Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

8C 174/2023

Urteil vom 5. Oktober 2023

IV. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Métral,
Gerichtsschreiber Jancar.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Joël Naef,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Basel-Landschaft,
Hauptstrasse 109, 4102 Binningen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Arbeitsunfähigkeit; Invalideneinkommen; Invalidenrente),

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 20. Oktober 2022 (720 22 9 / 246).

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1968 geborene A.________ meldete sich am 20. Januar 2010 bei der IV-Stelle Basel-Landschaft zum Leistungsbezug an. Diese holte u.a. ein interdisziplinäres Gutachten der MEDAS Bern vom 13. Juni 2016 ein. Mit Verfügung vom 23. April 2019 sprach die IV-Stelle dem Versicherten vom 1. August 2014 bis 31. Mai 2015 eine ganze Invalidenrente zu.

A.b. Am 1. September 2020 meldete A.________ sich bei der IV-Stelle erneut zum Leistungsbezug an, die u.a. ein Gutachten des Psychiaters Dr. med. B.________ vom 2. Juli 2021 beizog. Mit Verfügung vom 1. Dezember 2021 verneinte sie wiederum den Rentenanspruch, da der Invaliditätsgrad bloss 20 % betrage.

B.
Hiergegen erhob A.________ beim Kantonsgericht Basel-Landschaft Beschwerde und reichte Berichte des behandelnden Psychiaters Dr. med. C.________ vom 25. Mai und 12. Oktober 2021 ein. Die IV-Stelle legte eine Stellungnahme der Psychiaterin Dr. med. D.________, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD) der IV-Stelle, vom 18. Januar 2022 auf. Mit Urteil vom 20. Oktober 2022 wies die Vorinstanz die Beschwerde ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, in Aufhebung des kantonalen Urteils seien ihm die ab 1. Februar 2021 gesetzlich geschuldeten Leistungen zuzusprechen, mindestens eine Viertelsrente. Eventuell sei die Sache zur Abklärung des Sachverhalts an die IV-Stelle oder Vorinstanz zurückzuweisen mit der Weisung, ein gastroenterologisches und evtl. ein psychiatrisches Gutachten einzuholen. Vor Bundesgericht sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
Das Bundesgericht verzichtet auf den Schriftenwechsel.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f . BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f . BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 , Art. 105 Abs. 2 BGG). Rechtsfrage ist, ob die rechtserheblichen Tatsachen vollständig festgestellt und ob der Untersuchungsgrundsatz bzw. die Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG beachtet wurden. Gleiches gilt für die Frage, ob die Anforderungen an den Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1) erfüllt wurden. Bei den aufgrund dieser Berichte getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand sowie zur Arbeitsfähigkeit und bei der konkreten Beweiswürdigung geht es um Sachverhaltsfragen (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 142 V 342, veröffentlicht in SVR 2016 IV Nr. 41 S. 131). Frei überprüfbare Rechtsfrage ist hingegen, ob und in welchem Umfang die ärztlichen Feststellungen anhand der Indikatoren nach BGE 141 V 281 auf Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen (BGE 141 V 281 E. 7).

2.
Streitig ist, ob die vorinstanzlich bestätigte Verneinung des Rentenanspruchs vor Bundesrecht standhält.

2.1. Am 1. Januar 2022 traten im Zuge der Weiterentwicklung der IV revidierte Bestimmungen im IVG (SR 831.20) sowie im ATSG (SR 830.1) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535), dies mitsamt entsprechendem Verordnungsrecht. Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verfügung erging vor dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (BGE 144 V 210 E. 4.3.1, 129 V 354 E. 1) sind daher die Bestimmungen des IVG und der IVV (SR 831.201) sowie des ATSG und der ATSV (SR 830.11) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung anwendbar (BGE 148 V 397 E. 3.2).

