Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A 50/2011

Urteil vom 6. April 2011
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Luczak.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Fürsprecher Dr. Roger Hischier,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Ragaz,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Arbeitsvertrag; Lohnfortzahlung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, vom 23. November 2010.
Sachverhalt:

A.
A.________ (Beschwerdegegner) war ab dem 1. Juli 2002 bei der X.________ (Beschwerdeführerin) angestellt. Mit Schreiben vom 29. Juli 2008 kündigte er das Arbeitsverhältnis auf den 31. Oktober 2008. Ab dem 31. Juli 2008 war er krankheitshalber arbeitsunfähig. Bis zur Beendigung des Arbeitsvertrages zahlte ihm die Beschwerdeführerin den vollen Lohn, obwohl sie selbst lediglich eine Kollektivtaggeldversicherung für 80 % des Lohnes nach VVG abgeschlossen hatte, in welche der Beschwerdegegner nach seinem Ausscheiden aus der Beschwerdeführerin übertreten konnte. Ab dem 8. November 2008 richtete ihm die Y.________ AG Taggelder von Fr. 194.70 aus, entsprechend 80 % des zuletzt pro Tag erzielten Bruttolohnes von Fr. 243.40 (Fr. 6'834.-- x 13 : 365 x 80 %).

B.
Am 24. März 2009 klagte der Beschwerdegegner vor dem Arbeitsgericht Brugg gegen die Beschwerdeführerin auf Zahlung von zunächst Fr. 7'012.80 (per 24.03.2009), später erweitert auf Fr. 23'473.40 (per 25. Februar 2010) und auf Feststellung, dass ihm die Beschwerdeführerin für jeden weiteren Tag medizinisch ausgewiesener Arbeitsunfähigkeit ab dem 26. Februar 2010 den Betrag von Fr. 48.70 netto zu bezahlen habe. Darüber hinaus verlangte er die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses mit bestimmtem Wortlaut. Mit Urteil vom 25. Februar 2010 wies das Arbeitsgericht den Anspruch betreffend Arbeitszeugnis weitestgehend und die Lohnforderung vollumfänglich ab. Gegen die Abweisung seines Zahlungs- bzw. Feststellungsanspruchs appellierte der Beschwerdegegner an das Obergericht des Kantons Aargau, welches die Beschwerdeführerin in teilweiser Gutheissung der Appellation verpflichtete, dem Beschwerdegegner Fr. 23'473.40 zu bezahlen. Da der Beschwerdegegner prozessual sein Feststellungsbegehren entsprechend dem Zeitablauf in ein Leistungsbegehren hätte umwandeln können, wurde jenes mangels Feststellungsinteresses als gegenstandslos geworden abgeschrieben.

C.
Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen, die Klage betreffend die Lohnforderung abzuweisen. Der Beschwerdegegner schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Parteien sind sich uneinig darüber, welche Leistungen dem Beschwerdegegner gemäss den Vertragsbestandteil gewordenen "Anstellungsbedingungen für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Zentrale und des Regionalbüros der X.________" nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses im Krankheitsfall zustehen. Die einschlägigen Bestimmungen lauten wie folgt:

"...

14.4 Lohnausfall-Versicherung Grundsatz
Die X.________ hat für alle Mitarbeiter / Mitarbeiterinnen eine kollektive Salärversicherung abgeschlossen.

14.5 Beitrag an die Prämien
Die Prämien für die Versicherungen gehen zu Lasten von X.________.

14.6 Leistungen
Bei ärztlich nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit erhalten Sie während 730 Kalendertagen nach Beginn der Krankheit 100% des Lohnes.

...

14.8 Austritt aus der X.________
Verlassen Sie die X.________, erlischt die Salärversicherung. Sie kann jedoch als Einzelversicherung auf Ihre eigene Rechnung weitergeführt werden, sofern Sie in der Schweiz wohnen und sich innert 90 Tagen nach Austritt schriftlich bei der Versicherung zum Übertritt anmelden."

