Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung III

C-6096/2012

Urteil vom 6. Februar 2015

Richterin Ruth Beutler (Vorsitz),

Richterin Marie-Chantal May Canellas,
Besetzung
Richter Antonio Imoberdorf,

Gerichtsschreiberin Barbara Kradolfer.

A._______,

Parteien vertreten durch Dr. Jean-Louis von Planta, Advokat,

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration SEM,
Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Reisedokumente für ausländische Personen.

Sachverhalt:

A.
Der Beschwerdeführer (geb. 1988) ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Ethnie und stammt ursprünglich aus Mosul (Zentralirak). Im Januar 2007 reiste er in die Schweiz und ersuchte um Asyl. Das Bundesamt für Migration (BFM, heute Staatssekretariat für Migration SEM) wies das Asylgesuch mit Verfügung vom 21. Februar 2007 ab, ordnete jedoch aufgrund der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs die vorläufige Aufnahme an.

B.
Im Februar 2012 ersuchte der Beschwerdeführer beim Migrationsamt des Kantons Basel-Landschaft (nachfolgend: Migrationsamt) um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Das Migrationsamt teilte ihm mit Schreiben vom 20. März 2012 mit, dass die Kriterien zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aufgrund einer summarischen Prüfung bis auf eine Ausnahme erfüllt seien. Damit die Aufenthaltsbewilligung ausgestellt werden könne, müsse er über ein gültiges Ausweispapier verfügen (Art. 89 AuG [SR 142.20]).

C.
Der Beschwerdeführer beantragte am 27. März 2012 beim Migrationsamt die Ausstellung eines Identitätsausausweises mit Bewilligung zur Wiedereinreise. Das Migrationsamt überwies das Gesuch gleichentags dem BFM. Nach Überprüfung der Gesuchsunterlagen teilte das BFM dem Beschwerdeführer mit, die Voraussetzungen für die Ausstellung des beantragten Reisedokuments seien offensichtlich nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer solle sich bei den zuständigen Behörden seines Heimatstaates in der Schweiz um die Ausstellung eines Reisepasses bemühen. Bloss technisch oder organisatorisch bedingte Verzögerungen bei der Passausstellung begründeten die Schriftenlosigkeit nicht. Aufgrund dieser Ausgangslage kündigte die Vorinstanz am 16. April 2012 an, ohne Gegenbericht des Beschwerdeführers werde das Gesuch als gegenstandslos geworden abgeschrieben.

D.
Am 2. Oktober 2012 ersuchte der frühere Rechtsvertreter das BFM um Ausstellung eines schweizerischen Ersatzreisedokuments. Dazu führte er aus, sein Mandant habe bei der irakischen Botschaft in der Schweiz dreimal vergeblich um Ausstellung eines Reisepasses ersucht, was diese am 16. Januar 2012, 29. Februar 2012 und 8. Juni 2012 bestätigt habe. Das Schreiben des BFM vom 16. April 2012 stehe im Widerspruch zu den Bestätigungen der Botschaft.

E.
Mit Verfügung vom 24. Oktober 2012 wies die Vorinstanz das Gesuch des Beschwerdeführers ab. Dieser könne nicht als schriftenlos angesehen werden. Zwar sei die Passausstellung über die irakische Botschaft in der Schweiz zur Zeit nicht möglich. Dies sei jedoch als technische oder organisatorische Verzögerung anzusehen, welche die Schriftenlosigkeit nicht begründen könne.

F.
Mit Rechtmitteleingabe vom 26. November 2012 ersucht der Beschwerdeführer um Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung sowie um Ausstellung eines Identitätsausweises mit Bewilligung der Wiedereinreise. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

Aufgrund seiner vorläufigen Aufnahme wegen Unzumutbarkeit der Rückkehr in den Irak sei auch die zur Beschaffung von irakischen Reisedokumenten notwendige Reise in den Irak nicht zumutbar. Die von ihm bei der irakischen Botschaft in der Schweiz gestellten Anträge seien abgewiesen worden, und er sei auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht worden, bei der irakischen Botschaft in Paris einen Passantrag zu stellen. Es sei ihm jedoch aufgrund seines ausländerrechtlichen Status verwehrt, nach Paris zu reisen. Zudem fehlten ihm die für einen Passantrag notwendigen Dokumente (irakischer Personalausweis, Staatsangehörigkeitsurkunde).