2.2. Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen und die Rechtsprechung betreffend die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit bei psychischen Erkrankungen (BGE 148 V 49 E. 6.2.2, 145 V 215 E. 5, 143 V 409 und 418, 141 V 281), die Voraussetzungen des Rentenanspruchs (Art. 28 IVG), die Bemessung der Invalidität nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) und den Beweiswert ärztlicher Berichte (E. 1 hiervor; BGE 125 V 351 E. 3a und b) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
In medizinischer Hinsicht erwog die Vorinstanz im Wesentlichen, die IV-Stelle habe bei der Beurteilung somatischerseits auf die Einschätzung des behandelnden Arztes Dr. med. E.________, Rheumatologie und Innere Medizin FMH vom 23. Dezember 2020 und in psychischer Hinsicht auf das Gutachten des Dr. med. B.________ vom 2. Juli 2021 abgestellt. Gestützt hierauf sei sie davon ausgegangen, dem Beschwerdeführer sei die angestammte Tätigkeit als Bauarbeiter nicht mehr zumutbar. In einer leidensangepassten leichten Tätigkeit ohne Arbeiten auf oder über Schulterhöhe, ohne Belastung der rechten Schulter und mit Zugang zu einer Toilette sei er aus somatischer und psychiatrischer Sicht zu jeweils 20 % in der Arbeitsfähigkeit eingeschränkt. Diese Einschränkungen wirkten nicht kumulativ. Insgesamt sei der Beschwerdeführer daher in einer angepassten Tätigkeit zu 80 % arbeitsfähig. Weiter begründete die Vorinstanz, weshalb die Einwände des Beschwerdeführers an diesem Ergebnis nichts zu ändern vermöchten.

4.
Umstritten ist als Erstes die psychische Problematik.

4.1. Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen, die Vorinstanz habe sich mit diversen Diagnosen und Befunden betreffend seinen psychischen Gesundheitsschaden, die vom Gutachter Dr. med. B.________ und vom behandelnden Psychiater Dr. med. C.________ divergent beurteilt worden seien, und mit seiner Kritik, Dr. med. B.________ habe zu diversen Ausführungen des Dr. med. C.________ nicht Stellung genommen, nicht auseinandergesetzt. Gleiches gelte hinsichtlich des Widerspruchs, dass Dr. med. B.________ die chronische Schmerzstörung als Diagnose ohne Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit angeführt, gleichzeitig aber angegeben habe, er sei durch diese in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Somit habe die Vorinstanz den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

4.2.

4.2.1. Im Rahmen der aus dem Gehörsanspruch nach Art. 29 Abs. 2 BV fliessenden Begründungspflicht ist es nicht erforderlich, dass sich die Behörde mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich die betroffene Person über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiter ziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 148 III 30 E. 3.1).

4.2.2. Die Vorinstanz begründete, weshalb in psychischer Hinsicht auf das Gutachten des Dr. med. B.________ vom 2. Juli 2021 abzustellen sei. Sie nahm auch zu den Einwänden des Dr. med. C.________ Stellung. Insgesamt kam sie ihrer Begründungspflicht hinreichend nach. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf und es ist nicht ersichtlich, dass das vorinstanzliche Urteil - auch in anderer Hinsicht - infolge einer ungenügenden Begründung nicht sachgerecht anfechtbar gewesen wäre (vgl. SVR 2021 ALV Nr. 13 S. 46, 8C 56/2021 E. 5.2; Urteil 8C 715/2022 vom 8. März 2023 E. 4.2 mit Hinweis).

5.

5.1. Der Beschwerdeführer macht weiter im Wesentlichen geltend, das Gutachten des Dr. med. B.________ vom 2. Juli 2021 sei unvollständig und nicht schlüssig (vgl. seine bereits in E. 4.1 angeführten Kritikpunkte bezüglich dieses Gutachtens). Demgegenüber seien - so der Beschwerdeführer weiter - die Berichte des Dr. med. C.________ und die darin gezogenen Schlüsse nachvollziehbar und überzeugend. Dr. med. C.________ habe (im Bericht vom 23. August 2021) eine rezidivierende depressive Störung, aktuell mittel- bis schwergradige Episode mit paranoiden Symptomen (ICD-10 F33.1/F33.3), eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.40) und akzentuierte Persönlichkeitszüge (ICD-10 Z273.1) diagnostiziert. Das von ihm aufgezeigte Beschwerdebild lasse sich sehr gut mit diesen Diagnosen in Einklang bringen. Ein Beleg dafür sei auch die seit Jahren erfolgende antidepressive Medikation. Zu den akzentuierten Persönlichkeitszügen habe sich Dr. med. B.________ überhaupt nicht geäussert. Gestützt auf die Einschätzung des Dr. med. C.________ (vom 23. August 2021) sei von einer 80%igen Arbeitsunfähigkeit in der angestammten und in einer leidensangepassten Tätigkeit auszugehen.

5.2. Vorab ist festzuhalten, dass es in der Invalidenversicherung für die Bestimmung des Rentenanspruchs letztlich grundsätzlich unabhängig von der diagnostischen Einordnung eines Leidens und unbesehen der Ätiologie ausschlaggebend ist, ob und in welchem Ausmass eine Beeinträchtigung der Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit vorliegt (vgl. BGE 148 V 49 E. 6.2.2, 143 V 409 E. 4.2.1 f.)