1.1 Der Beschwerdegegner hat sich auf Art. 14.6 der Anstellungsbedingungen gestützt und geltend gemacht, die Beschwerdeführerin habe es unterlassen, ihn vertragskonform zu versichern, weshalb sie die entsprechende Differenz nachzuzahlen habe. Die Beschwerdeführerin vertrat demgegenüber die Ansicht, Art. 14.6 gelange nicht zur Anwendung, analog der gesetzlichen Regelung, wonach der Kündigungsschutz im Falle der Kündigung durch den Arbeitnehmer nicht greift. Fest steht, dass die Beschwerdeführerin die gesetzlichen Minimalleistungen gemäss Art. 324b
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 324b - 1 Ist der Arbeitnehmer auf Grund gesetzlicher Vorschrift gegen die wirtschaftlichen Folgen unverschuldeter Arbeitsverhinderung aus Gründen, die in seiner Person liegen, obligatorisch versichert, so hat der Arbeitgeber den Lohn nicht zu entrichten, wenn die für die beschränkte Zeit geschuldeten Versicherungsleistungen mindestens vier Fünftel des darauf entfallenden Lohnes decken.
1    Ist der Arbeitnehmer auf Grund gesetzlicher Vorschrift gegen die wirtschaftlichen Folgen unverschuldeter Arbeitsverhinderung aus Gründen, die in seiner Person liegen, obligatorisch versichert, so hat der Arbeitgeber den Lohn nicht zu entrichten, wenn die für die beschränkte Zeit geschuldeten Versicherungsleistungen mindestens vier Fünftel des darauf entfallenden Lohnes decken.
2    Sind die Versicherungsleistungen geringer, so hat der Arbeitgeber die Differenz zwischen diesen und vier Fünfteln des Lohnes zu entrichten.
3    Werden die Versicherungsleistungen erst nach einer Wartezeit gewährt, so hat der Arbeitgeber für diese Zeit mindestens vier Fünftel des Lohnes zu entrichten.116
OR erbracht hat.

1.2 Die kantonalen Gerichte haben die Anstellungsbedingungen nach Treu und Glauben ausgelegt und sind dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt.
1.2.1 Das Arbeitsgericht verneinte den geltend gemachten Anspruch, weil Art. 14.6 keinerlei Hinweis darauf enthalte, dass sich die Beschwerdeführerin auch für den Fall der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Beschwerdegegner für die Zeit nach der Kündigung in diesem Umfang verpflichten wolle.
1.2.2 Die Vorinstanz hielt dagegen entsprechend der Systematik des 14. Titels der Anstellungsbedingen dafür, ein unbefangener Leser dürfe und müsse mit Blick auf Ziff. 14.4 und 14.5 nach Treu und Glauben schliessen, dass zunächst die Versicherungslösung als solche statuiert und alsdann die Beitragspflicht geregelt werde, worauf die Leistungen der Versicherung im Krankheitsfall definiert würden. Zumindest wäre die Klausel, für sich allein betrachtet und erst recht im Kontext, als unklar zu betrachten, was sich zu Lasten der Beschwerdeführerin auswirken müsste, seien doch die Anstellungsbedingungen wie allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen. Darüber hinaus verwarf die Vorinstanz den Standpunkt der Beschwerdeführerin, nach welchem der Arbeitnehmer die Leistungen gemäss Ziff. 14.6 bei eigener Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht beanspruchen dürfe. Hätte nämlich die Beschwerdeführerin vertragswidrig überhaupt keine Taggeldversicherung abgeschlossen, hätte der Arbeitnehmer, sollte die Auffassung der Beschwerdeführerin zutreffen, bei über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus dauernder Krankheit keinerlei Geldleistungen zugute, wenn er selbst das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat. Dies würde gegen den Vertrag, namentlich
Ziff. 14.4 der Anstellungsbedingungen verstossen, zumal die Beschwerdeführerin offensichtlich eine kollektive Taggeldversicherung nach VVG abgeschlossen habe und auch nicht bestreite, dass der Beschwerdegegner trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf die Taggelder für Krankheit habe. Der Beschwerdegegner sei vielmehr so zu stellen, wie wenn die Beschwerdeführerin eine Taggeldversicherung über 100 % des Lohnes abgeschlossen hätte. Dies führte zur Gutheissung der Leistungsklage.

