tag verfügte die gleiche Behörde die Wegweisung des Beschwerdeführers und ordnete deren sofortige Vollstreckung nach Art. 64d Abs. 2 AuG an (SEM act. 7/74 ff.). Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt vom 29. März 2017 wurde er daraufhin zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt (SEM act. 6/54-55).

I.
Am 27. April 2017 erliess die Vorinstanz gegen den Beschwerdeführer ein vom 6. Juli 2017 bis 5. Juli 2020 gültiges Einreiseverbot. Einer allfälligen Beschwerde entzog sie die aufschiebende Wirkung. Zur Begründung macht sie geltend, der Beschwerdeführer habe von der zuständigen Behörde gemäss Art. 64d AuG weggewiesen werden müssen; die Wegweisung sei sofort vollstreckt worden. Es bestehe ein rechtskräftiges Einreiseverbot, trotzdem habe er in die Schweiz einreisen wollen. Er sei auch von der zuständigen Staatsanwaltschaft verzeigt worden. Daher sei eine Fernhaltemassnahme nach Art. 67 AuG anzuordnen. Die Stellungnahme im Rahmen des rechtlichen Gehörs enthalte keine Gründe, die es rechtfertigen würden, davon abzusehen (SEM act. 5/51-52).

J.
Nachdem der Beschwerdeführer am 7. Juli 2017 erneut in die Schweiz einreisen wollte (Grenzübergang Basel-Freiburgstrasse), wurde ihm das am 27. April 2017 verfügte Einreiseverbot eröffnet (SEM act. 4/47).

K.
Mit Rechtsmitteleingabe vom 14. Juli 2017 beantragt der Beschwerdeführer, das Einreiseverbot sei per sofort aufzuheben. Er bringt im Wesentlichen vor, die zwei bzw. drei Tage, in denen er sich in der Schweiz aufgehalten habe, könnten nicht dazu führen, dass ein Einreiseverbot um drei Jahre verlängert würde. Dies sei unverhältnismässig, weshalb die
vorinstanzliche Verfügung vom 27. April 2017 im Sinne der Erhaltung einer bestehenden Familie aufzuheben sei. Dadurch könne er seine in der Schweiz lebende Familie besuchen (Akten des Bundesverwaltungsgerichts [BVGer act.] 1).

L.
Mit Zwischenverfügung vom 8. August 2017 wurde der Beschwerdeführer unter anderem aufgefordert, dem Bundesverwaltungsgericht Kopien der Ausweispapiere bzw. Aufenthaltsbewilligungen seiner in der Schweiz lebenden Familienangehörigen zuzusenden (BVGer act. 4). Mit schriftlicher Eingabe vom 8. September 2017 reichte er je eine Fotokopie der Niederlassungsbewilligung seines Bruders und seines Cousins zu den Akten; weiter würden gemäss seinen Angaben noch sein Onkel und weitere Cousins in der Schweiz leben (BVGer act. 6).

M.
In ihrer Vernehmlassung vom 12. Oktober 2017 hält die Vorinstanz an ihrer Verfügung fest und beantragt die Abweisung der Beschwerde (BVGer act. 8).

N.
Mit persönlich verfasster Eingabe vom 14. November 2017 nimmt der Beschwerdeführer abschliessend Stellung (BVGer act. 11).

O.
Mit Schreiben vom 22. November 2017 informierte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers das Bundesverwaltungsgericht über die sofortige Niederlegung seines Vertretungsmandates (BVGer act. 13).

P.
Der Beschwerdeführer wurde alsdann mit Zwischenverfügung vom 24. April 2018 via Schweizerische Vertretung in Berlin aufgefordert, innert 20 Tagen nach Empfang der Verfügung ein Zustellungsdomizil in der Schweiz anzugeben, andernfalls ihm künftige Anordnungen und Entscheide durch Publikation im Bundesblatt eröffnet würden (BVGer act. 23 und 24). Eine entsprechende Mitteilung unterblieb.

Q.
Auf den weiteren Akteninhalt wird - soweit erforderlich - in den Erwägungen eingegangen.

R.
Die unterzeichnende Richterin hat anfangs Dezember 2018 vorliegendes Verfahren übernommen, nachdem der ursprünglich zuständige Richter aus dem Gericht ausgetreten ist.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Verfügungen des SEM betreffend Einreiseverbote sind mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbar (Art. 31 ff . VGG i.V.m. Art. 5 VwVG).

1.2 Das Rechtsmittelverfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).

1.3 Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat zur Beschwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt (vgl. Art. 50 und 52 VwVG).

1.4 Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in der vorliegenden Angelegenheit endgültig (vgl. Art. 83 Bst. c Ziff. 1 BGG).