5.3.

5.3.1. Im Weiteren lässt es die unterschiedliche Natur von Behandlungsauftrag des therapeutisch tätigen (Fach-) Arztes einerseits und Begutachtungsauftrag des amtlich bestellten fachmedizinischen Experten anderseits (BGE 124 I 170 E. 4) nicht zu, ein Administrativgutachten stets in Frage zu stellen und zum Anlass weiterer Abklärungen zu nehmen, wenn behandelnde Ärzte zu anderslautenden Einschätzungen gelangen. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen sich eine abweichende Beurteilung aufdrängt, weil diese wichtige Aspekte benennen, die bei der Begutachtung unerkannt oder -gewürdigt geblieben sind (nicht publ. E. 6.2 des Urteil BGE 142 V 342, veröffentlicht in SVR 2016 IV Nr. 41 S. 131; SVR 2023 IV Nr. 17 S. 57, 8C 150/2022 E. 12.3; Urteil 8C 73/2023 vom 28. Juni 2023 E. 8.2.2).
Dr. med. B.________ setzte sich im Gutachten vom 2. Juli 2021 mit dem Bericht des Dr. med. C.________ vom 3. November 2020, worin dieser bereits von einer 80%igen Arbeitsunfähigkeit ausging, auseinander. Dass er wichtige, von Dr. med. C.________ festgestellte Aspekte nicht erkannt hätte, ist nicht ersichtlich. Solche ergeben sich auch nicht aus den nachträglichen Berichten des Dr. med. C.________ vom 25. Mai, 23. August und 12. Oktober 2021.

5.3.2. Weiter stellte die Vorinstanz insbesondere richtig fest, dass Dr. med. B.________ die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers rechtsgenüglich anhand der massgebenden Standardindikatoren nach BGE 141 V 281 E. 4.1.3 prüfte. Sie erachtete die aus dieser Indikatorenprüfung resultierende Arbeitsfähigkeit als schlüssig (hierzu vgl. auch Urteil 8C 295/2022 vom 21. Dezember 2022 E. 9.2.2 mit Hinweis). Der Beschwerdeführer bringt keine Einwände vor, welche die gutachterliche Indikatorenprüfung in tatsächlicher Hinsicht als offensichtlich unrichtig, willkürlich oder anderweitig als bundesrechtswidrig erscheinen liessen (vgl. auch Urteil 8C 715/2022 vom 8. März 2023 E. 6.3).

5.3.3. Zudem ist zu beachten, dass die RAD-Psychiaterin Dr. med. D.________ mit Stellungnahmen vom 19. Oktober 2021 und 18. Januar 2022 das Gutachten des Dr. med. B.________ vom 2. Juli 2021 als voll beweiswertig qualifizierte. In diesem Rahmen setzte sie sich auch mit den Berichten des Dr. med. C.________ vom 25. Mai, 23. August und 12. Oktober 2021 auseinander (zur Aufgabe des RAD, die funktionelle Leistungsfähigkeit der versicherten Person zu beurteilen, vgl. Art. 59 Abs. 2 und 2 bis IVG, Art. 49 IVV, in den bis 31. Dezember 2021 geltenden Fassungen; BGE 137 V 210 E. 1.2.1, 135 V 254 E. 3.3.2; Urteil 9C 389/2022 vom 3. Mai 2023 E. 5.2.1). Diese überzeugenden Beurteilungen der RAD-Ärztin bestreitet der Beschwerdeführer nicht bzw. nimmt darauf überhaupt nicht Bezug.

5.4. Nach dem Gesagten ist nicht ersichtlich, inwiefern konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit des Gutachtens des Dr. med. B.________ vom 2. Juli 2021 sprächen (vgl. BGE 137 V 210 E. 1.3.4). Somit ist darauf abzustellen (vgl. auch E. 8.1 hiernach).

6.
Umstritten ist weiter, ob die Nichtanordnung einer gastroenterologischen Untersuchung bundesrechtswidrig ist.

6.1.