G.
Mit Zwischenverfügung vom 17. Januar 2013 wurde das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege mangels Bedürftigkeit abgewiesen. Der in der Folge eingeforderte Kostenvorschuss wurde fristgerecht einbezahlt.

H.
Die Vorinstanz beantragt mit Vernehmlassung vom 22. Februar 2013 die Abweisung der Beschwerde. Sie hält darin fest, die irakische Botschaft in der Schweiz habe zwar bestätigt, dass Passanträge zur Zeit nur in Paris gestellt werden könnten. Sie verfüge jedoch über Informationen, wonach die irakische Vertretung in der Schweiz ebenfalls über die technischen Mittel verfüge, Passanträge entgegenzunehmen und Pässe via Bagdad auszustellen. Selbst wenn eine Reise nach Paris notwendig wäre, wäre es an den irakischen Behörden, zu diesem Zweck von Frankreich anerkannte Ersatzreisepapiere auszustellen.

I.
In seiner Stellungnahme vom 12. April 2013 hält der Beschwerdeführer an seinen Anträgen und deren Begründung fest.

J.
Mit ergänzender Vernehmlassung vom 25. April 2013 anerkennt die Vorinstanz zwar, dass die Situation für die im Ausland lebenden Iraker unbefriedigend sei. Sie hält jedoch daran fest, dass die Beschaffung von irakischen Reisepässen nicht als unmöglich angesehen werden könne. Würde die Schweiz in dieser Situation Reisedokumente ausstellen, würde sie in die völkerrechtlich verankerte Passhoheit und damit in die Souveränität des anderen Staates eingreifen.

K.
Mit Eingabe vom 11. Februar 2014 teilte der derzeitige Rechtsvertreter dem Gericht die Mandatsübernahme mit. Gleichzeitig reichte er eine Bestätigung der irakischen Botschaft in der Schweiz vom 4. Februar 2014, wonach dem Beschwerdeführer kein Reisepass ausgestellt werden könne, weil er keine Staatsangehörigkeitsurkunde besitze, sowie eine Kopie des irakischen Identitätsausweises des Beschwerdeführers ein.

L.
Erneut zur Stellungnahme eingeladen, hält die Vorinstanz am 13. März 2014 fest, dass gemäss ihren Erkenntnissen Anträge für die Ausstellung irakischer Staatsangehörigkeitsurkunden auch bei der Botschaft gestellt werden könnten. Eine solche könne dem Gesuchsteller von der zuständigen irakischen Vertretung im Ausland ausgehändigt werden. Ferner bestehe die Möglichkeit, dass die irakische Botschaft in Bern Laissez-passer für eine einmalige Reise in den Irak ausstelle. Mit dem dort ausgestellten Reisepass sei eine Rückreise in die Schweiz via Amman/Jordanien möglich, wo das schweizerische Rückreisevisum abzuholen wäre, das vorab bei der kantonalen Behörde zu beantragen sei.

M.
Am 23. Mai 2014 führte der Beschwerdeführer aus, es sei zwar möglich, die Staatangehörigkeitsurkunde bei der irakischen Botschaft in Bern zu beantragen. Dieses Verfahren nehme jedoch gemäss Bestätigung vom 7. Mai 2014 unbestimmte Zeit in Anspruch. Voraussetzung für die Ausstellung eines Laissez-passer durch die irakische Botschaft für eine Einreise in den Irak sei die Vorlage einer Aufenthaltsbewilligung B, was er nicht erfüllen könne, sei der Antrag auf Aufenthaltsbewilligung ja Ausgangspunkt dieses Verfahrens. Die einzige Möglichkeit, in angemessener Zeit die Staatsangehörigkeitsurkunde und den Reisepass zu erlangen, sei die Ausstellung eines Identitätsausweises mit Bewilligung zur Wiedereinreise. Damit könnte er entweder nach Paris oder direkt in den Irak reisen, um sich um die Beschaffung der notwendigen Papiere zu bemühen.

N.
Am 10. November 2014 äusserte sich die Vorinstanz erneut zur Sache und erklärte sich unter Hinweis auf ein neues Urteil des BVGer grundsätzlich bereit, dem Beschwerdeführer einen Pass für eine ausländische Person für eine Reise nach Paris zur Beschaffung eines irakischen Reisepasses auszustellen. Voraussetzung sei, dass der Beschwerdeführer eine Terminvereinbarung der irakischen Botschaft in Paris zur Erfassung der biometrischen Daten vorweisen könne. Zudem machte sie ihn darauf aufmerksam, dass er für diese Reise ein französisches Einreisevisum benötige. Da der Beschwerdeführer nicht alle zur Vereinbarung eines Termins notwendigen Papiere besitze, müsse er sich die fehlenden Unterlagen vorab beschaffen. Dafür genüge in seinem Fall ein entsprechender Antrag bei der irakischen Botschaft in der Schweiz.

O.
In seiner Stellungnahme vom 20. November 2014 hält der Beschwerdeführer im Wesentlichen fest, der von der Vorinstanz am 10. November 2014 aufgezeigte Weg sei nicht gangbar und die geäusserte Auffassung zur Unmöglichkeit der Beschaffung irakischer Reisepapiere nicht mehr vertretbar. Zum einen bezweifelt er, dass die Zusicherung der irakischen Vertretung in der Schweiz zutrifft, bei ihr die Staatsangehörigkeitsurkunde beantragen zu können, da er schon längere Zeit versuche, sich dieses Dokument zu verschaffen. Zum anderen wäre gestützt auf das Urteil des BVGer auch nach Erhalt der Staatsangehörigkeitsurkunde von der Unmöglichkeit der Beschaffung irakischer Reisepapiere auszugehen.

P.
Auf den übrigen Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Verfügungen der Vorinstanz betreffend Reisedokumente und Bewilligungen zur Wiedereinreise sind mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbar (vgl. Art. 31 ff . VGG; Art. 5 VwVG; Art. 59 AuG; Art. 1 der Verordnung über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen vom 14. November 2012 [RDV, SR 143.5]).

1.2 Das Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).

1.3 Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat zur Beschwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die im Übrigen frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 50 und 52 VwVG).

1.4 Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in der vorliegenden Angelegenheit endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 6 BGG).

2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann vorliegend die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes sowie die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. BVGE 2014/1 E. 2 mit Hinweisen).

3.
Am 1. Dezember 2012 trat die neue RDV in Kraft, welche die bisherige Verordnung ersetzt. Gemäss Art. 32 RDV gilt für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen RDV hängigen Verfahren um Ausstellung eines Reisedokuments das neue Recht. Vorliegend findet daher die neue RDV Anwendung (vgl. Urteil des BVGer C-6582/2012 vom 11. März 2014 E. 3).

4.

4.1 Dem vorliegenden Verfahren liegt ein Gesuch des Beschwerdeführers zugrunde, mit dem er nach dem zu jenem Zeitpunkt geltenden Recht die Ausstellung eines Identitätsausweises mit Bewilligung zur Wiedereinreise beantragt hatte (vgl. Art. 4 aRDV [AS 2010 621]). Gestützt auf die aktuelle Fassung von Art. 4 Abs. 4 RDV ist zum heutigen Zeitpunkt strittig und zu prüfen, ob der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Passes für eine ausländische Person erfüllt.

4.2 Einer vorläufig aufgenommenen Person kann ein Pass für eine ausländische Person abgegeben werden, wenn sie schriftenlos ist und das SEM ihr eine Rückreise in die Schweiz nach Art. 9 RDV bewilligt (Art. 59 Abs. 1 AuG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 RDV). Die unabdingbare Voraussetzung für die Ausstellung eines Passes für eine ausländische Person nach Art. 4 Abs. 4 RDV ist somit - wie schon bei Art. 4 Abs. 4 aRDV - die Schriftenlosigkeit. Gemäss der Legaldefinition von Art. 10 Abs. 1 RDV gilt eine ausländische Person als schriftenlos, wenn sie keine gültigen Reisedokumente ihres Heimatstaates besitzt undwenn von ihr nicht verlangt werden kann, dass sie sich bei den zuständigen heimatlichen Behörden um die Ausstellung oder Verlängerung eines Reisedokuments bemüht, (Bst. a) oder wenn für sie die Beschaffung von Reisedokumenten unmöglich ist (Bst. b). Die Schriftenlosigkeit wird nach Art. 10 Abs. 4 RDV im Rahmen der Gesuchsprüfung durch das SEM festgestellt.

5.

5.1 Im Urteil BVGE 2014/23 ist das BVGer nach vertiefter Prüfung der seit Jahren andauernden Situation von in der Schweiz lebenden Irakern in Bezug auf die Beschaffung von irakischen Reisepässen (E. 5.3) und mit Blick auf eine grundrechtskonforme Auslegung der RDV zum Schluss gekommen, dass der dem schweizerischen Staat aus der Verfassung erwachsenden Schutzverpflichtung grösseres Gewicht zukomme als dem Interesse des irakischen Staates an der uneingeschränkten Wahrung der Passhoheit (E. 5.5). Da für vorläufig aufgenommene Iraker die Passbeschaffung weder über eine Vorsprache bei der irakischen Botschaft in Paris (E. 5.5) noch mittels einer Reise in den Irak (E. 5.6 und E. 5.7) auf absehbare Zeit zu verwirklichen sei, seien sie als schriftenlos gemäss Art. 10 Abs. 1 Bst. b RDV anzusehen (E. 5.9). Da zusätzlich zur Schriftenlosigkeit bei vorläufig aufgenommen Ausländern noch ein Reisegrund vorliegen muss (vgl. Art. 4 Abs. 4 i.V.m. Art. 9 RDV), wurde die Vorinstanz u.a. angewiesen zu prüfen, ob die Ermöglichung der Reise nach Paris zur Beschaffung irakischer Reisedokumente als Reisegrund gemäss Art. 9 Abs. 1 Bst. b oder Abs. 4 RDV gelten könne.

5.2.1 Gestützt auf dieses Urteil erklärte sich die Vorinstanz grundsätzlich bereit, dem Beschwerdeführer einen Pass für eine ausländische Person auszustellen, damit er bei der irakischen Botschaft in Paris ein Gesuch um Ausstellung eines Reisepasses stellen könne. Allerdings müsse er eine Terminvereinbarung vorlegen können, die wiederum die Vorlage von bestimmten Dokumenten voraussetze, die der Beschwerdeführer jedoch nicht alle in Händen habe und die vorab zu beschaffen seien (vgl. Stellungnahme vom 10. November 2014).

5.2.2 Dieses Vorgehen der Vorinstanz ist nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer macht zwar in seiner Stellungnahme vom 20. November 2014 unter Bezugnahme auf das Urteil BVGE 2014/23 geltend, "dass es für vorläufig aufgenommene ausländische Personen aus dem Irak momentan unmöglich ist, an die geforderten Reisedokumente zu gelangen". Dazu ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht die Unmöglichkeit der Beschaffung von Reisedokumenten im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Bst. b RDV einzig im Zusammenhang mit der damit notwendigen Reisetätigkeit - sei es nach Paris oder nach Bagdad - bejahte, was sich aus dem genannten Urteil unmissverständlich ergibt (vgl. BVGE 2014/23 E. 5.9). Für eine Reise nach Paris bzw. für eine Vorsprache bei der Botschaft, wie sie im vorliegenden Fall zur Diskussion steht, wird allerdings das Vorliegen eines irakischen Personalausweises und einer irakischen Staatsangehörigkeitsurkunde vorausgesetzt (vgl. BVGE 2014/23 E. 5.3.4), wobei letztere grundsätzlich über die Botschaft in Bern beschafft werden kann, was der Beschwerdeführer auch nicht bestreitet. Aus den gesamten Erwägungen erschliesst sich der hohe Stellenwert des sich aus dem Völkergewohnheitsrecht ergebenden Prinzips der Passhoheit souveräner Staaten, der zu einer entsprechenden Zurückhaltung der Schweizer Behörden bei der Ausstellung von Reisedokumenten an ausländische Staatsangehörige führt (vgl. auch Matthias Kradolfer, in: Caroni/Gächter/Thurnherr, Stämpflis Handkommentar zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, 2010, Art. 59 N 23 mit Hinweis; Verwaltungspraxis der Bundesbehörden [VPB] 65.69, 64.158; BVGE 2014/23 E. 5.3.2, E. 5.4, E. 5.9 [S. 340]; Urteile des BVGer C 5942/2011 vom 8. Oktober 2013 E. 5.7, C 1144/2011 vom 15. August 2013 E. 5.6, C 3392/2011 vom 20. September 2012 E. 4.2 je mit Hinweisen).