2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann vorliegend die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts sowie die Unangemessenheit gerügt werden (vgl. Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG nicht an die Begründung der Begehren gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgeblich ist grundsätzlich die Sachlage im Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. BVGE 2014/1 E. 2 m.H.).

3.

3.1 Das SEM verfügt Einreiseverbote gegenüber weggewiesenen Auslän-derinnen und Ausländern, wenn die Wegweisung nach Art. 64d Abs. 2 Bst. a -c AuG sofort vollstreckt wird (Art. 67 Abs. 1 Bst. a AuG) oder die betroffene Person der Ausreiseverpflichtung nicht innert Frist nachgekom-men ist (Art. 67 Abs. 1 Bst. b AuG). Es kann sodann nach Art. 67 Abs. 2 Bst. a -c AuG Einreiseverbote gegen ausländische Personen erlassen, die gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Aus-land verstossen haben oder diese gefährden (Bst. a), Sozialhilfekosten verursacht haben (Bst. b) oder in Vorbereitungs-, Ausschaffungs- oder Durchsetzungshaft genommen worden sind (Bst. c). Das Einreiseverbot wird grundsätzlich für eine Dauer von höchstens 5 Jahren verhängt. Es kann für eine längere Dauer verfügt werden, wenn die betroffene Person eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (Art. 67 Abs. 3 AuG). Schliesslich kann die verfügende Behörde aus humanitären oder anderen wichtigen Gründen ausnahmsweise von der Verhängung eines Einreiseverbots absehen oder ein Einreiseverbot endgültig oder vorübergehend aufheben (Art. 67 Abs. 5 AuG).

3.2 Das Einreiseverbot ist keine Sanktion für vergangenes Fehlverhalten, sondern eine Massnahme zur Abwendung einer künftigen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (siehe Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002 [im Folgenden: Botschaft] BBl 2002 3813). In diesem Sinne liegt ein Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung unter anderem dann vor, wenn gesetzliche Vorschriften oder behördliche Verfügungen missachtet werden (vgl. Art. 80 Abs. 1 Bst. a
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE, SR 142.201]). Demgegenüber müssen bei Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Aufenthalt der betroffenen Person in der Schweiz mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einem Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen wird (Art. 80 Abs. 2
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
VZAE). Bestand ein solches Verhalten in der Vergangenheit, so wird die Gefahr entsprechender künftiger Störungen von Gesetzes wegen vermutet (vgl. Urteil des BVGer F-5357/2015 vom 22. September 2016 E. 3.2 m.H.).

3.3 Die Vorinstanz begründete das Einreiseverbot in ihrer Verfügung vom 27. April 2017 mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer von der zuständigen Behörde gemäss Art. 64d AuG habe weggewiesen werden müssen, wobei die Wegweisung sofort vollstreckt worden sei. Es bestehe ein rechtskräftiges Einreiseverbot, trotzdem habe er in die Schweiz einreisen wollen. Der Beschwerdeführer habe deswegen bei der zuständigen Staatsanwaltschaft verzeigt werden müssen.

3.4 Diesen Ausführungen gilt es nichts entgegenzusetzen. Gemäss den Akten reiste der Beschwerdeführer - trotz bestehenden Einreiseverbots - sowohl am 14. Juni 2016 wie auch am 1. März 2017 in die Schweiz ein, was von ihm auch nicht bestritten wird, wie der Rechtsmitteleingabe vom 14. Juli 2017 zu entnehmen ist (vgl. Ziff. 3 ebenda). Die eidgenössische Zollverwaltung EZV verfügte daraufhin je eine sofort vollstreckbare Wegweisung, gestützt auf Art. 64d Abs. 2 Bst. b
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
AuG (SEM act. 11/103-106 und SEM act. 4/47-50). Die entsprechenden Verfügungen erwuchsen unangefochten in Rechtskraft. Wird die Wegweisung nach Art. 64d Abs. 2 AuG - wie in casu - sofort vollzogen, so ist gemäss Art. 67 Abs. 1 Bst. a AuG grundsätzlich ein Einreiseverbot zu erlassen. Der Vorinstanz kommt dabei lediglich ein stark eingeschränktes Entschliessungsermessen zu (vgl. BBl 2009 8896 ad Art. 67 Abs. 1). Vor diesem Hintergrund hat das SEM zu Recht gegen den Beschwerdeführer ein Einreisverbot gestützt auf Art. 67 Abs. 1 Bst. a AuG verhängt.

4.

