Tribunal federal
{T 0/2}
6B 183/2007 /bri
Urteil vom 5. September 2007
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Mathys,
Gerichtsschreiber Borner.
Parteien
G.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Jörg Frei,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen.
Gegenstand
Verfahrensentschädigung und Kosten,
Beschwerde in Strafsachen gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 7. Februar 2007.
Sachverhalt:
A.
Das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen bewilligte am 31. März 2006 in einem Verfahren, in welchem eine Busse von Fr. 4'000.-- in drei Monate Haft umgewandelt werden sollte, ein Gesuch um Gewährung der amtlichen Verteidigung. Es bestimmte G.________ als amtlichen Rechtsbeistand.
B.
Das Kreisgericht St. Gallen wies am 17. August 2006 den Antrag auf Umwandlung der Busse in Haft ab und entschädigte den amtlichen Verteidiger, der eine Kostennote über Fr. 5'017.35 eingereicht hatte, mit Fr. 2'014.25 (inkl. Barauslagen und MWSt).
Das Kantonsgericht St. Gallen hiess am 7. Februar 2007 eine Kostenbeschwerde von G.________ teilweise gut und setzte die Entschädigung für das Bussenumwandlungsverfahren auf Fr. 3'021.40 fest.
C.
G.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) in Kraft getreten. Der angefochtene Entscheid erging nach dem 1. Januar 2007. Gemäss Art. 132 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 132 Übergangsbestimmungen - 1 Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist. |
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1 | Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist. |
2 | ...118 |
3 | Die Amtsdauer der ordentlichen und nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen, die gestützt auf das Bundesrechtspflegegesetz vom 16. Dezember 1943119 oder den Bundesbeschluss vom 23. März 1984120 über die Erhöhung der Zahl der nebenamtlichen Richter des Bundesgerichts gewählt worden sind oder die in den Jahren 2007 und 2008 gewählt werden, endet am 31. Dezember 2008.121 |
4 | Die zahlenmässige Begrenzung der nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen gemäss Artikel 1 Absatz 4 gilt erst ab 2009.122 |
2.
Dem Verfahren, ob die Entschädigung für die unentgeltliche Verbeiständung rechtmässig bemessen wurde, liegt ein Strafurteil (Anwendung des Strafgesetzbuches) zugrunde. Es handelt sich folglich um eine Strafsache im Sinne von Art. 78 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 78 Grundsatz - 1 Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen. |
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1 | Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen. |
2 | Der Beschwerde in Strafsachen unterliegen auch Entscheide über: |
a | Zivilansprüche, wenn diese zusammen mit der Strafsache zu behandeln sind; |
b | den Vollzug von Strafen und Massnahmen. |
Da der Entscheid des Kantonsgerichts im Kanton letztinstanzlich ist und der Beschwerdeführer vor Vorinstanz Parteistellung hatte, sind auch die Eintretensvoraussetzungen der Art. 80 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 80 Vorinstanzen - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.48 |
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1 | Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.48 |
2 | Die Kantone setzen als letzte kantonale Instanzen obere Gerichte ein. Diese entscheiden als Rechtsmittelinstanzen. Ausgenommen sind die Fälle, in denen nach der Strafprozessordnung vom 5. Oktober 200749 (StPO) ein Zwangsmassnahmegericht oder ein anderes Gericht als einzige kantonale Instanz entscheidet.50 |
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 81 Beschwerderecht - 1 Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer: |
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1 | Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer: |
a | vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und |
b | ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere: |
b1 | die beschuldigte Person, |
b2 | ihr gesetzlicher Vertreter oder ihre gesetzliche Vertreterin, |
b3 | die Staatsanwaltschaft, ausser bei Entscheiden über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft, |
b4 | ... |
b5 | die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann, |
b6 | die Person, die den Strafantrag stellt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht, |
b7 | die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung in Verwaltungsstrafsachen nach dem Bundesgesetz vom 22. März 197455 über das Verwaltungsstrafrecht. |
2 | Eine Bundesbehörde ist zur Beschwerde berechtigt, wenn das Bundesrecht vorsieht, dass ihr der Entscheid mitzuteilen ist.56 |
3 | Gegen Entscheide nach Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b steht das Beschwerderecht auch der Bundeskanzlei, den Departementen des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, den ihnen unterstellten Dienststellen zu, wenn der angefochtene Entscheid die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann. |
Auf die im Übrigen frist- und formgerechte Beschwerde in Strafsachen ist somit grundsätzlich einzutreten.