1.3 Die Beschwerdeführerin hält diese Auslegung der Vorinstanz für bundesrechtswidrig. Sie wendet ein, die Vorinstanz hätte bei ihrer systematischen Auslegung auch Ziff. 14.8 der Anstellungsbedingungen berücksichtigen müssen, die explizit auf die Salärversicherung Bezug nehme und deren Erlöschen regle. Danach sei die Beschwerdeführerin nur gehalten gewesen, eine Krankentaggeldversicherung abzuschliessen, die bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses Leistungen erbringe. Mit Ausnahme der Verpflichtung, für ein Übertrittsrecht in die Einzelversicherung nach Beendigung des Kollektivversicherungsvertrages zu sorgen, treffe die Beschwerdeführerin nach Auflösung des Arbeitsvertrages keinerlei Pflichten gegenüber dem Arbeitnehmer. Da die Salärversicherung mit dem Austritt des Arbeitnehmers aus der X.________ erlösche, habe die Beschwerdeführerin namentlich auch keine Pflicht zum Ausgleich einer allfälligen Differenz zwischen der von der Versicherung weiterhin erbrachten Leistung und 100 % des Lohnes, habe sich doch die Beschwerdeführerin nur zum Abschluss einer Krankentaggeldversicherung mit Leistungen bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses verpflichtet. Dieses Resultat decke sich mit dem im Arbeitsrecht allgemein geltenden Grundsatz, wonach
der Arbeitgeber mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Leistungen, namentlich keine Lohnzahlungen mehr zu erbringen habe.