Bezüglich der Dauer der Fernhaltemassnahme ist vorerst darauf hinzuweisen, dass das vom SEM verfügte zweite Einreiseverbot in Anbetracht der in Art. 67 Abs. 3 AuG 1. Satz statuierten, geltenden Maximaldauer grundsätzlich maximal weitere fünf Jahre dauern darf. Bei der Bemessung der Dauer der Fernhaltemassnahme wird dabei auf das Datum der zweiten Verfügung abgestellt (vgl. Urteil des BVGer F-1444/2014 vom 9. Mai 2018 E. 4.4 und E. 6.1; betreffend Fernhaltemassnahmen von längerer Dauer vgl. E. 6.2 - 6.3 ebenda). Ausgehend von diesem Zeitpunkt wird - auch unter Berücksichtigung der Umstände, welche zum ersten Einreiseverbot geführt haben - geprüft, welche Dauer für die "Anschlusssperre" angemessen und verhältnismässig erscheint. Mit dieser Vorgehensweise wird dem Umstand Rechnung getragen, dass ein Einreiseverbot keine Strafe ist, die ein bestimmtes Verhalten sanktioniert. Es handelt sich vielmehr um eine präventivpolizeiliche Administrativmassnahme, die primär künftige Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verhindern soll (vgl. dazu ANDREA BINDER OSER, in: Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, 2010, ad Art. 67 AuG N 3). Das vorliegende Einreiseverbot wurde bis zum 5. Juli 2020 befristet, weshalb es - gerechnet vom 27. April 2017 an - die gesetzliche fünfjährige Maximaldauer nicht überschreitet. Vor diesem Hintergrund ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass das SEM eine "Anschlusssperre" verfügte.

5.

5.1 Zu prüfen bleibt somit, ob die Massnahme in richtiger Ausübung des Ermessens ergangen und angemessen ist. Zentrale Bedeutung kommt dabei dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu, der eine wertende Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Massnahme einerseits und den von der Massnahme beeinträchtigten privaten Interessen des Verfügungsbelasteten andererseits verlangt. Die Stellung der verletzten oder gefährdeten Rechtsgüter, die Besonderheiten des ordnungswidrigen Verhaltens und die persönlichen Verhältnisse der betroffenen ausländischen Person bilden dabei den Ausgangspunkt der Überlegungen (Art. 96
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
AuG; ferner statt vieler Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, Rz. 555 ff.).

5.2 Der Beschwerdeführer wurde mehrmals aus der Schweiz weggewiesen, wobei die Wegweisung sofort vollstreckt wurde (vgl. Sachverhalt Bst. F und H). Er bekundet offensichtlich Mühe, sich an die hierzulande geltende Rechtsordnung zu halten, wie auch das mit Entscheid des Strafgerichts Basel-Landschaft vom 4. März 2014 abgeurteilte Verhalten aufzeigt (Sachverhalt Bst. D). Sein Fehlverhalten wiegt objektiv nicht leicht, kommt doch den ausländerrechtlichen Normen im Interesse einer funktionierenden Rechtsordnung grundsätzlich eine zentrale Bedeutung zu. Insbesondere gilt es mit den geltenden Vorschriften über Einreise und Aufenthalt sicherzustellen, dass sich lediglich Personen in der Schweiz aufhalten, die dazu befugt sind. Bereits aus diesem Grund ist das generalpräventiv motivierte Interesse als gewichtig zu betrachten. Des Weiteren liegt eine spezialpräventive Zielsetzung der Massnahme darin, dass sie die Betroffenen ermahnt, bei einer allfälligen künftigen Wiedereinreise in die Schweiz nach Ablauf der Dauer des Einreiseverbots die für sie geltenden Regeln einzuhalten (vgl. hierzu Urteil des BVGer C-6993/2014 vom 30. März 2015 E. 5.2 m.H.).

5.3 Der vom Beschwerdeführer ins Feld geführte Rechtsfertigungsversuch, er sei verbotenerweise in die Schweiz gekommen, um seine Beziehung zu seiner Familie zu pflegen, vermag dabei nicht zu überzeugen (Rechtsmitteleingabe Ziff. 3), zumal er anlässlich seiner Aussage vom 14. Juni 2016 im Hinblick auf die Gewährung des rechtlichen Gehörs erklärte, er sei nach Basel gekommen, um Fussball zu schauen (SEM act. 11/102). Einem Rapport der eidgenössischen Zollverwaltung EZV vom 1. März 2017 ist wiederum zu entnehmen, dass er damals in die Schweiz habe reisen wollen, um bei IKEA Pratteln Möbel einzukaufen (SEM act. 7/59).

5.4 Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, die zwei bzw. drei Tage, in denen er sich in der Schweiz aufgehalten habe, könnten nicht dazu führen, dass ein bereits verfügtes Einreiseverbot um drei Jahre verlängert werde. Dies sei unverhältnismässig, weshalb die diesbezügliche
vorinstanzliche Verfügung vom 27. April 2017 im Sinne der Erhaltung einer bestehenden Familie aufzuheben sei. Damit soll es dem Beschwerdeführer möglich sein, zu seiner Familie in die Schweiz zu kommen, die er, mit seinem bereits belasteten Vorleben in seinem Heimatland, dringend nötig habe (Beschwerde Ziff. 4).