5.2.3 Es ist daher mit Blick auf das Urteil BVGE 2014/23 zu betonen, dass nicht von einer generellen Schriftenlosigkeit der in der Schweiz vorläufig aufgenommenen Iraker auszugehen ist. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass der irakische Staat es nicht grundsätzlich ablehnt, seinen in der Schweiz vorläufig aufgenommenen Staatsangehörigen Reisedokumente auszustellen, sondern diese Aufgabe offenbar der Botschaft in Paris übertragen hat. Allerdings haben es die irakischen Behörden bisher unterlassen, den Betroffenen eine legale Möglichkeit aufzuzeigen, dorthin zu gelangen (vgl. BVGE 2014/23 E. 5.5 [S. 338]). Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Irak derzeit kein Interesse an der uneingeschränkten Wahrung seiner Passhoheit hat. Will die Schweiz jedoch die Passhoheit des Irak in Fällen wie dem vorliegenden respektieren und gleichzeitig die Grundrechte der Betroffenen wahren (vgl. BVGE 2014/23 E. 5.5 S. 337), so besteht die Möglichkeit, den Betroffenen den legalen Zugang zu dem Ort zu ermöglichen, wo der Irak seine Passhoheit für seine in der Schweiz lebenden und vorläufig aufgenommenen Staatsangehörigen tatsächlich ausübt.

5.2.4 Die Unmöglichkeit der Beschaffung von irakischen Reisepapieren - und damit die Schriftenlosigkeit - kann vorliegend somit nur bejaht werden, soweit es um die Reise nach Paris zur Beschaffung eines irakischen Reisepasses geht. Diese Reise macht jedoch erst dann Sinn, wenn die betroffene Person sämtliche für die Beantragung eines Reisepasses notwendigen Vorbereitungen getroffen hat. Diese bestehen zunächst aus der Beschaffung von Staatsangehörigkeitsurkunde und Identitätsnachweis, die der irakischen Botschaft in Bern zur Prüfung vorzulegen sind. Sodann wird ein Termin bei der Botschaft in Paris zur persönlichen Vorsprache zwecks Erfassung der biometrischen Daten und der Durchführung eines Interviews verabredet (vgl. BVGE 2014/23 E. 5.3.8).

5.2.5 Hieraus folgt, dass bei einem in der Schweiz vorläufig aufgenommenen Iraker erst dann die Unmöglichkeit der Beschaffung irakischer Reisepapiere anzunehmen ist, wenn er tatsächlich sämtliche Voraussetzungen für die Vorsprache bei der irakischen Botschaft in Paris erfüllt.

6.

6.1 Im vorliegenden Fall verfügt der Beschwerdeführer zwar über einen irakischen Identitätsausweis (vgl. Eingabe vom 11. Februar 2014). Jedoch ist er gemäss eigenen Angaben nicht im Besitz der ebenfalls erforderlichen Staatsangehörigkeitsurkunde (vgl. auch die Bestätigung der irakischen Botschaft vom 4. Februar 2014). Gemäss den Erkenntnissen der Vorinstanz und auch gemäss dem vom Beschwerdeführer eingereichten Schreiben der irakischen Botschaft in Bern vom 7. Mai 2014 kann dieses Dokument über die Botschaft in der Schweiz beschafft werden.

6.2 Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, dass dies nicht der Fall sei, versuche er doch seit geraumer Zeit vergebens, dieses Dokument erhältlich zu machen. Zudem habe die Botschaft bestätigt, dass nicht absehbar sei, wie lange die Beschaffung dauern würde. In dieser Hinsicht kann dem Beschwerdeführer nicht beigepflichtet werden. Die Gesuchstellung an sich ist ohne weiteres als zumutbarer Schritt zur Beschaffung eines heimatlichen Reisepapiers anzusehen. Da aus den Akten nicht klar wird, ob und falls ja, wann der Beschwerdeführer ein Gesuch um Ausstellung einer Staatsangehörigkeitsurkunde gestellt hat, kann zum heutigen Zeitpunkt (noch) nicht auf eine unzumutbar lange Wartezeit geschlossen werden.