6.1.1. Die Vorinstanz erwog, der Rheumatologe Dr. med. E.________, der auch einen Facharzttitel in Allgemeinmedizin aufweise, habe im Bericht vom 23. Dezember 2020 die Diagnose der chronischen Diarrhoe gestellt und beim Zumutbarkeitsprofil berücksichtigt. Diese Diagnose sei überdies bereits im MEDAS-Gutachten vom 13. Juni 2016 gestellt und bei der Arbeitsfähigkeit beachtet worden. Eine weitergehende Abklärung sei deshalb nicht nötig, zumal in den Akten diesbezüglich ein lückenloser Befund und unbestrittene Diagnosen vorlägen und sich der Beschwerdeführer - wie Dr. med. D.________ in der Stellungnahme vom 18. Januar 2022 festgehalten habe - seit Längerem nicht mehr in gastroenterologischer Behandlung befunden habe.

6.1.2. Der Beschwerdeführer wendet im Wesentlichen ein, Dr. med. E.________ habe sich bloss zur Einschränkung der Arbeitsunfähigkeit aus rheumatologischer Sicht geäussert. Hieran ändere nichts, dass er auch Allgemeinmediziner sei. Die letzte Beurteilung seiner Arbeitsfähigkeit aufgrund der Diarrhoe sei im MEDAS-Gutachten vom 13. Juni 2016 erfolgt. Vorinstanzlich habe er dargelegt, weshalb diese Einschätzung nicht überzeugt habe, womit sich die Vorinstanz in Verletzung des Gehörsanspruchs nicht auseinandergesetzt habe. Zudem habe er glaubhaft eine seitherige Verschlechterung seines diesbezüglichen Gesundheitszustands geltend gemacht. Namentlich führe der Gallensäurebinder Quantalen nicht mehr zu einer Besserung der Beschwerden, und die Durchfälle hätten in letzter Zeit zugenommen. Auch hierzu habe sich die Vorinstanz nicht geäussert. Dass er sich schon seit Längerem nicht in gastroenterologischer Untersuchung befunden habe, habe mit seinem Misstrauen gegen Mediziner und dem Umstand zu tun, dass es trotz Einnahme von Quantalen zu einer Verschlechterung gekommen sei.

6.2.

6.2.1. Zu den Einwänden des Beschwerdeführers gegen das MEDAS-Gutachten vom 13. Juni 2016 äusserte sich die Vorinstanz zwar nicht. Indessen kann das Bundesgericht das Aktenstück selber würdigen (Art. 105 Abs. 2 BGG; Urteil 8C 209/2017 vom14. Juli 2017 E. 5.2.2 mit Hinweisen). Laut diesem Gutachten war der Beschwerdeführer aus gastroenterologischer Sicht in einer leidensangepassten Tätigkeit mit der Möglichkeit eines schnellen Toilettenzugangs zu 100 % arbeitsfähig.
Dieses Gutachten wurde im Rahmen der unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Verfügung der IV-Stelle vom 23. April 2019 als beweiswertig bestätigt. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf und es ist auch nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen für eine Revision oder Wiedererwägung dieser Verfügung (Art. 53 Abs. 1 und 2 ATSG) bzw. für eine Infragestellung des MEDAS-Gutachtens vom 13. Juni 2016 erfüllt wären.

6.2.2. Anhaltspunkte für eine seitherige Verschlechterung des Gesundheitszustandes bzw. der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers aufgrund der Diarrhoe liegen aufgrund der Akten nicht vor. Insbesondere nennt er keine Arztberichte, die einen gegenteiligen Schluss zuliessen. Es erscheint mithin im Ergebnis nicht als bundesrechtswidrig, wenn die Vorinstanz gestützt auf die Einschätzung des Dr. med. E.________ vom 23. Dezember 2020 weiterhin davon ausging, hinsichtlich der Diarrhoe bestehe insofern eine Einschränkung, als der Beschwerdeführer eine Toilette in der Nähe brauche.
Gestützt auf diese Aktenlage erübrigen sich Ausführungen zur Frage, ob die Vorinstanz hinsichtlich der geltend gemachten Verschlechterung der Diarrhoe-Problematik die Begründungspflicht verletzte. Insbesondere würde eine Rückweisung an sie zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse des Beschwerdeführers an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren sind (vgl. BGE 133 I 201 E. 2.2; Urteil 8C 674/2022 vom 15. Mai 2023 E. 7.4).

7.
Umstritten ist weiter, ob die somatisch und psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeiten zu addieren sind (vgl. E. 3 hiervor).