1.4 Ziel der Vertragsauslegung ist es, in erster Linie den übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien festzustellen (vgl. Art. 18 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 18 - 1 Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
1    Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
2    Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, kann der Schuldner die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen.
OR). Bleibt, wie im zu beurteilenden Fall, eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Das Bundesgericht überprüft diese objektivierte Auslegung von Willenserklärungen als Rechtsfrage, wobei es an Feststellungen des kantonalen Richters über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten grundsätzlich gebunden ist (Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG). Massgebend ist dabei der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (BGE 133 III 61 E. 2.2.1 S. 67 mit Hinweisen).
1.4.1 Nach Art. 324a
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 324a - 1 Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so hat ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist.
1    Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so hat ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist.
2    Sind durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag nicht längere Zeitabschnitte bestimmt, so hat der Arbeitgeber im ersten Dienstjahr den Lohn für drei Wochen und nachher für eine angemessene längere Zeit zu entrichten, je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und den besonderen Umständen.
3    Bei Schwangerschaft der Arbeitnehmerin hat der Arbeitgeber den Lohn im gleichen Umfang zu entrichten.115
4    Durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann eine von den vorstehenden Bestimmungen abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig ist.
f. OR hat der Arbeitgeber den Lohn während einer beschränkten Zeit weiterzubezahlen, wenn der Arbeitnehmer auf Grund einer krankheits- oder unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann. Diese Lohnfortzahlungspflicht gilt grundsätzlich nur, soweit und solange ein Arbeitsverhältnis besteht. Da die Art. 324a
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 324a - 1 Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so hat ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist.
1    Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so hat ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist.
2    Sind durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag nicht längere Zeitabschnitte bestimmt, so hat der Arbeitgeber im ersten Dienstjahr den Lohn für drei Wochen und nachher für eine angemessene längere Zeit zu entrichten, je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und den besonderen Umständen.
3    Bei Schwangerschaft der Arbeitnehmerin hat der Arbeitgeber den Lohn im gleichen Umfang zu entrichten.115
4    Durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann eine von den vorstehenden Bestimmungen abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig ist.
f. OR nur einseitig zwingender Natur sind, können die Parteien indessen eine für den Arbeitnehmenden günstigere Absprache treffen. Eine solche kann namentlich in der Verpflichtung des Arbeitgebers bestehen, eine Kollektivtaggeldversicherung mit einem Versicherer abzuschliessen, die während einer längeren Dauer den Lohnbetrag bzw. einen Teil davon weiter bezahlt (BGE 127 III 318 E. 4b S. 325; 124 III 126 E. 2b S. 132 f.). Mit einer solchen Versicherung soll der Schutz des Arbeitnehmers verbessert werden, indem das Einkommen auch für den Fall gesichert bleibt, dass der Arbeitnehmer die Stelle verliert. Es ist nämlich zu beachten, dass das Arbeitsverhältnis sehr wohl enden kann, bevor die beschränkte Zeit für die Lohnfortzahlung abgelaufen ist, sei es, dass es sich um einen befristeten Arbeitsvertrag handelt oder der Arbeitnehmer diesen - wie vorliegend - vor dem Eintritt des
Krankheitsfalls bereits gekündigt hatte, sei es, dass die Arbeitgeberin eine Kündigung ausgesprochen hat. Der zeitliche Kündigungsschutz und die Lohnfortzahlungspflicht sind im schweizerischen Recht nicht koordiniert. Eine Kündigung kann durchaus zulässig sein, obgleich die Lohnfortzahlungspflicht andauert. Wegen dieser fehlenden gesetzlichen Koordination stellt sich regelmässig die Frage, wie die Parteien das Verhältnis zwischen Kündigungsschutz und Lohnfortzahlungspflicht regeln wollten, wenn sie eine vertragliche Verlängerung der Lohnfortzahlungspflicht vereinbart haben. Soll diese durch eine Versicherung gewährleistet werden, indem nicht der Lohn weiterbezahlt wird, sondern Taggeldleistungen als Verdienstersatz erbracht werden, darf davon ausgegangen werden, dass die Versicherungsleistungen auch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus erbracht werden sollen, sei es, dass die Kollektivtaggeldversicherung unverändert weiter besteht oder dass ein Übertritt in eine gleichwertige Einzeltaggeldversicherung erfolgen kann. Anders verhält es sich, wenn keine Versicherung, sondern eine blosse Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin vereinbart ist. Weil es sich diesfalls um Lohn handelt, muss im Zweifel angenommen werden, dass
die Verpflichtung den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses voraussetzt und ohne entsprechende abweichende Vereinbarung der zeitliche Kündigungsschutz nicht entsprechend ausgedehnt worden ist (Urteil des Bundesgerichts 4C.315/2006 vom 10. Januar 2007 E. 3.1 mit Hinweisen).
1.4.2 Die Parteien haben den Abschluss einer Salärversicherung vereinbart, wobei sich die Beschwerdeführerin zur Übernahme der Prämien verpflichtet und dem Arbeitnehmer für den Fall nachgewiesener krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ohne Karenzfrist Leistungen von 100 % des Lohnes für 730 Kalendertage zugesichert hat (Ziff. 14.4 bis 14.6 der Anstellungsbedingungen). Wie die Vorinstanz zutreffend erwog und die Beschwerdeführerin nicht mehr substanziiert in Abrede stellt, war der Beschwerdegegner unter diesen Umständen nach Treu und Glauben zur Annahme berechtigt, die Versicherungsleistung umfasse seinen vollen Lohn, der ihm denn auch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist entrichtet wurde. Dieselben Leistungen durfte der Beschwerdegegner nach dem oben Ausgeführten für den Fall erwarten, dass die versprochenen Versicherungsleistungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht ausgeschöpft und die Leistungsvoraussetzungen gegeben sein sollten. Dies ergibt sich namentlich aus seinem Recht auf Fortführung der kollektiven als Einzelversicherung gemäss Ziff. 14.8 der Anstellungsbedingungen, die für diesen Fall keine Leistungskürzung erwähnt. Damit vermittelte die Beschwerdeführerin objektiv den Eindruck, die
Einzeltaggeldversicherung werde der - vermeintlich - bisher von der Beschwerdeführerin unterhaltenen gleichwertig sein. Umfasste die Kollektivtaggeldversicherung und damit auch die weitergeführte Einzelversicherung entgegen dem von der Beschwerdeführerin erweckten Anschein lediglich Taggeldleistungen von 80 % des Lohnes, hielt die Vorinstanz zu Recht dafür, die Beschwerdeführerin habe dem Beschwerdegegner die Differenz zur berechtigterweise erwarteten Lohnersatzleistung zu vergüten. Das angefochtene Urteil hält somit auch mit Rücksicht auf die in der Beschwerde angeführte Ziff. 14.8 der Anstellungsbedingungen einer Überprüfung stand.

2.
Aus den dargelegten Gründen ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
und Art. 68 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. April 2011

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Klett Luczak
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 4A_50/2011
Date : 06. April 2011
Published : 24. April 2011
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Vertragsrecht
Subject : Arbeitsvertrag; Lohnfortzahlung


Legislation register
BGG: 66  68  105
OR: 18  324a  324b
BGE-register
124-III-126 • 127-III-318 • 133-III-61
Weitere Urteile ab 2000
4A_50/2011 • 4C.315/2006
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