5.4.1 Sofern sich der Beschwerdeführer auf sein Recht auf Familienleben (Art. 8
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
EMRK) beruft, ist darauf hinzuweisen, dass sich der dahingehende Schutz nur auf den Kernbereich der Familie - mithin Eltern und ihre minderjährige Kinder - beschränkt. Im Falle des Beschwerdeführers - der hier in der Schweiz über einen Bruder, einen Onkel und diverse Cousins verfügt (BVGer act. 6) - werden die entsprechenden Beziehungen nicht mehr erfasst.

5.4.2 Ohnehin verfügt der in Deutschland lebende Beschwerdeführer in der Schweiz über kein Aufenthaltsrecht mehr. Das Aufenthaltsrecht als solches bildet auch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens (vgl. dazu BVGE 2013/4 E. 7.4.1). Die Pflege regelmässiger persönlicher Kontakte zu seinen Verwandten scheitert somit bereits daran. Die Wirkung des Einreiseverbots besteht zudem nicht darin, dass dem Beschwerdeführer während dessen Geltungsdauer Besuchsaufenthalte bei seinen Verwandten in der Schweiz gänzlich untersagt wären (vgl. Art. 67 Abs. 5 AuG). Im Übrigen kann er den Kontakt zu seinen hier lebenden Angehörigen auf andere Weise als durch Besuche in der Schweiz pflegen. Auch in Anbetracht dieser Umstände ist das Gewicht der privaten Interessen des Beschwerdeführers an der Möglichkeit, in naher Zukunft in die Schweiz einreisen zu können, als nicht erheblich einzustufen.

5.5 Unter Abwägung der vorliegend entgegenstehenden öffentlichen und privaten Interessen stellt das bis 5. Juli 2020 befristete Einreiseverbot eine verhältnismässige und angemessene Massnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Dies auch im Vergleich zu Fällen, mit ähnlich gelagerter Konstellation (vgl. bspw. Urteil des BVGer C-5619/2014 vom 2. Dezember 2015) sowie in Anbetracht der Tatsache, dass der Beschwerdeführer bereits mehr als einmal aus der Schweiz weggewiesen werden musste und sein an den Tag gelegtes Verhalten eine gewisse Unbelehrbarkeit aufzeigt.

6.
Aus diesen Erwägungen folgt, dass die angefochtene Verfügung Bundes-recht nicht verletzt (vgl. Art. 49 VwVG). Die Beschwerde ist daher abzuwei-sen.

7.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind dem Beschwerdeführer die Verfahrenskosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
VwVG, Art. 1 ff
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 1 Verfahrenskosten
1    Die Kosten der Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (Gericht) setzen sich zusammen aus der Gerichtsgebühr und den Auslagen.
2    Mit der Gerichtsgebühr sind die Kosten für das Kopieren von Rechtsschriften und der für Dienstleistungen normalerweise anfallende Verwaltungsaufwand wie Personal-, Raum- und Materialkosten sowie Post-, Telefon- und Telefaxspesen abgegolten.
3    Auslagen sind insbesondere die Kosten für Übersetzungen und für die Beweiserhebung. Die Kosten für Übersetzungen werden nicht verrechnet, wenn es sich um Übersetzungen zwischen Amtssprachen handelt.
. des Reg-lements über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwal-tungsgericht vom 21. Februar 2008 [VGKE, SR 173.320.2]).

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 1'200.- werden dem Beschwerdeführer auf-erlegt. Sie sind durch den in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss gedeckt.

3.
Dieses Urteil geht an:

- den Beschwerdeführer (Publikation im Bundesblatt)

- die Vorinstanz (Akten Ref-Nr. [...] retour)

- das Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Regula Schenker Senn Susanne Stockmeyer

Versand:
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : F-4229/2017
Datum : 07. Dezember 2018
Publiziert : 17. Dezember 2018
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Bürgerrecht und Ausländerrecht
Gegenstand : Einreiseverbot


Gesetzesregister
AuG: 64d  67  96
BGG: 83
EMRK: 8
VGG: 31  37
VGKE: 1
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 1 Verfahrenskosten
1    Die Kosten der Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (Gericht) setzen sich zusammen aus der Gerichtsgebühr und den Auslagen.
2    Mit der Gerichtsgebühr sind die Kosten für das Kopieren von Rechtsschriften und der für Dienstleistungen normalerweise anfallende Verwaltungsaufwand wie Personal-, Raum- und Materialkosten sowie Post-, Telefon- und Telefaxspesen abgegolten.
3    Auslagen sind insbesondere die Kosten für Übersetzungen und für die Beweiserhebung. Die Kosten für Übersetzungen werden nicht verrechnet, wenn es sich um Übersetzungen zwischen Amtssprachen handelt.
VZAE: 80
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
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