7.1. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, weder dem Bericht des Dr. med. E.________ vom 23. Dezember 20201 noch dem Gutachten des Dr. med. B.________ vom 2. Juli 2021 lasse sich ein Wort zur Einschränkung der Arbeitsfähigkeit aufgrund erhöhtem Erholungsbedarf oder erhöhter Erschöpfbarkeit entnehmen. Dr. med. E.________ habe sich nur zur rheumatologischen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit geäussert, die er, abstrahiert vom psychisch überlagerten Schmerzempfinden, auf 20 % festgesetzt habe. Dagegen habe Dr. med. B.________ die 20%ige Einschränkung rein auf psychische Gründe zurückgeführt. Entgegen der Behauptung der Vorinstanz könne keine Rede davon sein, die somatisch und psychisch bedingten Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit gingen ineinander auf. Vielmehr seien sie zu addieren, was eine Arbeitsunfähigkeit von 40 % ergebe.

7.2. Diesbezüglich ist der Sachverhalt anhand der Akten insbesondere dahingehend zu ergänzen (vgl. Art. 105 Abs. 2 BGG; Urteil 8C 737/2022 vom 10. März 2023 E. 7.2.2 mit Hinweis), dass die RAD-Psychiaterin Dr. med. D.________ in der Stellungnahme vom 18. Januar 2022 zum Schluss kam, die psychisch bedingte 20%ige Arbeitsunfähigkeit überlappe mit derjenigen von 20 % aus somatischen Gründen. Es liege keine additive Wirkung vor. Diese Stellungnahme bemängelt der Beschwerdeführer nicht. In diesem Lichte erscheint das gleichlautende vorinstanzliche Ergebnis nicht als bundesrechtswidrig (vgl. E. 5.3.3 hiervor und E. 8.1 hiernach).

8.

8.1. Zusammenfassend gibt der Beschwerdeführer im Wesentlichen die eigene Sicht wieder, wie die medizinischen Akten zu würdigen und welche Schlüsse daraus zu ziehen seien. Dies genügt nicht, um das angefochtene Urteil in Frage zu stellen (BGE 143 V 208 E. 6.3.2). Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf und es ist nicht ersichtlich, inwiefern die nach Würdigung der Beweise ergangene vorinstanzliche Beurteilung, wonach er in einer leidensangepassten Tätigkeit zu 20 % in der Arbeitsfähigkeit eingeschränkt sei (vgl. E. 3 hiervor), sachverhaltlich offensichtlich unrichtig, unvollständig oder sonstwie bundesrechtswidrig sein soll (vgl. nicht publ. E. 6.3 des Urteils BGE 141 V 25, veröffentlicht in SVR 2015 KV Nr. 8 S. 29; Urteil 8C 381/2022 vom 27. Dezember 2022 E. 10.1).

8.2. Da von weiteren medizinischen Abklärungen nach willkürfreier Einschätzung keine entscheidrelevanten Resultate zu erwarten waren, durfte die Vorinstanz davon absehen. Dies verstösst weder gegen den Untersuchungsgrundsatz noch gegen die Ansprüche auf freie Beweiswürdigung sowie Beweisabnahme (Art. 61 lit. c ATSG) und rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; antizipierte Beweiswürdigung; BGE 144 V 361 E. 6.5; Urteil 8C 674/2022 vom 15. Mai 2023 E. 8).

9.
Strittig ist weiter die beruflich-erwerbliche Seite der Invaliditätsbemessung (Art. 16 ATSG; zur diesbezüglichen bundesgerichtlichen Kognition siehe BGE 132 V 393 E. 3.3).
In diesem Rahmen unbestritten ist das vom Beschwerdeführer im Gesundheitsfall hypothetisch erzielbare Valideneinkommen, das die Vorinstanz der IV-Stelle folgend auf Fr. 67'767.- festsetzte. Hiermit hat es somit sein Bewenden.

10.
Umstritten ist die Bemessung des vom Beschwerdeführer trotz Gesundheitsschadens hypothetisch erzielbaren Invalideneinkommens (hierzu vgl. BGE 148 V 174).

10.1. Die Vorinstanz bestätigte die Berechnung der IV-Stelle. Diese ermittelte das Invalideneinkommen ausgehend von der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) des Jahres 2018. Sie berücksichtige dabei den Lohn für Männer gemäss Tabelle TA1, Total, Kompetenzniveau 1 (einfache Tätigkeiten körperlicher oder handwerklicher Art), was jährlich Fr. 54'214.- ergab.

10.2. Diesbezüglich ist einzig strittig, ob die vorinstanzliche Nichtgewährung eines Abzugs beim Invalideneinkommen bundesrechtswidrig ist.
Mit dem Abzug vom anhand statistischer Lohndaten ermittelten Invalideneinkommen soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können und die versicherte Person je nach Ausprägung deswegen die verbliebene Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann. Der Abzug soll aber nicht automatisch erfolgen. Er ist unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen und darf 25 % nicht übersteigen (BGE 148 V 174 E. 6.3). Ob ein behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen ist, ist eine frei überprüfbare Rechtsfrage (BGE 148 V 174 E. 6.5).

10.3. Der Beschwerdeführer verlangt einen leidensbedingten Abzug wegen seiner durch die Diarrhoe bedingten Durchfälle, die zu einem überdurchschnittlichen Pausenbedarf führten. Dies sei auch bei einer leichten Tätigkeit nicht mit üblichen Betriebsabläufen vereinbar.
Diesbezüglich ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Diarrhoe eine Toilette in der Nähe seines Arbeitsplatzes braucht (vgl. E. 6.2.2 hiervor). Er zeigt indessen nicht auf und es ist nicht ersichtlich, dass die Diarrhoe-Problematik zusätzlich zu der bereits festgestellten 20%igen Leistungseinschränkung zu berücksichtigen wäre (siehe E. 3 und 8.1 hiervor). Ein Abzug vom Tabellenlohn aufgrund der gastroenterologischen Einschränkungen ist somit nicht angezeigt. Auch in diesem Punkt ist das angefochtene Urteil nicht bundesrechtswidrig.

10.4. Der Beschwerdeführer fordert einen Abzug wegen Teilzeitarbeit. Er ist in einer leidensangepassten Tätigkeit zu 80 % arbeitsfähig (vgl. E. 3. und E. 8.1 hiervor). Hierzu ist festzuhalten, dass der standardisierte Median-Bruttolohn von Männern ohne Kaderfunktion mit einem Teilzeitpensum von 75 bis 89 % gemäss Tabelle T18 der LSE 2018 im Vergleich zu einem Vollpensum (ab 90 %) sogar um 5 % höher liegt (vgl. Urteil 9C 49/2023 vom 30. März 2023 E. 7.4.2 mit Hinweis). In dieser Hinsicht ist ein Abzug somit ebenfalls nicht gerechtfertigt.

10.5. Schliesslich erachtet der Beschwerdeführer einen Abzug wegen seiner ausländischen Herkunft (Kosovo) und seinem ausländerrechtlichen Status als gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer lebt seit 1989 in der Schweiz und besitzt die Niederlassungsbewilligung. Männer ohne Kaderfunktion mit einer solchen Bewilligung erzielen gemäss LSE-Tabelle TA12 der LSE 2018 im Vergleich zum Gesamtdurchschnitt ein um rund 5 % tieferes Einkommen (SVR 2023 IV Nr. 18 S. 63, 8C 332/2022 E. 5.2.2). Bei Veranschlagung eines entsprechenden Abzugs ergibt sich ein Invalideneinkommen von Fr. 51'503.- (Fr. 54'214.- : 100 x 95). Dies ändert aber nichts daran, dass verglichen mit dem Valideneinkommen von Fr. 67'767.- ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von gerundet 24 % resultiert (zur Rundung vgl. BGE 130 V 121).

11.
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist stattzugeben (Art. 64 Abs. 1 f . BGG). Es wird aber ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach er der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn er später dazu in der Lage ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Advokat Joël Naef wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4.
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 5. Oktober 2023

Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Jancar
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 8C_174/2023
Date : 05. Oktober 2023
Published : 25. Oktober 2023
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Invalidenversicherung
Subject : Invalidenversicherung (Arbeitsunfähigkeit; Invalideneinkommen; Invalidenrente)


Legislation register
ATSG: 7  8  16  53  61
BGG: 42  64  66  95  97  105  106
BV: 29
IVG: 28  59
IVV: 49
BGE-register
124-I-170 • 125-V-351 • 129-V-354 • 130-V-121 • 132-V-393 • 133-I-201 • 134-V-231 • 135-V-254 • 137-V-210 • 141-V-25 • 141-V-281 • 142-V-342 • 143-V-208 • 143-V-409 • 144-V-210 • 144-V-361 • 145-V-215 • 145-V-57 • 148-III-30 • 148-V-174 • 148-V-397 • 148-V-49
Weitere Urteile ab 2000
8C_150/2022 • 8C_174/2023 • 8C_209/2017 • 8C_295/2022 • 8C_332/2022 • 8C_381/2022 • 8C_56/2021 • 8C_674/2022 • 8C_715/2022 • 8C_73/2023 • 8C_737/2022 • 9C_389/2022 • 9C_49/2023
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AS 2021/705
BBl
2017/2535