7.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass vorliegend nicht von Unmöglichkeit der Beschaffung von heimatlichen Reisedokumenten im dargelegten Sinn auszugehen ist. Der Beschwerdeführer ist demzufolge nicht schriftenlos.

8.
Vor diesem Hintergrund ist der Entscheid der Vorinstanz, wie er sich aus der angefochtenen Verfügung und den nachfolgenden Stellungnahmen ergibt, im Ergebnis nicht zu beanstanden (vgl. Art. 49 VwVG). Die Beschwerde ist demzufolge abzuweisen.

9.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind dem Beschwerdeführer die Verfahrenskosten aufzuerlegen (vgl. Art. 63 Abs. 1 VwVG, Art. 1 ff
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 1 Verfahrenskosten
1    Die Kosten der Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (Gericht) setzen sich zusammen aus der Gerichtsgebühr und den Auslagen.
2    Mit der Gerichtsgebühr sind die Kosten für das Kopieren von Rechtsschriften und der für Dienstleistungen normalerweise anfallende Verwaltungsaufwand wie Personal-, Raum- und Materialkosten sowie Post-, Telefon- und Telefaxspesen abgegolten.
3    Auslagen sind insbesondere die Kosten für Übersetzungen und für die Beweiserhebung. Die Kosten für Übersetzungen werden nicht verrechnet, wenn es sich um Übersetzungen zwischen Amtssprachen handelt.
. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Sie sind durch den einbezahlten Kostenvorschuss gedeckt.

3.
Dieses Urteil geht an:

- den Beschwerdeführer (Einschreiben)

- die Vorinstanz (Beilagen: Akten Ref-Nr. [...]; Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 20. November 2014)

- das Amt für Migration des Kantons Basel-Landschaft
(Ref-Nr. [...])

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Ruth Beutler Barbara Kradolfer

Versand:
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : C-6096/2012
Datum : 06. Februar 2015
Publiziert : 20. Februar 2015
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Bürgerrecht und Ausländerrecht
Gegenstand : Reisedokumente für ausländische Personen


Gesetzesregister
AuG: 59  89
BGG: 83
RDV: 1  4  9  10  32
VGG: 31  37
VGKE: 1
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 1 Verfahrenskosten
1    Die Kosten der Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (Gericht) setzen sich zusammen aus der Gerichtsgebühr und den Auslagen.
2    Mit der Gerichtsgebühr sind die Kosten für das Kopieren von Rechtsschriften und der für Dienstleistungen normalerweise anfallende Verwaltungsaufwand wie Personal-, Raum- und Materialkosten sowie Post-, Telefon- und Telefaxspesen abgegolten.
3    Auslagen sind insbesondere die Kosten für Übersetzungen und für die Beweiserhebung. Die Kosten für Übersetzungen werden nicht verrechnet, wenn es sich um Übersetzungen zwischen Amtssprachen handelt.
VwVG: 5  48  49  50  52  62  63
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
akte • angewiesener • aufenthaltsbewilligung • ausweispapier • basel-landschaft • begründung des entscheids • beilage • beschwerde an das bundesverwaltungsgericht • betroffene person • bundesamt für migration • bundesgesetz über die ausländerinnen und ausländer • bundesverwaltungsgericht • dauer • einreise • eintragung • entscheid • ermessen • erwachsener • ethnie • frankreich • frist • gesuch an eine behörde • gesuchsteller • gewicht • heimatstaat • inkrafttreten • irak • jordanien • kantonale behörde • kopie • kostenvorschuss • prozessvertretung • reis • reisepapier • richterliche behörde • sachverhalt • schriftstück • schweizer bürgerrecht • stelle • termin • unentgeltliche rechtspflege • verfahrenskosten • verfassung • verwirkung • von amtes wegen • vorinstanz • vorlegung • vorläufige aufnahme • wartezeit • weiler • wiese • wille • zusicherung
BVGE
2014/23 • 2014/1
BVGer
C-1144/2011 • C-3392/2011 • C-5942/2011 • C-6096/2012 • C-6582/2012
AS
AS 2010/621