3.
Das Anwaltsgesetz des Kantons St. Gallen (AnwG; sGS 963.70) bestimmt in Art. 31:
- Das Honorar bemisst sich nach Art und Umfang der Bemühungen, nach der Schwierigkeit des Falles und nach dem Streitwert (Abs. 1).
- Das Honorar nach Abs. 1 dieser Bestimmung wird bei unentgeltlicher Prozessführung oder amtlicher Verteidigung um einen Fünftel herabgesetzt (Abs. 3).
Gestützt auf letztere Bestimmung kürzte die Vorinstanz den Honoraranspruch des Beschwerdeführers um 20 %.
3.1 Dieser macht geltend, die vorinstanzliche Praxis führe dazu, dass bei vollständigem Obsiegen ein privater Verteidiger vom Staat grundsätzlich 100 % seiner Kosten ersetzt erhalte, ein amtlicher in derselben Situation aber nur 80 %. Für diese Ungleichbehandlung seien keine sachlichen Gründe ersichtlich, was eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. |
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1 | Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. |
2 | Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. |
3 | Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. |
4 | Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
3.2 Private und amtliche Verteidiger sind in der Regel gleich qualifiziert. Es ist auch davon auszugehen, dass sie ihre Arbeit gewissenhaft verrichten. Vergleicht man lediglich die Qualifikation und den Arbeitseinsatz eines privaten und eines amtlichen Verteidigers, dürfte nach der Logik des Beschwerdeführers das Honorar eines amtlichen Rechtsbeistands auch nicht gekürzt werden, wenn sein Mandant im Verfahren vollständig unterliegt, weil er auch bei einem solchen Verfahrensausgang eine vollwertige Leistung erbracht hat. Dass die niedrigere Entschädigung amtlicher Verteidiger vor der Verfassung nicht standhalte, rügt der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich. In BGE 132 I 201 wird ausführlich dargelegt, wie sich die Entschädigung für amtliche Verteidigung in den Kantonen entwickelt hat und welche Minimalansätze die kantonalen Regelungen erfüllen müssen, damit sie der Bundesverfassung gerecht werden.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist der amtliche Verteidiger bei einem vollständigen Obsiegen nicht zu entschädigen, weil die verteidigte Person zu Unrecht angeklagt worden ist, sondern weil er eines Verteidigers bedurfte. Im gegenteiligen Fall des Unterliegens ist er nämlich ebenfalls zu entschädigen, obwohl sein Mandant zu Recht angeklagt worden ist. Rechtsgrundlage für die Entschädigung ist in beiden Fällen das öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen dem Kanton und dem von ihm ernannten amtlichen Verteidiger. Inwiefern dieses öffentlich-rechtliche Verhältnis in ein privates zwischen dem amtlichen Verteidiger und dessen Mandanten umgewandelt werden könnte, sobald dieser obsiegt, legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht ersichtlich.
Weil aber diese beiden Rechtsverhältnisse nicht vergleichbar sind, ist die Rüge des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe den Gleichheitssatz verletzt, unbegründet.
4.
Der Beschwerdeführer verweist auf BGE 121 I 113, um seine Verfassungsrügen zu stützen. Da er sich mit der vorinstanzlichen Begründung - die sich ausdrücklich zu diesem Entscheid äussert und darlegt, dass die Rechtslage im Kanton St. Gallen eine andere ist - nicht auseinandersetzt, ist darauf nicht einzutreten.
Unbehelflich ist aus den nämlichen Gründen der Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts 5P.421/2000 vom 10. Januar 2001. Ohne substantierte Auseinandersetzung mit dem massgebenden kantonalen Recht lässt sich eine Verfassungsrüge nicht begründen.
Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoss gegen Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
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1 | Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
2 | Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör. |
3 | Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. |
5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Folglich hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
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1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde in Strafsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 5. September 2007
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: